‟Konstruktion der Gegenwart” ist, im Anschluss an Walter Benjamin, ‟die eigentliche Aufgabe eines Historikers”, der nicht mehr der Illusion verfallen sein sollte, darzustellen, wie es denn wirklich gewesen sei. Wobei das ‟wirklich” nach aktuellem Verstehen mehrere Fragen auslöst, deren Beantwortung sich diverse Autoren zur Aufgabe ihres literarischen Schaffens gemacht haben. Zum einen stellt sich die Frage nach einer mimetisch abbildbaren Wirklichkeit, wenn es, innerhalb einer postmodernen Perspektive, kein großes einheitliches Ganzes mit absolutem Wahrheitsgehalt mehr gibt, das abgebildet bzw. erzählt werden kann. Aus philosophischer Sicht spricht Lyotard, zum Beispiel, vom Ende der großen Erzählung, die eine allumfassende Wahrheit wiedergibt, und die nun von vielen kleinen Erzählungen abgelöst wurde. Zum anderen stellt sich die Frage nach Fiktionalität und Realität und wo sich, im Bezug auf den historischen Roman, zwischen beiden die Grenze befindet. Dieses Problem ist nach Meinung des Historikers Hayden White obsolet, da ‟Geschichte in der gleichen Weise sinnvoll gemacht wird, wie der Dichter oder der Romanautor dies versuchen”. Es spielt demnach kaum eine Rolle, inwiefern die Welt als ‟real oder lediglich vorgestellt verstanden wird; die Art der Sinnstiftung ist die gleiche”. In Verbindung mit dieser Entgrenzung des Geschichtsbegriffs und den Theorien des Postkolonialismus, die z.B. das Schreiben als einen Prozess, um des Schreibens Willen betrachten oder auch die Problematik der Andersheit untersuchen, kann die ‟historiographische Ereignisdarstellung” geschichtlicher Texte als Konstruktion entlarvt werden. So stellt sich hier nicht die Frage nach dem ob, sondern wie Texte narrative Mittel und Verfahren benutzen, um Geschichte zu schreiben bzw. zu erzeugen. Für eines dieser Vertextungsverfahren, das eng mit Fragen der neueren Geschichtsphilosophie und Geschichtsschreibung verbunden ist, haben René Ceballos und Alfonso de Toro den Begriff transversalhistorisch geprägt. Im Folgenden soll dieses Verfahren aufgrund seiner Charakteristik untersucht und auf den Roman El largo atardecer del caminante, des argentinischen Autoren Abel Posse angewandt werden. Dazu wird ein einleitender Exkurs das diachron wandelbare Verständnis von Historiographie sowie das Verhältnis zwischen narrativ fiktionalen und historischen Texten beleuchten, bevor einige Theorien der neuen Geschichtsschreibung mit den Ideen der Postmoderne und Postkolonialität verbunden werden.
Inhaltsverzeichnis
- Charakteristik
- Einleitung
- Exkurs in das historische Denken: Was ist Geschichte?
- Geschichte im 18./19. Jahrhundert
- Geschichte(n) im 20./21. Jahrhundert
- Die Schule der Annales
- Hayden White
- Geschicht(en)schreibung im postmodernen Kontext
- Der transversalhistorische Roman
- nueva novela histórica oder transversalhistorisch
- El largo atardecer del caminante von Abel Posse
- Biographische Daten
- Die (Sub)Versionen des Cabeza de Vaca
- Romananalyse
- Die Macht der Sprache: Worüber man nicht reden kann
- Der implizite Leser im Zeitlabyrinth
- Nacktheit, Körper, Adler als Leitmotive auf dem Weg des transversalen Wanderers
- Das Verhältnis zwischen Historie und Fiktion im postmodernen Kontext
- Die Verwendung von narrativen Mitteln zur Konstruktion von Geschichte
- Die Rolle der Sprache und des impliziten Lesers im transversalhistorischen Roman
- Leitmotive und Symbole als Mittel der Vermittlung historischer Inhalte
- Einleitung: Die Einleitung stellt die Problematik des Verhältnisses zwischen Geschichte und Fiktion in der postmodernen Literatur dar und führt den Begriff des transversalhistorischen Romans ein.
- Exkurs in das historische Denken: Was ist Geschichte?: Dieser Abschnitt beleuchtet die Entwicklung des Geschichtsbegriffs vom 18. bis ins 21. Jahrhundert und stellt den Einfluss von postmodernen und postkolonialen Theorien auf die Geschichtsschreibung dar.
- Der transversalhistorische Roman: Dieser Abschnitt definiert den transversalhistorischen Roman und seine Merkmale sowie seine Verbindung zu den neuen Geschichtsphilosophien.
- El largo atardecer del caminante von Abel Posse: Dieses Kapitel stellt den Roman und seinen Autor vor und analysiert die (Sub)Versionen des Cabeza de Vaca als zentraler Protagonist des Romans.
- Romananalyse: Hier werden die narrativen Strategien des Romans untersucht, mit Fokus auf die Rolle der Sprache, den impliziten Leser und die Verwendung von Leitmotiven.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht den transversalhistorischen Roman am Beispiel von Abel Posses „El largo atardecer del caminante“. Sie zielt darauf ab, das Konzept des transversalhistorischen Romans zu erforschen und seine Anwendung in der Literatur zu analysieren.
Zusammenfassung der Kapitel
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Themen transversalhistorischer Roman, Postmoderne, Postkolonialismus, Geschichte, Fiktion, Narratologie, Sprache, impliziter Leser, Leitmotive, El largo atardecer del caminante, Abel Posse, Cabeza de Vaca.
- Arbeit zitieren
- Simone Rost (Autor:in), 2010, Die Reise zur anderen Geschichte. Der transversalhistorische Roman am Beispiel von Abel Posses "El largo atardecer del caminante", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/166159