Empirische Exploration zur Geschäftsmodellübertragung als Quelle für Geschäftsmodellinnovationen. Das Rad muss nicht neu erfunden werden


Bachelor Thesis, 2010

113 Pages, Grade: 1,0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretische Grundlagen
2.1 Definitionen
2.1.1 Geschäftsmodell
2.1.2 Innovation
2.1.3 Geschäftsmodellinnovation
2.1.4 Übertragung von Geschäftsmodellen
2.2 Eingrenzung des Forschungsphänomens
2.2.1 Prozess der Geschäftsmodellinnovationsgenerierung
2.2.2 Versionen der Geschäftsmodellübertragung
2.3 Stand der Forschung zur Geschäftsmodellinnovationsgenerierung
2.3.1 Interne Geschäftsmodellinnovationsgenerierung
2.3.2 Externe Geschäftsmodellinnovationsgenerierung

3. Konzeption und Durchführung der empirischen Studie
3.1 Datenerhebung
3.1.1 Auswahl der Interviewpartner
3.1.2 Entwicklung des Interviewleitfadens
3.1.3 Durchführung der Interviews
3.1.4 Transkription der Interviews
3.2 Datenauswertung
3.2.1 Entwicklung eines Suchrasters
3.2.2 Extraktion
3.2.3 Aufbereitung und Auswertung der Daten

4. Empirische Befunde zur Geschäftsmodellübertragung als Quelle für Geschäftsmodellinnovationen
4.1 Akteursbezogen
4.1.1 Etablierungsgrad und Größe
4.1.2 Branche
4.2 Kontextbezogen
4.3 Inhaltsbezogen
4.3.1 Ausrichtung
4.3.2 Komponenten
4.4 Dimensionsbezogen
4.4.1 Umfang
4.4.2 Grad der Anpassung
4.5 Ergebnisbezogen

5. Ableitung von Hypothesen

6. Zusammenfassung und Diskussion

Anhang
Anhang A: Interviewleitfaden
Anhang B: Extraktion
Anhang C: Aufbereitete Daten

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1. Forschungsfrage

Abb. 2. Geschäftsmodell

Abb. 3. Basistypen von Geschäftsmodellinnovationen

Abb. 4. Prozess der Geschäftsmodellinnovationsgenerierung

Abb. 5. Version 1: GMI durch kontextübergreifende Übertragung (Incumbent)

Abb. 6. Version 2: GMI durch kontextübergreifende Übertragung (Startup)

Abb. 7. Version 3: GMI durch kontextübergreifende Expansion

Abb. 8. Version 4: GMI durch Neukombination bestehender Elemente

Abb. 9. Version 5: Dominantes GM durch kontextinterne Übertragung

Abb. 10. Verlauf der empirischen Studie

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1. Stand der Forschung

Tabelle 2. Interviewpartner

Tabelle 3. Auswertungskategorien

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Die Frage nach Quellen für Geschäftsmodellinnovationen ergibt sich vor dem Hintergrund der weltweiten Zunahme von Wettbewerb und Marktdynamik (Huyett/ Viguerie, 2005: 47). Die verstärkt global ausgerichteten Märkte, die Verbreitung neuer Technologien und die Wirtschaftsliberalisierung wirken positiv auf die Entstehung von Innovationen und die Entwicklung der Produktivität (Huyett/ Viguerie, 2005: 47). Mit dem damit einhergehenden Wirtschaftswachstum, insbesondere in Schwellenländern, entstehen einerseits neue, weltweit konkurrenzfähige Anbieter und andererseits kaufkräftige Nachfrager, die ein bedeutendes Marktpotenzial darstellen (Brown/ Hagel, 2005: 37; Huyett/ Viguerie, 2005: 47).

Um globale Marktanteile zu halten, ein Wachstum zu ermöglichen und so ihre Existenz zu sichern bzw. aufzubauen, wird es für bestehende wie neu zu gründende Unternehmen folglich wichtiger, sich sowohl in den entwickelten, als auch in den aufkommenden Märkten gegenüber der alten und neuen Konkurrenz zu behaupten (Brown/ Hagel, 2005: 37; The Economist, 2010b: 13). In den entwickelten Märkten ist hierfür eine verstärkte Differenzierung, eine größere Flexibilität sowie eine erhöhte Effizienz notwendig (Lindgardt et al., 2009: 2). In Schwellenländern dagegen ist zunächst eine Anpassung an den Markt nötig, um neue (vor allem ärmere) Kundenschichten zu erreichen (Court/ Narasimhan, 2010: 5).

In diesem Zusammenhang gewinnen Geschäftsmodellinnovationen aufgrund ihres größeren Potenzials zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen gegenüber herkömmlichen Strategien und Innovationen an Bedeutung (Bell et al., 2007: 1; Huyett/ Viguerie, 2005: 57; Johnson et al. 2008: 52; Osterwalder/ Pigneur, 2010: 245).

Allerdings gibt es trotz dieser zunehmenden Bedeutung bisher kaum Forschungsergebnisse zur Generierung von eben jenen Geschäftsmodell- innovationen. In der Literatur werden nur einige wenige Ansätze der Geschäftsmodellentwicklung, wie Customer Insights oder das Szenario- management, aufgeführt (vgl. Kapitel 2.3.1). Diese betrachten jedoch nur die unternehmensinterne Innovationsentwicklung. Die Möglichkeit der externen Innovationsgenerierung durch die kontextübergreifende Geschäftsmodellübertragung, z.B. in eine andere Branche oder ein anderes Land, wird vernachlässigt. Es gibt zwar erste Studien zu sogenannten Copycats, Unternehmen, die Geschäftsideen aus anderen Märkten in den Heimatmarkt kopieren, bloß werden diese nicht aus der Perspektive der Innovationsgenerierung diskutiert (vgl. Kapitel 2.3.2).

Dabei existieren erfolgreiche Geschäftsmodelle, die wegen ihrer Eignung zur Effizienzsteigerung, Differenzierung oder Anpassung auch für andere Unternehmen interessant sein könnten. Ein Beispiel ist das in Schwellenländern entstandene Geschäftsmodell der radikalen Anwendung von Techniken der Massenproduktion bei hochentwickelten Serviceleistungen (The Economist, 2010a: 10). Ziel ist die drastische Kostensenkung, sodass auch ärmere Bevölkerungsschichten die Leistung beziehen können. Gelungen ist dies Aravind aus Madurai in Indien: „Aravind, the world’s biggest eye-hospital chain, performs some 200,000 eye operations a year. It takes the assembly-line principle literally: four operating tables are laid side by side and two doctors operate on adjacent tables. When the first operation is done, the second patient is already in place“ (The Economist, 2010a: 10; vgl. auch Aravind Eye Care System, 2010: www.aravind.org).

