Marke und Preis

Spannungsfeld in der Wertschöpfungskette der Konsumgüter


Fachbuch, 2011

172 Seiten


Leseprobe


Inhalt

Einführung

Kapitel 1: Gedanken zum Marketing

1 Marketing „Relaunch“ – Hersteller und Handel leiden unter Reformstau

2 Wiederbelebung der Marke – Strategische Überlegungen

3 Handelsmarke – Bedrohung oder Chance?

4 Quo Vadis Marketing – zwischen Bauchgefühl und Unternehmens- wertbeitrag

5 Veränderungsdynamik im digitalen Marketing – These

Kapitel 2: Wachstum um jeden Preis

6 Herausforderung Wachstum

7 Zum Wachstum verdammt

8 ‚Mal ehrlich, was ist schon neu?

Kapitel 3: Anreizsysteme in der Schnittstelle Handel

9 Entwicklungsszenarien im Konsumgütermarkt – Thesen

10 Preis- und Konditionensystem – Das verkannte strategische Instrument

11 Konfliktfeld Jahresgespräche

12 Aktionserfolg, Werbekostenzuschüsse und Spreizungsrisiken

Kapitel 4: Differenzierungshebel im Handel

13 Retail Brands – Thesen zum Aufbruch im Handel

14 Steuerung dezentraler Leistungseinheiten

15 Innovationswelle im Handel

16 Industrialisierte Preispolitik im Handel – Ertragspotenziale heben

17 Preispolitik – Ertragsorientierung nachschärfen

18 Preissimulation zwischen Analytik und Bauchgefühl

Kapitel 5: Gedanken zum Komplexitäts-Management

19 Der Kaufmann – Navigator und Komplexitätsmanager

20 Dekomplexitäts-Management

21 Das Undenkbare denken – Zukunft

22 Ausblick

Literatur

Zum Autor

Einführung

Die Konsumgüterindustrie geht in Deutschland wie auch weltweit immer wieder auf eine Berg- und Talfahrt. Mal scheint der Discounthandel zur bestimmenden Vertriebsform zu werden, mal erlebt die Marke eine kaum für möglich gehaltene Renaissance. Das Marketing muss all’ diesen Herausforderungen mit den richtigen Maßnahmen begegnen, ja im optimalen Fall sie sogar aktiv steuern.

Die hier zusammengeführten Beiträge sollen zu einer Diskussion über die Effektivität des Marketings der Konsumgüterindustrie in der Schnittstelle zum Handel anregen. Dieses Spannungsfeld soll gerade durch den Titel „Marke und Preis“ transportiert werden.

Jeder Beitrag steht für sich und reflektiert jeweils eigene Schwerpunkte. Die Beiträge sind Ergebnis der Reflexion von Diskussionen mit Verantwortlichen aus der Markenartikelindustrie und dem Handel. Entstanden ist so ein Abriss über die derzeitigen und kommenden Herausforderungen im Marketing der Konsumgüterindustrie und dem Handel.

Die Beispiele und der jeweilige Analysefokus konzentrieren sich auf den Konsumgütermarkt. Verwendete Zahlenbeispiele dienen primär der Veranschaulichung der Argumente; auf die Aktualität der Daten wird weniger abgehoben.

Im Beitrag „Relaunch Marketing“ wird versucht, das Spannungsfeld zwischen der Marke und der Entwicklung des Discounters aufzuzeigen. Für das Marketing ergeben sich daraus Herausforderungen. Deutlich wird, dass das Schwert Marketing stumpfer geworden ist.

Die „Wiederbelebung der Marke“ versucht, die Perspektive der Marke neben der Handelsmarke zu beleuchten. Die Rolle der Handelsmarke als Bedrohungs- oder Chancenpotenzial wird weiter ausdetailliert.

„Quo Vadis Marketing“ setzt sich mit den Usancen der Marketingbudgetfindung beziehungsweise Budgetallokation auseinander. Es wird versucht, eine Perspektive auf der Basis einer stärkeren analytischen Fundierung zu geben.

Mit dem Einfluss der Digitalisierung und des Internets als Kommunikationsplattform wird sich auch das Marketing verändern. Thesen reflektieren hier die zu erwartende Veränderungsdynamik.

In „Herausforderung Wachstum“ werden anhand von Projektbeispielen Wege beschrie-ben, wie man auch in gesättigten Märkten nachhaltiges organisches Wachstum erzielen kann.

„Zum Wachstum verdammt“ geht auf logische Gründe ein, warum Wachstum unabdingbar ist.

Mit „’Mal ehrlich, was ist schon neu?“ werden Erfolgsfaktoren im Innovations-Management diskutiert.

Die Verschärfung des Wettbewerbs durch die Discounter, sowohl horizontal der Handelsformate gegeneinander als auch vertikal zwischen Industrie und Handel wird über „Eskalationsszenarien im Konsumgütermarkt“ reflektiert.

Der Beitrag über das „Preis- und Konditionensystem“ greift ein zentrales Konfliktfeld an der Schnittstelle zwischen der Markenartikelindustrie und dem Handel auf. Es werden Voraussetzungen diskutiert, das Preis- und Konditionensystem als strategisches Instrument der Kundenführung auszugestalten.

Diese Herstellerperspektive wird ergänzt durch die Diskussion von Differenzierungshebel im Handel. Zentral ist hier, dass der Handel noch viel stärker als bisher schon die Rolle der Marke im Sinne einer Retail Brand für sich nutzt.

Da funktionierende Prozesse im Handel auch auf das Marketing bzw. das Konsumerlebnis abstrahlen, wird die Steuerung von dezentralen Leistungseinheiten am Beispiel des filialisierten Einzelhandels reflektiert. In der Steuerung der einzelnen Standorte der Einkaufsstätten liegt ein zentraler Erfolgsfaktor. Die Einkaufsstätte als „Gewächshaus“ verstanden, hilft neue organisatorische Konzepte in einer realen Umgebung zu entwickeln. Die Rolle von technologischen Innovationsinitiativen in ihrem Einfluss auf die Arbeit in einer Einkaufsstätte wird ergänzend aufgegriffen.

Mit „Gedanken zum Komplexitätsmanagement“ soll eine erweiterte Sicht der kaufmännischen Steuerung von Unternehmenseinheiten betrachtet werden. Diese Sichtweise kann die Rolle des kaufmännischen Leiters oder CFOs nachhaltig verändern.

Schließlich sollen die Grenzen der Sinnhaftigkeit der aus den Planungsprozessen abgeleiteten Budgets in „Das Undenkbare denken – Zukunft“ aufgezeigt werden.

Harald Münzberg, März 2011

Kapitel 1:

Gedanken zum Marketing

Marketing „Relaunch“ –

Hersteller und Handel leiden unter Reformstau

1. Marketing „Relaunch“ - Hersteller und Handel leiden unter Reformstau

Das Marketing hat sich, anders als Finance oder Supply Chain Management, im Grunde seit 15 Jahren in der Arbeitsweise und Methode nicht mehr weiterentwickelt. Das zumindest sagte Johann C. Lindenberg, in der Rolle als Vorsitzender der Geschäftsführung bei Unilever und Präsident des Markenverbandes anlässlich eines Handelskongresses in Berlin. Seine Ausführungen werden mit Sicherheit eine Innovationsdebatte auslösen. Im Zentrum steht damit die Frage, was geändert werden muss, damit das Primat des Marketing wieder erlebbar wird.

Marketing sollte im funktionsübergreifenden Sinne die Erforschung der Konsumentenbedürfnisse, die Forschung und Entwicklung von Neuprodukten oder Rezepten, die Positionierung der Marke durch das Produkt-Management und eingebundener Dienstleister sowie die operative Abwicklung der Vertriebsprozesse durch das Key Account Management und den Verkauf beinhalten.

Wo kann man nun etwas verbessern und die Schlagkraft im Marketing erhöhen?

