´Polizei´ - Bataillone?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2000

28 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1 Einleitung

2 Gründzüge der Polizeientwicklung
2.1 Polizei in der Weimarer Republik
2.2 Die Entwicklung der Ordnungspolizei in den ersten Jahren des Nationalsozialismus.
2.3 Vorbereitung auf den Krieg
2.4 Beteiligung der Ordnungspolizei an der Vernichtung der Juden.
2.5 Das Hamburger Reserve-Polizeibataillon 101

3 Kontinuitäten und Brüche
3.1 Personelle Kontinuität
3.2 Institutionelle Kontinuität
3.3 Militarismus
3.4 Modernisierung und Professionalisierung

4 Zusammenfassung:

5 Literatur:

1 Einleitung

Der Entdeckung der Ordnungspolizei als Tätergruppe bei der Vernichtung der Juden in den besetzten Ostgebieten kommt bei der Erforschung des Holocaust eine entscheidende Bedeutung zu. Ähnlich wie die Verbrechen der Wehrmacht verdeutlichen die Taten der Ordnungspolizisten, wie stark die Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten mit der deutschen Gesellschaft verbunden war. Hier waren nicht nur kaltherzige SS-Schergen am Werk, sondern – wie der Titel des Buches von Christopher Browning es ausdrückt[1]– ‚ganz normale Männer’ aus der Mitte der Gesellschaft. Die so gerne betriebene soziale Exterritorialisierung des Holocaust wird durch die Taten der Ordnungspolizei endgültig ad absurdum geführt[2]. Gerade dies macht dieses Thema auch so bedeutungsvoll über die Grenzen der Polizeiforschung hinaus. Daniel Goldhagen hat nicht ohne Grund seine Thesen vom spezifisch eliminatorischen Antisemitismus der Deutschen stark an der Beteiligung der Ordnungspolizei an der Judenvernichtung festgemacht[3], zeigt sie doch, wie bereitwillig Menschen der Mordpolitik folgten, die weder glühende Nationalsozialisten waren, noch als willenlos verstrickte Opfer erscheinen können. Die Frage, wie aus ‚ganz normalen Männern’ ‚willige Vollstrecker’ werden konnten, ist sicher entscheidend für das Verständnis des Holocaust.

In dieser Arbeit soll aber nicht die allgemeinhistorische Bedeutung der Beteiligung der Polizeibataillone am Holocaust im Mittelpunkt stehen. Vielmehr soll ein polizeihistorischer Blick auf die Ereignisse geworfen werden. Dieser erhält seine Berechtigung zunächst dadurch, dass die beteiligten Männer Polizeiuniformen trugen und eben als Polizeibataillone auftraten, also der Bezeichnung nach Polizisten waren. Aber waren diese Bataillone wirklich Polizeibataillone auch in einem historischen Sinne? Kann die Zurechnung dieser Verbände zur Polizei allein über die Bezeichnung erfolgen? Sicher nicht. Es ist also aus polizeihistorischer Perspektive wichtig zu klären, ob es wichtige Faktoren gab, die – um es überspitzt auszudrücken – die Polizeibataillone zur Polizei machte. Diese Frage ist vor allem eine Frage nach der Entwicklung von Polizei in der entsprechenden Zeit. Welche Brüche gab es und welche Kontinuitäten? Was hat sich bei der Polizei des Dritten Reiches im Allgemeinen und bei den Polizeibataillonen im Besonderen gegenüber der Polizei der Weimarer Republik verändert? Und was verbindet diese miteinander?

Schon aus der Fragestellung ergibt sich, dass im Rahmen einer Hausarbeit dieses Thema nur einer aller ersten Betrachtung unterzogen werden kann. Dies soll hier in zwei Schritten geschehen. Zunächst sollen in einem ersten Teil die Grundzüge der Entwicklung der Ordnungspolizei in der Weimarer Republik und im Dritten Reich skizziert werden. Bei Letzterem steht dann die Frage der Beteiligung der Ordnungspolizei an der Vernichtung der Juden im Vordergrund, die schließlich anhand des Hamburger Reserve-Bataillons 101 etwas konkretisiert werden soll.