Überdies gibt es bereits einige Fälle von Geschäftsmodellinnovationen, die durch eine Geschäftsmodellübertragung generiert wurden.ist z.B. durch die Übertragung des Geschäftsmodells der amerikanischen Fluglinie Southwest mit Ryanair die erste Billigfluglinie in Europa entstanden: „All we’ve done is copy Herb Kelleher’s successful model. In fact, we’re maybe the only people to copy it successfully and maybe take it beyond where Southwest has gone with it. But other than that it’s still Southwest’s model“ (Michael O’Leary, CEO Ryanair Holdings, in: Shenkar, 2010: 65).

Aus der Forschungslücke, die in der fehlenden wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der externen Innovationsgenerierung besteht, und dem gleichzeitig theoretischen Potenzial der Geschäftsmodellübertragung ergibt sich das Forschungsziel der vorliegenden Arbeit. Dies besteht darin, die Eignung der Geschäftsmodellübertragung als mögliche Quelle für Geschäftsmodellinnovationen zu untersuchen. Dabei werden verschiedene Akteure, Kontexte, Inhalte, Dimensionen sowie Ergebnisse berücksichtigt (vgl. Abb. 1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung

Abb. 1. Forschungsfrage

Die Forschungsfrage wird mit Hilfe einer empirischen Exploration beantwortet. Hierfür werden Experteninterviews durchgeführt und anschließend mit der Methode der qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet.

Die Arbeit erfüllt aber nicht nur ein theoretisches Ziel, indem sie eine Forschungslücke schließt und eine Grundlage für weitere Forschung legt, sondern leistet ebenso einen praktischen Nutzen. Sie soll dem Management in Unternehmen sowie potenzielle Unternehmensgründer zum einen auf die Option der Geschäftsmodellübertragung aufmerksam machen und zum anderen bei der Entscheidung bezüglich der Entwicklung einer Geschäfts- modellinnovation durch eine Geschäftsmodellübertragung unterstützen.

Zunächst werden im zweiten Kapitel die theoretischen Grundlagen der Arbeit erläutert. Hierzu gehören die Definition wichtiger Begriffe, die Eingrenzung des Forschungsphänomens sowie die Darstellung des Forschungsstands und damit der theoretischen Grundlagen. Im dritten Kapitel werden anschließend die Konzeption und Durchführung der empirischen Studie erläutert, bevor deren Ergebnisse im vierten Kapitel aufgeführt werden. Im fünften Kapitel werden aus den Ergebnissen Hypothesen als Grundlagen für künftige Forschungsfragen abgeleitet. Den Schluss der Arbeit bildet das sechste Kapitel mit einer Zusammenfassung und Diskussion der wesentlichen Ergebnisse, einer kritischen Würdigung der Arbeit sowie Anregungen für weitere Untersuchungen.

2. Theoretische Grundlagen

Im folgenden Kapitel werden für die Arbeit grundlegende Begriffe und Konzepte erläutert, bevor das Forschungsphänomen anhand der Darstellung des Innovationsprozesses sowie verschiedener Versionen der Geschäftsmodell- übertragung eingegrenzt wird. Anschließend wird der Stand der Forschung zur Geschäftsmodellübertragung als Quelle für Geschäftsmodellinnovationen aufgezeigt.

2.1 Definitionen

Für die Begriffe Geschäftsmodell, Innovation und folglich Geschäftsmodellinnovation sowie für das Konstrukt Übertragung gibt es in der wissenschaftlichen Literatur zahlreiche Erläuterungen, die unterschiedliche Ansätze verfolgen. Die für die Arbeit ausgewählten Definitionen basieren auf gemeinsamen wie anerkannten Aspekten der verschiedenen Ausführungen, entsprechen dem fachspezifischen Sprachgebrauch und sind für die vorliegende Untersuchung zweckmäßig.

2.1.1 Geschäftsmodell

Häufig lassen sich definitorische Ansätze für den Begriff Geschäftsmodell auf einen Strategiefokus (vgl. Knyphausen-Aufsess/ Meinhardt, 2002b: 64 ff.), eine handlungsorientierte Umsetzungsperspektive (vgl. Bieger et al., 2002: 36 ff.), einen Wertkettenansatz in Anlehnung an PORTER (1996, 59 ff.; vgl. Timmers, 2000: 39 ff.; Tomczak et al., 1999: 32 ff.) oder eine E-Business-Ausrichtung (vgl. Amit/ Zott, 2001; Wölfle, 2000) zurückführen.

Dabei wird zwischen Partial- und Universalansätzen unterschieden (Meinhardt, 2002: 219 ff.). Der Partialansatz zeichnet sich durch den Fokus auf einzelne Theorieelemente (z.B. Wertkettenansatz) oder bestimmte Branchen aus (Meinhardt, 2002: 219 ff.). Dagegen umfassen Universalansätze verschiedene Theorieelemente, die in einem Geschäftsmodellkonstrukt vereint werden (Meinhardt, 2002: 227 ff.).

Weitgehender Konsens zwischen den verschiedenen Definitionen besteht darin, dass das Geschäftsmodell die „value proposition“, das heißt das Kundennutzenversprechen, beschreibt (vgl. Chesbrough, 2000: 355; Hamel, 2000: 74; Johnson et al., 2008: 52).

Da sich die vorliegende Arbeit auf die allgemein strategisch-konzeptionelle Entscheidung bezüglich einer Geschäftsmodellübertragung konzentriert, eignet sich für die Erklärung eines Geschäftsmodells insbesondere der von ZOLLENKOP in enger Anlehnung an KNYPHAUSEN-AUFSESS und MEINHARDT (2002: 64 ff.) herausgearbeitete Universaleinsatz: „Ein Geschäftsmodell stellt ein System aus drei Bestandteilen sowie den Beziehungen zwischen ihnen dar. Bei den Bestandteilen handelt es sich um Produkt-/ Marktkombination, Konfiguration der Wertkette und Durchführung der Wertschöpfung sowie Ertragsmechanik. Die Systembeziehungen bilden die Wirkmechanismen zwischen den Bestandteilen ab und determinieren wesentlich den generierten Kundennutzen sowie die entstehenden Wettbewerbsvorteile als Ziele des Geschäftsmodells. Das Geschäftsmodell dient als strategisches Instrument zur ganzheitlichen, unternehmensübergreifenden Beschreibung, Analyse und Gestaltung der Geschäftstätigkeit“ (2006: 48).