Der Unverstandene

Nicht selten hat man den Eindruck, dass die Marketingverantwortlichen, fast schon mit einem Vorwurf gepaart, den Siegeszug der Discounter auf der einen und den der Handelsmarken auf der anderen Seite, mit Unverständnis kommentieren. Eigentlich kann es gar nicht sein, was sich im Markt abzeichnet. Der Konsument scheint das Marketing nicht mehr zu verstehen, ist nicht mehr bereit, einen Premiumaufschlag für die Marke zu bezahlen. Als ein „Aufbäumen“ darf die Aktion der Hersteller gewertet werden, „Marken – etwas anderes kommt mir nicht in die Tüte“. Hier wird keine differenzierende Botschaft übermittelt oder ein Added Value herausgestellt. Eine Aktion, der es nicht gelingt, die differenzierenden Nutzendimensionen für den Verbraucher herauszuarbeiten, ist an sich fragwürdig. Im Einzelfall darf festgestellt werden, dass die Qualitätsunterschiede oder die ideellen Werte der Marke nicht auf eine breite Verbraucherakzeptanz stoßen. Wenn dem so ist, dann werden die Verbraucher auch nicht bereit sein, vergleichsweise mehr Geld zu bezahlen.

Marken - eine Erfolgsgeschichte

Doch zum Glück, es gibt sie noch, die erfolgreichen Marken - keine Frage: Eben solche, die entweder emotional oder von ihrem Leistungsumfang her den Markt dominieren. Allerdings gilt dies auch für den Handel. Formattypen haben schon lange ein Markenprofil. Aldi, Tesco, WalMart sind eindrucksvolle Beispiele. Bei anhaltender Entwicklung werden die Formatmarken, im Kaufentscheidungsprozess die Hersteller-Marken, zumindest solche, die nicht klar im Markt differenziert sind, dominieren. Die Formatmarke wird zum eigentlichen Qualitätsversprechen für den Konsumenten.

Der Siegeszug der Discounter und das Wachstum der Handelsmarken führt zu einem Volumendruck bei den Marken. Von diesem Sterben werden allerdings nicht nur die profillosen Marken oder die nicht marktbedeutenden Marken der Positionen drei oder schlechter betroffen sein. Marktführer entwickeln sich schon lange nicht mehr so, wie sie es eigentlich aufgrund ihrer Position müssten. Zudem werden durch gesättigte Märkte Marken verdrängt. Der Verbraucher kann die differenzierenden Produktmerkmale einer Vielzahl von teilweise austauschbaren Produkten und Neueinführungen, gepaart mit einem Informationsüberhang, zum Beispiel der Werbeflut und neuer Kommunikationskanäle, nicht mehr selektiv wahrnehmen.

Innovationsmythos

Es gibt sie, die Beispiele nachhaltiger Innovationen – jeder von uns kann sie aus seiner Sicht beschreiben. Es gibt aber auch eine Vielzahl von Beispielen, die genauso leise vom Markt verschwinden, wie sie sich in die Regale des Handels „geschoben“ haben, ohne je einen Platz in den Herzen oder der Erinnerung der Konsumenten gewonnen zu haben. Und diese Flopquote ist hoch: Nach der Gesellschaft für Konsumforschung beträgt sie 70 Prozent mit der Tendenz nach oben. Artur D. Little geht noch weiter und kommt zu der Einschätzung, dass nur 1 Prozent der neuen Produktideen erfolgreich sind.[1]

Marketing muss „reformiert“ werden

Das Marketing der Hersteller-Marken, das in den vergangenen Jahrzehnten das Wachstum begleitet, ja in Teilen maßgeblich geprägt hat, scheint immer weniger überzeugend und nachhaltig zu wirken.

Bevor man allerdings den Stab über das Marketing der Konsumgüterindustrie bricht, ist es notwendig, die Rahmenbedingungen, in die das Marketing eingebunden ist, kurz zu beleuchten. Das Marketing muss sich immer stärker in globalen Märkten bewähren. Dazu kommt, dass die Kundenkommunikation durch eine nie gekannte Flut von Informationen immer stärker unterbrochen wird. Zudem muss der Verbraucher seine Aufmerksamkeit auch neuen Marken zuwenden, die vor wenigen Jahren überhaupt nicht in seinem „Share of Mind“ verfügbar waren. Dies sind beispielsweise Marken in der Telekommunikation, der Software, der Touristik und Reiseindustrie oder die Film- und Musikindustrie. Die Entscheidungsmuster der Konsumenten lassen sich nicht mehr monokausal erklären bzw. vorhersagen: Luxuskonsum, das „Pilgern“ zu Aldi & Co oder auch Konsumverweigerungen sind parallel zu beobachtenden Phänomene. Und schließlich weisen die Absatzkanäle des Handels fast schon monopolistische Machtstrukturen auf.

Die Einflussfaktoren werden immer komplexer: Die Aufgabe, Wachstum zu erzeugen, muss nicht nur gegen den Wettbewerb erfüllt werden, sondern auch gegen die immer knapper werdenden Aufmerksamkeitspotenziale der Konsumenten. Naheliegend ist deshalb, Marktanteile und damit verbunden auch Share of Mind-Anteile zuzukaufen.

Deshalb haben sich die nachhaltigsten Wachstumsschübe durch Firmen- bzw. Markenübernahmen ergeben. Höhere Geschwindigkeit, die internationale Präsenz auszuweiten oder Markenportfolios zu säubern, sorgen für exogenes Wachstum. Nicht immer gelingt es allerdings, die historisch gewachsene Markenkompetenz bei einer Übernahme zu integrieren. Und aus Sicht der Innovationskraft steht zu befürchten, dass das Ganze weniger als die Summe seiner Teile ist. Unternehmen, die über Jahre systematisch das Markenportfolio durch Zukäufe arrondieren bzw. erweitern, entwickeln eine Integrationskompetenz, die nicht zwingend mit einer Innovationskompetenz einhergehen muss. Gerade bei Integrationen stehen die Schnelligkeit, das Abschöpfen der Synergien und das „Melken“ der neuen Marken im Fokus. Der Aufbau „neuer“ Marken leidet zwangsläufig. Das Marketing in der operativen Steuerung fokussiert sich seinerseits auf die Pflege des Portfolios und das Ausdifferenzieren der Marken.

Durch neue Verpackungen bzw. Packungsgrößen oder Line-Extensions entsteht Produktvielfalt. Diese Varianten fordern Aufmerksamkeit, binden und fragmentieren Ressourcen sowie Marketing- und Promotionetats. Und, solange es die Ertragssituation erlaubt, finanziert man das Experimentierfeld mit den Komplexitätskosten. Aber gerade in Zeiten rückläufiger, rezessiver Märkte versagt das gelernte Erfolgsrezept. Der Markt nimmt neue Produktvarianten nicht mehr auf. Notwendige Platzierungen im Handel werden mühsam und teuer erkauft. Die kleinvolumigen Produktvarianten sind nicht in der Lage, den Schrumpfungsprozess der Volumenmarken zu kompensieren.

Marketing neu “erfinden“

Welche Entwicklungen könnte das Marketing im Vergleich zum Supply Chain Management oder Finance im Sinne des Eingangsstatements versäumt haben? Wo könnten die Hebel einer evolutionären oder sogar revolutionären Entwicklung liegen? Folgende fünf Entwicklungsrichtungen werden voraussichtlich das Marketing prägen:

Das Management des Markenportfolios rückt noch stärker in den Mittelpunkt

In einer Welt des Überangebotes an Produkten und Informationen, muss fokussiert werden. Marken, die im Portfolio Wert- und Wachstumsmotor darstellen, werden auch die Markenbudgets auf sich vereinen müssen. Eine bloße Allokation der Marketingbudgets nach den Umsatzanteilen wird in den Hintergrund treten. Der Barwert, den Marken erwirtschaften müssen, rückt in den Vordergrund. Investitions-, ‚Melk’- und Desinvestitionsstrategien werden das Portfolio-Management zukünftig verstärkt prägen. Diese vielleicht auf den ersten Blick vermögensdominierte Sichtweise, wird den Blick für notwendig zutreffende Entscheidungen frei machen. Facetten dieser Entscheidungen sind beispielsweise, die Marketingbudgets zu den Innovationsprozessen zu verlagern, um die Markenprofile auch stärker produktseitig zu differenzieren. Oder die Stärkung des Trade-Marketings in einem holistischen Sinne, um das Machtzentrum Handel noch gestalten zu können, ist eine zentrale Herausforderung. Die Rolle des Consumer-Advertisement wird dann als eine Folge neu dimensioniert werden müssen.

Verzahnung der Markenwelt

Als eine Konsequenz der immer stärker werdenden Markenwelt des Handels muss die Distributionswelt mit der Welt der Herstellermarken stärker verzahnt werden. Eine Marke, die nicht hinreichend auf die kunden- und kanalspezifischen Bedingungen ausgerichtet und positioniert wurde und nicht das Profil der Formatmarke unterstützt, wird sich immer schwerer behaupten können.

