Die Aussage, ein guter Sänger verdanke sein Können dem Gehör, ist nur schwer zu widerlegen. Im Gegensatz zu vielen Instrumenten hat die menschliche Stimme nämlich keinen festgelegten intonatorischen Vorrat. Ein Klavier hingegen wird durch seine Tasten, eine Gitarre durch die Bundstäbe und eine Flöte durch die Ventile in weitestgehend fixierte Tonräume eingeteilt. Ein Sänger ist jedoch darauf angewiesen, im lückenlosen Raum der Tonalität die richtigen Töne durch seine Wahrnehmung zu überprüfen. Zudem fehlt einem Sänger, im Gegensatz zu bundlosen Instrumenten, bei denen die Intonation auch hauptsächlich über das Gehör kontrolliert wird, das taktile oder haptische Feedback, sowie eine visuelle Überprüfung beispielsweise der Position der Finger auf einem Griffbrett. Geübten Sängern gelingt es dennoch, Töne mit beträchtlicher Genauigkeit zu intonieren. Ist eine gute Intonation jedoch die wichtigste Voraussetzung, um im Feld der Popularmusik als guter Sänger eingeschätzt zu werden? Fernsehformate wie "Deutschland sucht den Superstar" erwecken zudem den Anschein, den Leistungsgrad des Singens messbar machen zu können. Zudem gilt ein stark eingeschränkter Produktionsstandard auf dem Musikmarkt als Maß für den Erfolg einer musikalischen Aufzeichnung. Eine Aufnahme eines ungenau intonierenden Sängers ist auf dem kommerziellen Markt seit Mitte der 90er Jahre kaum noch zu finden. Wie zu zeigen ist, liegen die Gründe hierfür vermutlich hauptsächlich in der Entwicklung von speziellen Techniken und deren weit verbreiteter Anwendung. Die technischen Medien und deren Anwendung bedingen sich gegenseitig und kreieren dadurch einen Richtwert, dem seither die Mehrheit der Musikproduzenten nacheifert. Ziel dieser Arbeit soll es daher sein, die moderne Musikproduktionsumgebung in Bezug auf den Gesang zu beleuchten, um das Entstehen kultureller Konsequenzen durch verwendete Produktionstechniken sichtbar machen zu können. Im Fokus stehen dazu die Computerprogramme Autotune und Melodyne, deren Funktionsweisen in ihren Grundzüge dargestellt werden sollen. Die gewonnenen Ergebnisse dienen als Diskussionsmaterial: welche Auswirkungen hat die Kombination von digitaler Technik und der menschlichen Stimme auf die westliche Musikkultur?
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Intonation
- Intonationsschwächen: Produktion und Perzeption tonalen Gesanges
- Die kognitive Repräsentation von Tonhöhe
- Der Gesang in Gegenwart digitaler Medien
- Gesang und Technik
- Moderne "Gesangmaschinen"
- Autotune
- Melodyne
- Digitale Technik als Erweiterung des Gesangorgans
- Resümee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Ziel dieser Arbeit ist es, die moderne Musikproduktionsumgebung in Bezug auf den Gesang zu beleuchten, um das Entstehen kultureller Konsequenzen durch verwendete Produktionstechniken sichtbar machen zu können. Dabei wird die Produktion und Perzeption der Intonation im Fokus stehen, besonders Ungenauigkeiten der gesanglichen Intonation und deren Gründe sollen Hauptbestandteil dieses einführenden Abschnittes sein.
- Die Rolle der Intonation im Gesang und ihre Bedeutung für die Wahrnehmung von "gutem" Gesang
- Die Auswirkungen digitaler Medien auf die Produktion und Perzeption von Gesang
- Die Funktionsweise von intonationskorrigierenden Programmen wie Autotune und Melodyne
- Die Frage, ob digitale Technik als Erweiterung des menschlichen Gesangorgans betrachtet werden kann
- Die kulturellen Konsequenzen des Zusammenspiels von Mensch und Maschine im Bereich der Musikproduktion
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung beleuchtet die Bedeutung des Gehörs für die Intonation beim Singen und stellt die These auf, dass die Genauigkeit der Tonreproduktion im modernen Medienzeitalter an Bedeutung gewonnen hat. Es wird die Frage aufgeworfen, ob eine perfekte Intonation im Kontext der Popularmusik als Voraussetzung für den Erfolg einer Musikproduktion betrachtet wird.
- Intonation: Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Produktion und Perzeption der Intonation im Gesang. Es werden Intonationsschwächen und deren Gründe untersucht, wobei der Fokus auf die Rolle kognitiver Prozesse bei der Tonhöhenproduktion liegt.
- Der Gesang in Gegenwart digitaler Medien: Das Kapitel widmet sich der Analyse des Einflusses digitaler Medien auf den Gesang. Es werden moderne "Gesangmaschinen" wie Autotune und Melodyne vorgestellt und deren Funktionsweise erläutert. Weiterhin wird die Frage behandelt, ob digitale Technik als Erweiterung des menschlichen Gesangorgans betrachtet werden kann.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter der Arbeit sind: Intonation, Gesang, digitale Medien, Musikproduktion, Autotune, Melodyne, menschliche Stimme, Klangapparat, kulturelle Konsequenzen, Musik, Technik, Perzeption, Produktion.
- Quote paper
- Eike Groenewold (Author), 2009, Gesangliche Intonation in Gegenwart digitaler Medien, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/167035