Avatare - und ihre Möglichkeiten nachhaltiger Wertsteigerung im Interfusionsmarketing


Diplomarbeit, 2007

128 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung und Aufbau der Arbeit
1.1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
1.2 Methodische Vorgehensweise

2 Begriffserklärungen
2.1 Kommunikation und Medium
2.1.1 Kommunikation
2.1.2 Medien
2.1.3 Internet
2.1.4 Media 2.0
2.1.5 Telepräsenz und virtuelle Realität
2.2 Marketing
2.2.1 Klassisches Marketing
2.2.2 Erlebnisgesellschaft und Erlebnismilieus
2.2.3 Neuromarketing und Neurowissenschaft
2.2.4 Interfusionsmarketing und Virales Marketing
2.3 Das Konstrukt der Wirklichkeit
2.3.1 Die Wirklichkeitstheorie des Konstruktivismus
2.3.2 Soziale Wahrnehmung
2.3.3 Soziale Emotion
2.3.4 Soziale Motivation
2.3.5 Einstellungen
2.3.6 Interpersonales Verhalten
2.4 Identität und Internet
2.4.1 Selbstkonzept und Identität
2.4.2 Avatar – Das virtuelle Alter-Ego
2.4.3 Soziale Beziehungen und parasoziale Beziehungen
2.4.4 Fetischismus und virtueller Fetischismus
2.5 Ausblicke in die Zukunft
2.5.1 Zukunftsforschung: das Modell der Kondratjew-Wellen
2.5.2 Transgenic Art und Artificial Life Art
2.5.3 Transhumanismus und Posthumanismus

3 Die Evolution des Marketings
3.1 Klassisches Marketing
3.1.1 Konstruktivistisches Kommunikationsmodell
3.2 Aktuelle Marketingentwicklungen
3.2.1 Technoökonomische Auswirkungen neuer Kommunikationsformen
3.2.2 Soziologische Auswirkungen neuer Kommunikationsformen
3.2.3 Neuromarketing
3.2.4 Interfusionsmarketing

4 Entstehung und Hintergrund von Avataren
4.1 Grundlagen der Entstehung von Avataren
4.1.1 Individuum und Virtualität
4.1.2 Ökonomie und Virtualität
4.2 Gegenwärtige Interaktionen von Avataren und Ökonomie
4.2.1 Avatare – Virtuelle Alter-Ego-Identitäten
4.2.2 Funktionen von Avataren innerhalb der virtuellen Umgebung
4.2.2.1 Soziale Anwendungsgebiete
4.2.2.2 Ökonomische Nutzungsmöglichkeiten
4.2.2.3 Vertrauen und Akzeptanz

5 Anstehende Ökonomiepotentiale von Avataren
5.1 Technoökonomische Vermarktungspotentiale
5.2 Sozioökonomische Vermarktungspotentiale
5.3 Fazit

6 Die weitere Zukunft
6.1 Zukünftige technologische Entwicklungen
6.2 Konsumsoziologische Konsequenzen
6.3 Der Avatar der Zukunft
6.4 Menschliche Entwicklungsszenarien S.113 6.4.1 Szenario 1
6.4.2 Szenario 2
6.4.3 Szenario 3
6.4.4 Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb. 01: Media 1.0 – 3.0

Abb. 02: The Changing Intraweb – from 1.0 to 3.0

Abb. 03: Telekommunikation und Telepräsenz

Abb. 04: Bedürfnishierarchie nach Maslow und passende Internetaktivitäten

Abb. 05: Six Long Waves of Techno-Economic Development

Abb. 06: Konstruktivistisches Kommunikationsmodell

Abb. 07: The Long Tail

Abb. 08: Digitales Feuerwerk

Abb. 09: Vernetzte Welt

Abb. 10: Media Evolution

Abb. 11: Weltweite Werbeausgaben

Abb. 12: Stört Werbung bei Online-Spielen

Abb. 13: Portal zu neuen Welten

Abb. 14: Second Life wächst ungebremst – Zahlen / Fakten

Abb. 15: Virtuelle Welt und reale Welt verschmelzen miteinander

Abb. 16: Our next teachers: avatar experts

Abb. 17: Avatar Machine von Marc Owens

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung und Aufbau der Arbeit

Unsere Gesellschaft verändert sich momentan in rasanter Geschwindigkeit. Das Internet hat diese Entwicklung in starkem Maße begünstigt. Die neuen Konsum- und Informationspotentiale des sich ständig entwickelnden Weltennetzes sind in den Fokus der freien Marktwirtschaft gerückt und scheinen den klassischen Medien den Rang abzulaufen. Gesättigte Märkte und eine zunehmende Funktions- und Qualitätshomogenität von Produkten erschweren das wirtschaftliche Handeln in der Realität. Der Konsument schirmt sich sowohl zunehmend gewollt, als auch durch Informationsüberlastung ungewollt, gegenüber der allgegenwärtigen medialen Werbepräsens der Unternehmen ab und wandert mit seiner Aufmerksamkeit mehr und mehr in den virtuellen Raum aus. Diese Entwicklung bietet Unternehmen die Möglichkeit, diese Tendenz für sich zu nutzen. Avatare sind nicht nur ein Mittel zur gesellschaftlichen Selbstrepräsentation, sondern entfalten ökonomisch ein hohes Potential. Die Übergänge zwischen realer und virtueller Welt sind ökonomisch gesehen fließend. Berücksichtigt man soziokulturelle und kommunikative Eigenheiten im virtuellen Raum, können diese Erkenntnisse, im Rahmen der neuen kommunikativen Möglichkeiten des Internets, gezielt genutzt werden, um die virtuelle Erlebenswelt potentieller Konsumenten markentechnisch aufzuwerten. Neue Formen der Kundenansprache und Marktforschung scheinen sich mit dem immer präsenteren Vorhandensein von Avataren im virtuellen Raum abzuzeichnen.

Avatare: Hype oder ökonomisch-soziologische Wertschöpfungsmaschine? So lautet die zentrale Fragestellung, mit der sich Unternehmen heute und in Zukunft beschäftigen müssen.

1.1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit

Viele der in dieser Arbeit behandelten Bereiche sind als stark innovativ und somit hochtheoretisch anzusehen. Die erfolgreiche Bündelung von Erkenntnissen aus dem Marketingbereich, der Psychologie und Sozial-Psychologie, Systemtheorie, Technologie, Philosophie sowie Zukunftsforschung ist eine Herausforderung an sich. Das Wissen der jeweils aufgezählten Fachbereiche ist dermaßen komplex, dass eine Zusammenführung der entscheidenden Erkenntnisse als Herausforderung angenommen werden muss.

Gelingt es, entscheidende Kompetenzen der verschiedenen Wissensgebiete zusammenzuführen, sollte die hier vorliegende Arbeit nicht nur eine aktuelle Betrachtung der Potentiale von virtuellen Stellvertretern im immer medialer durchdrungenen virtuellen Alltag der Menschen aufzeigen, sondern darüber hinaus auch Gesellschafts- und Konsumtendenzen für die Zukunft. Das Aufzeigen von Synergien zwischen den aufgezählten Fachbereichen und deren Auswertung kann letztendlich zu einer kalkulierbaren Einschätzung von Gesellschaftstrends und Konsumtrends führen. Ausgehend vom Status quo erscheint es möglich, das wahrscheinliche Szenario zukünftiger Entscheidungs- und Handlungsrahmen zu entwerfen. Avatare sind dabei das entscheidende virtuelle Vehikel, neue Formen von Wertschöpfungen zu realisieren. Diese Arbeit soll keineswegs diese Vorgänge nur beschreiben. Vielmehr ist Ziel, die mögliche Funktion von Avataren im zukünftigen Interfusionsmarketing durch gegenwärtige Erkenntnisse zu belegen und, soweit überhaupt möglich, vorherzusagen.

1.2 Methodische Vorgehensweise

Nach der Erläuterung der für den Verständnisgang der Arbeit benötigten grundlegenden Begrifflichkeiten in Kapitel 2, behandelt das Kapitel 3 die aktuellen Veränderungen im Marketingbereich im Kontrast zu den klassischen Erkenntnissen. Dabei kommt den neuesten Erkenntnissen und Tendenzen im Rahmen dieser Arbeit eine höhere Gewichtung zu Gute, als den Klassischen. Übergeordnete systemdurchdringende Mechanismen in Verbindung mit aktuellen technologischen Neuerungen und damit einhergehenden sozio-kulturellen Auswirkungen, sind die Kernpunkte dieses Kapitels und beschreiben die Evolution des Marketings.