In einem zweiten Teil wird dann anhand von einigen Faktoren der Frage nach Kontinuitäten und Brüchen etwas genauer nachzugehen sein. In wie weit lassen sich Anhand dieser Faktoren Entwicklungslinien aus der Weimarer Republik über die Ordnungspolizei des frühen Dritten Reiches bis hin zu den Polizeibataillonen aufzeigen? Die Beantwortung dieser Frage kann einen Hinweiß darauf geben, ob die Polizeibataillone wirklich Polizeiverbände auch in einem enger historischen Sinne waren oder nicht.

2 Gründzüge der Polizeientwicklung

2.1 Polizei in der Weimarer Republik

Die Entwicklung der Polizei während der Weimarer Republik lässt sich nur als ein recht ambivalenter Vorgang beschreiben, der von zwei Hauptrichtungen geprägt war[4]. Einerseits zog sich die militärische Tradition des Kaiserreiches fort durch die Polizei der Republik. Manche sahen in ihr die legitime Nachfolgerin der alten preußischen Armee und trotz einiger Versuche der Zivilisierung, blieb sie bis zum Ende der Republik in großen Teilen einem militärischen Selbstverständnis treu.

Doch es gab auch einen anderen Entwicklungspfad. Da spätestens seit der Note der Enquete vom 20. Juli 1920 der Weg einer ‚offiziellen Militarisierung’ der Polizei verbaut war, wich man von Rgierungsseite auf die Professionalisierung und Modernisierung der Polizei aus[5]. Nicht zuletzt die SPD-geführte Regierung Preußens hoffte dadurch auch eine Demokratisierung der Polizei zu erreichen, die sie zu einer verlässlichen Stütze der Republik machen sollte. Das alte Bild des unbeliebten Staatsschützers sollte durch das des „jederzeit bereite[n] Helfer und Schützer des Publikums“[6]ersetzt werden. Und durch moderne Technik und Verfahren die Effektivität der Verbrechensbekämpfung erhöht werden.

Beide Entwicklungslinien, militärische Tradition einerseits, Modernisierung und Professionalisierung andererseits existierten nebeneinander her und prägten die Polizei der Weimarer Republik in entscheidendem Maße.

Ähnlich wie in vielen andere Bereichen, war auch die Reorganisation der Polizei nach dem 1. Weltkrieg zunächst hauptsächlich eine Reaktion auf die Ereignisse 1918/19.

Vor allem die Auflösung der Armee, auf die die Polizei im Kaiserreich als Rückhalt in brenzligen Situationen hatte zählen können, führte zu einer großen Verunsicherung bei den Beamten. Es verwundert also nicht, dass die Polizei während der Unruhen der Novemberrevolution keine Rolle spielte. Die Kontrolle der öffentlichen Sicherheit übernahmen entweder die Arbeiter- und Soldatenräte, oder aber Bürger- oder Einwohnerwehren. Auch die neue Regierung griff bekanntermaßen nicht auf die Polizei zurück um der Lage Herr zu werden, sondern bediente sich der aus ehemaligen Frontsoldaten bestehenden Freikorps.

Trotzdem war auch für die Verantwortlichen in der Regierung klar, dass sie sich längerfristig nicht auf die paramilitärischen Verbände stützen konnten, und so wurde im Mai 1919, nach der Unterzeichnung des Versailler Vertrages, die Reorganisation der Polizei vangegangen. Diese geschah vornehmlich unter dem Eindruck der Novemberrevolution und der blutigen Niederschlagung von Aufständen in vielen deutschen Städten. Man brauchte eine effektive, durchgreifende Polizeitruppe, die mit starker Hand für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung sorgen konnte. So stieß der Vorschlag, den Reichswehrminister Noske im März 1919 dem preußischen Innenministerium unterbreitete, auf offene Ohren: Die Preußische Polizei sollte in eine unbewaffnete Ordnungspolizei und eine straff militärisch organisierte und kasernierte Sicherheitspolizei (Sipo) aufgeteilt werden[7]. Letztere sollte als flexible Eingreiftruppe zur Niederschlagung von Unruhen dienen und einen quasimilitärischen Charakter erhalten. Das Modell der Sicherheitspolizei setzte sich in den nächsten Monaten in anderen deutschen Ländern durch, wenn auch in unterschiedlicher Ausgestaltung. Die Rekrutierung von Polizisten geschah vornehmlich durch die Aufnahme ganzer Freikorps-Verbände en bloc sowie von ehemaligen Frontsoldaten, denen sich dadurch eine Möglichkeit eröffnete, auch weiterhin Dienst in der Uniform zu leisten. Die Rekrutierung aus alten Armeeverbänden war nicht nur eine Notlösung, sondern vielerorts Konzept. So gehörte z.B. in Baden eine mindestens einjährige Fronterfahrung zu den ansonsten nicht sehr rigiden Aufnahmebedingungen für die Sicherheitspolizei[8].