Die Diskussion um die Discounter verdeutlicht dies. Bei einem Marktanteil von nahezu 43 Prozent in Deutschland kann eigentlich kein Markenartikler den Discountkanal ignorieren. Häufig sind noch Entscheidungen über discountspezifische Sortimentskonzepte zu fällen: Zum Beispiel eine discountspezifische Marke oder Verpackungsgröße (z.B. Haribo) oder spezifische, auch limitierte Produktkombinationen (z.B. Knorr) oder saisonale Angebote können Ausprägungen von Discount-Kanalkonzepten sein.

Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass viele Handelskunden in ihrem Portfolio sowohl Vollsortimenter, wie zum Beispiel SB-Warenhäuser, als auch Discounter führen, kann die voreilige Entscheidung in die eine oder andere Richtung für einzelne Hersteller existenziell werden. Auf der einen Seite ist die Transparenz über die Auswirkungen der Entscheidung, das Markenportfolio, eindeutig auf „Premium“, „preisleistungsgeprägte Positionierung“ oder „kostendominierte und auf Volumen getrimmte Privatelabel“ auszurichten, nicht immer gegeben. Auf der anderen Seite sind bei kurzfristigem Erfolgsdruck die Produktions- und logistischen Kapazitäten nicht schnell genug, oder zumindest nicht ohne schmerzhafte Schritte, an „nur“ eine der aufgezählten Strategien auszurichten.

Die Prozessanforderungen des Handels in der operativen Marketingarbeit berücksichtigen

Die Positionierung der Vertriebslinie, die daraus abzuleitende Ansprache des Verbrauchers am Point of Sales, Platzierungsentwürfe, Preisempfehlungen innerhalb der Category gehören genauso dazu, wie in noch entscheidenderem Maße die logistischen und administrativen Anforderungen des Handels, die in die Marketingwelt der Hersteller einziehen müssen.

Versteht man diese Auflistung als einen ersten, aber keineswegs vollständigen Anforderungskatalog an die Zusammenarbeit mit den Handelskunden, dann wird man, je nachdem, mit welchem Funktionsträger man spricht, „das erfüllen wir schon lange“ als Antwort erhalten. Spricht man mit den Marketingverantwortlichen im engeren Sinne, dann „erntet“ man allerdings allenfalls ein Achselzucken. Die Welt des operativen Handelns, die in den tagtäglichen Problemen mit den Kunden mündet, scheint außerhalb des Marketings zu liegen. Die Gründe lassen sich im Kern auf fragmentierte Verantwortlichkeiten zurückführen: Die in funktionalen Teilprozessen gegliederten Verantwortlichkeiten von Markenführung und -weiterentwicklung, Kundenführung und Verhandlungen beziehungsweise Jahresgespräche, Outlet-Betreuung vor Ort, Trade-Marketing, Auftragsabwicklung und schließlich die physische Abwicklung der Logistik liegen in der Regel in getrennten Verantwortlichkeiten. Und zwar in der Regel von Produkt-Management, Key-Account-Management, Category-Management, Fieldforce, Auftragsannahme und Logistik. Freilich ist diese Form der Arbeitsteilung auch mit Vorteilen verbunden und oftmals auch als ein Kompromiss zu werten, der der kritischen Größe „Kundenausrichtung“ versus „Funktionalkompetenz“ zum Opfer fällt.

In vielen Unternehmen ist das funktionale Teilen der Arbeit als Problem schon lange erkannt. Als „prozessuale Brücke“ zu den Handelskunden hin wurde dort das Category-Management neben das Key-Account-Management und das Produkt-Management gestellt. Mit diesem Schritt konnten die operativen Aufgaben des Trade-Marketing, wie zum Beispiel die Regalplatzierung, Trade-Promotion, Point of Sales-Kommunikation dann auch effizienter gelöst werden. Und gerade wegen dieses Erfolges scheint das Category-Management, nicht nur wegen des Anstiegs der Ausstattung mit Personal, auch in seiner Kompetenz der Problemlösungsfähigkeiten zum Kunden hin, dem Konzept „Produkt-Management“, Konkurrenz zu machen. Die zunehmende internationale Ausrichtung der Handelskunden bei zu erwartenden zentralen Einkaufsverhandlungen „zwingt“ die Industrie, noch stärker als zur Zeit schon neben einem markenzentrierten auch einen kundenzentrierten Fokus einzunehmen.

Strategische Aufgaben des Marketings werden von Routinetätigkeiten der operativen Marktbearbeitung getrennt

Die operativen und „Verwaltungsaufgaben“ des Markenmanagements sind in hochspezialisierten Prozessteams zusammenzuführen. Dies ist schon deshalb notwendig, um Kreativitätspotenziale bei den Marketingverantwortlichen freizusetzen. Die Strategieentwicklung und die Adaption der Markenpositionierung auf die Formattypen muss zur Hauptaufgabe werden. Dabei wird das zukünftige Berufsbild des Marketing noch stärker projektorientiert sein als heute. An definierten Projekten arbeiten dann „Cross Functional Teams“, die in Abhängigkeit des Projektes bzw. -status einem permanenten Wandel unterzogen sind. Das „Marketing-Kompetenzzentrum“ wird damit auch in seiner Größe neu orientiert. Es wird in seiner Grundausrichtung fokussierter und noch qualifizierter werden. Das oder die Kompetenzzentren können losgelöst von Landesstrukturen angesiedelt werden. Dies gilt vom Grundsatz her auch für die Bündelung und Ansiedlung der Verwaltungs- bzw. Routineaufgaben im Marketing. Diese können ihre Leistungen auf Basis definierter Standards für mehrere lokale Märkte oder auch in Kooperation mit Dritten erbringen.

Informations-Management im Marketing neu entdecken

Alle in einem Brand Service Center gebündelten Prozesse richten ihren Leistungsstandard nach definierten und messbaren Service Level Agreements aus. Zentrales Element eines BCS ist ein an den Entscheidungstypen ausgerichtetes Datenmodell, das in real time alle Steuerungs- und entscheidungsrelevanten Daten bereitstellt. Durch Workflow-Systeme und (Bild-)Archivierungssysteme können die Arbeitsabläufe im Marketing wie die Marketing-Planung, die Agentursteuerung, Promotion-Abwicklung effizienter ausgerichtet werden. Neue Software, wie zum Beispiel „Product-Lifecycle-Management“, hält integriert alle Daten, seine Historie und Veränderung über Produkte, Modellreihen etc. bereit und erleichtert damit nachhaltig die Koordination im Produkt-Management.

Fazit

Das Marketing der Industrie steht unter Innovationszwang. Es muss eine Antwort auf den Siegeszug der Discounter finden und die damit verbundene fehlende Bereitschaft der Verbraucher, einen „Premiumaufschlag“ für die Instrumente des Marketings zu zahlen.

Im Marketing muss auch organisatorisch die Voraussetzung zum Portfolio-Management gelegt werden. Operative und Routinetätigkeiten müssen von den strategischen wert- und vermögenssteigernden Entwicklungsarbeiten des Marketing getrennt werden. Prozessuale Kompetenzzentren schaffen die differenzierenden Voraussetzungen zu Kunden hin. Jede Marketinginvestition muss sich im Barwert des Unternehmenswertes niederschlagen. Schließlich darf erwartet werden, dass Teile der verwaltungsorientierten Tätigkeiten zentral gebündelt werden. Und in der Folge sogar in Kooperation mit Partnern erbracht werden – eine Entwicklung, die sich im Finance und im Supply Chain Management schon lange abzeichnet. Da allerdings die Rahmenbedingungen der Märkte jeweils spezifisch zu berücksichtigen sind, gibt es immer nur einen individuellen Weg, das Marketing innovativer auszurichten. Diesen Transformationspfad muss jedes Unternehmen für sich (neu) definieren.

2. Wiederbelebung der Marke – Strategische Überlegungen

Wiederbelebung der Marke - Strategische Überlegungen

Ja, die Marke lebt, keine Frage. Aber sie schwächelt. Dieses Schwächeln ist eingebunden in den schon beschriebenen beispiellosen Siegeszug der Discounter und die durch diesen getragenen Marktanteilssteigerungen der Handelsmarken. Für eine Vielzahl von Kategorien können Marken nur noch 50 Prozent oder gar weniger des Volumen-Marktanteils auf sich vereinen. Dabei ist diese Entwicklung keineswegs alleine durch das Auf und Ab der konjunkturellen Lage zu erklären.

