Leseprobe
Das vorliegende Essay soll einen Vergleich von Platon und Friedrich Nietzsche im Bezug auf die Literatur aufzeigen. Dabei dienen als Grundlage der Gegenüberstellung zwei bedeutende Werke der Philosophen. Zum einen das Zehnte Buch aus „Der Staat“ von Platon und zum anderen „Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik“ von Friedrich Nietzsche.
Systematisch wird zunächst Platon und sein Werk und die Argumente im Hinblick auf seine Position zur Literatur vorgestellt. Im Anschluss daran wird das Werk von Friedrich Nietzsche betrachtet und ebenfalls seine Stellung zur Literatur hervorgehoben. Bei der Erläuterung der verschiedenen Argumente werde ich selektiv vorgehen und nur die hervorheben, die meiner Meinung nach am aussagekräftigsten sind. Abschließend werde ich mich zu einer Position bekennen und die dargebotenen Argumente der Philosophen bewerten.
Platon war ein antiker griechischer Philosoph und lebte von 428 – 347 v. Chr. in Athen. Er zählt zu den bekanntesten und einflussreichsten Philosophen in der Geschichte der Philosophie. In seinem Hauptwerk „Der Staat“ beschäftigt sich Platon mit der Frage der Gerechtigkeit. In einem von weisen Herrschern geleitete Staat herrscht dann Gerechtigkeit, wenn bestimmte Hierarchien eingehalten werden.[1] Zudem thematisiert Platon in diesem Werk über verschiedene Gleichnisse seine Ideenlehre. Die Ideen sind für ihn das eigentlich Seiende. „Sie sind unveränderlich, ewig, unkörperlich und eingestaltig; selbst nicht sichtbar, liegen die Ideen dennoch allem Sichtbaren zugrunde.“[2] Diese Ideenlehre und seine Vorstellung von der Idee ist die Grundlage seiner Argumente zur Literatur im Zehnten Buch aus „Der Staat“.
Im Gespräch mit Sokrates beschreibt er die Literatur als Nachahmung der Idee. Am Beispiel von Stuhl und Tisch erläutert Platon, dass es nur zwei Ideen für diese Gegenstände gibt: eine für den Stuhl und eine für den Tisch. Ein Handwerker, der einen Stuhl fertigt oder ein Maler, der einen Stuhl malt ahmt nur etwas nach, das dem Seienden gleicht.[3] Analog dazu ist nach Platon ein Dichter ebenfalls nur ein Nachahmer der Idee. Da die Dichtkunst eine Nachahmekunst[4] ist, muss sich auch Homer rechtfertigen können. Nach Platon sind alle Dichter von Homer an „Nachahmer von Abbildern der menschlichen Tüchtigkeit“[5] und sie berühren die Wahrheit nicht. Er beschreibt weiter, dass ein Dichter nur das verfasst, was ihm erscheint, aber nicht das wie es in Wirklichkeit ist.
Platon geht mit seiner Argumentation sogar noch weiter und sagt, dass der Nachahmer von dem was er nachahmt kein Wissen besitzt.[6] Aus diesem Grund ist für ihn die nachahmende Kunst eine minderwertige Kunst, die auch die Dichtung mit einschließt.[7] Deshalb kann sich nur ein reizbarer und unbeständiger Charakter an der Dichtkunst erfreuen.[8]
Dies alles sind für Platon ausreichend Gründe, um die Dichtkunst in einer Stadt mit guten Gesetzen nicht aufzunehmen. Sie verdirbt die Vernünftigen indem sie eine schlechte Verfassung in die Seele der Menschen einführt. Das die Dichtkunst im Stande ist die vernünftigen Menschen zu verderben ist für Platon die größte Anklage gegen die Kunst.[9]
Er lockert aber diese radikale Position in dem er sagt, dass wenn die der Lust dienenden Dichtung Beweise für ihre Existenzberechtigung findet, dann will er sie gerne in die Stadt aufnehmen. Diese Gründe müssen sich für Platon auf die Nützlichkeit in einem Staat mit guten Gesetzen stützen.[10]
Friedrich Nietzsche lebte von 1844 – 1900 und war ein deutscher Philosoph, Dichter und klassischer Philologe. Er sah die Funktion und die Bedeutung der Literatur in einem völlig anderen Licht und beschrieb seine Sicht in „Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik“. Seine Philosophie war im Gegensatz zu Platon darauf ausgelegt, dass Leben zu bejahen. Er versuchte Lebensenergien zu verstärken, um eine positive Lebenseinstellung zu finden.[11] „Ein Vorbild für eine lebensbejahende Grundhaltung trotz aller Leiden sah Friedrich Nietzsche im alten Griechenland, genauer in der attischen Tragödie.“[12]
In diesen Tragödien herrscht zwar eine pessimistische Weltsicht vor, der Held geht an einem verhängnisvollen Schicksal zugrunde, aber trotzdem bezieht der Zuschauer aus dem Untergang des Protagonisten Kraft, Energie und Lebenslust.[13]
Ebenso faszinierte Friedrich Nietzsche die Einsicht der Griechen in die Tragödie des Daseins und wie sie trotz dieser Einsicht weiterleben wollen. Er sah den Grund dafür in der Vereinigung zweier Triebe: der dionysische Rauschtrieb und der apollinische Formtrieb. Nach Friedrich Nietzsche ist es der griechischen Tragödie gelungen, eine künstlerische Synthese zwischen diesen beiden Trieben herzustellen, aus der die Zuschauer neue Lebenskräfte beziehen können.[14] Er glaubt daher, dass „[…] nur als ästhetisches Phänomen ist das Dasein und die Welt ewig gerechtfertigt […].“[15] Das heißt für mich, nur durch die Kunst, die wiederum die Dichtung mit einschließt, ist das Leben der Menschen gerechtfertigt.
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[1] Ruffing, R.: Einführung in die Geschichte der Philosophie, Paderborn 2004, S. 45 – 47
[2] Ebenda, S. 49
[3] Platon: Der Staat, Düsseldorf 2003, S. 404 - 406
[4] Ebenda, S. 408
[5] Platon: Der Staat, Düsseldorf 2003, S. 412
[6] Ebenda, S. 414
[7] Ebenda, S. 416
[8] Ebenda, S. 419
[9] Ebenda, S. 420
[10] Ebenda, S. 423
[11] Ruffing, R.: Einführung in die Geschichte der Philosophie, Paderborn 2004, S. 205 - 206
[12] Ebenda, S. 207
[13] Nietzsche, F.: Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik, Stuttgart 1953, S. 29 - 30
[14] Ebenda, S. 36ff
[15] Ebenda, S. 41