Der paramilitärische Charakter der Sipo entging auch den Alliierten nicht, und so kam es am 20. Juli 1920 zu der bereits erwähnten Note, die die Auflösung dieser Verbände innerhalb von drei Monaten verlangte, da man die Gefahr sah, dass mit der Sipo als einer Art Ersatzheer die strengen Auflagen zur Reorgansierung der Reichswehr als 100.000 Mann – Heer umgangen werden sollten. Allerdings waren auch die Alliierten von der Notwendigkeit einer einsatzstarken Polizei in der neuen Republik überzeugt, und so genehmigte man die Aufstellung von 150 000 Polizisten und 17 000 Landjägern, die auf die einzelnen Länder aufgeteilt werden sollten und die einen dezentralisierten und nicht-militärischen Charakter aufzuweisen hatten.

Die Regierung kam dieser Aufforderung fristgerecht nach. Es ist jedoch charakteristisch, dass auch durchaus liberal eingestellte Verantwortungsträger wie der preußische Innenminister Carl Severing auch weiterhin „straffste Disziplin“ als „Hauptbedingung“ für die Polizei ansahen[9]. Severing und sein Ministerialdirektor Wilhelm Abegg waren es auch, die die Richtlinien für die neue Polizeiorganisation in Preußen verfassten. Danach sollte die neue Ordnungspolizei durch ihren zivilen Charakter und ihre Unterstellung unter örtliche Behörden auszeichnen. Auch wenn dieses Konzept von den anderen Ländern bald übernommen wurde, so blieb fast überall ein grundlegender Umbau der Polizei aus. So wurde z.B. in Hamburg nur eine beträchtliche Reduzierung der Ausrüstung und der Bewaffnung verfügt, die Organisation und Personalstruktur blieb die selbe[10]. Und da die Siegermächte ihren Widerstand gegen die Kasernierung von Polizisten schließlich aufgaben, blieb auch nach 1920 ein Großteil der Beamten in Kasernen stationiert.

So blieb der Polizei ein Großteil ihres militärischen Charakters erhalten. Jedoch es gab auch gegenläufige Entwicklungen. Anfang der 20er Jahre wurde durch die alliierte Militärkontrollkommission die direkte Aufnahme von Bewerbern aus der Reichswehr in den Polizeidienst verboten, und auch die personelle Einschränkung des 100 000 Mann Heeres verschmälerte den bisher üblichen Karriereweg Heer – Polizei. Es wurden nun vornehmlich junge ungediente Menschen vom Land in den Polizeidienst aufgenommen, wobei aber weiterhin hauptsächlich körperliche Tüchtigkeit als Aufnahmekriterium im Vordergrund stand und weniger Schulbildung oder gar die positive Einstellung zur Republik[11].

Auch was die Modernisierung anging, machte die Polizei in diesen Jahren Fortschritte. Vor allem die Nutzung moderner Technik wie z.B. Kraftfahrzeugen oder Nachrichtentechnik hielt immer stärkeren Einzug in den polizeilichen Alltag. Bei der Ausbildung wurde teilweise mehr Wert auf moderne Erkenntnisse gelegt. So wurde an dem 1927 in Charlottenburg gegründeten Polizeiinstitut für höhere Polizeioffiziere auch Psychologie gelehrt.[12]Man gab sich Mühe, in der Öffentlichkeit ein positiveres Bild von Polizeiarbeit zu vermitteln, die 1926 in Berlin veranstaltete ‚Große Polizeiausstellung’ war die erste große Ausstellung in der Hauptstadt nach dem Weltkrieg und wurde von fast einer halben Millionen Menschen besucht. Vor allem die mittleren Jahre der Weimarer Republik waren von einem neuen Selbstbewusstsein der Polizei geprägt, dass teilweise auch in einer stärkeren Bejahung des herrschenden Systems seinen Ausdruck fand.