Kranz der Abhängigkeiten

Die Konjunktur, die Beschäftigungslage oder auch die Finanzkriese führen auf der einen Seite zur Risikovorsorge und damit verbunden zur Erhöhung der Sparrate. Auf der anderen Seite zum bewussten, preisvergleichenden Einkaufsverhalten. Alleine das zur Zeit zu beobachtende Einkaufsverhalten mit dem „in Mode gekommenen“ Schlagwort Geiz zu erklären, wird den sehr viel komplexeren Verhaltensmustern nicht wirklich gerecht.

Der heutige Konsument ist sehr viel aufgeklärter. Er weiß, dass es Preisunterschiede gibt und sich der Zeitaufwand des Preisvergleichens lohnt. Suchmaschinen des Internets, wie zum Beispiel „preisguenstiger.de“ ökonomisieren Preisvergleiche und begründen das Schnäppchenjagen. Die Aktionspolitik von Handel und Industrie bestätigt und bestärkt die Ratio des Schnäppchenjagens von Woche zu Woche. Für viele der Konsumenten ist es durchaus smart, sowohl bei ALDI als auch bei Käfer im Feinkostgeschäft einkaufen zu gehen. Das Unternehmen Käfer wiederum entdeckt die Attraktivität des Discount-Geschäftsmodells auch für sich und bietet Kunden die Möglichkeit, in einem Discountmodell Feinkost en Gros zu erwerben. Spezifische Trends einzelner Kategorien, generell rückläufige Märkte und die demographischen Entwicklungen verstärken noch die Herausforderungen im Überlebenskampf der Marke.

Herausforderungen

Eine zentrale Herausforderung der Marke ist der Preisabstand zu den Handelsmarken. Wenn dieser nicht mehr durch einen Innovations- und Qualitätsabstand zu erklären ist, kommt das Absatzvolumen der Marke unter Druck. Eindrucksvoll kann man diesen Effekt im Biersegment beobachten. Da liegt der Preis für eine Kiste Bier bei 4,99 Euro. In der Aktion, so zum Beispiel bei real,-, kosten zwei Kisten Bier schon einmal zusammen 7,80 Euro. Der Preisabstand zu den Premium-Marken liegt bei mehr als sieben Euro. Nun, da hier zu Lande Bier nach deutschem Reinheitsgebot hergestellt wird, können keine kalkulationswirksamen Qualitätsunterschiede vorliegen. Freilich, so wird argumentiert, liegen die Unterschiede im Geschmack und im möglicherweise durch Werbung und Sponsoring aufgebauten emotionalen Konsumerlebnis. Nur muss man dann auch dem Konsumenten erklären, dass der „Aufkleber“ auf einem Formeleins-Rennwagen einen Teil des Preisunterschiedes erklärt. Aus Sicht des Kunden wären circa 14 Euro Preisunterschied (zu einer Biermarke) mit emotionalen Argumenten zu erklären. Auch in anderen Segmenten hat man auf diese Herausforderung reagiert und die Preisabstände zu den Handelsmarken verringert, wie dies zum Beispiel bei Marken von Procter & Gamble zu beobachten war.

Es sollte auch nicht verkannt werden, dass es Produktkategorien gibt, die es sehr schwer haben, überhaupt einen Mehrwert gegenüber den Handelsmarken darzulegen. Die Erbse, der Reis, die Milch oder der Thunfisch, um nur einige Beispiele zu nennen, erlauben keinen allzu großen Preisabstand zu den Handelsmarken. Bei nüchterner Betrachtung schmecken sie oder sie schmecken eben nicht. Und wenn die Handelsmarke gleich gut oder gar besser schmeckt, dann verdrängt sie eben die Marke.

Die Austauschbarkeit von Produkten ist dabei genauso ein Problem wie die Austauschbarkeit der Werbung. Die Szenen der Werbung - lecker essen ohne Kochstress mit glücklichen Familien; schöne junge Menschen in erotischer Anmutung - sind austauschbar, ihr „Unterhaltungswert“ lädt mehr zum Zippen als zum Verweilen ein.

Dabei unterliegt die Erreichbarkeit der Konsumenten immer höherer Konkurrenz. Wenn man sich etwa vor Augen führt, dass beispielsweise Aldi und Lidl von Januar bis September 2008 rund 265 Millionen Euro bzw. 180 Millionen Euro in Werbung investierten, dann wird deutlich, dass sich kleinere B- und C-Herstellermarken in diesem Konzert, dem Wettbewerb um die Aufmerksamkeit, nicht mehr durchsetzen können.

Sünden der Vergangenheit

Wie konnte es passieren, dass die zentrale Domäne der Markenartikelindustrie, das Marketing, nicht wie gewohnt das Erfolgsrezept darstellt?

Im Zentrum der Kritik steht dabei fraglos die mangelnde Innovationsfähigkeit. Es fehlt nicht an neuen Produkten. Allerdings bestechen diese „Neuheiten“ nicht durch wirklich Neues. Allenfalls Abwandlungen oder Varianten von Bestehendem sind zu beobachten. Eine hohe Floprate und aggressive Listungsforderungen des Handels sind naheliegende Konsequenzen. Darüber hinaus erhält die Industrie oftmals von einschlägigen Tests die Austauschbarkeit ihrer Produkte noch zertifiziert.

Erschwerend kommt hinzu, dass einige Märkte stagnieren oder rückläufig sind, wie dies zum Beispiel bei Kaffee oder Bier zu beobachten ist. Der Druck, trotzdem die gesetzten Volumenziele zu erreichen, führt zu „Pipeline Filling“ im Handel und, entgegen aller „Lippenbekenntnisse“, zu dem Einsatz entsprechender Werbekostenzuschüsse, die den Handel, oftmals zum Jahresende, zu einer Überdeckung der Bevorratung „überreden“.

Die Internationalisierung der Märkte und das Ziel, verschiedene Länder und Regionen zu möglichst geringen Produktionskosten zu versorgen, führt in einigen Kategorien zur Vereinheitlichung von Produkten. Eine Konsequenz dieser Größen- und Synergieorientierung ist die mangelnde Differenziertheit im Produktangebot. Die Kunst liegt hier wohl vielmehr darin, „die globale Welt zwar als einen Marktplatz zu denken, dabei aber die nationalen Identitäten und Vorlieben zu berücksichtigen“, wie Martin Sorrell, WPP, zusammenfasst.

Auch die Zusammenarbeit mit den Werbe- und Kreativagenturen sollte überdacht werden. Die Delegation der Konzepte der emotionalen Differenzierung an Agenturen ist möglicherweise effizient, aber nicht effektiv. Wobei die geringe Verweildauer der Produktmanager auf einzelnen Marken, wie dies beispielsweise in großen Lebensmittelkonzernen üblich ist, diese Entwicklung unterstützt.

Perspektiven

Die Marke hat Perspektiven. Diese sind dann am eindeutigsten, wenn sie sich klar vom Wettbewerb abgrenzt. Im Einzelfall kann man jedoch erkennen, dass es den Produktneuheiten immer seltener gelingt, den Wettbewerbsvorteil auf Dauer zu halten. Schon innerhalb weniger Wochen sind Produktkopien von Wettbewerbern und Handelsmarken in den Regalen. Die Kopiergeschwindigkeit der Discounter gilt es hier hervorzuheben. Gerade vor dem Hintergrund der Polarisierung der Märkte scheint sich abzuzeichnen, dass eine emotionale Differenzierung zwar immer noch wichtig, weil auch nicht kopierbar ist, aber alleine reicht sie nicht aus.

Deshalb rückt auch wieder stärker eine Produktions- und Entwicklungsexpertise zum Aufbau von Markteintrittsbarrieren in den Mittelpunkt. So stellt beispielsweise der Vorstandsvorsitzende von Lindt und Sprüngli fest: „Wir haben im Premiumsegment eine ganz schön hohe Eintrittsbarriere aufgebaut“ und „sind doppelt so teuer, weil der Rohstoff teurer und die Produktion aufwändiger ist“.

Fraglos können Eintrittsbarrieren auch durch die klassischen Kommunikationsinstrumente aufgebaut werden. Diese stoßen allerdings immer häufiger an die Grenzen, weil es schwieriger wird, die Zielgruppen vor dem Hintergrund der Medienvielfalt zu erreichen. Immer zentraler wird es, die Konsumenten beim Konsumieren zu erreichen. Deshalb treten neben den klassischen Formen der Konsumentenansprache, mit dem Problem der Streuverluste, unmittelbar auf eng abgegrenzte Zielgruppen ausgerichtete Kommunikations- oder besser noch Identifikationsangebote hinzu, wie dies beispielsweise im Eventmarketing in Ansätzen zu beobachten ist.

