In der heftig umstrittenen Rede, die Papst Benedikt XVI. am 12. September 2006 an der Universität Regensburg gehalten hat, beklagt der Theologe, dass im Westen die Meinung vorherrsche, „allein die positivistische Vernunft und die ihr zugehörigen Formen der Philosophie seien universal“ . Aufgrund der „selbstverfügte Beschränkung der Vernunft auf das im Experiment Falsifizierbare“ und die „Abneigung gegen die grundlegenden Fragen seiner Vernunft“, sei der Okzident gefährdet der „Wahrheit des Seienden verlustigt zu gehen und einen sehr großen Schaden“ zu erleiden.
Sieht man einmal ab von den Auswirkungen, die der ungeschickten Wahl des Zitats des byzantinischen Kaisers geschuldet sind und richtet das Augenmerk auf die formulierte Kritik an der Moderne, zeigen sich doch deutliche Parallelen zur Kritik, die Gehlen bereits 1957 in „Die Seele im technischen Zeitalter“ formuliert hat. ‚Der große Schaden’, wie ihn der Anthropologe versteht, besteht für die Gesellschaft des wissenschaftlich-technischen Zeitalters im Verfall ihrer Institutionen, die nur nach Aspekten der Nützlichkeit betrachtet werden und so ihre sinnstiftende Funktion verloren haben. Der Einzelne ist daher im extremen Maße gefährdet, da er der Institutionen zwangläufig bedarf, um seinen undefinierten Antrieben eine Richtung zu geben.
Ziel dieser Arbeit soll es sein, die spezifische Herangehensweise Gehlens an eine Kritik der wissenschaftlich-technischen Zivilisation darzustellen und diese wiederum in Ansätzen zu kritisieren. Von daher wird eine Darstellung der zentralen anthropologischen Begriffe der Ausgangspunkt sein, von dem aus zu einem Verständnis der Institutionenlehre Gehlens zu kommen ist. Daraufhin werde ich auf die Superstruktur der Moderne und die daraus resultierende Kristallisation der gesellschaftlichen Institutionen eingehen, woraus sich dann, in Verbindung mit den ersten beiden Punkten, Gehlens These von der existenziellen Gefährdung des Menschen in der wissenschaftlich-technischen Zivilisation verstehen lässt.
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- Der Mensch, das Mängelwesen
- Entlastung durch Institutionen
- Die Superstruktur der Moderne
- Die Gesellschaft in der Moderne
- Konsequenzen für das Individuum
- Kristallisation der Institutionen
- Kritik
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert Gehlens Kritik an der wissenschaftlich-technischen Zivilisation, indem sie seine spezifische Herangehensweise beleuchtet und gleichzeitig kritisch hinterfragt. Dabei werden die zentralen anthropologischen Begriffe Gehlens als Ausgangspunkt für das Verständnis seiner Institutionenlehre genutzt. Anschließend wird die Superstruktur der Moderne und die daraus resultierende Kristallisation der gesellschaftlichen Institutionen untersucht, um schließlich Gehlens These von der existenziellen Gefährdung des Menschen in der wissenschaftlich-technischen Zivilisation zu beleuchten.
- Der Mensch als „Mängelwesen“ und die Bedeutung von Technik für seine Lebensführung
- Die Rolle von Institutionen als Entlastung und Stabilisierung im menschlichen Dasein
- Die Superstruktur der Moderne und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft und das Individuum
- Die Gefahren der „Kristallisation“ von Institutionen und der Verlust ihrer sinnstiftenden Funktion
- Die existenzielle Gefährdung des Menschen in der wissenschaftlich-technischen Zivilisation
Zusammenfassung der Kapitel
Vorwort
Das Vorwort legt die Aktualität von Gehlens Kritik an der modernen Zivilisation dar, indem es Parallelen zu Papst Benedikts XVI. Rede an der Universität Regensburg 2006 zieht. Beide kritisieren den Verfall von Werten und Institutionen in der westlichen Welt.
Der Mensch, das Mängelwesen
Dieses Kapitel untersucht Gehlens anthropologische Grundlegung, die den Menschen als „Mängelwesen“ beschreibt. Dieser ist im Gegensatz zum Tier nicht durch Instinkte und spezialisierte Organe an eine spezifische Umwelt angepasst. Seine fehlende Ausstattung erfordert planvolles Handeln und die Entwicklung von Technik, um das Leben zu ermöglichen.
Entlastung durch Institutionen
Gehlen sieht die Antwort auf die Frage, wie ein „Mängelwesen“ sein Leben stabilisieren kann, im Bedürfnis nach Gewohnheit und der Bildung von Institutionen. Gewohnheiten entlasten den Menschen von ständigem Entscheidungsdruck und ermöglichen so eine geordnete Lebensführung.
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert auf die Schlüsselbegriffe „Mängelwesen“, „Institutionen“, „Superstruktur der Moderne“, „Kristallisation“, „existenzielle Gefährdung“ und „wissenschaftlich-technische Zivilisation“. Diese zentralen Begriffe werden in Verbindung mit der anthropologischen Theorie Gehlens verwendet, um die Herausforderungen des modernen Menschen in der heutigen Gesellschaft zu analysieren.
- Arbeit zitieren
- Heribert Stenger (Autor:in), 2006, Die Riskiertheit des modernen Menschen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/166923