Die Ereignisse in den letzten Jahren der Republik stützten dann aber auch die Polizei in eine tiefe Krise. Sie litt unter Geldmangel und einer sprunghaft ansteigenden Beanspruchung durch politische Demonstrationen und Aktionen von rechts wie links. Unter der Überforderung dieser Jahre entsprach die Polizei immer weniger dem Bild das vor allem die preußischen Verantwortlichen von ihr so gerne zeichneten. Aufgerieben zwischen den Fronten von KPD und NSDAP kam es immer wieder zu gewalttätigen Überreaktionen und daran anschließend zu heftiger Kritik aus der Bevölkerung[13]. Spätestens nach dem Preußenschlag im Juli 1932 gab auch die Polizei den Kampf gegen die Nationalsozialisten auf.

Die Gründe, warum die Polizei in der Endphase der Republik nicht besser in der Lage war, den Staat gegen die massiven Angriffe zu verteidigen, sind vielschichtig. Sicherlich sind sie zu einem gewissen Teil in der allgemeinen politischen und sozialen Lage dieser Jahre zu suchen. Aber auch in der inneren Struktur der Polizei. Trotz der teilweisen Erfolge was die Liberalisierung und Modernisierung der Polizei betrifft, war es den Verantwortlichen in weiten Teilen nicht gelungen, eine wirklich neue und staatstragende Polizei zu schaffen.

2.2 Die Entwicklung der Ordnungspolizei in den ersten Jahren des Nationalsozialismus.

Der Übergang von der Weimarer Republik zum ‚Dritten Reich’ gestaltete sich für den Großteil der Polizeibeamten recht unspektakulär und ohne große Brüche. Spätestens nach der Konsolidierung des Nazi-Regimes kehrte für viele Polizisten wieder scheinbarer Alltag ein, die politischen Aufgaben nahmen rapide ab, es standen in den ersten Monaten wieder vermehrt Aufgaben wie Verkehrskontrollen, Sicherung von Schützenfesten, und ‚allgemeine Dursuchungen’ von Passanten und Fahrzeugen vermehrt auf dem Programm[14]. Die neue Regierung wollte die ‚Entpolitisierung’ der Polizei erreichen, was aus ihrer Sicht erst dann erreicht sein würde „wenn kein marxistisch und international-pazifistisch denkender Vorgesetzter mehr Befehlsgewalt und Einfluß auf Polizeibeamte hat.“[15]Trotz solcher markigen Worte blieben die Polizei-internen Säuberungsaktionen relativ beschränkt, nur einige wenige mussten den Polizeidienst verlassen[16].

Trotz der scheinbaren ‚Normalisierung’ polizeilicher Arbeit unter den Nationalsozialisten war relativ schnell klar, dass sie neuen Machthaber einen grundlegenden Wandel des Polizeiapparates anstrebten. Mit der faktischen Auflösung der Länderhoheit durch das Ermächtigungsgesetz begann auch der Weg hin zu einer Zentralisierung der Polizei im Reich. Spätestens mit der Zusammenlegung des Preußischen - und des Reichsinnenministeriums im November 1934 ging die Polizeihoheit auf den Reichsinnenminister Wilhelm Frick über. Das, was die Alliierten während der Weimarer Republik zu verhindern suchten, nahm nun immer mehr Gestalt an: eine straf geführte, zentralisierte und stark militärisch ausgerichtete Polizei. Und auch die neuen Aufgaben, die man für Teile der Polizei vorgesehen hatte, kündigten sich bereits früh an. So kam es z.B. in Hamburg bereits im März 1933 zu einer Aufstellung eines sog. ‚Kommandos zur besonderen Verfügung’ dass zunächst maßgeblich aus Schutzpolizisten bestand, später noch im SA- und SS-Leuten aufgefüllt wurde[17]. Dieses Kommando erhielt seine Befehle trotz formaler Einbindung in die Polizeihierarchie fast ausschließlich vom NSDAP-Gauleiter und späteren Reichstatthalter Kaufmann und diente vor allem den Zweck, Hausdurchsuchungen, Razzien und Verhaftungen gegen Kommunisten und Sozialdemokraten durchzuführen, wobei es häufig zu brutalen Übergriffe kam. Mit der Aufweichung der formalen Befehlshierarchien und der Verquickung von Polizei mit SA- und SS-Verbänden war die Richtung vorgezeichnet. Auch wenn solche Kommandos z.b.V. relativ schnell wieder aufgelöst wurden, setzte sich die Entwicklung in diesem Sinne fort.

