Am 23. Juni 2000 unterzeichneten die Europäische Union (EU) und Staaten aus Afrika, der Karibik und dem Pazifik (AKP) ein neues handels- und entwicklungspolitisches Kooperationsabkommen: das Partnerschaftsabkommen von Cotonou. Die nach ihrem Unterzeichnungsort im westafrikanischen Benin benannte Vereinbarung steht für den erklärten politischen Willen, die Wahrung vertragspolitischer Kontinuität mit tiefgreifenden und unumgänglichen Neuerungen zu verbinden. Sie tritt damit an die Stelle der im Februar 2000 ausgelaufenen Lomé-Konvention, die über 25 Jahre die Entwicklungszusammenarbeit zwischen der EU und den Entwicklungsländern des Südens bestimmt hat. In den letzten Jahrzehnten mit immer weiterreichenden Kompetenzen und Befugnissen ausgestattet, hat sich die EU längst von ihrer ursprünglichen Rolle als reine Wirtschaftsgemeinschaft verabschiedet und ist zu einem international handelnden Akteur avanciert, der sich an Prozessen zur Beilegung globaler Probleme beteiligt. Was den afrikanischen Kontinent betrifft, so gerät aber fast ausschließlich die handels- und entwicklungspolitische Zusammenarbeit in die öffentliche Aufmerksamkeit: Bis Ende Juni 2008 wollten die EU auf der einen und die afrikanischen Staaten auf der anderen Seite sog. EPAs unter Dach und Fach bringen. Die Handelskooperation kommt allerdings nicht voran, da WTO-Beschlüsse zur Liberalisierung und entsprechende Maßnahmen seitens der EU zu Verstimmungen auf afrikanischer Seite führen: Kleinbauern befürchten den Zusammenbruch lokaler Produktionszweige, ein Sinken der Ernährungssouveränität sowie eine noch stärkere Abhängigkeit von Europa. Gleichzeitig fordern afrikanische Länder eine Aufhebung der Subventionen für die europäische Landwirtschaft und der Exportsubventionen für Agrarprodukte. Insgesamt betrachtet geben die Vertragsbedingungen der EPAs Anlass zu der Befürchtung, dass sich die Situation der betroffenen Staaten nicht verbessern, sondern erheblich verschlechtern wird.
Die These dieser Arbeit ist folglich, dass aus dem Verständnis der EU als ein »global player« eine Erwartungshaltung erwachsen ist, der die europäische Handels- und Entwicklungspolitik (inklusive handelsrelevanter Bereiche der Agrarpolitik) bislang nur sehr unzureichend gerecht wurde. Zu oft leidet diese an einer Diskrepanz und zu deutlich klafft ein Loch zwischen formulierten Ansprüchen und politischen Realitäten. Exemplarisch wird dies im Rahmen dieser Arbeit am Fallbeispiel Kamerun verdeutlicht.
Inhaltsverzeichnis
- KAPITEL I: EINFÜHRUNG IN DIE THEMATIK
- 1 Vorbemerkungen
- 1.1 Thematische Einleitung
- 1.2 Problemstellung und Erkenntnisinteresse
- 1.3 Aufbau der Arbeit und Vorgehensweise
- 2 Theoretische Grundlagen
- 2.1 Das Konzept der Nord-Süd-Kooperation und das entwicklungspolitische Rollenverständnis der Dependenztheorie
- 2.2 Logik und Motivation von Liberalisierungsmaßnahmen und Freihandel
- KAPITEL II: DIE EU-HANDELS- UND ENTWICKLUNGSPOLITIK UND AFRIKA
- 3 Historische Entwicklungsstränge und Ausgestaltung der europäischen Afrikastrategie
- 4 Die neue handels- und entwicklungspolitische Zusammenarbeit: Das Partnerschaftsabkommen von Cotonou
- 4.1 Grundsätze und Ziele der reformierten Entwicklungszusammenarbeit
- 4.2 Die neue Handelsregelung der EU: »Economic Partnership Agreements«
- 5 Zusammenfassung: Theoretische Überlegungen zum reformierten handels- und entwicklungspolitischen Engagement der EU
- KAPITEL III: AUSRICHTUNG UND QUALITÄT EUROPÄISCHER ENTWICKLUNGS-POLITIK: DAS FALLBEISPIEL KAMERUN UND CEMAC
- 6 Die Europäische Union und Kamerun: Die politische Dimension der Handels- und Entwicklungspolitik
- 6.1 Akteursstrukturen einer asymmetrischen Partnerschaft
- 6.2 Die offensiven Interessen der EU in den EPAS
- 7 Auswirkungen von Freihandel in Kamerun und Herausforderungen durch EPAS
- 7.1 Zunehmende Armut durch Liberalisierungsmaßnahmen
- 7.2 Zivilgesellschaftlicher Widerstand gegen Freihandel
- 7.3 Kameruns Interims-EPA und seine Implikationen
- 8 Zusammenfassung: Wechselwirkung und Spannungsverhältnis zwischen Handel und Entwicklung
- KAPITEL IV: RESÜMEE: DIE REFORMIERTE EU-ENTWICKLUNGSPOLITIK ZWISCHEN ANSPRUCH UND REALITÄT
- 9 >>Economic Partnership Agreements<<: einseitige Partnerschaft oder fester Referenzrahmen für Kooperation?
- 10 Zukunftsperspektiven: Theoretische Ansätze für eine Neuorientierung der Entwicklungszusammenarbeit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert die Reform der europäischen Handels- und Entwicklungspolitik und untersucht die Auswirkungen des neuen Partnerschaftsabkommens von Cotonou, insbesondere auf die Beziehungen zwischen der EU und Afrika. Im Zentrum steht die Frage, ob die neuen "Economic Partnership Agreements" (EPAs) einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung in den AKP-Staaten leisten oder ob sie eher zu einer Verfestigung asymmetrischer Machtverhältnisse führen.
- Entwicklungspolitik und Nord-Süd-Kooperation
- Die Europäische Union und ihre Handels- und Entwicklungspolitik
- Das Partnerschaftsabkommen von Cotonou und die EPAs
- Die Auswirkungen von Freihandel auf Entwicklungsländer
- Asymmetrische Beziehungen und Machtstrukturen im internationalen Handel
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel I führt in die Thematik der europäischen Handels- und Entwicklungspolitik ein und beleuchtet die theoretischen Grundlagen des Konzepts der Nord-Süd-Kooperation und der Dependenztheorie. Kapitel II widmet sich der Geschichte der europäischen Afrikastrategie und analysiert die neuartigen Elemente des Partnerschaftsabkommens von Cotonou, insbesondere die Einführung der "Economic Partnership Agreements". Kapitel III fokussiert auf die Auswirkungen von Freihandel in Kamerun und untersucht die Herausforderungen, die durch die EPAs für die Entwicklung des Landes entstehen.
Schlüsselwörter
Europäische Handels- und Entwicklungspolitik, Partnerschaftsabkommen von Cotonou, Economic Partnership Agreements (EPAs), Freihandel, Entwicklungszusammenarbeit, Nord-Süd-Kooperation, Dependenztheorie, asymmetrische Beziehungen, Afrikastrategie, Kamerun, CEMAC.
- Arbeit zitieren
- Anonym (Autor:in), 2010, Die EU-Handels- und Entwicklungspolitik nach dem Abkommen von Cotonou, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/166320