„ ‘Kodak noch fix an den Leibriemen geschnallt, ein mächtiges Stück Stollen noch in die Hand, ... Knarre in die Hand, ... Affen auf den Buckel und raus‘ [...], so der Student M. Müller am 1. Dezember 1914 in einem Brief nach Haus. Daß der Soldat nicht nur kämpft, sondern auch fotografiert, war etwas Neues. Im Krimkrieg, im amerikanischen Bürgerkrieg und auch im Krieg gegen Frankreich hatten
Berufsfotografen mit ungelenken Kameras und langer Belichtungszeit Gebäude, Leichen, tote und stehende Soldaten auf die Platte gebannt. Im Ersten Weltkrieg gibt es erstmals den Schützengraben-Photographen.“
Das Phänomen des Schützengraben-Fotografen, welches Barbara Duden in ihrem Aufsatz anspricht, war in der Tat im Ersten Weltkrieg weit verbreitet: Zwischen 1914 und 1918 fotografierten erstmals die teilnehmenden Soldaten in großem Ausmaß. An die Tradition des Berufsfotografen knüpfte nun der Amateurfotograf an der Front an, der Soldat, welcher gleichzeitig kämpfte und fotografierte. Mithilfe kleiner Rollfilmkameras wurde so der Krieg millionenfach in Fotografien festgehalten, wobei die belichteten Negative entweder an Ort und Stelle entwickelt oder über die Feldpost in die Heimat gesendet wurden. Den Amateurfotografien wurde dabei eine besondere Authentizität zugeschrieben, weshalb es an der deutschen Front kein Verbot der Laienfotografie gab. Die fotografierenden Soldaten mussten lediglich einen Erlaubnisschein einholen. Wie Duden schreibt, entstand „im Laufe von vier Jahren [...] eine Flut von Frontbildern privater Art, ein Massenzeugnis aus dem Krieg [...]“ , welches später in den Archiven nach Themen wie Personen, Zerstörung und Sehenswürdigkeiten und nach Motiven wie Graben, Etappe, Marsch, Gefangene und Leichen geordnet wurde.
Welche Fragen stellen sich nun im Kontext unseres Seminars „Visuelle Kultur als Forschungsfeld“ und unseres konkreten Themas „Erfahrungsgeschichtliche Methoden: Fotografieren im Ersten Weltkrieg“? Der Fokus meiner Hausarbeit soll auf der Intention der fotografierenden Soldaten liegen. Warum wurden von den Amateurfotografen welche Motive gewählt? Was schien den Soldaten an der Front wichtig zu zeigen? Aber auch: Welche Fragen stellen sich für die kulturwissenschaftliche Analyse des Visuellen? Wie wird die Intention der Amateurfotografen von der Wissenschaft bewertet und wie die daraus resultierende Qualität der Bilder als Quellenmaterial zur Erforschung des Ersten Weltkriegs?
Inhaltsverzeichnis
- Amateurfotografie: Ein Phänomen des Ersten Weltkriegs
- Die Intention der Amateurfotografen
- Die Intention der Amateurfotografen: Bodo von Dewitz
- Die Intention der Amateurfotografen: Barbara Duden
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Intention der Amateurfotografen im Ersten Weltkrieg. Sie analysiert die Motive, die diese Soldaten beim Fotografieren geleitet haben und die Bedeutung, die diese Bilder für die Soldaten selbst hatten. Darüber hinaus wird der wissenschaftliche Wert der Amateurfotos als Quellenmaterial für die Erforschung des Ersten Weltkriegs diskutiert.
- Entwicklung der Amateurfotografie im Ersten Weltkrieg
- Die Intention der Soldaten beim Fotografieren
- Der wissenschaftliche Wert von Amateurfotos als Quellenmaterial
- Die unterschiedlichen Ansätze von Dewitz und Duden zur Interpretation der Fotografien
- Die Rolle von Kriegspropaganda und Werbung bei der Förderung der Amateurfotografie
Zusammenfassung der Kapitel
Amateurfotografie: Ein Phänomen des Ersten Weltkriegs
Dieser Abschnitt führt das Phänomen der Amateurfotografie im Ersten Weltkrieg ein und beleuchtet die Entstehung des "Schützengraben-Fotografen". Er erklärt, warum die Soldaten im Ersten Weltkrieg zum ersten Mal in großem Umfang fotografierten und wie die Entwicklung der Rollfilmkamera die Amateurfotografie ermöglichte.
Die Intention der Amateurfotografen
Dieser Abschnitt untersucht die Motive, die die Soldaten beim Fotografieren geleitet haben. Er analysiert die Rolle von technischen Innovationen, der Aufrechterhaltung des Kontakts zur Heimat, Propaganda und Selbstbehauptung im Krieg.
Die Intention der Amateurfotografen: Bodo von Dewitz
Dieser Abschnitt analysiert die Ansichten von Bodo von Dewitz über die Intention der Amateurfotografen. Dewitz argumentiert, dass die Fotografien eher Ausdruck eines kollektiven Bewusstseins und der Erfüllung individueller Bedürfnisse sind als eine kritische Auseinandersetzung mit dem Krieg.
Die Intention der Amateurfotografen: Barbara Duden
Dieser Abschnitt beleuchtet den Ansatz von Barbara Duden, die den Amateurfotos einen "Sinnüberschuss" zuschreibt. Sie interpretiert die Bilder nicht als Ausdruck einer unkritischen Haltung, sondern als Dokumente individueller Kriegserfahrungen, die mit Worten kaum auszudrücken sind.
Schlüsselwörter
Amateurfotografie, Erster Weltkrieg, Kriegserfahrung, Kriegspropaganda, Kriegserinnerung, Quellenmaterial, historische Forschung, Fotografie als Mittel der Selbstbehauptung, Bodo von Dewitz, Barbara Duden, subjektive Kriegserfahrung, kollektives Bewusstsein, „Sinnüberschuss", Rollfilmkamera, Schützengraben-Fotograf, Kriegsmotive, Fotomotive, Kriegserlebnisse, Kriegsfotos.
- Quote paper
- Simone Leisentritt (Author), 2010, Erfahrungsgeschichtliche Methoden: Fotografieren im Ersten Weltkrieg. Die Intention der Amateurfotografen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/166955