Der zweite thematische Hauptbereich, der in Kapitel 4 behandelt wird, bezieht sich auf die konsumorientierte Nutzung des Internets, der damit einhergehenden Auswirkungen auf den Konsumenten und die daraus entstehenden Nutzungsmöglichkeiten für Unternehmen. Virtuellen Repräsentanten, den Avataren, kommt dabei besondere Bedeutung zu Gute, da in der vorliegenden Arbeit ihr Potential hinsichtlich Wertsteigerung erfasst werden soll.

Kapitel 5 fusioniert die beiden vorhergehenden Kapitel. Die Evolution des Marketings (Kapitel 3) wird mit den Wertsteigerungsmöglichkeiten von Avataren (Kapitel 4) verschmolzen, um zu erfassen, ob Avatare im Rahmen der immer stärker vernetzten globalen Gesellschaft im virtuellen Raum eine Wertsteigerung erfahren und somit ökonomisch sinnvoll genutzt werden können.

In Kapitel 6 wird der Versuch unternommen, abweichend von den vorherigen Kapiteln, die gegenwartsspezifisch orientiert sind, Zukunftsszenarien hinsichtlich gesellschaftlicher und konsumbezogener Entwicklungen zu zeichnen. Diese Zukunftsentwürfe sollen potentielle Denk- und möglicherweise Handlungsrichtlinien aufzeigen, die in die langfristige Produktplanung und Kalkulation des Marktes hinsichtlich der Konsum- und Vermarktungsmöglichkeiten von Avataren, aber auch physischen Produkten, mit einbezogen werden könnten.

2 Begriffserklärungen

Zur sinnvollen Erfassung der in dieser Arbeit behandelten Thematiken sind auf Grund der weit gestreuten Wissensbereiche umfassende Begriffsklärungen unumgänglich. Im Folgenden werden diese konzentriert beschrieben, um dem Leser das benötigte Wissenskonzentrat zu vermitteln und ihm eine Begriffstruktur. Anhand dieser kann er sich jederzeit orientieren.

2.1 Kommunikation und Medium

Das Internet ist von einer einstigen Infrastruktur zu einem globalen Kommunikationsmedium. Es entwickelt sich dabei ständig fort und bieten immer vielseitigere Kommunikations- und Wahrnehmungserlebnisse, die ihre momentan umfassendste Ausprägung in den virtuellen Realitäten hat.

2.1.1 Kommunikation

Der Begriff Kommunikation stammt ursprünglich aus dem Lateinischen (lat.: = communicatio) und bedeutet Mitteilung bzw. Unterredung.[1] Als natürliche Grundform zwischenmenschlicher Verständigung untereinander gilt dabei die Mensch-Mensch-Kommunikation (Face-to-Face-Kommunikation), bei der Individuen sich zur selben Zeit am gleichen Ort zusammenfinden (körperliche Kopräsenz), um verbale (Sprache, Zeichen), paraverbale (Stimmlage) sowie nonverbale (Mimik, Körpersprache) Ausdrucksformen zu benutzten, um Botschaften auszutauchen[2], die „auf Gegenseitigkeit und Wechselwirkung“[3] basieren.

Abweichend von der klassischen Beschreibung wird in dieser Arbeit besonders auf die heutige synonymhafte Begriffsverwendung eingegangen. Aus heutiger Sicht wird der Begriff Kommunikation als Umschreibung für allgegenwärtige Maschinen-Kommunikationsprozesse verwendet, als auch für die Variante der Mensch-Maschine-Kommunikation (computervermittelte Kommunikation), die den Ein- und Ausgabeprozess zwischen Individuen und Maschinen umfasst.[4]

„Je nach Adressatenkreis sind unterschiedliche Organisationsformen zu unterscheiden: Von der intrapersonalen Kommunikation im Sinne einer (z.B. denkenden, sprechenden oder anderweitig symbolischen) Selbstkommunikation über die dyadische interpersonelle Kommunikation, die Kleingruppen-, Großgruppen- und Organisationskommunikation und schließlich Massenkommunikation reicht das Spektrum.“[5]

Die Begriffserläuterung der Massenkommunikation, die ihre Anwendung auch im Internet und darüber hinaus erfährt, ist im Rahmen der hier vorliegenden Arbeit unumgänglich. Pradel, der diesbezüglich Maletzke zitiert und weitergehend ergänzt, definiert Massenkommunikation als „alle Formen der Kommunikation, bei der Aussagen: öffentlich (also ohne begrenzte, personell definierte Empfängerschaft) durch technische Verbreitungsmittel (Medien) indirekt (also bei räumlicher oder zeitlicher Distanz oder raumzeitlicher Distanz zwischen den Kommunikationspartnern) und einseitig (also ohne Rollenwechsel zwischen dem Aussagenden und dem Aufnehmenden) an ein disperses Publikum weitergegeben werden (im Unterschied zu einem Präsenzpublikum)“.[6]

Darüber hinaus ist nach Döring bei der griffigen Erfassung des Begriffs der Massenkommunikation nicht nur der Adressatenkreis relevant, sondern auch die Art des Senders, der ein Kriterium zur Unterscheidung von Kommunikationstypen darstellt. So sind nicht nur die oben genannten Merkmale relevant sondern auch die Institutionalisierung des Kommunikators in Form von Medienorganisationen.[7]

Kommunikation entsteht aus den individuellen und sozialen Interaktionen und ist unzweifelhaft grundsätzliche Vorrausetzung der menschlichen als auch gesellschaftlichen Existenz. Sie erfüllt dabei eine Reihe von Funktionen (Information, Sozialisation, Gratifikation, Tradierung und Interaktion, Kontrolle und Kritik, Artikulierung sowie Emanzipation), die in Abhängigkeit zueinander stehen.[8]

2.1.2 Medien

Allgemein genommen versteht man unter Medien sozio-technische Systeme und sozio-kulturelle Praktiken, die der Speicherung und Wiedergabe sowie der Übertragung und Vermittlung von Informationen (einseitiger Prozess) dienen und so der Gestaltung von Kommunikation (Gegenseitigkeit) und Interaktion (Wechselwirkung) zu gute kommen[9] „und dadurch die kollektive sowie individuelle Wahrnehmung und Erfahrungsbildung in der Lebenswelt mitbestimmen.“[10]

„Beide Vorgänge lassen sich dabei nicht auf den physikalischen Vorgang des „Sendens und Empfangens“ reduzieren, weil sie notwendigerweise auch als Bedeutungen „enkodierende“ und „dekodierende“ interpretative Akte in einem sozialen „Umfeld“ und vor einem kulturellem Hintergrund begriffen werden müssen“.[11]

Um ihren Kommunikationsradius zu erweitern, haben Menschen zusätzlich zu den natürlichen Übertragungswegen (Medien) verstärkt weitere technische Speicher und Übertragungsmedien erfunden, die die heutige Mediengesellschaft in starkem Maße durchdrungen haben und die in der in den industriellen und postindustriell geprägten Gesellschaften einen hohen Stellenwert einehmen.[12]

Zur besseren Erfaßbarkeit des Medienbegriffs unterscheidet Döring diesbezüglich zwischen primären, sekundären, tertiären und quartären Medien:

Primäre Medien:

Die Reichweite primärer Medien (natürliche Übertragungswege) ist auf kopräsente Situationen begrenzt und aus diesem Grund nur bedingt erweiterbar (z.B. rufen). Indem Symbole und Inhalte bei ihrer Produktion und Übertragung technisch verstärkt oder gespeichert werden (z.B. Mikrofon, Buch), wird diese kommunikative Reichweite jedoch vergrößert.

Sekundäre Medien:

Symbol(über)träger, die auf der Produktions- (Senderseite), nicht aber auf der Rezeptionsseite, künstliche Hilfsmittel bzw. Geräte erfordern (z.B. Mikrofon, Buch), werden als sekundäre Medien klassifiziert. Zu beachten ist dabei, dass manche sekundäre Medien wiederum auf primäre Medien (Luft und Licht) angewiesen sind, damit die übermittelten Symbole und Inhalte für die Rezipienten wahrnehmbar sind.

Tertiäre Medien:

Als sogenannte tertiäre Medien werden Kommunikationsmittel bezeichnet, die nicht nur bei der Produktion, sondern auch bei der Rezeption technische Geräte erfordern (z.B. Telefon, E-Mail, Radio, Fernsehen).

