Das Phänomen der parasozialen Interaktion, erstmals im Jahr 1956 beschrieben
von den Sozialwissenschaftlern Donald Horton und Richard R. Wohl, gilt in der
Kommunikationswissenschaft weithin als forschungsrelevantes Konzept, dessen
Untersuchung fruchtbare Einblicke in das Verhalten von Rezipienten personazentrierter
Medieninhalte bieten kann. Dabei ist das Erklärungspotenzial der negativen
parasozialen Interaktion mitunter stiefmütterlich behandelt worden. Per Definitionem
ist unter parasozialer Interaktion mit einer Medienfigur eine Art 'Als-ob-
Interaktion' zu verstehen. Wie in einer realen sozialen Situation ist diese sowohl
mit einem sympathischen als auch mit einem unsympathischen 'Gegenüber' möglich.
In einer realen Interaktionssituation jedoch neigt der Mensch in der Regel
dazu, den Umgang mit einem ihm unsympathischen Gegenüber zu meiden, und
wohl nur wenige Menschen können sich in einer solchen Auseinandersetzung
amüsieren. Daher sollte in der medialen Situation eine ähnliche Reaktion erwartbar
sein. Offenbar gehört jedoch die Beschäftigung mit unbeliebten Charakteren
ebenso zum Fernsehen wie zum realen Leben, mit dem Unterschied, dass sich
dem Rezipienten in der medialen Situation andere Möglichkeiten des Umgangs
bieten. Diese Optionen, etwa das Ausleben negativer Gefühle gegenüber der Persona
in Worten und Gesten, ohne Rücksicht auf die Reaktionen nehmen zu müssen,
können dem Zuschauer womöglich gefallen, ihm vielleicht sogar ein gesteigertes
Unterhaltungserleben bieten. Dieser These will die vorliegende Arbeit
nachgehen und sie einer empirischen Prüfung unterziehen.
Doch warum schauen Zuschauer Sendungen eines Genres, das ihnen zunächst
aversive Zustände beschert? Warum findet auch ein Programm sein Publikum,
das auf den ersten Blick Angst oder Traurigkeit auslöst, wie ein Horrorfilm
oder ein Melodram? Theoretische Ansätze wie die Affective Disposition Theory
(Zillmann 1994) oder das Konzept der Sad-Film Scale (Oliver 1993) versuchen,
Erklärungen für diese Fragen zu liefern. Sie beziehen sich jedoch größtenteils auf
fiktionale Medienangebote und arbeiten zudem nicht mit dem Konzept der parasozialen
Interaktion.
[...]
Inhaltsverzeichnis (Table of Contents)
- Einleitung
- 1. Parasoziale Interaktion – Theorie und Praxis
- 1.1 Der Ursprung des PSI-Konzepts - Parasoziale Interaktion bei Horton und Wohl
- 1.1.1 Die Persona bei Horton und Wohl
- 1.1.2 Gestaltungsmittel der parasozialen Situation
- 1.1.3 Der aktive Rezipient
- 1.1.4 Parasoziale Beziehungen
- 1.1.5 Der Interaktionsbegriff
- 1.1.6 Zwischenresümee
- 1.2 Neuere Forschung zur parasozialen Interaktion
- 1.2.1 Probleme der Konzeptualisierung
- 1.2.2 Bisherige Messung parasozialer Interaktion
- 1.2.3 Aktuelles Verständnis parasozialer Interaktion nach Hartmann/Schramm
- 1.2.4 Validierungsstudie von Schramm und Hartmann
- 1.2.5 Zwischenresümee
- 2. Der Unterhaltungsbegriff
- 2.1 Unterhaltung als Rezeptionsphänomen
- 2.1.1 Unterhaltung - Performance vs. Wirkung
- 2.1.2 Unterhaltung an aversiven emotionalen Zuständen
- 2.2 Unterhaltung an der Realität: Reality-TV
- 3. Modellannahmen und Operationalisierung
- 3.1 Hypothesen
- 3.1.1 Negative parasoziale Interaktion und Unterhaltung
- 3.1.2 (Negative) parasoziale Interaktion und Sehgewohnheiten
