Im Fokus der Arbeit steht die familiensoziologische Diskussion des Strukturwandels der Familie, bei der die Individualisierungstheorie als vorherrschend bezeichnet werden kann. Sie tritt hier mit der These einer „Pluralisierung von Lebensformen“ aufs Programm. Dahinter steht die Annahme eines Geltungsverlustes der traditionalen „Kernfamilie“ als „Einheitsnorm des Zusammenlebens“ (Beck 1986: 195). Dort, wo noch auf einem kleinsten gemeinsamen Nenner von „Familie“ die Rede sein kann, nämlich dann, wenn mindestens eine Elter-Kind-Beziehung vorhanden ist, entstünden die neuen Typen der Alleinerziehenden und der Stief- oder „Patchwork-Familie“ (Beck-Gernsheim 1994). In all diesen Lebensformen fungiere nicht länger die Familie selbst als Einheitsnorm, sondern Mann und Frau bildeten als Individuen je für sich ihr eigenes Zentrum.
Die Individualisierungstheorie wird in der Familiensoziologie höchst kontrovers diskutiert. In theoretischer Hinsicht wird vor allem der Zusammenhang von Individualisierung und Pluralisierung in Frage gestellt (Huinink und Wagner, 1998; Brückner und Mayer 2005; Huinink 2006). Bemängelt wird auch und vor allem die ungenügende Berücksichtigung empirischer Daten. Und dort, wo eine explizite empirische Prüfung der Pluralisierungsthese versucht wird, werden einige Zweifel im Hinblick auf ihre Bestätigung angemeldet (Klein 1999; Wagner 2001). Noch Brüderl (2004: 3) kann etwa 20 Jahre nach ihrer erstmaligen Formulierung feststellen: „Die wissenschaftlichen Belege für diesen Trend sind jedoch eher dünn“. Eindeutig ist, dass es einen Strukturwandel der Familie gegeben hat bzw. gibt. Allein, dieser Wandel wird z.T. völlig unterschiedlich interpretiert: wahlweise als „Umstrukturierung“ (Klein 1999), „Differenzierung“ (Meyer 1993; Nave-Herz 2007: Kap.2) oder eben als „Pluralisierung“. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die im Rahmen der Individualisierungstheorie formulierte These der Pluralisierung der Lebensformen zu rekapitulieren und hieran den Stand der empirischen Forschung zum Strukturwandel der Familie zu messen. Dies erlaubt den Rückschluss auf die Frage nach der "theoretischen Konsistenz“ und „empirischen Validität“ (Schroer 2001: 319) der Individualisierungstheorie im Bereich der Familiensoziologie.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Individualisierungsthese
- Individualisierung als Pluralisierung von Lebensformen
- Empirische Befunde zur Pluralisierungsthese
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Individualisierungstheorie und ihrer Anwendung auf den Strukturwandel der Familie. Sie analysiert die These der Pluralisierung von Lebensformen, die im Rahmen der Individualisierungstheorie formuliert wurde, und prüft ihre empirische Validität anhand aktueller Forschungsergebnisse.
- Rekonstruktion der Individualisierungstheorie und der Pluralisierungsthese
- Analyse empirischer Untersuchungen zum Strukturwandel der Familie
- Bewertung der theoretischen Konsistenz und empirischen Validität der Individualisierungstheorie im Bereich der Familiensoziologie
- Diskussion der Kontroversen und der empirischen Evidenz für die These der Pluralisierung von Lebensformen
- Bedeutung des Strukturwandels der Familie für die moderne Gesellschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung führt in die Thematik der Individualisierung ein und stellt die Individualisierungstheorie von Ulrich Beck vor. Es wird auf die Kernaussagen der Theorie eingegangen, die eine „zweite, reflexive Moderne“ mit einem Wandel der Vergesellschaftung und der Auflösung traditioneller Lebensformen beschreibt. Die Arbeit konzentriert sich auf die Anwendung der Individualisierungstheorie im Bereich der Familiensoziologie, insbesondere auf die These der Pluralisierung von Lebensformen. Sie stellt die Kontroversen um die Theorie und die Bedeutung empirischer Untersuchungen zur Validierung der Theorie dar.
Die Individualisierungsthese
Dieses Kapitel befasst sich mit der Individualisierungstheorie im Allgemeinen. Es wird die makrosoziologische Perspektive der Theorie erörtert und ihr Anspruch, die Gesellschaft aus der Sicht des Individuums zu analysieren, hervorgehoben. Die Arbeit analysiert die Kritik an traditionellen „erfahrungstauben Gesellschafts- und Systemtheorien“ und argumentiert für eine „individuumszentrierte Soziologie“, die den Individualisierungsprozess in seiner gesellschaftlichen Tragweite ernst nimmt.
Individualisierung als Pluralisierung von Lebensformen
In diesem Kapitel wird die These der Pluralisierung von Lebensformen im Kontext der Individualisierungstheorie betrachtet. Es wird die Annahme eines Geltungsverlustes der traditionellen „Kernfamilie“ als „Einheitsnorm des Zusammenlebens“ beleuchtet. Die Arbeit diskutiert die Entstehung neuer Familienformen wie Alleinerziehende und Patchwork-Familien und die Bedeutung der individuellen Selbstbestimmung in der Gestaltung des Familienlebens. Es wird auf die Kritik an der Individualisierungstheorie eingegangen, die insbesondere den Zusammenhang von Individualisierung und Pluralisierung sowie die empirische Evidenz für die Theorie in Frage stellt.
Empirische Befunde zur Pluralisierungsthese
Dieses Kapitel präsentiert empirische Befunde zum Strukturwandel der Familie und deren Interpretation im Lichte der Pluralisierungsthese. Es werden verschiedene Studien und Forschungsergebnisse zur Familienentwicklung, zu den Veränderungen in der Lebensweise und zu den neuen Formen des Zusammenlebens vorgestellt. Die Arbeit diskutiert die empirische Evidenz für die Pluralisierungsthese und die Divergenz verschiedener Interpretationen des Strukturwandels der Familie.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Individualisierungstheorie, den Strukturwandel der Familie, die Pluralisierung von Lebensformen, die reflexive Moderne, empirische Forschung, Familiensoziologie, Familienformen, Kernfamilie, Alleinerziehende, Patchwork-Familien, Lebensentwürfe.
- Quote paper
- Tim Schröder (Author), 2010, Pluralisierung familialer Lebensformen?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/168255