Quartäre Medien:

Die Existenz von quartären Medien liegt vor, wenn es sich bei den technischen Geräten um Computer oder Computernetze handelt (z.B. Internet). Bei der analytischen Trennung von Symbolsystem und Medium ist dabei beachten, dass beide einander beeinflussen und bedingen, Medien also keine inhalts- oder formneutralen Kommunikationskanäle darstellen.[13]

Bolz fügt dem eine weitere Klassifizierung in alte, klassische Massenmedien (z.B. Radio, Fernsehen) und neuen internetbasierten (quartären) Medien hinzu.[14] Weil die computer- und internetbasierten Medien jedoch auch eine massenmediale Nutzungsmöglichkeit bieten können (z.B. durch die Erfüllung der Merkmale: disperses Publikum, Einseitigkeit, - sofern genug Rezipienten vorhanden) verschwimmen die begrifflichen Abgrenzungen zusehends.

2.1.3 Internet

Das Internet ist einerseits (neues) Medium selbst, als auch andererseits medientechnische Infrastruktur zur Datenübertragung. Beide Aspekte werden in der vorliegenden Erläuterung berücksichtigt.

Der Begriff: Internet steht stellvertretend für Interconnected Networks und gilt als das dominierende und dynamischste Element im Bereich der neuen Medien.[15]

Das Internet gilt als eine medientechnische Infrastruktur, ein Verbund von Teilnetzen, deren Aufbau 1969 mit dem ARPANet in Kalifornien begann. Die sich ständig fortentwickelnde Vernetzung erfolgt dabei nicht gemäß einer technikimmanenten Eigendynamik, sondern ist Ergebnis der Aktivitäten unterschiedlicher Akteure (etwa in Wissenschaft, Politik und Wirtschaft).[16]

Das Internet lässt sich zudem, nach Döring als „komplexes multifunktionales tertiäres bzw. quartäres Medium charakterisieren, weil die an der Netzkommunikation Beteiligten sowohl bei der Produktion als auch bei der Rezeption der Botschaften auf vernetzte Computer angewiesen sind“.[17]

Dabei sind nach Döring innerhalb der Netzdienste zwei große Gruppen der Kommunikation zu unterscheiden. Einerseits existiert dienstbezogen die asynchrone computervermittelte Kommunikation mit der sich mittels z.B. E-Mail, Newsgroup, Newsboard, über längere Zeiträume hinweg themenzentrierte Diskurse führen lassen in der Form von in sich abgeschlossenen (monologischen) Gebrauchstexten. Inhaltliche Ausarbeitung und klarer Themenbezug stehen hier im Vordergrund.

Andererseits existiert dem gegenüber die synchrone computervermittelte Kommunikation, bei der einzelne Äußerungen dialogischen Charakter (z.B. Internet-Telefonie, Instant Messaging, Text-Chat, Grafik- und Video-Chat, Online-Spiele, Online-Tauschbörsen) haben und nur im gesamten Gesprächsfluss (Interaktionsverlaufs) interpretierbar sind. Spontanität und Geselligkeit stehen hier im Vordergrund.[18] Der asynchronen Kommunikation wird in dieser Arbeit keine weitere Bedeutung zukommen, da diese im Rahmen der sich permanent weiterentwickelnden Avatare im virtuellen Raum des Internets in absehbarer Zeit eine nur noch untergeordnete Funktion erfüllen werden. Sie wird eine funktionelle Begleiterscheinung der synchronen virtuellen Kommunikation mit anderen Avataren (z.B.: Botschaften hinterlassen per Mail, weil der direkte Kontakt mittels synchroner Kommunikation im virtuellen Bereich nicht möglich war).

Das Internet ist obwohl es der breiten Masse der Menschheit (Medienorganisationen, Unternehmen, Organisationen, Einzelpersonen) mittlerweile als Kommunikationsplattform zur Verfügung steht, kein Massenmedium, weil die Kriterien hierfür nur in sehr begrenztem Maße auf das individuell nutzbare Internet und somit die darin enthalten medialen Angebote zutreffen.

Bolz unterstützt diese Abgrenzung, indem er Massenmedien im Rahmen der oben aufgeführten Begriffseingrenzung die Fähigkeit zuspricht, hervorragend Aufmerksamkeit im Rahmen einer einseitigen und einheitlichen Kommunikation an ein disperses Publikum fokussieren zu können. Internetbasierte Medien haben dagegen ihren Fokus eher im individuellen und kultivierenden Bereich.[19]

Darüber hinaus kann intrapersonale Kommunikation im Internet, die immer durch Kopräsenz gekennzeichnet ist, mediengestützt ablaufen (z.B. elektronischer Terminplaner). Die Massenkommunikation, die nie durch Kopräsenz gekennzeichnet ist, muss dagegen mediengestützt ablaufen, weil andernfalls kein großes, disperses Publikum erreichbar ist.[20]

2.1.4 Media 2.0

Die fortschreitende Technologie und zunehmende Vernetzung der Welt haben kommunikative und soziologische Auswirkungen auf Konsum- und Interaktionsmöglichkeiten von Rezipienten. Das sich in Bezug auf die Medien entwickelnde Konsumverhalten fand mit Media 1.0 ihren Anfang.

Media 1.0 / Web 1.0:

In Media 1.0 hat der Konsument gemäß dem klassischen (audiovisuellen) Mediennutzungsverhalten, alle ihm vermittelten Informationen passiv und reaktiv aus einem Lean Back - Modus konsumiert. Er befand sich in einer Download-Situation.

Media 2.0 / Web 2.0 :

Die Mediennutzung des Internets unterscheidet sich davon erheblich. Media 2.0 (auch Web 2.0 genannt) revolutionierte die Medien. Der passive Konsument bewegte sich aus der Phase des Self-Entertainment und der damit einhergehenden Lean-Back-Haltung (Media 1.0) heraus. Er bewegte sich nach vorne in den Move-Forward-Modus und wurde zum Prosumenten, der nur in der Lage ist, aktiv Teil des Mediengeschehens zu werden, indem er die Erstellung von Inhalten steuert oder selbst Inhalte (Texte, Fotos, MP3`s, Videos), produziert, die von einer globalen Öffentlichkeit (Upload) konsumiert werden können (Self-Publishing).

Soziale Netzwerke (z.B.: MySpace oder YouTube) verhalfen Media 2.0 zum Erfolg, der geprägt ist von der Produktion eigener Inhalte sowie der Kollaboration mit anderen. Inhalte waren nun nicht mehr an bestimmte Medien gebunden, weil das Sendeprinzip on Demand lautete. Überall lösen Teilnahme und Mitmachen das alte Prinzip des Anbietens und Veröffentlichens ab.[21]

Zusammenfassend kann man sagen, dass das Engagement des einzelnen Nutzers den Unterschied zwischen Konsum und Produktion macht, weniger die Limitierung des Mediums Internet selbst.

Die derzeitige Wandlung des global wirkenden Internets zu einer multimedialen Erlebniswelt geht auf zwei zentrale Entwicklungen zurück. Die gestiegene Bandbreite zusammen mit gesunkenen Internetkosten begünstigt die Verbreitung von Text-, Bild-, Audio- und Videoinhalten. Darüber hinaus wird die Entstehung von interaktiven Umgebungen bis hin zu voll simulierten interaktiv-virtuellen Welten (z.B. Second Life) gefördert.[22] Mit den neuen medialen Möglichkeiten hat sich jedoch auch die virtuelle Informationsmasse expotentiell gesteigert. Die Zusammensuche und Filterung der individuell benötigten (Kontext-) Informationen aus dem virtuellen Datenuniversum gestaltet sich zeitaufwendig und kompliziert. Forschungseinrichtungen wollen dieses Problem beheben, indem sie die weltweiten Inhalte nicht nur maschinenlesbar sondern auch maschinenverstehbar machen.[23] Das semantische Netz soll auf konkrete (An-) Fragen, mittels eines Bedeutungs- und Beziehungsnetzes der Inhalte untereinander, konkrete Antworten liefern können. Weil im Bedeutungsnetz alle Handlungen und Informationen in Beziehung zueinander stehen, werden die all-in-one Geräte, denen im Rahmen des Informationsmanagements immer stärkere Bedeutung zukommt, zu einem maßgeblichen Faktor. Veränderungen im Bereich des Konsums, der Produktion, des Transports und der Geldmärkte können so erfasst und beziehungstechnisch verarbeitet werden. Individuen können sich auf diese Weise mit Hilfe der Beziehungseinschätzung ihres eigenen Verhaltens an Orte leiten lassen, von denen sie erwarten, dass dort ihre Ziele erfüllt werden.[24] Zusammen mit dem sozialen Netzwerk des Web 2.0 / Media 2.0 würde es das Web 3.0 bilden.[25]

