Das 5. Buch von DuW entstand zwischen dem 16. IV. und dem 7. VII. 1811, wie wir dem Tagebuch Goethes1 entnehmen können. Über Goethes historische Quellen für die Beschreibung der Kaiserkrönung Joseph II. sind wir durch die Ausleihverzeichnisse der Weimarer Hofbibliothek unterrichtet.
E. Beutler3 hat das Buch prägnant charakterisiert: ,,Dieses 5. Buch ist ... eine Meisterleistung Goethes, ja es ist nicht nur eine der vollendetsten Partien in DuW, sondern ein Kronjuwel der Goethschen Altersprosa schlechthin, nicht an Gehalt, aber in der Kunst des Erzählens, in der Mischung von Intimität und Glanz."
Das 5. Buch kann als ein Musterbeispiel für jene Anforderungen gelten, die Herder, und darauf fußend Goethe, an Inhalt und Stil einer gelungenen Autobiographie stellten.
Inhaltlich zerfällt das Buch in zwei Geschichten: Die Kaiserkrönung Joseph II. am 27. März 1763, mit den Tagen davor und danach sowie die Gretchen-Novelle.
Die erste interessant, als ein kulturhistorisches Dokument - jedoch nicht historischer Bericht-, da diese Kaiserkrönung die letzte, in Frankfurt stattfindende Krönung des Alten Reichs war, die zweite eine ganz intime Schilderung der ersten Liebe Goethes, zu einem Mädchen namens Gretchen, von der weiter nichts bekannt ist, als was Goethe uns in DuW über sie berichtet.
Das Meisterliche des 5. Buches besteht in der komplexen Verschränkung beider Erzählstränge miteinander und den vielfältigen Beziehungen, in die das erzählendes Subjekt (Goethe als junger & alter) dazu gesetzt wird. Damit verwirklicht er seine, in der Kritik an von Müllers Autobiographie geäußerten, Anforderungen (große & kleine Welt, Wechselwirkung derselben aufeinander, Ich und die anderen, Wechselwirkungen; Liebe als Gegenseitige Erziehung · Metamorphosegedanken).
Die nachfolgende Arbeit wird versuchen, die kunstvollen Inszenierungen dieses Abschnitts von Dichtung und Wahrheit auf dem Hintergrund des neuen, von Herder und Goethe erarbeiteten Konzepts der Autobiographie im Zeitalter der Aufklärung darzustellen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Herder und Goethe - Die Neukonzeption der „Autobiographie“
- Genese des 5. Buches von „Dichtung und Wahrheit“
- Aufbau des 5. Buches
- Das Gretchen - Eine intime Schilderung?
- Exkurs: Manon Lescault - Ein literarisches Vorbild des „Grundwahren“
- Die Kaiserkrönung - Ein historischer Bericht?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Das 5. Buch von Goethes „Dichtung und Wahrheit“ befasst sich mit der Kaiserkrönung Josephs II. im Jahr 1763 und der ersten Liebe Goethes zu einem Mädchen namens Gretchen. Der Autor erörtert die komplexen Beziehungen zwischen beiden Erzählsträngen und die Rolle des erzählenden Subjekts (Goethe als junger und alter Mann). Zudem beleuchtet er die neuartige Konzeption der Autobiografie im Zeitalter der Aufklärung, die von Herder und Goethe erarbeitet wurde.
- Die Kaiserkrönung als kulturhistorisches Dokument und die Gretchen-Novelle als intime Schilderung der ersten Liebe
- Die Verschränkung beider Erzählstränge und deren Bedeutung für die Gesamtstruktur des Buches
- Die Rolle des erzählenden Subjekts und die Wechselwirkung zwischen der „großen“ und der „kleinen“ Welt
- Die Neukonzeption der Autobiografie durch Herder und Goethe und deren Einfluss auf das 5. Buch
- Die Bedeutung des „Grundwahren“ in Goethes Werk und dessen Beziehung zur Literatur
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Das 5. Buch von „Dichtung und Wahrheit“ entstand zwischen 16. April und 7. Juli 1811. Es wird charakterisiert als Meisterleistung Goethes und ein „Kronjuwel“ der Goethschen Altersprosa, die in der Kunst des Erzählens und der Mischung von Intimität und Glanz glänzt.
- Herder und Goethe - Die Neukonzeption des Topos „Autobiographie“: Die Autobiographie hatte bereits eine lange Tradition, als Goethe mit der Abfassung von „Dichtung und Wahrheit“ begann. Seine Konzeption wurde durch Überlegungen Herders geprägt, der die Bedeutung des inneren Zwiegesprächs mit Gott (Confessiones) und die Nützlichkeit von Lebensbeschreibungen für die Nachwelt betonte.
- Genese des 5. Buches von „Dichtung und Wahrheit“: Der Entstehungsprozess des 5. Buches wird beleuchtet, wobei die historische Quellenlage sowie Goethes eigene Tagebücher herangezogen werden.
- Aufbau des 5. Buches: Das Buch gliedert sich in zwei Erzählstränge: die Kaiserkrönung Josephs II. und die Gretchen-Novelle.
- Das Gretchen - Eine intime Schilderung?: Die Gretchen-Novelle wird als eine ganz intime Schilderung der ersten Liebe Goethes präsentiert.
- Exkurs: Manon Lescault - Ein literarisches Vorbild des „Grundwahren“: Der Exkurs befasst sich mit Manon Lescault als einem literarischen Vorbild für das „Grundwahre“ in Goethes Werk.
Schlüsselwörter
Autobiographie, Dichtung und Wahrheit, Herder, Goethe, Kaiserkrönung, Joseph II., Gretchen, erste Liebe, „Grundwahre“, Konfessiones, Lebensbeschreibung, Kulturgeschichte, Literatur, Zeitumstände, Erzählstrang, Wechselwirkung.
- Quote paper
- Detlev Freigang (Author), 1999, Goethe: Autobiographische Schriften, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1685