Die Eindeutigkeit der Positionierung sollte mit einer Eindeutigkeit in der Unternehmenskultur einhergehen. Das parallele Angebot von Marke und Handelsmarke unter einem Firmendach ist zwar unter dem ökonomischen Druck der Kapazitätsauslastung verständlich, steht aber, und zwar nicht nur kulturell, im Widerspruch zu den jeweiligen Managementsystemen der Vermarktung von Marken einerseits und Handelsmarken andererseits.

Stehen im Markengeschäft Innovations- und Markteinführungsprozesse, Markenführung, Trade-Marketing und Key-Account-Management im Fokus des Managementsystems, so reduziert sich das Handelsmarkengeschäft auf die Bearbeitung einer Ausschreibung und die Herstellung der damit verbundenen Auftragsmenge. Beide Geschäfte sollten isoliert voneinander geführt werden und ihre jeweilige Infrastruktur selbst tragen können.

Es ist zu erwarten, dass auch im Marketing „Return on Marketing-Betrachtungen“ verstärkt Einzug halten werden. Alleine qualitative Begründungen und die Verfolgung von Markenbekanntheitszielen werden nicht mehr ausreichen, Marketinginvestitionen im Bereich mehrerer Millionen Euro zu rechtfertigen. Wenngleich es hier kein Patentrezept gibt, so lassen sich doch einige Leitlinien formulieren:

- Die Allokation der Marketingbudgets ist potenzialorientiert zu begründen; dabei sind zukünftige Potenzialträger mit einzubeziehen.
- Handlungsschwerpunkte sind an Markenprofilen auszurichten, die die Kaufentscheidungslogik abbilden.
- Die Allokation der Spendings sollte sich entlang des Kaufentscheidungstrichters Markenbekanntheit, Markenimage, Kaufbereitschaft, Kauf und Wiederkauf ausrichten.
- Die Verlagerung auf below the line Aktivitäten kann zu einer Effizienzsteigerung führen.
- Transparenz und das permanente Abbilden von Wirkungszusammenhängen ist eine Basisvoraussetzung zur stärkeren Messbarkeit der Marketinginitiativen im Hinblick auf ihre ökonomische Wirkung. Zur Durchsetzung dieses Ziels kann als Managementsystem eine Balanced Scorecard dienen (siehe hierzu auch die folgende Abbildung).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Eine Schlüsselrolle in der Positionierung der Marke kommt dem Handel zu. Regelmäßig kommt es in der Schnittstelle zum Handel zu Konflikten, wenn es um die Vermarktung und Preisstellung von Marken kommt. Hierzulande ist von Seiten des Handels immer wieder zu hören, dass der Preisabstand zu den Handelsmarken zu groß ist. So stellt beispielsweise Dr. Körber, ehemaliger CEO der Metro AG, fest: „Die Markenartikler müssen preisaggressiver werden, der Preisunterschied zu Eigenmarken ist zu groß“. Johann C. Lindenberg in der Rolle des Präsidenten des Markenverbandes, hält dagegen: „Der Preis ist das banalste Element im gesamten Geschehen der Konsumgüterindustrie, und genau dieser banalste Punkt steht im Zentrum des Denkens und Handelns“.

Immer wieder ist von Seiten der Markenartikelindustrie der Vorwurf zu hören, dass der Handel durch zu aggressive Preispolitik Werte vernichtet. Aber warum steht immer wieder die Preispolitik im Fokus des Handelns im Handel?

Zunächst muss festgestellt werden, dass oligopolistische Märkte, wie die der Handelslandschaft, eine Tendenz haben, den Wettbewerb über die Preispolitik auszutragen. Diese Tendenz wird in Deutschland durch Überkapazitäten verstärkt. Auch sind die anderen Parameter im Handelswettbewerb nicht so differenzierend, dass sich die Händler nachhaltig von ihrem Wettbewerb abgrenzen können. So ist beispielsweise das Format-Branding erst im Aufbau begriffen. Die Sortimente sind weitgehend, auch wegen der angestrebten Ubiquität der Marken, austauschbar. Und echte, differenzierende Premium Handelsmarken sind erst im Aufbau. Dazu kommt, dass der Servicewettbewerb bei dem aktuellen Preisniveau nicht finanzierbar ist. Die Personalkosten wirken hier insbesondere in der Großfläche als limitierender Faktor.

Auf absehbare Zeit ist hier nicht damit zu rechnen, dass die Preispolitik nicht weiter im Fokus der Entscheider im Handel steht. Die Gründe dazu liegen in mangelnden Differenzierungsmöglichkeiten im Handel außerhalb der Preispolitik (siehe hierzu Kasten). Zudem muss man einräumen, dass die „Idee“ bei sinkendem relevanten Marktvolumen die Preise zu erhöhen, nur dann aufgehen kann, wenn Mehrwert geboten ist. Und hier muss man auch von Seiten der Industrie einräumen, dass an einer innovationsgeführten Preispolitik kein Weg vorbei führt. Eine Preiserhöhung, auch im Vergleich zu den Preispunkten der Handelsmarken, ist nur dann durchzusetzen, wenn sich die wahrgenommene Produktqualität entsprechend erhöht (siehe auch die folgende Abbildung).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Schließlich sollten sich auch die Markenartikler auf ihre Werte zurückbesinnen: Die Marke sollte authentisch, innovativ, ihren Preis Wert sein, damit Vertrauen aufbauend wirken und bekannt und damit auch POS-fähig sein.

3. Handelsmarke – Bedrohung oder Chance?

Handelsmarke – Bedrohung oder Chance?

Handelsmarken sind ein Faktum in den meisten Kategorien. Auf den ersten Blick könnte man geneigt sein, Handelsmarken als existenzielles Bedrohungspotenzial für Herstellermarken zu verstehen. Das Gros der Handelsmarken besetzt den Preiseinstieg. An der Qualität gibt es selten etwas zu beanstanden. Als Extrem ist vorstellbar, dass Handelstypen sich ausschließlich auf das Angebot von Handelsmarken begrenzen. Beispiele sind sogenannte vertikale Handels- oder bestimmte Discountformen, die, bis auf Ausnahmen, Eigenmarken anbieten. In entwickelter Form werden Handelsmarken als Säulen der Sortimentsarchitektur geführt. Beispielsweise bietet Tesco „Tesco Finest“ als Premium Qualität, „Tesco Standard“ und „Tesco Value“ als Einstieg mit generischer Qualität an.

Sortimentsarchitektur und vertikale Integration

Auch der Umstellungsprozess bei der REWE geht einen vergleichbaren Weg. In 2007 hat Rewe damit begonnen, die einzelnen Eigenmarken-Labels unter die Dachmarke „Rewe“ zu stellen. Unter der Dachmarke „Rewe“ gehen Erlenhof, Salto und Today auf. Die Ziel-Eigenmarkenarchitektur umfasst dann die Dachmarke „Rewe“, im Preiseinstieg „Ja“, „Rewe Bio“ für Füllhorn und „Rewe Exklusiv“.

Als möglicherweise richtungsweisend für eine Diskussion um Bedrohungspotenziale für Hersteller kann das „fresh & easy“- Konzept von Tesco in den USA angesehen werden. Dieses Formatkonzept versucht, eine Synthese von Discount- und Convenience-Store auszurollen. Die Säulen des Konzeptes sind:

- Auf einer Verkaufsfläche von 2000 Quadratmetern wird ein Sortiment von 3500 Artikel bewirtschaftet;
- Bei in der Tendenz spartanischer Einrichtung prägen der Convenience Gedanke, die Erreichbarkeit und die Übersichtlichkeit der Märkte das Konzept;
- Mit Eigenmarken, die etwa 50 Prozent der Artikelanzahl ausmachen, sollen etwa 75 Prozent des Umsatzes erzielt werden;
- Die Preispositionierung liegt bei einem definierten Warenkorb (50 Grundnahrungsmittel) nur 3,5 Prozent über dem Preisführer – hier Wal-Mart.