Nachdem mit Wiedereinführung der Wehrpflich im März 1935 die kasernierte Landespolizei in das neue Heer integriert wurde und damit der Schutzpolizei ein Großteil ihres Personalbestandes und ihrer Ausrüstung verloren ging, wurde die enge Verknüpfung der Schutzpolizei mit der SS weiter vorangetrieben. Im Juni 1936 wurde das Amt des ‚Chefs der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Inneren’ geschaffen. Noch am Tag seiner Ernennung für dieses Amt verkündete der Reichsführer der SS Heinrich Himmler, er sehe seine Aufgabe darin „die Polizei, zusammengeschweißt mit dem Orden der Schutzstaffeln, zum Schutze des Volkes im Inneren aufzubauen“[18]. Reichsinnenminister Frick versuchte zwar noch, die ‚Ver-SSlichung’ der Polizei zu verhindern und den traditionellen Zusammenhang zwischen Innerer Verwaltung und Polizei aufrechtzuerhalten, konnte sich aber damit gegen Himmler nicht durchsetzen. Himmler gab sich alle Mühe, sowohl entscheidende Stellen in der Polizei mit ‚bewährten’ SS-Führern zu besetzen, als auch Polizisten zum Eintritt in die SS zu bewegen, letzteres mit recht durchwachsenem Erfolg. Auch was die Befehlshierarchie angeht, sorgte Himmler dafür, dass die ihm unterstellen Verbände eng aneinader gekoppelt wurden. Für die Ordnungspolizei, die nach einer Aufspaltung der Schutzpolizei organisationell von der Sicherheitspolizei getrennt worden war, bedeutete dies, dass man von nun an zwei Befehlsketten unterstellt war[19]. Einerseits gab es die ‚traditionelle Linie’ die ausgehend vom Hauptamt Ordnungspolizei mit seinem Leiter Kurt Daleuge über die Befehlshaber (BdO) Kommandeure der Ordnungspolizei (KdO) führte. Daneben gab es aber noch eine zweite Linie, die extra dafür geschaffen war, die Verbände des Himmlerschen Imperiums miteinander zu verbinden. Über die Höheren SS- und Polizeiführer (HSSPF) führte diese Kette hinab bis zum SS- und Polizeistandortführer in den Städten. Die Tatsache, dass diese beiden Befehlswege auf unterster Ebene oft in Personalunion wahrgenommen wurden, verdeutlicht wie eng die Verbindung zwischen Polizei und SS geworden war.

Den Nationalsozialisten war es bis zum Ausbruch des Krieges gelungen, den Organisationsstrukturen der Polizei ihren Stempel aufzudrücken. Die massive Militarisierung vor allem der kasernierten Verbände hatte mit ihrer Eingliederung in die neue Wehrmacht ihr Ziel erreicht. Die Ordnungspolizei war einerseits nun einer zentralistischen Hierarchie unterworfen, die von der Reichsebene ausging. Andererseits jedoch war sie durch die enge Verknüpfung mit den Befehlswegen der SS ihres rechtsstaatlichen Status beraubt und in die Willkürherrschaft der Nationalsozialisten funktional eingebunden.

[...]