Dabei bezieht sich die Produkt-/ Marktkombination (vgl. Ansoff, Produkt-/ Markt- Matrix, 1965: 108 ff.) auf i) die vom Unternehmen bedienten Märkte, ii) das komplette potenzielle Leistungsangebot und iii) die Art der Transaktions- beziehungen zwischen dem Unternehmen und seinen Kunden (Zollenkop, 2006: 48 ff.). Bei der Konfiguration und Durchführung der Wertschöpfung (vgl. Porter, Wertschöpfungskette, 1996: 59 ff.) handelt es sich um den Umfang und die Organisation der vom Unternehmen selbst erstellten Leistungen (Zollenkop, 2006: 54 ff.). Die Ertragsmechanik beschreibt die Quellen der betriebszweckbezogenen Erträge eines Unternehmens sowie deren Zusammenhang und Gewichtung (Zollenkop, 2006: 75 ff.).

Die Abstimmung dieser Komponenten aufeinander ist eine Voraussetzung für das Funktionieren des Geschäftsmodells (Zollenkop, 2006: 85 ff.; vgl. auch Baden-Fuller/ Morgan, 2010: 166).

Die Definition des Geschäftsmodells wird in Abbildung 2 veranschaulicht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung nach ZOLLENKOP (2006: 48 ff.)

Abb. 2. Geschäftsmodell

Neben den beschriebenen Komponenten und deren Beziehungen untereinander sind ebenso die Wechselbeziehungen des Geschäftsmodells mit seiner Umwelt relevant: „A good business model always tries to take advantage of any opportunities in its environment while trying to dampen the effects of threats from it“ (Afuah/ Tucci, 2001: 4; vgl. auch Demil/ Lococq, 2010: 237). Mit der Berücksichtigung dieser internen und externen Wechselwirkungen wird ein dynamisches Modell beschrieben, wie es z.B. auch DEMIL und LOCOCQ offerieren (2010: 227 ff.).

In der Literatur wird der Begriff des Geschäftsmodells zum Teil mit der Strategie gleichgesetzt (vgl. Knyphausen-Aufsess/ Meinhardt, 2002: 64 ff.) oder „Business Modeling“ wird als Alternative zur klassischen Strategieentwicklung dargestellt (vgl. McGrath, 2010: 248). Viele Autoren thematisieren die Abgrenzung dieser Konstrukte kaum oder gar nicht (Zollenkop, 2006: 94). ZOLLENKOP stellt in Anlehnung an CHESBROUGH und ROSENBLOOM (2002: 535 f.) heraus, „dass es sich beim Geschäftsmodell um ein zur Strategieformulierung nachgelagertes Konstrukt handelt [...]“ (2006: 97).

Bei CASADESUS-MASANELL und RICART ist ebenfalls das Geschäftsmodell der Strategie untergeordnet, hier ist es allerdings Teil der Strategiebildung: „The object of strategy is the choice of business model [...]“ (2010: 196).

2.1.2 Innovation

Definitionen von Innovation beziehen sich überwiegend auf Produkt- bzw. Prozessinnovationen.auch bei der Erläuterung HAUSSCHILDTS, der die wesentlichen Merkmale der Innovation herausgearbeitet hat: „Innovationen sind unstrittig qualitativ neuartige Produkte oder Prozesse, die sich gegenüber dem vorangehenden Zustand merklich [...] unterscheiden“ (2005: 25). Andere Autoren beziehen Innovation auf die Veränderung eines Objekts im Allgemeinen, eines Systems, einer Struktur, Handlung, Norm oder Regel (Wahren, 2004: 14 f.).

„Die Neuartigkeit besteht darin, dass Zwecke und Mittel in einer bisher nicht bekannten Form verknüpft werden. Diese Verknüpfung hat sich auf dem Markt oder im innerbetrieblichen Einsatz zu bewähren [...]“ (Hausschildt, 2005: 25). Durch den wirtschaftlichen Erfolg unterscheidet sich die Innovation von der Invention. Die Innovation beschreibt über die Erfindung hinaus deren Umsetzung und Verwertung (Perl, 2003: 19).

Ein Objekt (z.B. Produkt, Prozess) wird als Innovation bezeichnet, wenn dieses zum ersten Mal in einem bestimmten Kontext auftritt. Als mögliche Kontexte nennen HAUSSCHILDT und SALOMO soziale Systeme eines Unternehmens, Branchen, Nationen oder die gesamte Menschheit (2005: 25 f.). Es gibt verschiedene Ansichten dazu, auf welchen Kontext sich der Innovationsbegriff beziehen sollte (vgl. Fagerberg, 2005: 8). Da Führungskräfte nicht nur innerhalb ihres Unternehmens denken und gleichzeitig weltweite Neuheiten relativ selten und außerdem schwer festzustellen sind (vgl. Hausschildt/ Salomo, 2005: 25 f.), werden in der vorliegenden Arbeit Branchen und Nationen bzw. Märkte als Kontexte im Vordergrund stehen.

Innovationen werden nach ihrem Grad der Neuheit unterschieden (Hausschildt, 2005: 29 ff.). Ein weit verbreiteter Ansatz, der auch dieser Arbeit zugrunde liegt, ist die Unterscheidung in inkrementelle und radikale Innovationen (vgl. Hausschildt, 2005: 29). Inkrementelle Innovationen sind stetige, kleine Verbesserungen. Sie bringen nur geringe Technologie- und Marktveränderungen mit sich (Fagerberg, 2005: 7). Ein bekanntes Beispiel hierfür sind Software-Updates. Radikale Innovationen dagegen bedeuten größere Änderungen, die ein Objekt wesentlich verbessern (Fagerberg, 2005: 7). Ein Beispiel ist die Digitalkamera als radikale Innovation der Analogkamera.

2.1.3 Geschäftsmodellinnovation

Aus den oben aufgeführten Definitionen lässt sich die Bedeutung von Geschäftsmodellinnovation ableiten: Eine Geschäftsmodellinnovation ist eine qualitativ neuartige Form der Produkt-/ Marktkombination, der Konfiguration der Wertkette sowie der Durchführung der Wertschöpfung und/ oder der Ertragsmechanik, die sich gegenüber dem vorangehenden Zustand merklich unterscheidet. Hier besteht das veränderte Objekt folglich aus einem Geschäftsmodell.

Wie bei der Produkt- oder Prozessinnovation wird eine Invention, hier ein neuartiges Geschäftsmodellkonzept, erst dann zur Innovation, wenn es erfolgreich umgesetzt wurde (Zollenkop, 2006: 118).