Zur Erhöhung der Wertschöpfung werden 40 Prozent der Eigenmarken, insbesondere Frischware und gekühlte Convenience-Produkte – Pizzas, Sandwiches, Fertiggerichte -, in einer eigenen Produktionsstätte hergestellt.

Wenngleich das „fresh & easy“-Konzept noch nicht in der Breite etabliert ist, so lassen sich doch sehr anschaulich an diesem Beispiel Chancen- und Bedrohungspotenziale diskutieren.

Zunächst kann man aus Sicht der Konsumenten feststellen, dass, basierend auf einer tiefen Marktanalyse, die Erwartungen der Konsumenten verstanden wurden. Das Konzept erfüllt den Spagat der Erwartungen von Frische und Convenience auf der einen Seite und „value for money“ auf der anderen Seite. Damit werden auch prinzipiell zwei Zielgruppen eingebunden. Die Vorteile dieses Konzeptes liegen damit in der Tendenz auf der Konsumentenseite. Für die Hersteller dominieren die Bedrohungspotenziale.

Mit zunehmendem Private Lable-Anteil steigen in gleichem Maße die Produktionskapazitäten beziehungsweise die Auslastung der Kapazitäten der Hersteller, die sich auch als Lieferant für Private Label definiert haben. Die Händler sind in diesem Zuge daran interessiert, verlässliche Zulieferstrukturen aufzubauen. Idealerweise stellt sich eine Symbiose zwischen dem Zulieferer und dem Händler ein. Die Abhängigkeit des Herstellers ist in dieser Symbiose extrem groß. Je ausgeklügelter die Sortiments- und Fertigungskompetenz des Zulieferers ist, desto langfristiger ist sie ausgelegt. Sie wird durch gemeinsame Projekte gestützt, die sich auf Verpackungsinnovationen, das Kopieren von Produktneuheiten, die Fähigkeit, Sortimentsmodule von der Herstellung bis zur Vermarktung zu realisieren, beziehen.

Diese Form der Symbiose wird beispielsweise durch eine Initiative von Lidl noch weiter professionalisiert. Die Lebensmittelzeitung stellt hierzu fest: „Der Discount-Riese Lidl greift seinen mittelständischen Handelsmarken-Lieferanten unter die Arme und bindet sie eng an sich“.[2] Die Lebensmittelzeitung mutmaßt, dass Lidl gemeinsam mit einem ihrer Zulieferer der Ludwig Weinrich GmbH & Co. KG eine Schokoladenfabrik bauen will.

Insbesondere im Bereich Convenience und Frische ist eine Nähe der Hersteller zu den Absatzmärkten der Händler unabdingbar. Erst die fehlende Zulieferstruktur „zwingt“ den Händler, wie das Beispiel „fresh & easy“ zumindest indirekt belegt, sich außerhalb seiner Kernkompetenz als Hersteller zu betätigen. Die Ausweitung der Wertschöpfungskette der Händler in die Herstellung hinein ist dort zu beobachten, wo echte Herstellermarken und das damit verbundene Qualitätsversprechen ohnehin weitestgehend fehlen. Dies ist im Bereich von Obst und Gemüse aber auch in der Angliederung von Schlachtbetrieben zu beobachten. Hier ist deshalb das Handelslabel das Qualitätsversprechen und damit auch, im Extrem, Haftungsgrundlage.

Gerade in diesem Zusammenhang hat Wal-Mart jüngst die Entscheidung getroffen (z.B. yahoo finance, 4-Feb-08), einige seiner Privat Label Lieferanten zu übernehmen. Die Gründe liegen hier allerdings im Absichern der Lebensmittelsicherheit – wie zum Beispiel dem International Food Standard (IFS). Wenngleich sich hieraus keine unmittelbaren Bedrohungspotenziale für die Markenhersteller ableiten lassen, so zumindest mittelbare. Durch die Ausweitung des Fähigkeiten-Portfolios können zum einen insbesondere kleinere Markenhersteller im Bereich Foodsafety und Prozessanforderungen noch enger durch den Handel „geführt“ werden. Zum anderen gewinnt der Händler außerhalb seiner Kernkompetenz Fähigkeiten hinzu, die wiederum Stück für Stück in das Terrain der Markenartikelhersteller vorrücken. Oder, wie es der Entwicklungsleiter von P & G ausdrückt, „My biggest competitor is a person with an idea…I had to find them before Wal-Mart does.”

Preisabstand und Innovationsdruck

Das Terrain für die Handelsmarken ist vor allem dort, wo die wahrgenommenen Qualitätsunterschiede zu den Industrie-Marken gering sind und ergänzend auf Seiten der Konsumenten eine hohe Preissensibilität besteht.

Daraus kann man als Umkehrschluss zumindest das Handlungsfeld der Industrie-Marken ableiten: Nämlich bessere Qualität mit einem Premiumaufschlag zu vermarkten. Dies setzt natürlich voraus, dass die Konsumenten bereit sind, für die wahrgenommene und geschätzte bessere Qualität auch mehr zu bezahlen.

Geht man davon aus, dass eine Industrie-Marke mit Premium-Aufschlag in der Tendenz eine mindestens genauso hohe Handelsspanne hat wie eine Handelsmarke, dann ist ein Markenkäufer aus Handelssicht profitabler als ein Handelsmarkenkäufer. Die Aussage ist natürlich an zwei Annahmen gebunden: Erstens, die Marke ist teurer als die Handelsmarke und zweitens die Stückspanne ist dieselbe.

Die erste Annahme ist in der Tendenz gegeben. Die zweite Annahme ist hier nur der Anschaulichkeit wegen gesetzt. Treiber, die sich positiv auf die Handelsspanne von Handelsmarken auswirken können, sind: 1. Die variablen Herstellkosten sind wegen des Qualitätsnachteils niedriger; 2. Das Produktionsvolumen ist so hoch, dass sich die Fixkosten je Stück nicht von einer Markenkalkulation unterscheiden; 3. Die Gewinnerwartung je Stück ist niedriger als die bei einer Industrie-Marke.

Mit diesem Beispiel wird deutlich, dass eine ganze Reihe von Parametern zu gestalten sind, damit die Voraussetzungen „der Handelsmarkenkäufer schlägt den Markenkäufer“ vorliegen.

Bei Sortimentsarchitekturen mit sehr vielen alternativen Kaufmöglichkeiten wird die Komplexitätszunahme unmittelbar deutlich, wenn man diese Parameter auf ein Handelsmarkensortiment von 2000 und mehr Artikel anwenden muss.

Aus dieser Perspektive heraus, wird ein Szenario der vertikalen Integration der Industriestufe in ein Handelsunternehmen eher die Ausnahme als die Regel sein. Dennoch gibt es aus Industrie-Markensicht keinen Grund zur Entwarnung. Denn alle Stoßrichtungen bzw. Ziele der Handelsmarkenpolitik (siehe auch die folgende Abbildung) begrenzen das Geschäftspotenzial der Industrie-Marke.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Aus Sicht des Handels hat die Integration der Handelsmarke in die Sortimentsarchitektur den entscheidenden Vorteil, dass es diese Handelsmarke eben nur in dem Format eines Händlers gibt. Mit einer Sortimentsarchitektur, die auch durch Handelsmarken geprägt wird, kann sich der Händler am klarsten von seinem Wettbewerber abgrenzen. Handelsmarke und Preis sind nun einmal exklusiv. Durch die Verlässlichkeit im Angebot von Alternativen im erwarteten Qualitätsniveau und den als günstig bewerteten Preisen können mit Handelsmarken die Einkaufs- und Entscheidungsprozesse der Konsumenten nachhaltig entlastet werden.

Hat die Marke in diesem Szenario noch ihren Platz? Sie hat ihn, wenn sie auf der Qualitäts- und Preisdimension überzeugt. Die Größenvorteile, die sich mit dem Ubiquitätsanspruch verbinden lassen, müssen in einer Preisarchitektur reflektiert werden, die sowohl die Händler als auch die Konsumenten überzeugen. Eine Marke, die sich über eine Technologie- und Qualitätsführerschaft im „reason why“ ständig erneuert und durch diesen Vorsprung auch im PoS durch eine hohe Drehzahl überzeugt, wird im Sortiment des Händlers immer seinen Platz haben. Mit der Technologie- und einer relativen Preisführerschaft werden auch die Vermarktungschancen der Handelsmarken eingeschränkt. Ein in der Folge möglicher Rückgang der Flächenproduktivität auf Seiten der Handelsmarken gibt dann wiederum der Marke Möglichkeiten sich gezielt mit Line Extensions gegen die Handelsmarke zu positionieren.

