Leseprobe
Inhalt
Abbildungsverzeichnis
I. Einleitung
II. Staatenpolitische Relevanz von Kultur und Religion
1. Huntington vs. Müller
1.1 Huntingtons Kampf der Kulturen
1.2 Müllers Zusammenleben der Kulturen
1.3 Müller gegen Huntington
2. Die Türkei und die Europäische Union
2.1 Allgemeine Argumentation
2.2 Zivilisation und EU-Identität nach Kuzmanovic
2.3 Die Bedeutung von Religion und Kultur nach Criss
III. Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Karte 1: Zivilisationen nach Huntington http://upload.wikimedia.org/wikipedia/en/d/d5/Clash_of_Civilizations_map2.png (2009-03-20)
Abbildung 1: Weltpolitik und Kulturkreise - Potentielle Bündnisbildungen http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/3/33/Huntington_Clash_of_Civilizatio ns_chart.gif (2009-03-20)
Karte 2: Geografische Ostgrenzen Europas http://nibis.ni.schule.de/~vdsg/Seiten/sin/sin_24/medien/karte1.gif (2009-03-22)
I. Einleitung
Zu den Beitrittsverhandlungen der Türkei zur Aufnahme in die Europäische Union wurde und wird in der Fachliteratur viel publiziert. Die Argumente sind häufig auf kulturelle Faktoren zurückzuführen. Es ist jedoch auffällig, dass der Faktor Religion als Unterscheidungsmerkmal von Kulturen dabei häufig nicht ausreichend und klar diskutiert wird. Aber eben dies findet sich schon im 'Kampf der Kulturen' Huntingtons wieder. Seine Unterteilung der Welt anhand von verschiedenen Kulturkreisen basiert im Wesentlichen auf den Faktor Religion. Deshalb beschäftigt sich diese Arbeit auch mit dem Faktor Religion als Unterscheidungsmerkmal von Kultur als Frage nach staatenpolitischer Relevanz. Besonderer Bedeutung soll dabei die Debatte um den EU-Beitritt der Türkei zukommen.
Im Folgenden wird die Theorie Huntingtons kurz zum Thema dargelegt und mit Müllers Kritik an Huntington in Verbindung gebracht. In einem zweiten Teil wird sich der Türkei näher angenommen. Dabei werde ich nach einem allgemeineren Part zwei Argumentationen bezüglich der Relevanz von Religion in der EU-Beitritts-Debatte darlegen. Dies ist zum einen die Argumentation über Zivilisation und EU-Identität nach Daniella Kuzmanovic und zum anderen ein Beitrag über die Bedeutung von Religion in der Türkei nach Nur Bilge Criss. Aber zunächst wende ich mich Huntington und Müller zu.
II. Staatenpolitische Relevanz von Kultur und Religion
1. Huntington vs. Müller
Als erstes soll hier die Theorie Huntingtons und dessen Kritik von Müller kurz dargelegt werden. Ziel ist es sich einen Überblick über Kultur und Religion bezüglich Identifikation zu liefern1.
1.1 Huntingtons Kampf der Kulturen
Identität definiert sich bei Huntington durch Differenz. „Wir wissen, wer wir sind, wenn wir wissen, wer wir nicht sind und gegen wen wir sind.“2 Dies wendet er auf die Nationalstaaten an, welche seiner Meinung nach die Hauptakteure des Weltgeschehens bleiben. Nationalstaatlichkeit ist nur ein Identitätskonzept. Beispielsweise ist ein Westfale in Nordrhein-Westfalen ein Westfale aber in Westfalen entweder ein Westfale oder ein Ost-Westfale. In Berlin ist er ein Nordrhein-Westfale, in Brüssel ein Deutscher und in New York ein Europäer. Identität ist also kontextabhängig. Der zunehmende Druck der Globalisierung würde zur Rückbesinnung auf eigene Kulturen führen. Bei Huntington zerfällt die Welt in eine Westliche Kultur und einige nicht westliche. Wohl auch deshalb plädiert er, dass sich der Westen - auch militärisch - seiner bisherigen Vormachtstellung versichere. Mit Hilfe der verschiedenen Kulturkreise kann man kulturelle Identität auf politisches Handeln übertragen.