- 3.1.3 (Negative) parasoziale Interaktion und Soziodemografie
- 3.2 Operationalisierung
- 3.2.1 Parasoziale Interaktion
- 3.2.2 Unterhaltung als Rezeptionsurteil
- 3.2.3 Soziodemografie
- 3.2.4 Weitere Einflussfaktoren
- 3.3 Zusammenführung der theoretischen Ansätze
- 4. Durchführung und Ergebnisse der Befragung
- 4.1 Vorüberlegungen
- 4.2 Erhebung
- 4.3 Auswertung
- 4.3.1 Beschreibung der Stichprobe
- 4.3.2 Gütekriterien der Messung (Reliabilität)
- 4.3.3 Ergebnisse
- 4.4 Diskussion
- 4.4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse
- 4.4.2 Theoretische Schlussfolgerungen
- 4.4.3 Methodenkritik
- 5. Fazit und Ausblick
- Parasoziale Interaktion und ihre Bedeutung im Kontext der Medienrezeption
- Das Unterhaltungspotenzial negativer parasozialer Interaktion
- Die Rolle von Reality-TV im Unterhaltungsangebot
- Der Einfluss von Persönlichkeitsmerkmalen auf die Rezeption von Castingshows
- Empirische Überprüfung der Hypothese, dass negative parasoziale Interaktion mit Medienfiguren zu erhöhtem Unterhaltungserleben führen kann.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Diese Magisterarbeit untersucht den Einfluss negativer parasozialer Interaktion auf das Unterhaltungsurteil bei der Rezeption von Castingshows. Sie fokussiert dabei auf die Sendung „Deutschland sucht den Superstar“ und analysiert die Rolle von Dieter Bohlen als Juror.
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
Die Einleitung stellt das Thema der Arbeit vor und erläutert die Relevanz der parasozialen Interaktion für die Kommunikationswissenschaft. Sie beschreibt die Forschungsfrage und die spezifische Auswahl der Sendung „Deutschland sucht den Superstar“ als Fallbeispiel.
Kapitel 1 befasst sich mit dem Konzept der parasozialen Interaktion. Es wird die Entwicklung des Konzepts von Horton und Wohl bis hin zu neueren Forschungsergebnissen erläutert, wobei die besonderen Herausforderungen der Konzeptualisierung und Messung parasozialer Interaktion im Mittelpunkt stehen.
Kapitel 2 behandelt den Unterhaltungsbegriff. Es wird die Rolle des Rezipienten bei der Unterhaltungsgenerierung betrachtet, wobei die Frage nach der Wirkung aversiver emotionaler Zustände auf das Unterhaltungserleben im Fokus steht.
Kapitel 3 präsentiert die Modellannahmen und die Operationalisierung der Forschungsfrage. Es werden Hypothesen formuliert und die Operationalisierung der Variablen (parasoziale Interaktion, Unterhaltung, Soziodemografie) sowie weiterer Einflussfaktoren erläutert.
Kapitel 4 beschreibt die Durchführung und Ergebnisse der empirischen Untersuchung. Es werden die Stichprobe, die Gütekriterien der Messung, die Ergebnisse der Datenanalyse und eine Diskussion der Ergebnisse präsentiert.
Schlüsselwörter (Keywords)
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen parasoziale Interaktion, Unterhaltung, Reality-TV, Castingshow, „Deutschland sucht den Superstar“, Dieter Bohlen, empirische Forschung, Fragebogenstudie.
- Arbeit zitieren
- Franziska Rosenmüller (Autor:in), 2010, Spaß am Ärger? - Der Einfluss negativer parasozialer Interaktion auf das Unterhaltungsurteil bei der Rezeption von Castingshows am Beispiel von "Deutschland sucht den Superstar", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/167791