ZOLLENKOP unterscheidet bei Geschäftsmodellen zwei Innovationsebenen, die Komponenten- und die Architekturebene (2006: 119 ff.). Auf der Komponentenebene werden einzelne Bestandteile des Geschäftsmodells innoviert, während auf der Architekturebene die Wirkmechanismen zwischen den Komponenten verändert werden. „Innovationen können somit auf Ebene der Bestandteile des Geschäftsmodells stattfinden, ohne dass deren Zusammenwirken [...] berührt wäre. Umgekehrt kann die Architektur des Geschäftsmodells innoviert werden, während die Bestandteile allenfalls [inkrementell] oder überhaupt nicht verändert werden“ (Zollenkop, 2006: 119). Gleichzeitig wird bezüglich des Innovationsgrades zwischen inkrementellen und radikalen Innovationen differenziert (Demil/ Lococq, 2010: 241). Inkrementelle und radikale Innovationen können sowohl auf Komponenten-, als auch auf Architekturebene stattfinden (Zollenkop, 2006: 120 ff.).

In Anlehnung an ZOLLENKOP (2006: 120 ff.) können folglich vier Basistypen von Geschäftsmodellinnovationen unterschieden werden: inkrementelle, modulare, architektonische und radikale Geschäftsmodellinnovationen. Abbildung 3 gibt einen Überblick über diese verschiedenen Basistypen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung

Abb. 3. Basistypen von Geschäftsmodellinnovationen

Entsprechend dem in Kapitel 2.1.1 von ZOLLENKOP (2006: 97) sowie CASADESUS-MASANELL und RICART (2010: 196) beschriebenen Zusammenhang zwischen Geschäftsmodell und Strategie besteht ebenso eine Abhängigkeit zwischen einer Geschäftsmodellinnovation und einer Innovation der Strategie (vgl. Zollenkop, 2006: 131). Die Richtung der Abhängigkeit ist hier allerdings offener: Idealerweise wird eine Strategie bewusst innoviert und das Geschäftsmodell an die neue Strategie gegebenenfalls angepasst (Zollenkop, 2006: 131). Es kann aber auch vorkommen, dass zunächst eine Geschäftsmodellinnovation stattfindet und diese eine Innovation der Strategie auslöst (Zollenkop, 2006: 131).

2.1.4 Übertragung von Geschäftsmodellen

Unter der Übertragung eines Geschäftsmodells wird in der vorliegenden Arbeit der Transfer einzelner oder aller Komponenten eines Geschäftsmodells verstanden. Die Übertragung vollzieht sich zwischen zwei Unternehmen oder Unternehmenseinheiten, von einem Ursprungsunternehmen auf ein Zielunternehmen. Ursprungsunternehmen sind bestehende Unternehmen, während Zielunternehmen sowohl bestehende als auch neu zu gründende Unternehmen sein können. Folglich werden mit der Übertragung von Geschäftsmodellen bisherige Geschäftsmodelle verändert oder ergänzt und ganz neue Geschäftsmodelle aufgebaut.

Dabei gibt es Überschneidungen mit den in der Literatur verwendeten Begriffen ‚kopieren’ (vgl. Zollenkop, 2006: 153 ff.), ‚imitieren’ (vgl. Perl, 2003: 19; Shenkar, 2010: 4 f.) und ‚adaptieren’ bzw. ‚anpassen’ (vgl. Demil/ Lecocq, 2010: 228). Der hier gewählte Terminus ‚übertragen’ kann sowohl ein bloßes Kopieren bzw. Imitieren als auch eine Adaption umfassen.

2.2 Eingrenzung des Forschungsphänomens

Nachdem der Prozess der Geschäftsmodellinnovationsgenerierung im Folgenden erläutert worden ist, wird das Forschungsphänomen der Geschäftsmodellübertragung in diesen Prozess eingeordnet. Auf diese Weise soll gezeigt werden, welche Schritte der Innovationsgenerierung in vorliegender Arbeit untersucht werden.

Anschließend werden die wichtigsten verschiedenen Versionen der Geschäftsmodellübertragung dargestellt, sodass die hier betrachtete Übertragung von anderen Versionen abgegrenzt werden kann.

2.2.1 Prozess der Geschäftsmodellinnovationsgenerierung

Der „Business Model Design Process“ von OSTERWALDER und PIGNEUR bildet als Verständnis der Generierung von Geschäftsmodellinnovationen eine Grundlage für die vorliegende Arbeit. (vgl. 2010: 244 ff.; vgl. Abb. 4).

Der Prozess besteht aus fünf Schritten: 1. Mobilisieren, 2. Verstehen, 3. Entwerfen, 4. Implementieren und 5. Managen (Osterwalder/ Pigneur, 2010: 244 ff.). Obwohl diese Schritte in der Praxis kaum derartig linear ablaufen werden, eignet sich der dargestellte Prozess sehr gut als Orientierung (Osterwalder/ Pigneur, 2010: 248).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung nach OSTERWALDER und PIGNEUR (2010: 244 ff.)

Abb. 4. Prozess der Geschäftsmodellinnovationsgenerierung

Im ersten Schritt, dem Mobilisieren, sollen die Projektziele festgelegt, vorläufige Ideen getestet, ein Team zusammengestellt und der Innovationsprozess geplant werden (Osterwalder/ Pigneur, 2010: 250). Die Planung des Prozesses wird sich an dieser Stelle allerdings auf die ersten drei Schritte beschränken, da die Implementierung und das Managen sehr stark von dem Geschäftsmodellentwurf abhängen (Osterwalder/ Pigneur, 2010: 250).

Beim zweiten Schritt geht es darum, potenzielle Kunden, Konkurrenten, die Technologie und die Umwelt zu verstehen; d.h. Wissen über den Kontext, in dem das neue Geschäftsmodell entstehen soll, zu generieren (Osterwalder/ Pigneur, 2010: 252). Ein kritischer Erfolgsfaktor ist hier das Hinterfragen bestehender Gesetze und Funktionsweisen der Branche (Osterwalder/ Pigneur: 253).

Der dritte Schritt besteht aus dem Entwerfen eines neuen Geschäftsmodellkonzepts (Osterwalder/ Pigneur, 2010: 254). Zunächst müssen die Informationen aus dem vorherigen Schritt in verschiedene Prototypen von Geschäftsmodellen transformiert werden (Osterwalder/ Pigneur, 2010: 254). Wichtig ist an dieser Stelle, dass tatsächlich neue Modelle entwickelt werden (Osterwalder/ Pigneur, 2010: 254). Anschließend werden diese getestet und selektiert (Osterwalder/ Pigneur, 2010: 254).