Media 3.0 / Web 3.0:

Media 3.0 ist eine weitere mediale Evolutionsstufe, die jedem Konsumenten neue Lebens- und Konsumoptionen bietet, bisweilen bieten wird. Viele technologische Hilfsmittel, die das virtuelle Erleben noch sinnhafter hervortreten lassen, stehen in absehbarer Zeit vor der Markteinführung. Media 3.0 wird in nächster Zeit noch stärkere Auswirkungen auf die Gesellschaft haben. Der Konsument lebt und interagiert in und mit den Medien (Jump-in-Modus). Für die Gesellschaft ist nicht länger nur ihr Wissen, sondern ihre Kreativität ein ausschlaggebender Wirtschaftsfaktor (Self Expansion), was an aktuellen Ereignissen besonders im Bereich der virtuellen Welten (Virtual Reality) hervortritt.[26] Doch an diesem Punkt befinden wir uns derzeit noch nicht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.1: Media 1.0 - 3.0 (Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an TrendONE [Media 3.0], 2007, verfügbar unter: http://www.trendone.de/trendforschung/8_media3.0_u/TrendONE(Media30)_

Teaser.pdf).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: The Changing Intraweb – from 1.0 to 3.0 (Quelle: Hayes, 2006, verfügbar unter: http://www.personalizemedia.com/index.php/2006/08/27/virtual-worlds-web-30-and-portable-profiles/).

Abbildungslegende: Abb. 2 – The Changing Intraweb – from 1.0 to 3.0

MUVE’s: Multi User Virtual Environments

Zur weiteren Eingrenzung der Medien 2.0, sowie zur Abgrenzung gegenüber den klasschen Medien führt Bolz fünf charakteristische Merkmale an:

Interaktivität & Mobilität:

Interaktivität war früher ein Charakteristikum durch dessen Negation man Massenmedien definiert hat. Die klassischen Massenmedien schließen prinzipiell Interaktivität aus, da sie ihre eigene Darstellungsfreiheit gerade durch die Unterbrechung der Kommunikation mit den Empfängern gewinnen und so ihre Unmöglichkeit zur Interaktion definieren. Die permanente mobile Erreichbarkeit mittels technischer Geräte und den damit einhergehenden Möglichkeiten stellt in der Entwicklung der Medien ebenfalls eine Revolution dar.

Open Source oder auch Wiki-Welt

Open Source bedeutet, dass allen virtuellen Nutzern die Möglichkeit geboten wird an der Entwicklung von Programmen, Codes und Inhalten mitzuwirken. Sowohl der von den Usern selber generierte Inhalt (user-generated-content), als auch die globale Kollaboration von Programmierern an Open Source Software führen zu einer Konkurrenzsituation, in der die Selbstorganisation der Laien, die sich weltweit in den Netzen organisiert hat, Produkte erschafft z.B. Linux, Wikipedia. Diese frei verfügbaren Produkte konkurrieren mit Unternehmensprodukten (z.B. Software) und teuer erkauftem Expertenwissen. Bolz nennt dies Die neue Doxa, ein von früher geprägter Ausdruck für Meinungswissen auf einer sich weltweit organisierten Plattform der Laienurteile und des Laienwissens.

Parallelwelt

Der Begriff meint keine Fluchtwelt oder Traumwelt, die im Rahmen von Eskapismus genutzt wird, sondern eine echte Parallelwelt, in der mittlerweile sogar Geld fließt, was immer ein Merkmal für Realität ist. Virtuelle Welten, Parallelwelten, stellen keine kaniballistische Konkurrenz zu der klassischen realen Welt dar, sondern treten zu dieser in ein Ergänzungs-, bisweilen Werbeverhältnis.

Digitalisierung

Digitalisierung hat viele Folgen, aber eine der bedeutsamsten ist The Long Tail, der lange Schwanz. Die Digitalisierung (das kostengünstige digitale Speichern von Allem und Jedem) ermöglicht die Welt der Nischen. Nischenprodukten entstehen überall dort, wo in der modernen Welt Netzwerke und damit verbundene Netzwerkeffekte existieren. Das hat zur Folge, dass plötzlich alle möglichen Nischen bewirtschaftbar werden, die in vielen Bereichen profitabler sind als das Geschäft mit den Superstars. Die Welt der Nischen hat somit das Potential sich weltweit zu kultivieren. Dies führt nach Bolz, bei positiver Betrachtung, zu einem Effekt namens like-mindedness. Leute die ähnlich denken, ähnlich empfinden, ähnliche Werte haben und ähnliche Produktinteressen oder Leidenschaften besitzen, können sich einfach und natürlich im Internet organisieren und sich mit den entsprechenden Konsumangeboten versorgen. Diese weltweit verteilte Gemeinschaft, die netzwerktechnisch verbunden ist und lebt, bildet so eine Gesellschaft der like-mindedness, also der gleichen Gesinnung, des gleichen Geschmacks heraus.

Die Blogs

Die klassische Welt der Publizität, also „mit dem in die Welt nach draußen gehen mit den eigenen Darstellungen von dieser Welt“,[27] wurde seit jeher immer mit dem Anspruch der Objektivität assoziiert. In der Welt der Blogs ist dies jedoch gänzlich anders. Objektivität wird nicht mehr angestrebt, sondern Authentizität (partisanship), die anders als in der klassischen Welt der Publizität von Emotionalität durchdrungen ist. Authentizität (Echtheit und Gefühlsechtheit der eigenen Darstellung) tritt in Konflikt mit abwägender Objektivität und wird höher honoriert als diese. Ein abwertender Begriff hat sich mittlerweile für diese Objektivität etabliert, nämlich otherhandedness. Die Haltung des einerseits – andererseits.

Die Welt der Blogs polarisiert sich dabei in zwei Extreme. Einmal die unglaublich erfolgreichen Blogs (abertausende von Interessenten, Lesern und Kommunikatoren leiten eine Rückverwandlung der Blogs in ein kontaktunterbrechendes, ineraktivitätsaverses Massenmedium ein, da mit steigendem Erfolg der Blogs die zunehmende Unmöglichkeit entwickelt wird, eine Kommunikationsbeziehung mit der Community aufzubauen) sowie die Blogs, die zwar geschrieben, aber meist nicht gelesen werden (z.B. in Form von Briefen an Freunde).[28]

2.1.5 Telepräsenz und virtuelle Realität

Weil bei der synchronen computervermittelten Kommunikation nicht in sich abgeschlossene Botschaften verschickt (asynchrone Kommunikation), sondern dialogische Beiträge in Echtzeit in einem gemeinsamen immateriellen Wahrnehmungs-, Handlungs- und Kommunikationsraum (z.B. Chat-Room) ausgetauscht werden, haben wir es mit Telepräsenz-Szenarien zu tun.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Telekommunikation und Telepräsenz (Quelle: Krueger [Artificial], 1991, S.37, zitiert nach Döring [Sozialpsychologie], 2003, S.44).

In Telepräsenz-Szenarien, bisweilen virtuellen Realitäten, werden virtuelle (datenbasierte, informationelle) Umwelten bereitgestellt, in die sich räumlich entfernte Personen begeben, um dort synchron miteinander zu kommunizieren und zu interagieren. Die Beteiligten sind in Telepräsenz-Szenarien in Form von Daten (tele)präsent (also füreinander je nach Schnittstellendesign und Systemarchitektur mehr oder weniger gut sichtbar, hörbar, fühlbar, ansprechbar). Die in ihnen existierenden virtuellen Strukturen sind variabel nach Vielfalt des dort möglichen Handlungsspektrums in Echtzeit (abhängig nach Systemvorgaben) mehr oder weniger stark veränder- oder mitgestaltbar (z.B. Objekte manipulieren und transportieren). Dabei sind die Handlungsmöglichkeiten teils beschränkt (z.B. keine Möglichkeit unmittelbarer körperlicher Berührungen), teils aber auch erweitert (z.B. Auferstehung nach einem virtuellen Tod) und reichen von nicht-sozialen (auf die Umgebung und ihre Objekte bezogene) bis zu sozialen, auf andere Akteure bezogene, virtuellen Handlungen und Interaktionen. Virtuelles Handeln und virtuell-soziale Interaktion finden zwischen Rekonstruktion und Neukonstruktion sozialer Erfahrungen aus der materiellen Umwelt (real life) statt, wobei sich ein komplexes Mischungsverhältnis aus bekannten Regeln und neuen Freiheitsgraden herausbildet.