[1]Browning, C., Ganz normale Männer. Das Reservebataillon 101 und die Endlösung in Polen, Reinbek bei Hamburg,1999

[2]Vgl. Mallmann, K.-M., Vom Fußvolk der Endlösung. Ordnungspolizei, Ostkrieg und Judenmord, in: Tel Aviver Jahrbuch für Geschichte 26, 1997, S.391

[3]Goldhagen, D., Hitlers willige Vollstrecker. Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust, Berlin 1996.

[4]Vgl. Bessel, R., Militarisierung und Modernisierung: Polizeiliches Handeln in der Weimarer Republik, in: Lüdtke, A. (Hg.), Sicherheit und Wohlfahrt, S. 323 - 343, Frankfurt/M 1992.

[5]Vgl. Bessel, R., Policing, Professionalisation and Politics in Weimar Germany, in: Emsley, C./Weinberger, B. (Hg.), Policing Western Europe, New York 1991, S.191.

[6]Ministerialdirektor Dr. Abegg: Die Große Polizeiausstellung Berlin, in: Die Polizei, Bd. XXII, Nr. 15, 15.5.1925, zit. nach Bessel, R. , Militarisierung, a.a.O. S.324.

[7]Vgl. Siggemann, J., Die kasernierte Polizei und das Problem der inneren Sicherheit in der Weimarer Republik. Eine Studie zum Auf- und Ausbau des innerstaatlichen Sicherheitssystems in Deutschland 1918/19 – 1933, Frankfurt/M 1980, S. 84.

[8]Vgl. Siggemann, J.: kasernierte Polizei, a.a.O., S. 119

[9]zit. nach Bessel, R. Militarisierung, a.a.O. S. 325

[10]Vgl. Fangmann, H./Reifner, U./Steinborn, N., Parteisoldaten. Die Hamburger Polizei im 3. Reich, Hamburg 1987, S. 14.

[11]Vgl. Fangmann, H. u.a., Parteisoldaten, a.a.O., S. 16

[12]Vgl. Bessel, R., Militarisierung, a.a.O., S. 329

[13]Vgl. Liang, H.-H, Die Berliner Polizei in der Weimarer Republik, Berlin/New York 1977, S.117ff

[14]Vgl. Bessel, R. Die Modernisisierung der Polizei im Nationalsozialismus, in: Bajohr, F. (Hg.), Norddeutschland im Nationalsozialismus, Hamburg 1993, S. 375ff.

[15]Aus einem Artikel „Vor neuen Aufgaben“ aus dem „Nachrichtenblatt des Landesverbandes Hamburg im Kameradschaftsbund Deutscher Polizeibeamten“, Nr. 1. vom 1. April 1933, zit. nach Fangmann, H. u.a., Parteisoldaten, a.a.O., S.36

[16]Die Frage der personellen Kontinuität wird in einem späteren Kapitel noch genauer zu behandeln sein.

[17]Vgl. Fangmann, H. u.a., Parteisoldaten, a.a.O., S.53ff

[18]‚Völkischer Beobachter’ vom 18. Juni 1936, zit. nach Wilhelm, F., Die Polizei im NS- Staat. Die Geschichte ihrer Organisation im Überblick, Paderborn 1997, S. 93

[19]Vgl. Mallmann, K.-M., Fußvolk, a.a.O., S. 367.

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
´Polizei´ - Bataillone?
Hochschule
Technische Universität Berlin  (Institut für Geschichte)
Veranstaltung
HS Disziplinierung und Modernisierung - Die Geschichte der Polizei im 19. und 20. Jh
Note
2,0
Autor
Jahr
2000
Seiten
28
Katalognummer
V1669
ISBN (eBook)
9783638110341
Dateigröße
449 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Hausarbeit über die Frage, in wie weit die berüchtigten deutschen Polizeibataillone, die vor allem im Generalgouvernement an der Massenvernichtung von Juden beteiligt waren, in der Tradition der deutschen Polizei standen. 215 KB
Schlagworte
Polizeibataillone, Judenvernichtung, Generalgouvernement, Weimarer Republik, Ordnungspolizei, Das Hamburger Reserve-Polizeibataillon 101
Arbeit zitieren
Jost Wagner (Autor:in), 2000, ´Polizei´ - Bataillone?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1669

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