Im vierten Schritt wird das ausgewählte neue Geschäftsmodellkonzept implementiert (Osterwalder/ Pigneur, 2010: 256). Dafür sollten u.a. eine genaue Roadmap mit Meilensteinen entwickelt, ein Budget festgelegt, verwandte bzw. betroffene Drittprojekte identifiziert und integriert sowie die rechtlichen Strukturen organisiert werden (Osterwalder/ Pigneur, 2010: 256).

Der fünfte und letzte Schritt befasst sich mit der Anpassung und Modifikation des implementierten Geschäftsmodells (Osterwalder/ Pigneur, 2010: 258). Dieses muss fortlaufend gemanagt werden (Osterwalder/ Pigneur, 2010: 258). Zu begründen ist dieser Schritt mit einer durch interne wie externe Unsicherheiten eingeschränkten Plan- und Gestaltbarkeit des Geschäftsmodells (vgl. Caspers, 2002: 249 ff.; Demil/ Lococq, 2010: 236; Schoegel, 2001: 163 f.; Zollenkop, 2006: 141 ff.).betont CASPERS in Anlehnung an HAYEKS Theorie der spontanen Ordnung (1969: 108 ff.)1, dass „[k]onkrete Ausprägungen einzelner Geschäftsmodelle [...] zwar auf Versuche einer bewussten Ausgestaltung innovativer Ideen und Konzepte zurückzuführen [sind], aber letztlich doch Resultate einer evolutionären Entwicklung [bleiben], die der Mensch durch Trial-and-Error-Verfahren beeinflussen kann, aber nicht voll unter seine Kontrolle bringt“ (2002: 249 ff.). Wie schon in Abschnitt 2.1.1 angedeutet wird folglich von einem dynamischen Modell ausgegangen, das in einem Trial-and-Error-Verfahren durch inkrementelle oder auch radikale Veränderungen im Zeitverlauf immer wieder angepasst werden muss (vgl. Sosna et al., 2010: 384; Demil/ Lecocq, 2010: 241).

Der Fokus dieser Arbeit liegt, entsprechend der strategisch-konzeptionellen Ausrichtung, auf den Schritten des Verstehens und des Entwerfens. Das heißt, die Geschäftsmodellübertragung wird in der Phase der Ideengenerierung für ein neues Geschäftsmodell untersucht.

2.2.2 Versionen der Geschäftsmodellübertragung

Wie im Kapitel 2.1.4 angedeutet gibt es verschiedene Möglichkeiten der Geschäftsmodellübertragung. Im folgenden Abschnitt sollen diese Möglichkeiten modellhaft dargestellt werden, um auf diese Weise das Themengebiet der Geschäftsmodellübertragung zu erschließen und gleichzeitig das Forschungsphänomen einzugrenzen.

Das verwendete Modell besteht aus den Komponenten Geschäftsmodell und Kontext, wobei zwischen verschiedenen Geschäftsmodellen (Form) und Kontexten (A und B) unterschieden wird.

Eine Version der Geschäftsmodellübertragung bezieht sich auf bestehende Unternehmen, die ein Geschäftsmodell oder Teile davon aus einem anderen Kontext auf ihr Unternehmen übertragen und so in ihrem Kontext eine Geschäftsmodellinnovation generieren (vgl. Abb. 5).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung

Abb. 5. Version 1: GMI durch kontextübergreifende Übertragung (Incumbent)

Eine zweite Möglichkeit ist die Geschäftsmodellübertragung aus einem anderen Kontext, bei der ein Unternehmen gegründet und gleichzeitig eine Geschäftsmodellinnovation entwickelt wird (vgl. Abb. 6).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung

Abb. 6. Version 2: GMI durch kontextübergreifende Übertragung (Startup)

Überdies kann ein bestehendes Unternehmen sein eigenes Geschäftsmodell in einen anderen Kontext übertragen, um im Rahmen einer Expansion das Unternehmen zum Beispiel zu internationalisieren (regionaler Kontext) oder das Kerngeschäft in angrenzende Marktsegmente auszudehnen (industrieller Kontext) (vgl. Seidensticker/ Zook, 2004: 15 ff.). Wenn das Geschäftsmodell in dem Zielkontext noch nicht existiert, entsteht eine Geschäftsmodellinnovation (vgl. Abb. 7).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung

Abb. 7. Version 3: GMI durch kontextübergreifende Expansion

Überdies können innerhalb eines Kontextes Geschäftsmodelle übertragen werden.

Werden dabei Elemente verschiedener Geschäftsmodelle in einer nicht existierenden Form neu kombiniert, kann auch innerhalb des Kontextes eine Geschäftsmodellinnovation entstehen (vgl. Abb. 8). Hierbei handelt es sich dann um eine architektonische Geschäftsmodellinnovation (vgl. Kapitel 2.1.3).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung

Abb. 8. Version 4: GMI durch Neukombination bestehender Elemente

Bei der identischen Übertragung eines Geschäftsmodells innerhalb eines Kontextes wird dagegen keine Geschäftsmodellinnovation generiert (vgl. Abb. 9). Statt der Wettbewerbsvorteile durch eine Innovation stehen hier vielmehr Motive wie Effizienzsteigerung oder Marktanpassung im Vordergrund (vgl. dominantes Geschäftsmodell, Kapitel 2.3.2).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung

Abb. 9. Version 5: Dominantes GM durch kontextinterne Übertragung

In der vorliegenden Arbeit liegt der Fokus auf den Versionen 1 und 2, in denen ein fremdes Geschäftsmodell oder Teile davon übernommen werden, um eine Geschäftsmodellinnovation im eigenen Kontext zu generieren. Die Version 3 müsste im Rahmen der Expansions- und Internationalisierungsforschung behandelt werden. Die Version 4 wird als Sonderfall der Geschäftsmodellinnovation innerhalb eines Kontextes ebenso nicht berücksichtigt und Version 5 ist aufgrund der fehlenden Innovation nicht Gegenstand dieser Arbeit.

2.3 Stand der Forschung zur Geschäftsmodellinnovationsgenerierung

Der Begriff Geschäftsmodell tauchte Ende der 90er Jahre mit dem Internetboom und der Entstehung des E-Commerce in der Managementliteratur auf (vgl. Demil/ Lococq, 2010: 227). Seitdem wurden das Thema Geschäftsmodell und die Unterthemen wie Geschäftsmodellinnovation, Geschäftsmodellanalyse, Geschäftsmodellevolution etc. weiterentwickelt. Gleichwohl gibt es insgesamt immer noch relativ wenige Forschungsergebnisse zu diesem Themenkomplex (vgl. Amit/ Zott, 2010: 217; Demil/ Lecocq, 2010: 243; Schoegel, 2001: 163 f.; Sosna et al., 2010: 385; Teece, 2010: 175 f.).

