Präsuppositionen nach Stalnaker, Strawson, Russell, van der Sandt


Essay, 2009

5 Seiten


Leseprobe

Essay: Präsuppositionen

Präsuppositionen sind die notwendigen Voraussetzungen der Äußerung eines Sprechers. Sie werden vom Sprecher als garantiert vorausgesetzt und müssen erfüllt sein, damit ein Satz überhaupt sinnvoll gebraucht werden kann. Präsuppositionen sind konstant unter Negation, nicht (ohne weiteres) aufhebbar (Ausnahme bei modalen Subordinationen), nicht kontextabhängig und bekräftigbar. Des Weiteren werden Präsuppositionen von bestimmtem Ausdrücken, den so genannten Präsuppositionstriggern, ausgelöst. Dies sind zum Beispiel faktive Verben (wissen, bereuen, bemerken, erkennen, …), implikative Verben, Fokuspartikeln, Spaltsätze, definite Beschreibungen (der, …).

Die theoretische Zuordnung der Präsuppositionen ist in der Linguistik umstritten. Es wird die pragmatische und semantische Präsuppositionstheorie unterschieden. Semantische Präsuppositionstheorien basieren auf der Eigenschaft der Präsupposition, konstant unter Negation zu sein. Ein Satz p präsupponiert semantisch einen anderen Satz q genau dann, wenn gilt:

a) in allen Situationen, in denen p wahr ist, ist q wahr
b) in allen Situationen, in denen p falsch ist, ist q wahr.

Als ein großes Problem der semantischen Präsuppositionstheorien wird in der Literatur immer wieder aufgeführt, dass diese mit der „klassischen“ Logik das Fehlschlagen und die Aufhebbarkeit von Präsuppositionen, aufgrund der im Kontext vorhandenen Informationen nicht erfassen können.

Pragmatische Präsuppositionstheorien gehen davon aus, dass Präsuppositionen nicht zum explizit Gesagten gehören, sondern aus der Äußerung pragmatisch erschlossen werden müssen. Ein Sprecher präsupponiert mit seiner Äußerung eine Proposition p, wenn er davon ausgeht, dass diese den Gesprächspartnern wechselseitig bekannt ist oder als gegeben akzeptiert wird.

Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema Präsuppositionen hat ihren Ursprung in der Logik des 19. Jahrhunderts. Nach Gottlob Frege (1892; Über Sinn und Bedeutung) ist die Verwendung von Eigennamen oder Bezeichnungen immer damit verbunden, dass dieser Eigennamen voraussetzt, dass er etwas bedeutet. Diese Voraussetzung (3), bleibt auch bei der widersprüchlichen Behauptung (Negation) erhalten (2), ist aber nicht Teil der eigentlichen Bedeutung des Satzes. Damit eine Behauptung, wie (1) wahr oder falsch sein kann, müssen ihre Präsuppositionen wahr bzw. erfüllt sein. Falls der Eigennamen nichts bezeichnet, ist der Satz weder wahr noch falsch (semantische Annahme), sondern sinnlos; die Referenz fehlt.

(1) Der Drucker ist kaputt.
(2) Der Drucker ist nicht kaputt.
(3) Es gibt ein Objekt namens Drucker.

Russell (1905; On Denoting) widerspricht in seiner Theorie den Ansichten Freges, durch seine Unterscheidung von Sinn und Bedeutung. Er versucht eine Erklärung dafür zu finden, dass Sätze auch ohne Referenz sinnvoll sein können. Für ihn gehören definite Bezeichnungen zur Behauptung. Daraus ergibt sich, dass der Satz nicht nur falsch ist, wenn der Drucker nicht kaputt ist, sondern auch dann, wenn kein Objekt namens Drucker existiert.

(4) Der Drucker ist kaputt.

(5) Es gibt genau einen Drucker und der ist kaputt.

- Es gibt mindestens einen Drucker (Existenz).
- Es gibt höchstens einen Drucker (Einzigkeit).

Außerdem nimmt Russell an, dass die Negation eines Satzes durch Skopus-Ambiguität gekennzeichnet ist, d.h. es lassen sich zwei Positionen unterscheiden, Negation mit weitem und engem Skopus.