Fazit

Die qualitätsbestimmende Industrie-Marke wird nicht nur auf Sicht bestehen, sie wird Terrain zurückgewinnen. Voraussetzung ist, dass sie sich sowohl qualitativ wie auch emotional permanent erneuert. Dieser Erneuerungsprozess muss sich in der Schnittstelle zum Handel störungsfrei präsentieren. Gepaart mit einem höheren Warenrohertrag ist die Marke streng genommen aus dem Handelssortiment nicht wegzudenken. Freilich wird der Handel seinerseits das Differenzierungspotenzial der Eigenmarke als Kundenbindungs- und Wettbewerbsinstrument weiter, zumindest qualitativ, forcieren. Unter Umständen auf Kosten der Gesamtspannenentwicklung.

4. Quo Vadis Marketing – Zwischen Bauchgefühl und Unternehmenswertbeitrag

Quo vadis Marketing – Zwischen Bauchgefühl und Unternehmenswertbeitrag

Marketing wird im Allgemeinen als die den Wettbewerb prägende Funktion oder besser noch Kernkompetenz verstanden. Dabei wird die Entwicklung des Unternehmenserfolges maßgeblich von den Marketingentscheidungen geprägt. Während jedoch in anderen Funktionsbereichen Investitionsentscheidungen strikt an ihrem „Return“ gemessen werden, basieren Marketingentscheidungen oft auf rein qualitativen Faktoren. Der Zusammenhang zwischen Investitionen in die Marke und ihrer unmittelbaren Wirkung auf das Ergebnis gilt hier als in der Regel schwer beweisbar.

Dennoch werden erhebliche Mittel, und zwar zu Recht, in die Entwicklung der Marke(n), investiert. Zehn, dreizehn oder gar zwanzig Prozent vom Umsatz sind keine Ausnahme. Dieser beachtliche Kosten- und Wertschöpfungsblock gerät allerdings immer häufiger kritisch in das Blickfeld von Management und Anteilseignern. Dies auch deshalb, weil in den anderen Funktionsbereichen die Produktivitäts- und Kostenreserven weitgehend erschlossen sind.

In diesem Zuge wird zum einen die Höhe der Budgets und zum anderen ihre Verteilung grundsätzlich hinterfragt. Dies kann, je nach Unternehmen, in mehreren Stufen erfolgen:

- Das Einfordern von Transparenz – „was passiert mit dem Geld“?
- Welche Wirkungen werden mit den Maßnahmen erzielt?
- Wie spiegeln sich die Maßnahmen und erzielten Wirkungen im Unternehmensergebnis wider?
- Und schließlich, welche Prognosefähigkeit im Hinblick auf das Unternehmensergebnis ist mit einzelnen Maßnahmen verbunden?

Transparenz bieten und Wirkung belegen

Eine Basisanforderung ist, Transparenz über die eingesetzten Budgets für die einzelnen Marketingmaßnahmen zu erhalten. Dieser Ansatz ist fraglos bei den meisten Unternehmen schon alleine wegen der Abbildung in den Transaktionssystemen gegeben. Nicht selbstverständlich hingegen ist die Zuordnung der Leistungselemente zu den verbuchten Ausgabearten. Dies können zum Beispiel die Leistungselemente von Agenturverträgen oder Event- und Promotionagenturen sein. Ein Hebel für mehr Transparenz liegt zweifelsohne darin, Agenturleistungen zumindest final über den Einkauf zu verhandeln. Dabei werden die Services in ihre Leistungselemente zerlegt und in ihrer Kalkulationsbasis hinterfragt.

Die Budgetdiskussion selbst und die damit verbundenen Ziele sind so alt wie das Marketing. Dabei muss festgestellt werden, dass in vielen Unternehmen Jahr für Jahr dasselbe Ritual stattfindet: In Budgetrunden werden Markenstrategien einzig auf Anpassungen der zur Verfügung stehenden Gelder gegenüber dem Vorjahr reduziert. Ein generelles Hinterfragen des Budgetansatzes im Sinne von „Zero-based“ findet indes kaum statt.

Die Realität sieht häufig so aus, dass beispielsweise 80 Prozent des verhandelten Budgets freigegeben werden. Über die restlichen 20 Prozent entscheidet dann das Management je nach Gewinnerwartung unterjährig. Auffällig ist dabei, dass in diesem formalisierten folgenden Freigabeprozess die zu erfüllenden Kriterien sehr viel häufiger auf quantitativen Ergebnisanforderungen beruhen als bei dem eigentlichen Grundbudget. Genannt seien Beispiele wie das noch zusätzlich zu erschließende Potenzial, die Absatzmenge und die damit verbundene Deckungsbeitragserwartung.

Werbebudgets richtig einsetzen

Durch eine grundsätzliche Überprüfung der Werbe- und Promotion-Investitionen in den verschiedenen Länder vor dem Hintergrund der jeweiligen Marktstellung, Marktwachstum und Wettbewerbssituation können Position und Potenzialausschöpfung durch eine Re-Allokation der Marketingbudgets nachhaltig verbessert werden. Dieser Eingriff in die lokalen Kompetenzen kann im Einzelfall zur Verschlechterung der Landessituation führen, ist aber im Sinne des Ganzen sinnvoll.

Die nächste Stufe hin zu mehr Effizienz der Marketinginvestitionen liegt im Verständnis der Wirkung des Kommunikationstrichters (siehe auch die folgende Abbildung): Wie lassen sich Maßnahmen und ihre Budgetallokation gemäß ihres Wirkungsbeitrages neu ordnen?

Abb: Markenkanal

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Es ist dabei sehr wahrscheinlich, dass Teile der Budgets nicht zwingend begründet eingesetzt sind. Oder sie wurden nur unzureichend aus übergeordneten Zielen abgeleitet. Manchmal sind diese Budgeteinsätze auf Vorlieben einer handelnden Person zurückzuführen. So konnte beispielsweise im Rahmen eines Projektes festgestellt werden, dass mehr als die Hälfte der Sponsoringaktivitäten des Kunden als reines Mäzenatentum zu klassifizieren war. Es existierten darüber hinaus eine Vielzahl von fragmentierten Engagements, aufgeteilt auf 20 verschiedene Sportarten. Ergebnisbeiträge auf die Zielkategorien „Bekanntheit, „Brand-Activation“, „Imagetransfer“ oder „Aktualisierung der Marke“ waren keine feststellbar. Ein Ausstieg aus diesen Maßnahmen oder zumindest ein deutliches Reduzieren hinterlässt in diesem Fall keinen negativen Effekt im Markt.

Die klassische Markenbildung baut in weiten Teilen immer noch auf dem 30-Sekunden-Werbespot auf. Sie wird sich jedoch einer immer mehr fragmentierten und digitalisierten Medienlandschaft – bestehend aus Fernsehen, Zeitung, Internet, Handy Videospiel und iPod – stellen müssen. Das Orchestrieren dieser digitalen Medienlandschaft im Hinblick auf die jeweiligen Zielgruppen muss zwangsläufig auf der Basis von Prozessen erfolgen, die als ein lernendes System konfiguriert sind. Dabei wird es immer anspruchsvoller, die Zielgruppen zu identifizieren und zu beschreiben. Die fallweise Auswahl der richtigen Methode, zum Beispiel die psychodemographische Segmentierung, das Sinus-Milieus oder die auf multivariaten, statistischen Verfahren beruhenden Nutzensegmentierungen, wird noch stärker erfolgsbestimmend.

Zentral sind jedoch die erzielten Leistungen und Ergebniswirkungen entlang der Stufen des Kaufentscheidungsprozesses im Markenkanal. Wirkungen und Transferraten über die Kaufentscheidungsstufe des Kommunikations-Mixes hinweg können nachhaltige Potenziale aufzeigen: Wird die angestrebte Zielwirkung erreicht? Wo bestehen Möglichkeiten, durch Umschichtungen von beispielsweise „above the line“ zu „below the line“, die Wirkung und damit in letzter Konsequenz den Absatz zu erhöhen?

An dieser Stelle läuft man in der Regel in eine kontroverse Methodendiskussion. Wirkmechanismen von Marketingmaßnahmen sind komplex, bedingen sich zum Beispiel gegenseitig, greifen erst mit zeitlicher Verspätung und haben nur mittelbar Einfluss auf die Erlöse und ihre Komponenten wie Preise und Mengen. Und dennoch, gilt es nach Argumenten zu suchen, die Aussicht oder Hinweis auf eine Verbesserung geben.