Die Forschungsfrage nach der Geschäftsmodellübertragung als Quelle für Geschäftsmodellinnovationen wurde systematisch aus der Innovations- forschung abgeleitet. Dafür wurde der Forschungsstand zur Entstehung von Geschäftsmodellinnovationen dem zur Produkt- und Prozessinnovations- entstehung gegenübergestellt (vgl. Tabelle 1). In der Produkt- und Prozessinnovationsforschung wird zwischen drei Innovationsquellen unterschieden: Ideen können intern i) durch eigene Entwicklung entstehen oder sie können extern generiert werden, ii) indem sie eingekauft oder iii) indem fremde Entwicklungen auf das eigene Objekt übertragen werden. (vgl. Hausschildt/ Salomo, 2007: 63 ff.). Der Innovationseinkauf kann hier allerdings aufgrund einer fehlenden rechtlichen Schutzmöglichkeit von Geschäftsmodellen außer Acht gelassen werden.

Entsprechend des Mangels an Literatur zu Geschäftsmodellen generell lassen sich kaum Ergebnisse zur Entstehung neuer Geschäftsmodelle finden. Es gibt lediglich erste Ansätze zur internen Entwicklung von Geschäfts- modellinnovationen. Die Geschäftsmodellübertragung wird zwar ebenfalls ansatzweise thematisiert, jedoch nicht aus der Perspektive der Innovationsgenerierung. Der Fokus liegt vielmehr auf der Imitation und die Geschäftsmodellinnovation wird bloß als Nebeneffekt betrachtet (vgl. Shenker, 2010). Somit stellt die Geschäftsmodellübertragung als explizite Quelle für Geschäftsmodellinnovationen eine Forschungslücke dar (vgl. Tabelle 1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung

Tabelle 1. Stand der Forschung

Im folgenden Abschnitt sollen der Stand der Forschung zu Methoden der internen wie externen Geschäftsmodellinnovationsgenerierung und damit gleichzeitig die der Arbeit zugrundeliegenden Theorien näher erläutert werden.

2.3.1 Interne Geschäftsmodellinnovationsgenerierung

Die in diesem Kapitel beschriebenen Methoden der Innovationsgenerierung werden eingesetzt, um unternehmensintern Innovationen zu generieren. Dabei lassen sich die verschiedenen Ansätze ergänzend kombinieren.

OSTERWALDER und PIGNEUR beschreiben die Methode der Customer Insights als einen wichtigen Bestandteil des Verstehens (2010: 128; vgl. Kapitel 2.2.1). Dieser Ansatz zielt auf einen Perspektivenwechsel weg von der Unternehmenssicht hin zur Kundensicht ab (Osterwalder/ Pigneur, 2010: 128). Dabei besteht die Herausforderung darin, den Kunden nicht einfach zu fragen, was er möchte, sondern ein tiefgehendes Verständnis von seinen Bedürfnissen zu entwickeln (Osterwalder/ Pigneur, 2010: 128). Um neue Möglichkeiten für Geschäftsmodelle aufzuzeigen, sollte der Fokus nicht ausschließlich auf bestehenden Kunden liegen, sondern auch für andere Kundensegmente offen sein (Osterwalder/ Pigneur, 2010: 129).

Ähnliche Ansätze wurden von Teece (2010: 188) und Johnson et al. (2008: 54) behandelt.

ZOLLENKOP verwendet als systematischen Ansatz zur Generierung von Geschäftsmodellen die Szenario-Methode, die verschiedene künftige Rahmenbedingungen für das Unternehmen aufzeigt, an denen das Geschäftsmodell ausgerichtet werden kann (2006: 278 ff.). Das heißt mit Hilfe dieser Methode sollen Erfolgs- und Nutzenpotenziale identifiziert und durch fundiertere Entscheidungen erschlossen werden (vgl. Fink et al. 2001: 22). Voraussetzung für die Anwendung der Szenario-Methode ist ein „zukunftsoffenes und vernetztes Denken und Handeln“ (Zollenkop, 2006: 279). Bei Geschäftsmodellen beziehen sich die Szenarien auf die Gestaltungsfelder der drei Geschäftsmodellkomponenten, Produkt-/ Marktkombination, Wertkettenkonfiguration und Ertragsmechanik (Zollenkop, 2006: 288). Als Betrachtungsbereich kommen Markt- oder Branchenszenarien in Frage (Zollenkop, 2006: 289). Diese berücksichtigen künftige Abnehmer- bzw. Anbieterstrukturen (Zollenkop, 2006: 280).

OSTERWALDER und PIGNEUR erwähnen ebenfalls die Szenariomethode als eine Möglichkeit der Generierung von Geschäftsmodellinnovationen (vgl. 2010: 182 ff.). Über die von ZOLLENKOP aufgeführte Betrachtung der künftigen Abnehmer- und Anbieterstrukturen hinaus nennen OSTERWALDER und PIGNEUR als zweiten Typus von Szenarien die Kundenszenarien. Sie basieren auf den Customer Insights und sollen verschiedene Zukunftsbilder des Kunden aufzeigen (2010: 182). Somit eignet sich diese Methode ebenfalls besonders für den Prozessschritt des Verstehens (Osterwalder/ Pigneur, 2010: 182).

Auch BELL ET AL. betonen die Wichtigkeit der Szenariomethode in Zusammenhang mit der Entwicklung von Geschäftsmodellen: „The ability to better understand potential future scenarios and how the organization can benefit through new models is now more important than ever as organizations have to operate - and make decisions - in a more complex and fast changing environment“ (2009: 12).

Nachdem es hauptsächlich um das Verstehen des Kunden und der Umwelt ging, werden in der nächsten Phase konkret Ideen generiert und anschließend selektiert. OSTERWALDER und PIGNEUR bezeichnen dieses Vorgehen als Ideation (2010: 135 f.). Zunächst sollen möglichst viele Ideen generiert werden (Osterwalder/ Pigneur, 2010: 136 f.). Als Tools für die Ideengenerierung schlagen sie vor, an verschiedenen Komponenten des Modells anzusetzen und diese weiterzuentwickeln oder mit „What-if“-Fragen den Status Quo herauszufordern (Osterwalder/ Pigneur, 2010: 137). Anschließend werden die gesammelten Ideen dann diskutiert, kombiniert und anhand von festgelegten Kriterien auf einige wenige reduziert (Osterwalder/ Pigneur, 2010: 136 ff.).