Die Vielfältigkeit des Spektrums von Telepräsenz-Szenarien reicht dabei von relativ einfachen, textbasierten oder grafischen Chats bis zu immer komplexeren virtuellen Welten, die mit permanent weiterentwickelten körpernahen Systemschnittstellen arbeiten (Verbindung zur Außenwelt mittels Tastatur, Monitor, Mikrofon aber zukünftig auch mit: head-mounted-display, data-glove, data-suit, cave). Ein immer intensiveres sensorisches Eintauchen (Immersion) ist möglich und führt zu Fragen nach der Relation von Realitä t und Virtualität.

Abschließend kann man feststellen, dass im Zusammenhang mit dem Internet die Begrifflichkeit des Virtuellen (Virtualisierung) keine fortgeschrittenen Virtual-Reality-Anwendungen meint, sondern die zunehmende Integration der Netznutzung in die Alltagsvollzüge der Menschen.[29]

2.2 Marketing

Das Marketing wird immer ausdifferenzierter im Rahmen der neuen medialen Möglichkeiten. Wissenschaftliche Erkenntnisse aus dem Bereich der Kommunikation, der Soziologie und der Neurowissenschaften werden mit den übergeordneten Funktionsmechanismen von Systemen erläutert. Die erfolgreiche marketingtechnische Verwertung von Avataren, die sämtliche dieser Bereiche betrifft, macht dies notwendig.

Auf die einzelnen hinreichend bekannten Marketinginstrumente wird in dieser Arbeit nicht näher eingegangen, weil dies den vorgegebenen Rahmen sprengen würde. Ziel ist es vielmehr, neue Erkenntnisse in Hinblick auf übergeordnete Mechanismen, aktuelle und zukünftige Entwicklungen zu gewinnen.

2.2.1 Klassisches Marketing

Nach der klassischen Definition ist Marketing eine Konzeption der am Markt orientierten Unternehmensführung. Die Planung, Koordination und Kontrolle aller auf die aktuellen und potenziellen Märkte ausgerichteten Unternehmensaktivitäten soll die dauerhafte Befriedigung der Kundenbedürfnisse und die Erreichung der Unternehmensziele realisieren. Darüber hinaus kann Marketing als einen Prozess im Wirtschafts- und Sozialgefüge verstanden werden, bei dem Einzelpersonen als auch Gruppen ihre Bedürfnisse und Wünsche befriedigen, indem sie Produkte und andere Dinge von Wert erstellen, anbieten und miteinander austauschen.[30]

Da die Produkte heutzutage immer homogener werden, ist die Marke (Image) und die in ihr verankerten Emotionen (Aufladung) ein immer bedeutsameres Mittel, um sich in den Köpfen der potentiellen Konsumenten von der Konkurrenz abzuheben (Wettbewerbsvorteil).

2.2.2 Erlebnisgesellschaft und Erlebnismilieus

Den Menschen in der heutigen Gesellschaft geht es vorwiegend um Faszination, Konzentration, Sinn, Gefühl, und Authentizität. Das Projekt des schönen Lebens gilt als wichtigstes Ziel und das Erleben als dominante Form, Sinn zu definieren. Am Wandel der Werbung kann man ablesen, wie sich die Gesellschaft verändert hat. Stand seinerzeit noch der funktionelle Gebrauchswert (Haltbarkeit, Zweckmäßigkeit, technische Perfektion) eines Produktes im Vordergrund, wurde dieser nun vom Emotionswert verdrängt. Produkte werden nicht mehr als Mittel zu einem bestimmten Zweck offeriert, sondern als Selbstzweck und sollen unabhängig von ihrer Verwendbarkeit zufrieden stellen. Design und Produktimage werden zur Hauptsache, Nützlichkeit und Funktionalität zum Accessoire. Ästhetik wird als Zweckmäßigkeit verschleiert.

Der Trend zur Produktästhetisierung kennzeichnet auch den Wandel der Gesellschaft. Mit Zunahme der persönlich verfügbaren freien Zeit, der Informationszugänge, Kommunikationsräume, der persönlichen Wahl- und somit auch Entwicklungsmöglichkeiten ist der einzelne Mensch mit dem Sachverhalt konfrontiert, was er will, was ihm gefällt und schlussendlich wer er ist. Die Anforderungen, diese Optionsvielfalt für sich persönlich sinnvoll zu gestalten, sind enorm gestiegen. Der einzelne Mensch ist gezwungen, sein gesellschaftliches Handeln zu reflektieren und daraus zu lernen, um einen gewissen Grad an Subjektivität und Kultur zu erlangen. Dies setzt jedoch Versuch und Irrtum voraus. Das Tempo der Entwicklung ist dabei von Unzufriedenheit, Enttäuschung, vergeudeter Zeit und versäumten Chancen beeinträchtigt. Die bisher vorherrschende eindimensionale Denkweise des Entweder-Oder, also der Entscheidung zwischen dem Haben-Können (Arbeit) und dem Sein (Spiel und Erlebnisse), wird zunehmend vom zweidimensionalen Denken, dem Sowohl-Als-Auch verdrängt.[31]

„Das Leben ist schlechthin zum Erlebnisprojekt geworden. Zunehmend ist das alltägliche Wählen zwischen Möglichkeiten durch den bloßen Erlebniswert der gewählten Alternative motiviert“.[32] Diese vorherrschende Erlebnisorientierung wird dabei durch eine Erlebnisrationalität systematisiert. Es werden Handlungskataloge (Ziel-Mittel) entwickelt, nach denen das Individuum durch Beeinflussung äußerer Bedingungen gezielt psycho-physische Prozesse (schöne Erlebnisse) einleitet, die es dann intrinsisch (innenorientiert) emotional (erlebnisorientiert) konsumiert. So wird das Subjekt „selbst zum Objekt, indem es Situationen zu Erlebniszwecken instrumentalisiert“.[33] Erlebnisse werden so zum eigentlichen Zweck des Handelns. Das Individuum wird zum Manager seiner eigenen Subjektivität, zum Manipulator seines Innenlebens.[34] Dabei muss man jedoch zwischen Erlebnissen unterscheiden, die selbst eingeleitet sind oder unvorhergesehen auf das Individuum einwirken.[35]

Zur innergesellschaftlichen Sozialisierung und Orientierung haben sich Lebensstilgruppen herausgebildet, sogenannte Milieus, denen sich das Individuum je nach Beschaffenheit (Alter, Bildung und persönlichen Präferenzen) zugeordnet fühlt und die seine soziale Wahrnehmung und Wirklichkeit formen. Dabei herrschen im Rahmen milieuspezifischer Existenzformen zwei Polaritäten vor: Einfachheit versus Komplexität, Ordnung versus Spontanität.[36]

Diese Erlebnisse finden im Rahmen von sozialen Milieus (Stil-Großgruppen) statt. Diese lassen sich definieren als „Personengruppen, die sich durch gruppenspezifische Existenzformen und erhöhte Binnenkommunikation voneinander abheben“[37] und zur milieuinternen und damit auch gesellschaftlichen Sozialisierung beitragen. Die Binnenkommunikation führt dazu, dass Angehörige des gleichen Milieus mit erhöhter Wahrscheinlichkeit persönlich aufeinander treffen (Entstehen von Partner- und Freundschaftsbeziehungen) und sich kommunikativ (über Themen wie z.B. Politik, Wirtschaft, Ökologie) austauschen können. Sie haben so die Möglichkeit, ihr Verhalten immer wieder aufeinander abzugleichen. Die Veränderung der Wirklichkeit wird milieuintern ähnlich empfunden, diskutiert und auf das in ihr existierende Individuum gespiegelt. Im Rahmen dieser segmentierten Wissensgemeinschaft, in der sich die einzelnen Individuen milieuinternen annähern, steigt auf Grund der Unterschiede von Ansichten und Werten die Diskrepanz zu anderen Milieus, deren Beziehung untereinander von fundamentalem Nichtverstehen geprägt ist.[38]

