Schon früh entstand der Grundgedanke, die Intensität staatlichen Handelns mit dem Gewicht des damit verfolgten Ziels in Einklang zu bringen und dadurch zu begrenzen. So ist beispielsweise in der im Jahre 1215 verfassten Magna Charta Libertatum bereits davon die Rede, dass die Bestrafung eines Täters im angemessenen Verhältnis zu der Schwere der von ihm begangenen Tat stehen soll. Diese Idee griff in deutschsprachiger Rechtsliteratur erstmals von Berg auf. Dies folge aus der Primärverpflichtung des Staates, Eingriffe in die Freiheit seiner Bürger auf ein gerade noch notwendiges und erträgliches Mindestmaß zu begrenzen.
Die heutige Rechtswissenschaft hat den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der aus genau solchen Überlegungen entsprungen ist und auf der Zweck-Mittel-Betrachtung staatlicher Maßnahmen beruht, tief verinnerlicht. Kaum ein Jurastudent kennt den Vierschritt aus legitimem Zweck, Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit nicht. Kaum eine aktuelle Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu grundrechtlichen Fragen kommt ohne eine Erwähnung des Begriffs der Verhältnismäßigkeit aus. Kaum einem Rechtsgebiet ist das Prinzip heute noch fremd.
Und obwohl die Verhältnismäßigkeit aufgrund ihres Charakters als Grundsatz die Rechtspraxis so weitreichend bestimmt, werden Ausführungen etwa zu ihrer Herleitung oder gar eine kritische Auseinandersetzung nur selten getätigt. Genau hier setzt diese Seminararbeit an und versucht, die Verhältnismäßigkeit aus grundgesetzlicher Perspektive über eine bloße Vorstellung der vier Bestandteile hinaus zu erfassen. Dazu erfolgt im ersten Teil eine Beschäftigung mit der grundgesetzlichen Verankerung des Prinzips, seinem Aufbau und seiner Anwendung im Bereich der Grundrechte. Der zweite Teil legt den Fokus auf eine kritische Betrachtung und rundet die Arbeit mit einem Blick auf aktuelle Entwicklungen ab.
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- Alexander Khomich (Autor:in), 2025, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit aus grundgesetzlicher Perspektive, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1669786