UMBECK beschreibt einen eher emergenten statt strategisch-konzeptionellen Ansatz der Innovationsentstehung, bei dem wiederkehrend gegen Muster innerhalb des bestehenden Geschäftsmodells verstoßen wird (vgl. 2009). Diese Methode der Musterbrüche besteht aus vier wesentlichen Schritten (Umbeck, 2009: 186 ff.). Zuerst müssen die vorhandenen Muster und ihre Ursachen identifiziert werden. Im zweiten Schritt werden die Auswirkungen der Muster quantitativ bewertet. Auf dieser Basis können immer wieder Ideen zu alternativen Mustern generiert werden, um mit diesen letztlich am Geschäftsmodell zu experimentieren (Umbeck, 2009: 187 ff.).

2.3.2 Externe Geschäftsmodellinnovationsgenerierung

Mit den in Kapitel 2.3.1 aufgeführten Ansätzen wird lediglich die interne Entwicklung von Geschäftsmodellinnovationen angesprochen. Ergebnisse zu externen Quellen als konkrete Möglichkeit der Geschäftsmodellinnovationsgenerierung konnten nicht gefunden werden. Allerdings gibt es vereinzelt Forschungsergebnisse zur Imitation bzw. Übertragung von Geschäftsmodellen, welche im Folgenden dargestellt werden.

Zum einen bestehen erste Ansätze zu sogenannten Copycats. Dies sind Startups, die erfolgreiche Geschäftsmodelle von Unternehmen aus anderen Ländern kopieren und diese dann im Heimatmarkt einführen (Gründerszene, 2010: gruenderszene.de). SHENKAR erwähnt entsprechend der Definition in 2.1.2, dass Imitationen ebenso Innovationen sein können, wenn sie sich in einem anderen Kontext bewegen (2010: 108; vgl. auch Abb. 6). Er bezeichnet diese Form der Imitation, die gleichzeitig eine Innovation darstellt, als Imovation: „Imovators understand that imitation is not contradictory to, but rather supportive of, innovation“ (Shenkar, 2010: 15). Copycats implizieren allerdings keine Innovation.

Zum anderen wird in der Literatur der Begriff des dominanten Geschäftsmodells aufgeführt (vgl. Stähler, 2001, 284). Dies bezieht sich auf das Geschäftsmodell, das „sich sukzessive in einem bestimmten Wettbewerbsfeld durchsetzt und von der Mehrzahl der erfolgreichen Konkurrenten übernommen wird“ (Zollenkop, 2006: 119). Da das Geschäftsmodell innerhalb einer Branche übertragen wird, entsteht hier nach der Definition aus 2.1.2 keine Geschäftsmodellinnovation (vgl. auch Kapitel 2.2.2 Abb. 9). Vielmehr profitiert das imitierende Unternehmen von der Vorarbeit des Innovators: „With the innovator and pioneer paving the way (and paying for it), the imitator enjoys a free ride“ (Shenkar, 2010: 7 f.).

„Sukzessive geht der Erfolg des Neuen jedoch zu Lasten des etablierten Geschäftsmodells“ (Zollenkop, 2006: 156): Wenn das Marktpotenzial ausgeschöpft ist, entsteht eine zunehmende Konkurrenz zwischen alten und neuen Geschäftsmodellen; im Zuge dieser Entwicklung versuchen Incumbents Teile des neuen Geschäftsmodells zu übernehmen und es entsteht ein hybrides Modell (Zollenkop, 2006: 156). Als Folge dieser Entwicklung nähern sich die Geschäftsmodelle eines Wettbewerbsfelds an (Zollenkop, 2006: 154). Dies führt wiederum zu einer Angleichung der Margen in dem betroffenen Wettbewerbsfeld auf einem verhältnismäßig niedrigen Niveau (Zollenkop, 2006: 158).

Der bereits hohe Anteil der Imitation ist darauf zurückzuführen, dass der Erfolg von Geschäftsmodellinnovationen einen großen Anreiz zum Kopieren des Geschäftsmodells ausübt (Zollenkop, 2006: 156; Baden-Fuller/ Morgan, 2010: 166; Shenkar, 2010: 42 f.) und es aufgrund des fehlenden rechtlichen Schutzes prinzipiell nicht schwer ist, ein Geschäftsmodell zu imitieren (vgl. Teece, 2010: 179; Zollenkop, 2006: 153).

Die hohe Bedeutung der Imitation hat in den vergangenen Jahren aus verschiedenen Gründen noch zugenommen. Zum einen sind hier die Globalisierung und der technologische Fortschritt relevant: „[They] have expanded the ranks of imitators and have made imitation more feasible, more cost effective, and much faster“ (Shenkar, 2010: 5). Auch neue Kanäle, wie das Internet begünstigen die Verbreitung von Wissen (vgl. Shenkar, 2010: 43). Ferner tragen ein verstärkter Mitarbeitertransfer, der vermehrte Einsatz von Unternehmensberatern sowie häufigere Fusionen, Übernahmen und Joint Ventures zur Verbreitung von Wissen bei (vgl. Shenkar, 2010: 53 ff.; Zollenkop, 2006: 153 f.). Für die zunehmenden Kopien sind des Weiteren die stärkere Orientierung an Benchmarks sowie „ein Konkurrieren zahlreicher Unternehmen auf Basis inkrementaler Optimierungen im Sinne operativer Exzellenz anstelle von Stufensprüngen in Leistungsangebot und Geschäftsverständnis“ verantwortlich (Zollenkop, 2006: 153 f.).

Gleichzeitig nimmt die Möglichkeit, sich vor Imitation zu schützen, ab, da zum einen die allgemeine Markenloyalität zurückgeht und zum anderen die wenigen rechtlichen Schutzmöglichkeiten für Geschäftsmodelle2 wieder aufgehoben werden sollen (Shenkar, 2010: 58 ff.).

Der Schutz vor Imitation besteht in erster Linie aus den Hürden, die es bei der Geschäftsmodellübertragung gibt. In der Literatur lassen sich drei wesentliche Schwierigkeiten bei der Geschäftsmodellübertragung identifizieren. Zum einen sind einzelne Elemente von Geschäftsmodellen, beispielsweise bestimmte Systeme oder Prozesse, aber insbesondere die Wechselwirkungen zwischen ihnen, aufgrund ihres hohen Entwicklungsstands teilweise schwer zu imitieren (vgl. Teece, 2010: 181 f.; Casadesus-Masanell/ Ricart, 2007: 12). Überdies kann es sehr schwierig sein, ein fremdes Geschäftsmodell in seiner Komplexität richtig zu verstehen, weil der Zugang zu den nötigen Informationen nicht gegeben ist (vgl. Shenkar, 2010: 67; Zollenkop, 2006: 153; Teece, 2010: 181 f.; Casadesus-Masanell/ Ricart, 2007: 12). Die dritte Hürde kann sich aus Kannibalisierungseffekten bezüglich bestehender Umsätze oder Geschäfts- beziehungen durch das neue Geschäftsmodell ergeben (vgl. Teece, 2010: 181 f.).