System statt Bauchgefühl

Um auch im Marketing Verschwendung zu vermeiden und Investitionsentscheidungen in die Vertriebskanäle und Marken faktenbasiert zu treffen, ist der Aufbau eines Marketing-Controllingsystems zu empfehlen. Dieses System kann beispielsweise auf einer Balanced Scorecard aufsetzen. Beim Aufbau eines solchen Systems sollte man pragmatisch bleiben. Zunächst empfiehlt es sich Transparenz zu verschaffen. Ein Etatverfolgungssystem kann ein Einstieg sein. In einer weiteren Ausbaustufe sind Ziel- und Wirkungsdimensionen mit den Budgetverwendungen zu verknüpfen und definierte Leistungskennzahlen nachzuhalten. In einer voll entwickelten Version kommt man schließlich zu einem entscheidungsunterstützenden System. Mit diesem wären Voraussetzungen gegeben, Verbund- und Austauschrelationen zwischen den einzelnen Marketingmaßnahmen und die Wirkung auf den Unternehmenserfolg zu erklären.

Ein solches Marketing-Controllingsystem kann in der Perspektive einen maßgeblichen Beitrag leisten, die Marketinginvestitionen an ihren Ergebnisbeiträgen zu spiegeln. Denn allen Einwänden zum Trotz sind auch bei der Bewertung von Marketinginvestitionen Antworten auf sehr nahe liegende Fragen zu geben: Welche (zusätzlichen) Potenziale werden ausgeschöpft? Welche Ergebnisbeiträge sind zu erwarten? Welche Kapitalverzinsung wird erreicht? Und schließlich, welchen Beitrag leistet die Marketinginvestition zur Entwicklung des Unternehmenswertes?

Für eine Investitionsentscheidung sollten zumindest näherungsweise Antworten gegeben werden können. Die dazu notwendigen Zurechnungs- und Aufteilungsalgorithmen sind betriebswirtschaftliches Basiswissen. Sie werden von den Unternehmen wie selbstverständlich in der Produktkalkulation bei der auch näherungsweisen Zuordnung bzw. Aufteilung der Gemeinkosten anerkannt eingesetzt. Der Aufbau eines Marketingcontrollings stellt nur den ersten Schritt hin zu einer lernenden Organisation dar. Wichtig wird sein, dass die noch tiefere Durchdringung der Marketingorganisation und damit auch seiner Kostenstruktur als Vorteil wahrgenommen wird und nicht als zusätzliche administrative Hürde.

5. Veränderungsdynamik im digitalen Marketing – Thesen

Veränderungsdynamik im digitalen Marketing - Thesen

Der Umgang mit der Informationstechnologie durchzieht aus heutiger Sicht unser ganzes Leben. Dabei ist die Erstellung von digitalen Inhalten über PCs und Macs eine vergleichsweise junge Disziplin. Man muss sich bei all dem Apple-Hype vergegenwärtigen, dass Steve Jobs und Steve Wozniaks 1977 den Apple-II-Homecomputer herausgebracht hatten. Die erste Windowsversion wurde 1985 vorgestellt, benutzerfreundlich wurde das System mit Windows 3.0 1990 (Friedmann 2006). Das World Wide Web wurde erst 1991 von Berners-Lee mit dem Ziel entwickelt, den Informationsaustausch zwischen Wissenschaftlern zu vereinfachen[3]. Schließlich entwickelte Netscape den ersten kommerziellen Browser, ein Computerprogramm zur Darstellung von Webseiten[4]. Mit diesen wenigen Meilensteinen war prinzipiell der Weg zur uneingeschränkten Vernetzung in einer offenen, nichtproprietären und kostenlosen Umgebung und dem fast zeitlosen Datenaustausch geschaffen. Und heute gehört die Nutzung des Internets, selbst mobil, zum Beispiel über Smarttelefone, zu einem täglichen Ritual, das die Nutzung von Google, das Einkaufen über Amazon, das Nachschlagen in Wikipedia oder das Einstellen von selbst erstellten Videos in YouTube für viele zum Selbstverständnis werden lässt.

Mit wachsender Dynamik wird die digitale Transformation unser Leben noch nachhaltiger verändern. Reale und virtuelle beziehungsweise digitale Welten verzahnen sich zunehmend. Diese Veränderungsdynamik wird Geschäftsmodelle noch stärker in Frage stellen als heute schon und die Grenzen von Unternehmen und Formen der Arbeitsteilung neu ordnen. Skepsis und Euphorie treffen, beeinflusst von spezifischen Lebensumständen, aufeinander. So reflektiert beispielsweise Frank Schirmacher aus der Perspektive eines Informationszentrierten Geschäftsmodells „Journalismus“[5]:

„Wir können so tun, als sein alles beim Alten. Aber in Wahrheit erlebt unsere Branche die industrielle Revolution des Geistes, ihrer eigenen Arbeit, ihrer Prinzipien, ihrer Kategorien. ...Ich weiß nicht was Google und Facebook über die Kommunikation von Menschen wissen. Ich glaube, wenn wir es wirklich wüssten, dann würde es uns hier reihenweise den Atem verschlagen. ...Aber das sind jetzt unsere Konkurrenten, auch unsere Gegner. Die Messbarkeit von Informationen und die Verwertbarkeit solcher Artikel an Anzeigenkunden bedeutet eine Gefahr...“

Als Vertreterin der Generation „Internet“ formuliert Danah Boyd:

„I‘m 31 years old. I‘ve been online since I was a teen. I‘ve grown up with this medium and I embrace each new device that bring me closer to being a cyborg. I want information at my fingertips now and always. There‘s no doubt that I‘m not mainstream. But I also feel really badly for the infodriven teens and college students out there being told that learning can only happen when they pay attention to an audio-driven lecture in a classroom sitting. ...”[6]

Karl Schwab führt zum Auftakt von Davos neutraler aber auch mit dem Verweis auf eine Herausforderung aus:

„Wir sind uns nicht in vollem Umfang bewusst, wie sehr unser Leben digitalisiert ist. In der Medizin, Bildung und vielen anderen Feldern haben sich die Grenzen verschoben; wir sehen täglich mehr digitale Möglichkeiten“ (Schwab 2011).

Die Art und Weise, wie Produkte definiert und positioniert werden, wird sich genauso verändern wie der Marktzugang. Das Gestaltungspotenzial der Informationsintensität und Reichweite wird die Märkte zunehmend prägen. Deshalb wird sich nach unserer Auffassung gerade im Marketing diese Veränderungsdynamik voll entfalten. Marketiers haben die Chance am Leben ihrer Kunden virtuell teilzuhaben und es in großen Teilen zielgeleitet mitzugestalten.

Die anstehende, zum Teil schon in Ansätzen intensiv wahrnehmbare Veränderungsdynamik soll im Folgenden anhand des Marketing-Instrumentariums diskutiert werden.

[...]


[1] Floprate, Wirtschftslexikon24.net

[2] Lebensmittel Zeitung LZ 16, 18. April 2008, S. 32

[3] Diese erste Website hatte die folgende Adresse: http//info.cern.ch

[4] Diese mündet in einen Börsengang am 9. August 1995

[5] Journalisten des Jahres, Auszug aus der Dankesrede, in: Handelsblatt, 9. Februar 2011 S. 54

[6] Dana Boyed , Microsoft Research new England; http://www.experientia.com/ blog/danah-boyd-on-new-habits-in-a-connected -world

Ende der Leseprobe aus 172 Seiten

Details

Titel
Marke und Preis
Untertitel
Spannungsfeld in der Wertschöpfungskette der Konsumgüter
Autor
Jahr
2011
Seiten
172
Katalognummer
V167388
ISBN (eBook)
9783640846030
ISBN (Buch)
9783640843275
Dateigröße
3061 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die hier zusammengeführten Beiträge sollen zu einer Diskussion über die Effektivität des Marketing der Konsumgüterindustrie in der Schnittstelle zum Handel anregen. Dieses Spannungsfeld soll gerade durch den Titel "Marke und Preis" transportiert werden.
Schlagworte
marke, preis, spannungsfeld, wertschöpfungskette, konsumgüter, preis- und konditionenoptimierung, digitales marketing, komplexitätsmanagement
Arbeit zitieren
Harald Münzberg (Autor:in), 2011, Marke und Preis, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/167388

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