2.2.3 Neuromarketing und Neurowissenschaft

Neuromarketing unterscheidet sich vom klassischen Marketing dadurch, dass zu den bereits vorhandenen Instrumenten, die das gesamte Spektrum der Marktforschung, Werbewirkungsforschung und Marketingkommunikation umfasst, ergänzend die Erkenntnisse und Methoden der Neurowissenschaft eingesetzt werden. Im Gegensatz zur klassischen Markt- und Werbewirkungsforschung werden dabei Erkenntnisse über zentralnervöse Funktionen des Gehirns berücksichtigt, um festzustellen, ob eine Marke ihre Wirkung entfaltet. Der Weg über das Bewusstsein wird nicht beschritten, wie zum Beispiel beim Ausfüllen eines Fragebogens. Zwar arbeitet mittlerweile auch die klassische Marktforschung mit psychologisch aufwendigen Tiefeninterviews, die das Unterbewusste erfassen sollen, jedoch nicht so aussagekräftig sind wie der direkte Blick ins Gehirn.[39]

Nach Schwarz müssen wir davon ausgehen, dass „95 Prozent unserer Hirnaktivitäten unbewusst erfolgen“,[40] was auch ein Grund dafür ist, dass die klassische, mit Annahmen arbeitende Psychologie gegenüber den Neurowissenschaften, die direkt ins Gehirn blicken, immer mehr hinsichtlich ihrer Aussagekraft „ins Hintertreffen gerät“.[41]

Nach den Erkenntnissen des Neuromarketings kommt es nicht darauf an, wie gut oder sinnvoll ein Produkt ist (Funktionswert), sondern nur darauf, ob es als positiver Baustein in das Selbstbild des Kunden passt (Abfärbung des Markenimages und der darin kristallisierten Emotionen), wie gut eine Marke erinnert wird und wie die Verkaufssituation beschaffen sein muss, um beim Kunden einen spontanen Konsumreiz auszulösen.

Im Kern geht es beim Neuromarketing hauptsächlich darum, zu verstehen, wie die Grundfunktionen des menschlichen Gehirns (Lernen, Erinnern und Entscheiden) beeinflusst werden können, damit die Wünsche der Kunden und deren Belohnungssystem gezielt angesteuert werden können.

Das Neuromarketing beschäftigt sich also ebenso wie das klassische Marketing mit zwei Fragen:

1. Warum kauft der Kunde ein bestimmtes Produkt?
2. Was muss ich tun, damit er mein Produkt kauft?[42]

2.2.4 Interfusionsmarketing und Virales Marketing

Der Begriff Interfusionsmarketing brachte in der Literatur bislang keine exakten Definitionen hervor. Seine Bedeutung wird im Rahmen der Entwicklung der vorliegenden Arbeit erläutert.

Der Bereich des Interfusionsmarketings verschmilzt die Bereiche Systemtheorie (Vernetzungstendenzen), Kybernetik (Gesetzmäßigkeiten und Steuerungsmechanismen von Regelsystemen), Marketing mit den soziologischen Wirkungsbereichen, den Milieus (Lebensstil-Großgruppen). In Folge dessen werden die Wertsteigerungspotentiale von Avataren deutlich. Dabei ist das Interfusionsmarketing der zeitlich-theoretische Vorläufer des mittlerweile technologisch-praktisch angewendeten Konzeptes des Viralen Marketings. Die Erkenntnisse der systemtheoretischen Verbindungen, Beziehungen und Eigenheiten der einzelnen Bereiche werden miteinander verschmolzen (Interfusion) und erfahren ihre Anwendung (Transformation) in den Möglichkeiten des Viralen Marketings. Dieses ermöglicht im Rahmen der Eigenheiten des Web 2.0 / Media 2.0 und den damit einhergehenden neuen Marktforschungsmöglichkeiten effiziente Kommunikationsselbstläufer (selbst reproduzierende Kommunikationsviren in Form von überraschend-interessanten Themen und Ereignissen) zu erschaffen, die sich, weil relevant für die dortige Community, in ihr fortpflanzen.

In der weitergehenden Verwendung der Begrifflichkeiten wird das Interfusionsmarketing als Oberbegriff verwendet, der die Aspekte des Viralen Marketings umfasst. Eine komplette systemtheoretische Erfassung und Darstellung kann in dieser Arbeit nicht erfolgen, da diese derart komplex wäre, dass diese den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde.

Die Welt der Menschen ist von zunehmender Komplexität und damit eingehender Vernetzung geprägt. „Die expotentiell angestiegene Menschendichte und in ihrem Gefolge die als Fortschritt deklarierten immer stärkeren Eingriffe in den Naturhaushalt und in die menschliche Lebensqualität durch technologische Entwicklungen haben diese Wechselwirkungen so verdichtet, dass sie zu verstehen trotz aller wissenschaftlichen Erkenntnisse mit jedem Tag schwieriger zu werden scheint“.[43]

Um jedoch diese von Komplexität wuchernde Informationsmasse und zunehmender Eigendynamik geprägten Welt erkennen zu können, müssen die untereinander dynamisch wirkenden Elemente, ihre Beziehungen und ihre Wirkungsmuster analysiert werden.[44] Da die gängigen monokausalen Planungsmethoden als Entscheidungshilfen für nachhaltiges Wirtschaften zunehmend überfordert sind, wird das Erkennen von komplexen Systemen, deren Mustern und Ordnungsparametern, welche die Wirklichkeit zwar unscharf dafür aber richtig erfassen, immer wichtiger.[45] Die in dieser Welt existierenden überlebensfähigen Systeme und ihre Regel- und Steuerungsprinzipien sind dabei essentiell für den Begriff des Interfusionsmarketings. Erst nach Klärung, was ein System ist und wie es wirkt, kann auf die bereits erläuterten Bereiche des Marketings und der soziologischen Zielgruppen-Milieus im Rahmen von Wertsteigerungspotentialen von Avataren eingegangen werden.

Systemtheorie:

Die real existierenden Systeme, ob biologisch, organisch, sinnorientiert, sozial oder psychisch, sind grundlegend immer von Offenheit gegenüber der Umwelt und damit einhergehender Austauschbeziehungen geprägt. Diese Beziehungen kann man grob klassifizieren als System-zu-System-Beziehungen (Systeme und Subsysteme) und

System-Umwelt-Beziehungen (System und Umwelt).[46]

Ein komplexes System besteht grundlegend aus mehreren verschiedenartigen Teilen, die dynamisch untereinander angeordnet sind und zusammen ein vernetztes Wirkungsgefüge ergeben. Greift man in dieses Wirkungsgefüge ein, verändert das nicht nur die bestehenden Beziehungen der einzelnen Teile zueinander sondern das komplette System. Die einzelnen Teile eines Systems können ein System oder ein Subsystem formen. Umgekehrt ist es möglich, dass mehrere vorher getrennte Systeme eine Beziehung untereinander formen und so ein übergeordnetes System entsteht.[47]

Dabei ist das System mehr als die Summe seiner Teile. Sich formende komplexe Systeme entwickeln bei ihrer Entstehung Tendenzen zu schwer kalkulierbaren Wechselwirkungen, die aus den Einzelkomponenten aus denen das System besteht, nicht hervorgehen. Das System entwickelt eine Eigendynamik, einen individuellen Charakter, der sich im Rahmen von Rückkopplungseffekten, Schwellenwerten, Selbstregulation und Umkippeffekten zeigt.[48] Die Anzahl und die Größe der Einheiten oder Subsysteme innerhalb eines komplexen Systems haben immer ihr Optimum.[49]

Mit zunehmendem Wachstum eines Systems und damit einhergehender Vernetzungsdichte (z.B. das Internet) müssen ab einem bestimmten Wucherungsgrad (Dichtestress), der Unübersichtlichkeit begünstigt, Substrukturen und eine damit einhergehende Metamorphose des Systems (neue Organisationsstufe) ausgebildet, bisweilen eingeleitet werden. Geschieht dies nicht, sorgt der Mechanismus des Dichtestress ab einen bestimmten Grenzwert für drastische Reduktion (z.B. Katastrophen), das System kollabiert und wird radikal auf eine verträgliche Dichte heruntergebrochen.[50]