(6) Es gibt genau einen Drucker und dieser ist nicht kaputt.

- Der Drucker ist nicht kaputt. (Negation mit engem Skopus)

(7) Es stimmt nicht, dass es genau einen Drucker gibt und dieser kaputt ist.

Der Drucker ist nicht kaputt, weil es keinen Drucker gibt.

(Negation mit weitem Skopus)

Strawson (1950) führt in seinem Aufsatz On Referring den Begriff Präsupposition (presuppositin) ein. Seine Annahmen widersprechen Russell und schließen an die Thesen Freges an. Laut Strawson präsupponieren definite Kennzeichnungen die Existenz ihres Referenten, z.B. die definite Kennzeichnung (1) präsupponiert, dass es genau einen Drucker gibt, der kaputt ist (=Präsupposition). Falls die Äußerung in einem Kontext fallen würde, in dem es keinen Drucker gibt, wäre sie nach Strawson nicht falsch, sondern ohne Aussage, d.h. der Satz hätte keinen Wahrheitswert (Wahrheitswertlücke).

Stalnaker (1974) prägte den Begriff Common Ground (CG), als das öffentliche gemeinsame Wissen von Sprecher und Hörer. Die Annahme eines CGs geht von der Menge aller möglichen Situationen, d.h. dem Kontext zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus, die mit dem gemeinsamen Wissen von Sprecher und Adressat vereinbar sind. Ein häufiges Ziel einer Konversation ist, diesen CG zu erweitern, d.h. die Menge der möglichen Situationen darin einzuschränken bzw. zu verkleinern (updade des CG). Dadurch, dass ein Sprecher einen Sachverhalt als Präsupposition behandelt, gibt er zu verstehen, dass er sie als etwas betrachtet, das im CG gegeben ist. Wenn der Sachverhalt in Wirklichkeit nicht zu CG gehört, wird neue Information auf indirekte Weise übermittelt. Der Adressat kann nun die Präsupposition stillschweigend akzeptieren, sie seinem aktuellen Wissenstand eingliedern (Akkomodation) oder zu erkennen geben, dass er dies nicht tut. Auf Beispiel (1) angewandt:

A: Der Drucker ist kaputt.
B: Ich wusste gar nicht dass du einen Drucker hast.

In diesem Fall akzeptiert B die Präsupposition (A besitzt einen Drucker), da sie mit seinem Wissen kompatibel ist.

Van der Sandt (1992) schlägt ein Präsuppositionsmodell vor, in dem er Präsuppositionen als Anaphern sieht, die wie Pronomen oder andere anaphorische Ausdrücke behandelt werden können. Sie unterscheiden sich jedoch durch zwei Merkmale von pronominalen Anaphern. Erstens haben anaphorische Präsuppositionen deskriptiven Gehalt, der Akkomodation zulässt, was bedeutet, dass ein tatsächlicher Referent zum Kontext hinzugefügt werden kann. Zweitens haben sie eine interne Struktur und können daher Anaphern enthalten, die an externen Quantoren gebunden werden können (van der Sandt, S. 341). In Anschluss an Stalnaker, geht auch Van der Sandt davon aus, dass eine Äußerung Akkomodation einer anaphorischen Präsupposition mit Übertragung aller Informationen zum CG zulassen kann. Daneben kann eine anaphorische Präsupposition mit Übertragung aller Information Bindung zulassen. Akkomodation und Bindung (Suche nach einem Antezedent) löschen Präsuppositionen

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Details

Titel
Präsuppositionen nach Stalnaker, Strawson, Russell, van der Sandt
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Autor
Jahr
2009
Seiten
5
Katalognummer
V167205
ISBN (eBook)
9783640835805
ISBN (Buch)
9783640835850
Dateigröße
442 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
präsuppositionen, stalnaker, strawson, russell, sandt
Arbeit zitieren
Stud. phil. Jan Schultheiß (Autor:in), 2009, Präsuppositionen nach Stalnaker, Strawson, Russell, van der Sandt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/167205

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