Kulturkreise nach Huntington:
Kulturkreis (& Sub-Kulturkreise) Kernstaat (bzw. möglicher Kernstaat)3 4 5
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Karte 1: Zivilisationen nach Huntington
„Ein elementares Merkmal von Kulturkreisen ist die Religion.“6 Nach Max Weber gibt es fünf große Weltreligionen: Christentum, Islam, Hinduismus, Konfuzianismus, Buddhismus, die laut Huntington mit großen Kulturkreisen zusammenhängen, mit Ausnahme des Buddhismus. Nachdem sich die nicht westlichen Länder an politische Theorien, wie den Marxismus, Liberalismus, Nationalismus oder Faschismus wandten, gäbe es im 21. Jahrhundert eine Rückbesinnung zu den kulturellen Wurzeln. Und dies geschähe eben durch ihre Religion. Staaten müssen sich anderweitig orientieren. Nach Huntingtons Auffassung werden sie es anhand von Kultur tun. Staaten, die sich kulturell näher sind werden auch eher zusammenarbeiten, kooperieren oder verbünden. Religion ist für Huntington das wichtigste Merkmal der Kultur. „Die Religion stiftet in Zeiten des Wandels kulturelle und individuelle Identität. Sie erfüllt eine stabilisierende Funktion.“7 Dazu dienen im politischen Sinne die jeweiligen wegfallen. Huntington behauptet, als es darum geht wo Europa aufhöre, dass Europa keine politische sondern eine kulturelle Identität habe, welche dort aufhört, „...wo das westliche Christentum aufhört und Orthodoxie und Islam beginnen.“8 Es ist wohl kein Geheimnis, dass Huntington einem EU-Beitritt der Türkei kritisch sieht. Er ist der Auffassung, dass zunehmend religiös-konservative Kräfte an Einfluss gewinnen, je mehr die Türkei sich politisch an Europa (EU) annähert. Die Türkei werde ein zerrissenes Land.9
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Weltpolitik und Kulturkreise - Potentielle Bündnisbildungen
Für Huntington steht neben der sinischen die islamische Bedrohung als Hauptkonflikt der näheren Zukunft. Obwohl der Islam über keinen Kernstaat verfüge, gäbe es gemeinsame Interessen: ein gemeinsamer Feind. Der westliche Universalismus sei für den Rest der Welt Imperialismus.10 Beispiele hierfür sind die Debatte um Kernwaffen im Iran und die Intention des Westens die Welt zu demokratisieren.11 Dies ist schon insofern problematisch, da Demokratie, nach Huntington, ein westliches Konzept ist, welches scheinbar nicht ohne weiteres von nicht-westlichen Ländern adaptiert wird. Vielmehr sind es nach den protestantischen Ländern die katholischen, welche sich demokratisierten. Interessanterweise verzichtet Huntington auf eine Differenzierung zwischen islamischen Fundamentalismus und dem Islam. Demzufolge sei es ein Konflikt von ganzen Kulturen, dessen Konfliktlinien immanent seien. Folglich gäbe es keine Verhandlungspolitik und keinen anderen Weg als den Konflikt. Der Islam habe Probleme mit seinen Nachbarn friedlich zusammen zu leben. Huntington führt dies auf den Koran zurück, und dessen Zurückhaltung mit Gewaltverboten. Gewaltfreiheit sei dem Koran fremd. Leider muss ich sagen, dass dies zum Teil zutreffend ist. Die Passagen zum Dschihad sind relativ eindeutig. Auf der anderen Seite ist der Koran so vielseitig, dass er sich erstens widersprechen kann und zweitens an anderen Stellen auch durchaus Dinge wie Nächstenliebe proklamiert. Es kommt Meiner Einschätzung nach sehr darauf an, wie man den Koran interpretiert und in die Praxis umsetzt. Hier den Islam als gewalttätig zu verallgemeinern und dabei auch die in Teilen blutige Vergangenheit anderer Religionen, wie dem Christentum - man denke an die Kreuzzüge - , beiseite zu kehren ist inakzeptabel.
Zur Zukunft der westlichen Kultur sieht Huntington eine Gefahr aus sich selbst heraus. Der Westen würde einem Werteverfall gegenüberstehen, dem Zivilisationen normalerweise anheimfallen und untergehen. Zur Rettung empfiehlt er eine Rückbesinnung auf den Glauben und wahren Werte ohne präzise zu werden. Es stellt eine innenpolitische Absage an den Multikulturalismus dar. Dieser scheint aber in anderen Ländern, wie in Kanada, das genau wie die USA ein klassisches Einwanderungsland ist, zu funktionieren.12
1.2 Müllers Zusammenleben der Kulturen
Harald Müllers „Das Zusammenleben der Kulturen“ ist wohl einer der bekannteren Kritiken an Huntington von deutscher Seite. In seinem Gegenentwurf zeigt er auf, dass sich Huntingtons Modell nicht immer mit der Realität deckt und die Welt durchaus anders interpretiert werden kann und vielleicht auch sollte. Anders als Huntington sieht er die zukünftigen Konfliktlinien nicht anhand von Kultur, wohl aber spielen Ethnizitäten eine Rolle, wenn auch materielle Begründungen wichtiger seien. Auch Identifikation ist bei ihm eine ethnisch definierte Sache. Ethnische Konflikte können sich jedoch durch kulturelle und religiöse Faktoren verschärfen. Müller nennt drei Dimensionen, auf die sich seine Annahmen beziehen: Das Individuum, die Gesellschaft und die Eliten.
[...]
1 Vgl.: Huntington, Samuel Phillips (2002): Kampf der Kulturen: Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert. 6. Aufl., Goldmann, München. Vgl.: Müller, Francis (2006): Zu: Samuel Huntington - Kampf der Kulturen. GRIN Verlag, München.
2 Huntington, Samuel Phillips (2002): Kampf der Kulturen: Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert. 6. Aufl., Goldmann, München.21
3 Huntington ist sich hier selbst nicht sicher und fügt ein 'vielleicht' hinzu
4 Dieser Kulturkreis taucht erst später in seinem Werk auf
5 Auch dieser Kulturkreis taucht erst später in seinem Werk auf
6 Huntington, Samuel Phillips (2002): Kampf der Kulturen: Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert. 6. Aufl., Goldmann, München.61
7 Müller, Francis (2006): Zu: Samuel Huntington - Kampf der Kulturen. GRIN Verlag, München Kernstaaten. Gibt es in einer Kultur keinen solchen Kernstaat würde auch dessen ordnende Funktion
8 Huntington, Samuel Phillips (2002): Kampf der Kulturen: Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert. 6. Aufl., Goldmann, München.252
9 Vgl.: ebd.226 ff.
10 Vgl.: Huntington, Samuel Phillips (2002): Kampf der Kulturen: Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert. 6. Aufl., Goldmann, München.292
11 Vgl. Müller, Francis (2006): Zu: Samuel Huntington - Kampf der Kulturen. GRIN Verlag, München. S. 8
12 Vgl. Müller, Harald (2001): Das Zusammenleben der Kulturen. Ein Gegenentwurf zu Huntington. 5. Aufl., Fischer, Frankfurt am Main. Vgl. Agerer, Stefanie (2000): The Clash of Civilisations - Huntington und seine Kritiker. GRIN Verlag, München.