Es wird „eine gesunde Mischung aus Autarkie und Dependenz, gegenseitiger Rückkopplung und Selbstregulation, mit der die gesunkenen kybernetischen Regulationsmöglichkeiten wieder in Gang gesetzt werden“[51] benötigt. Nach Vester ist das einzige System, was eine gewisse „Garantiezeit des Überlebens“[52] sicherstellt und uns als Vorbild, hinsichtlich des Verständnisses von lebensfähigen Systemen und ihren Mechanismen, Beziehungen und Regelkreisen dienen kann, das biologische System. Dabei lassen sich die biokybernetischen Regel- und Steuerungsmechanismen, die im Inneren des Organismus (Systeme und Subsysteme) als auch in seinem Umfeld (Umwelt) wirken, auf die aktuelle Problematik zunehmender Komplexität in unserer Welt anwenden. Die Kybernetik nutzt diese Erkenntnisse für sich.[53]

Der Begriff Kybernetik (vom griechischen kybernetes, der Steuermann) meint die „Erkennung, Steuerung und selbstständige Regelung ineinander greifender, vernetzter Abläufe bei minimalem Energieaufwand“.[54] Durch Impulsvorgabe zur Selbstregulation, initialisieren von Wechselwirkungen zwischen System und Umwelt, flexible Nutzung vorhandener Kräfte und Energien sowie ständiges Wechselspiel mit diesen, entfaltet die Kybernetik in lebendigen (lebensfähigen) Systemen ihre Wirkung. Die Abläufe zwischen den einzelnen Teilen sind so aufgebaut, dass diese sich automatisch in Gang halten und steuern. Diese dynamischen Regelkreise bestehen aus Regler, dem dazu gehörigen Messfühler und der Regelgröße. Diese sind vernetzt mit anderen und unterteilt in Teilregelkreise. Wird der Zustand durch einen Störfaktor beeinflusst, leitet der Regler die Anweisung zur Veränderung des Zustandes an das jeweilige Stellglied weiter, welches die Störung über eine Stellgröße durch Zufuhr oder Abfuhr einer entsprechenden Austauschgröße initialisiert. Eine Rückkopplung des Systems besteht. Darüber hinaus steht das System mit der Außenwelt (Umwelt) über die Störgröße und die Austauschgröße in Verbindung. Der Regler eines jeden Regelkreises richtet sich aber auch noch nach einer Führungsgröße, die ihm hierarchisch übergeordnet ist und den Sollwert für die Regelgröße bestimmt. Dies führt zu einer Verschachtelung der einzelnen Regelkreise, ihrer Wechselbeziehungen und voneinander abhängenden Sollwerte. Da das System und seine Subsysteme mit der Umwelt im ständigen Kontakt stehen (Störgröße und Austauschgrö0e) existieren generell keine geschlossenen, sondern nur offenen Systeme. Entscheidend bei der Eigendynamik eines Systems ist nicht nur welcher Teil mit welchem verbunden ist, sondern auch wie die Verbindung ausgeprägt ist. Die Stärke, Art und Richtung der Wechselwirkung verleiht dem System einen einzigartigen Charakter, der sich schlagartig ändern kann.[55]

Offene Systeme sind somit zusammenfassend gesagt, nichts anderes als Transformationsmechanismen, die mit Hilfe von kybernetischen Mechanismen den Input und Output systemintern als auch in Beziehung mit der Umwelt schwankungsausgleichend und somit lebensfähig halten.[56]

Die Fehler, die im Umgang mit komplexen Systemen entstehen, haben generell drei Hauptursachen. Diese liegen:

1.) in der getrennten Betrachtung von Systemteilen und damit einhergehend von Rückkopplungen und Regelkreisen.
2.) in der Tendenz, diese Wechselbeziehungen auszuschalten und durch bestehende Führungsgrößen zu fixieren.
3.) in dem meist zu kurzen Planungshorizont, der diese Rückwirkungen nicht erfasst.[57]

Die zunehmende Komplexität unserer Zeit verlangt nach einer neuen Herangehensweise

bei der systematischen Erfassung von Problemen. Die bisher gängige Methodik schreibt vor, dass man aus dem bestehenden System nach außen, über den Tellerrand, schauen soll, um das Umfeld und die Einflussfaktoren zu erfassen. Die systemische Sichtweise empfiehlt dagegen, sich aus dem System herauszubewegen und dieses von außen nach innen zu betrachten, um die Einflussfaktoren von Umwelt als auch des Systems selbst zu erfassen. Diese Betrachtung ist nicht nur weit reichender, es werden gänzlich andere Fragen aufgeworfen.[58] „Wo sind die kritischen, wo die puffernden Bereiche, mit welchen Hebeln lässt sich das System steuern, mit welchen nicht, wie ist seine Flexibilität, seine Selbstregulation, seine Innovationskraft, wo liegen Symbiosemöglichkeiten, wo drohen Umkippeffekte usw. Auch dafür gibt es Analyse-Wirkungsgefüge, Einflussmatrizen, Policy-Tests, Simulationsmodelle“.[59]

Die systemtheoretische Betrachtung erfährt im Rahmen des Viralen Marketings ihre praktische Anwendung. Durch die technologischen Möglichkeiten unserer Zeit und die daraus entstandenen sozialen Vernetzungstendenzen im virtuellen Raum, die zunehmend sämtliche menschlichen Lebensbereiche zu durchdringen scheinen, hat sich ein praktisch-systemtheoretisches Anwendungsfeld für den Marketingbereich eröffnet.

Das Virale Marketing ist dabei die moderne Form der Mund-zu-Mund-Propaganda, die Netzwerkstrukturen in der wahren Realität, aber auch in den virtuellen nutzt, um soziale Gruppen mit einem Kommunikationsvirus zu infizieren, der sich selbstständig in der Zielgruppe fortpflanzt. Die zielgruppenkalkulierten Erstempfänger und Überträger des Kommunikationsvirus empfinden diesen, auf Grund seines Versprechens hinsichtlich Inhaltsaktualität, Zielgruppenbezug und Spaß, als etwas Besonderes (nicht als Werbeimpuls) und kommunizieren diesen bereitwillig weiter. Menschen kann man als gesellschaftliche Herdentiere klassifizieren, die im Rahmen ihres Urinstinkts ihr sozial-kommunikatives Verhalten aneinander angeglichen haben, um ihr Überleben sicherzustellen. Dieser Mechanismus des Ideentransfers ist noch immer aktiv und wird im Rahmen der jungen Wissenschaft namens Memetik untersucht und in Form des Viralen Marketings genutzt. Der Ideenbrutplatz des Virus kann dabei jede Art von Communitie (z.B. Blogs, Foren, virtuelle Welten,) umfassen und in Form von Videoclips, Spielen, Animationen, Gerüchten oder Dokumenten auf diese einwirken. Außergewöhnliche Preis-Leistungsverhältnisse und Reichweitengewinne in einer Kommunikationswelt, in der sich der Rezipient zunehmend gegen von ihm identifizierte Werbung abschirmt, sind möglich. Das Scannen (Beobachten) und Tracken (Verfolgen) des virtuellen Nutzerverhaltens kann Aufschluss darüber geben, in welchem Maße die Geistviren das Verhalten der Infizierten verändert haben.[60]

Das Interfusionsmarketing verschmilzt (Interfusion) die schon definierten Bereiche:

- Systemtheorie
- Kommunikation
- Soziologie und Milieusegmentierung
- Marketing

hinsichtlich der virtuell-marketingtechnischen Anwendungsgebiete, um dadurch einen neuartigen übergeordneten Anwendungs- und Produktbereich zu erschließen (Transformation), der mittels Viralen Marketings gezielt gesteuert werden kann.

2.3 Das Konstrukt der Wirklichkeit

Schulze beschreibt Wirklichkeitsmodelle als „ganzheitlich zusammenhängende Komplexe von Vorstellungen über die Welt und über die eigene Beziehung zur Welt, die grobe Korrespondenz mit objektiven Gegebenheiten aufweisen, relativ stabil sind und sowohl empirische als auch normative Komponenten enthalten“.[61] Die Inhalte der Wirklichkeitsmodelle umfassen dabei nicht nur Vorstellungen über normale Existenzformen, über klassische Zielgruppen bis zu modernen Klassifizierungen wie den sozialen Milieus und ihre gesamtgesellschaftlichen Struktur, sondern auch alltagsästhetische Schemata bis zum eigen Wirklichkeitsbezug und Weltkonstruktion. Gesellschaftlich-existenzielle Wirklichkeitsmodelle entstehen, die Bestandteile unterschiedlich ausgeprägten Kollektivitätsgrades enthalten.[62] Diese unterliegen unterschiedlichen Einflussfaktoren, die im Folgenden erläutert werden.

