Der Tod ist normal. Zugegeben, das ist leicht gesagt. Erlebt ist diese Erkenntnis weit schwieriger und es wird nicht unmittelbar leichter, wenn ich hinzufüge: Der Tod gehört zum Leben dazu, ja erst der Tod macht das Leben zu dem, was es ist – lebendig.
Traditionen brechen auf, gesellschaftliche Muster werden immer weniger vorhersagbar, die Menschen werden Jünger der Individualisierung. Lebenswelten sind heute unzählbar plural, der Grad der Abstraktion wächst und Ulrich Beck spricht gar von einer
Risikogesellschaft. Angesichts eines solchen Szenarios – woran sollen wir uns dann halten? Mit welcher Haltung können wir uns der Offenheit entgegenstellen?
Es liegt in unseren Händen, was wir zu unserer Gewohnheit machen. Gewohnheit ist nichts weniger als Übung. Sich an den Tod zu gewöhnen, braucht Zeit - dann sollten wir uns zur Gewohnheit machen, den Tod zu üben.
Der Tod ist omnipräsent. Kein Action-Film ohne Tote, kein Krimi ohne Leiche, kein Krieg ohne Opfer. Aber solange man endlos debattiert, ob
es sich nun um Krieg oder kriegsähnliche Zustände handelt, solange Ärzte Patientenverfügungen gering schätzen, oder Kinder bei Ego-Shootern unbegrenzte Leben genießen, ist an der Übung etwas faul.
In dieser Arbeit möchte ich veranschaulichen, inwieweit man dem tiefen Leben näher kommen könnte, indem man in sich den Tod vertieft. Ich möchte einen Habitus beschreiben, der in einer Spiritualität schwelgt, die vom Tode geküsst lebendig macht.
Es ist dies kein absolut neuer Ansatz. Seit jeher machen Menschen sich über das Leben und im Besonderen über den Tod Gedanken. Doch Gewöhnung an den Tod braucht Zeit. Kultureller Wandel geschieht nicht von Heute auf Morgen. Im Gegenteil: Von Morgen auf Heute trainiert der Muskel der Kultur, der sich stets auch künftig betätigen muss, soll er nicht erschlaffen.
Doch solange wir leben, ist der Tod noch nicht wirklich da. Sehen wir den Tod als Utopie und machen wir uns die Utopie gegenwärtig. Seien wir uns des Todes bewusst und leben daher besonnen. Leben wir kraft der Utopie und sind Dank der Gegenwärtigkeit des Todes lebendig.
Inhaltsverzeichnis
- Voranstellung: Seemannsgedanken übers Ersaufen
- Einleitung
- Nach dorten, Unorten. Utopie begreifen
- Verheißungsvolle Vision. Etymologie und Literaturrezeption
- Wunsch und Wille. Allgemeine Psychologie und Schopenhauer
- Hoffnung als Gegenwartsform in die Zukunft. Bloch
- Der Tod
- Es geht um die Wurst! Leben bewahren
- Die Hoffnung stirbt zuletzt. Tod und Utopie
- Die Kraft der Utopie in praxi
- Leben erleben lernen. Erlebnispädagogik als Wegweiser
- Wellenberge. Leben und Untergang in Angst ohne Schrecken
- Schließen: In spiritus habitus
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Bedeutung der Utopie für ein lebendiges Leben. Der Autor argumentiert, dass die Konfrontation mit dem Tod und die Erkenntnis seiner Normalität eine neue Sicht auf das Leben ermöglicht. Ziel ist es, einen Habitus zu beschreiben, der in einer Spiritualität schwelgt, die vom Tode geküsst lebendig macht.
- Die Normalität des Todes und seine Bedeutung für das Leben
- Utopie als Gegenwartsform und ihre Kraft
- Die Rolle der Erlebnispädagogik im Umgang mit dem Leben und dem Tod
- Der Mensch als „Regisseur seines eigenen Lebens“
- Die Bedeutung von Übung und Gewohnheit im Umgang mit dem Tod
Zusammenfassung der Kapitel
Die Voranstellung beginnt mit einem Gedicht von Joachim Ringelnatz, das die Normalität des Todes thematisiert. Die Einleitung stellt die These auf, dass der Tod zum Leben gehört und eine neue Sicht auf das Leben ermöglicht. Im Kapitel „Nach dorten, Unorten. Utopie begreifen“ wird die Utopie als Verheißungsvolle Vision, Wunsch und Wille sowie Hoffnung in die Zukunft betrachtet. Das Kapitel „Der Tod“ behandelt die Bewahrung des Lebens und die Rolle der Hoffnung im Angesicht des Todes. Das Kapitel „Die Kraft der Utopie in praxi“ zeigt die Bedeutung der Erlebnispädagogik im Umgang mit dem Leben und dem Tod auf und betrachtet die Angst vor dem Untergang. Das Schlusskapitel „In spiritus habitus“ fasst die Argumentation zusammen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Themen Utopie, Tod, Leben, Spiritualität, Erlebnispädagogik, Gewohnheit, Hoffnung, Angst, Normalität und „Regisseur des eigenen Lebens“. Sie untersucht die Bedeutung der Konfrontation mit dem Tod für ein lebendiges Leben und die Rolle der Utopie als Gegenwartsform.
- Quote paper
- Diplom Sozialarbeiter / Sozialpädagoge Thomas Potyka (Author), 2010, Leben kraft Utopie - dem Tode fern, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/168538