Diese Hürden, die eine Imitation erschweren, wirken sich damit positiv auf die Robustheit eines Geschäftsmodells aus (vgl. Casadesus-Masanell/ Ricart, 2007: 12)3.

3. Konzeption und Durchführung der empirischen Studie

Da die vorliegende Forschungsfrage bisher weder theoretisch, noch empirisch untersucht wurde, wird hier ein explorativer Ansatz gewählt. Das heißt, das Forschungsphänomen soll zunächst differenziert wahrgenommen und beschrieben werden. Auf Basis dieser Deskription können dann Hypothesen für weitere Forschung abgeleitet werden (vgl. Kapitel 5).

Bei der Untersuchung wurden das Prinzip der Offenheit4, das Prinzip des theoriegeleiteten Vorgehens5 sowie das Prinzip des regelgeleiteten Vorgehens6 eingehalten, um eine Verlässlichkeit des so produzierten Wissens sicherzustellen (vgl. Gläser/ Laudel, 2009: 30 ff.).

Die Anwendung dieser Prinzipien wird nachfolgend anhand des Verlaufs der empirischen Studie, wie in Abbildung 10 dargestellt, erläutert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung

Abb. 10. Verlauf der empirischen Studie

3.1 Datenerhebung

Für die Datenerhebung der explorativen Analyse wurde die Methode der Experteninterviews gewählt. Diese Methodologie wird zwar für die Subjektivität seitens der Experten und die Möglichkeit von Falschaussagen kritisiert (Meuser/ Nagel, 1991: 466 ff.). Dennoch eignen sich hier Experteninterviews sehr gut, um für die Beantwortung der Forschungsfrage sachdienliche Informationen in Form von Spezialwissen zu erschließen (vgl. Bogner/ Menz, 2005: 33 ff.).

Dieses Spezialwissen bezieht sich auf die Betrachtungsebene der Geschäftsmodellübertragung in Zusammenhang mit der Generierung von Geschäftsmodellinnovationen.

3.1.1 Auswahl der Interviewpartner

Im Sinne des Forschungsinteresses wird hier der Expertenstatus denjenigen zuteil, die über ein umfassendes und abrufbares Wissen zum Thema Geschäftsmodell bzw. Geschäftsmodellinnovation verfügen (vgl. Meuser/ Nagel, 1991: 443 f.). Hierzu gehören in vorliegender Untersuchung Personen, die sich in ihrer Arbeit analytisch-konzeptionell mit dem Konstrukt des Geschäftsmodells auseinandersetzen.

Jene Experten stammen in der gegenwärtigen Samplestruktur zur einen Hälfte aus externen und internen Strategieberatungen und zur anderen Hälfte aus Venture Capital Unternehmen. Diese zwei Berufsgruppen wurden ausgewählt, da sich Berater und Investoren mit einer Vielzahl von Fällen auseinandersetzen und folglich jeweils mehrere Untersuchungsfälle repräsentieren können. Darauf basierend wurde die Stichprobe vor Durchführung der Untersuchung auf zehn Interviewpartner festgelegt.

Die ausgewählten Experten verfügen zum Großteil über einen unterschiedlichen Branchenfokus. Auch konnte eine Varianz bezüglich der Erfahrung und Ausbildung der Experten hergestellt werden. Aufgrund dieser verschiedenen Perspektiven wird die Thematik umfassend beleuchtet (vgl. Tabelle 2).

[...]


1 „[Da der Mensch die Auswirkungen seiner Entscheidungen auf andere Menschen nicht vollständig versteht,] entsteht bei ökonomischen Interaktionen eine ‚spontane Ordnung’, die durch allgemeine Verhaltensregeln und die Wirksamkeit des Marktmechanismus geprägt ist. Diese spontane Ordnung ist eine Form kohärenten Verhaltens, die weder bewusst entworfen, noch zentral geplant werden kann“ (Caspers, 2002: 252).

2 „Auf dem Höhepunkt des Internet-Booms haben US-Gerichte Ende der 1990er Jahre neue Web-basierte Geschäftsmodelle und -prozesse unabhängig von einem technischen Bezug für schutzfähig erklärt“ (Siemens, 2010: www.siemens.com). Somit ist es Unternehmen in den USA möglich, genau definierte geschäftliche Tätigkeiten durch sogenannte business method patents zu schützen. In Europa besteht diese Möglichkeit dagegen nicht (Treptow, 2002: www.faz.net).

3 GHEMAWAT hat vier Gefahren für die Nachhaltigkeit einer Strategie identifiziert, die sich auch für das Geschäftsmodell übernehmen lassen: „imitation, hold up, slack, and substitution“ (1991: 36 ff.).

4 „Das Prinzip der Offenheit fordert, dass der empirische Forschungsprozess offen sein muss für unerwartete Informationen“ (Gläser/ Laudel, 2009: 30).

5 „Das Prinzip des theoriegeleiteten Vorgehens betont die Notwendigkeit, an vorhandenes theoretisches Wissen über den Untersuchungsgegenstand anzuschließen, da nur so auch zu diesem Wissen beigetragen werden kann“ (Gläser/ Laudel, 2009: 31).

6 „Das Prinzip des regelgeleiteten Vorgehens fordert, dass die Wissensproduktion expliziten (intersubjektiv kommunizierbaren) Regeln folgen muss“ (Gläser/ Laudel, 2009: 31).

Excerpt out of 113 pages

Details

Title
Empirische Exploration zur Geschäftsmodellübertragung als Quelle für Geschäftsmodellinnovationen. Das Rad muss nicht neu erfunden werden
College
Zeppelin University Friedrichshafen  (Lehrstuhl für Innovation, Technologie & Entrepreneurship)
Grade
1,0
Author
Year
2010
Pages
113
Catalog Number
V167523
ISBN (eBook)
9783640839414
ISBN (Book)
9783640839063
File size
2246 KB
Language
German
Keywords
exploration, geschäftsmodellübertragung, quelle, geschäftsmodellinnovationen, geschäftsmodellinnovationsgenerierung, Analogietransfer, business model innovation
Quote paper
Laura Cordes (Author), 2010, Empirische Exploration zur Geschäftsmodellübertragung als Quelle für Geschäftsmodellinnovationen. Das Rad muss nicht neu erfunden werden, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/167523

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