2.3.1 Die Wirklichkeitstheorie des Konstruktivismus

Der Begriff des Konstruktivismus entstand aus einer Kunstrichtung, die sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte und für die der Begriff heute noch steht. Diese unterscheidet zwei Ausprägungsformen von Anhängern. Die gemäßigten Konstruktivisten vertraten dabei die Sichtweise,[63] „dass der Mensch in seinem Erleben und Verhalten insbesondere im Wahrnehmen nicht als passiv rezipierendes Wesen zu verstehen ist, sondern dass er aus dem „Material“, das ihm seine Sinne liefern, sich durch Selektion, Projektion, Bedeutungszuweisung und Sinngebung seine Welt aktiv aufbaut“.[64]

Der einzelne Mensch konstruiert seine eigene Welt und Wirklichkeit, die jedoch von der einzig wahren Wirklichkeit abweicht. Er kann folglich die wahre Welt immer nur bruchstückhaft und begrenzt erfassen. Die Betrachtungsweise der radikalen Konstruktivisten knüpft genau dort an und fragt danach, inwieweit der einzelne Mensch über die wirkliche Welt etwas wissen könne. Nach Ansicht von Neurobiologen entspricht der Mensch einem sich selbst gestaltenden, reflektierenden, in sich geschlossenem System, dass sich und seine internen Strukturen der Umwelt anpassen kann. Diese Anpassung kann jedoch nur bedingt von außen initiiert werden und benötigt Impulse in Form von z.B. neuen Sichtweisen und Bewusstseinserweiterungen. Abschließend kann man somit als Kerngedanken des radikalen Konstruktivismus festhalten, dass der Mensch zwar erkennen kann, was sich in seinem Selbst tut, seine Wahrnehmung der äußerlichen Welt jedoch auf Grund von Informations- und Wahrnehmungsselektion nicht an die wahre Wirklichkeit heranreichen kann, da er gezwungen ist, seine eigene Wirklichkeit zu konstruieren.[65]

2.3.2 Soziale Wahrnehmung

Döring versteht unter Wahrnehmung „die sensorische Aufnahme und Verarbeitung von Reizen aus der Umwelt oder dem eigenen Körper“.[66] Aufgrund der großen Fülle der Reize kann Wahrnehmung nur selektiv erfolgen. Dabei hängt die Selektion von der Art der Reize, der Aufmerksamkeit sowie der Erwartungshaltung der beobachtenden Person ab. Die Bereiche der sozialen Wahrnehmung umfassen dabei die Wahrnehmung von anderen Personen (Personenwahrnehmung, interpersonale Wahrnehmung) sowie die der eigenen Person (Selbstwahrnehmung).[67]

2.3.3 Soziale Emotion

Emotionen sind ein maßgeblicher Beeinflussungsfaktor von Kommunikation. Gemäß dem unten aufgeführten Drei-Komponenten-Modell spricht man von Emotionen, „wenn auf ein bestimmtes Ereignis eine Triade von drei Reaktionsformen folgt nämlich von

[...]


[1] Vgl. Pradel [Kommunikationsmanagement], S. 16.

[2] Vgl. Döring [Sozialpsychologie], S. 38.

[3] Metzner-Szigeth [Internet], http://www.sicetnon.org, S. 10.

[4] Vgl. Pradel [Kommunikationsmanagement], S. 16.

[5] Döring [Sozialpsychologie], S. 41.

[6] Pradel [Kommunikationsmanagement], S. 54f.

[7] Vgl. Döring [Sozialpsychologie], S. 41f.

[8] Vgl. Pradel [Kommunikationsmanagement], S. 18.

[9] Vgl. Metzner-Szigeth [Internet], http://www.sicetnon.org, S. 10ff.

[10] Metzner-Szigeth [Internet], http://www.sicetnon.org, S. 15.

[11] Metzner-Szigeth [Internet], http://www.sicetnon.org, S. 10.

[12] Vgl. Döring [Sozialpsychologie], S. 40.

[13] Vgl. Döring [Sozialpsychologie], S. 40.

[14] Vgl. Bolz [Medien], http://de.sevenload.com.

[15] Vgl. Metzner-Szigeth [Internet], http://www.sicetnon.org, S. 15.

[16] Vgl. Döring [Sozialpsychologie], S. 36.

[17] Döring [Sozialpsychologie], S. 42.

[18] Vgl. Döring [Sozialpsychologie], S. 43.

[19] Vgl. Bolz [Medien], http://de.sevenload.com.

[20] Vgl. Döring [Sozialpsychologie], S. 41f.

[21] Vgl. Kaumanns; Pörschmann [Konvergenz], http://www.ibm.com, S. 2.

[22] Vgl. Kaumanns; Pörschmann [Konvergenz], http://www.ibm.com, S. 20.

[23] Vgl. Feig & Partner [Zukunftsszenarien], http://www.contentmanager.de.

[24] Vgl. Schelske [Beratung], http://www.soziologischeberatung.de.

[25] Vgl. Feig & Partner [Zukunftsszenarien], http://www.contentmanager.de.

[26] Vgl. TrendONE [Media 3.0], http://www.trendone.de, S.6.

[27] Bolz [Medien], http://de.sevenload.com.

[28] Vgl. Bolz [Medien], http://de.sevenload.com.

[29] Vgl. Döring [Sozialpsychologie], S. 44ff.

[30] Vgl. Kobuss [Begriffe], http://www.designersbusiness.de.

[31] Vgl. Schulze [Erlebnisgesellschaft], S. 7ff.

[32] Schulze [Erlebnisgesellschaft], S. 13.

[33] Schulze [Erlebnisgesellschaft], S. 40.

[34] Vgl. Schulze [Erlebnisgesellschaft], S. 40.

[35] Vgl. Schulze [Erlebnisgesellschaft], S. 41.

[36] Vgl. Schulze [Erlebnisgesellschaft], S. 23.

[37] Schulze [Erlebnisgesellschaft], S. 174.

[38] Vgl. Schulze [Erlebnisgesellschaft], S. 174.

[39] Vgl. Schwarz [Griff], S. 125f.

[40] Schwarz [Griff], S. 25.

[41] Schwarz [Griff], S. 25.

[42] Vgl. Schwarz [Griff], S. 124.

[43] Vester [Kunst], S. 9.

[44] Vgl. Vester [Kunst], S. 10ff.

[45] Vgl. Vester [Kunst], S. 99.

[46] Vgl. Luhmann [Einführung], S. 45ff.

[47] Vgl. Vester [Kunst], S. 25.

[48] Vgl. Vester [Kunst], S. 32f.

[49] Vgl. Vester [Kunst], S. 51.

[50] Vgl. Vester [Kunst], S. 68ff.

[51] Vester [Kunst], S. 69.

[52] Vester [Kunst], S. 111.

[53] Vgl. Vester [Kunst]. S. 111ff.

[54] Vester [Kunst], S. 154.

[55] Vgl. Vester [Kunst], S. 154ff.

[56] Vgl. Luhmann [Einführung], S. 58.

[57] Vgl. Vester [Kunst], S. 39.

[58] Vgl. Vester [Kunst], S. 100.

[59] Vester [Kunst], S. 101f.

[60] Vgl. Roder; Wilfer [Marketing], http://www.viralmarketing.de.

[61] Schulze [Erlebnisgesellschaft], S. 573.

[62] Vgl. Schulze [Erlebnisgesellschaft], S. 573.

[63] Vgl. Pradel [Kommunikationsmanagement], S. 36.

[64] Pradel [Kommunikationsmanagement], S. 36.

[65] Vgl. Pradel [Kommunikationsmanagement], S. 36ff.

[66] Döring [Sozialpsychologie], S. 248.

[67] Vgl. Döring [Sozialpsychologie], S. 248.

Ende der Leseprobe aus 128 Seiten

Details

Titel
Avatare - und ihre Möglichkeiten nachhaltiger Wertsteigerung im Interfusionsmarketing
Hochschule
Hochschule Fresenius; Köln
Veranstaltung
Medienwirtschaft
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
128
Katalognummer
V166860
ISBN (eBook)
9783640830220
Dateigröße
3543 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Avatare, Zukunft, Ökonomie, Realität, Medien, Immersion, Fetische, Marketing, Emotionen, Motivation, Selbstkonzept, Gesellschaft, Neuro, Szenarien, Individuum, Kommunikation, Gefahren
Arbeit zitieren
Diplom-Medienwirt Stefan Schmitt-Blass (Autor:in), 2007, Avatare - und ihre Möglichkeiten nachhaltiger Wertsteigerung im Interfusionsmarketing, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/166860

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