Versucht man, sich der Figur Herzeloyde in Wolframs von Eschenbach Parzival mithilfe der Forschungsliteratur anzunähern, so sieht man sich schnell vor das Problem gestellt, dass diese Gestalt ungewöhnlich kontrovers diskutiert wird. Ist sie nun das „menschliche Abbild der schmerzensreichen Mutter“, wie Gustav Ehrismann bereits 1927 behauptet oder ist doch eher Gertrude Lewis zuzustimmen, die zu folgender Erkenntnis kommt: „Wolfram stellt tatsächlich eine königliche Frau dar mit all ihren Intrigen, ihren um Mitleid heischenden Schwächen, ihrem Stolz, ihren selbstischen Plänen und ihrer letzten Enttäuschung und Hoffnungslosigkeit“?
Diese Arbeit soll zeigen, dass die Mutter Parzivals von entscheidender Bedeutung für dessen Entwicklung ist. Sie ist als Bindeglied zwischen der von seinem Vater repräsentierten Ritterschaft "von art" und dem Gralsrittertum, das der Protagonist zu erlangen sucht, unverzichtbare Voraussetzung für die Weiterentwicklung des Letzteren aus Ersterem. Herzeloyde fungiert als Medium der Zeitwende – in ihr und durch sie erscheint erstmals eine dem Gahmuret-Rittertum überlegene Lebensform als Perspektive.
Zunächst soll eine kurze Auflistung der gegenüber der Vorlage Chrétiens de Troyes vorgenommenen Veränderungen deutlich machen, dass Wolfram die Figur der Herzeloyde entscheidend um- und aufwertet und ihr somit offenbar eine neue Bedeutung zumisst. Im Anschluss daran wird anhand des Textes Wolframs der Versuch unternommen, die richtungsweisende Funktion dieser Frauengestalt aufzuzeigen.
Inhaltsverzeichnis
- Das Rätsel Herzeloyde.
- Perceval und Parzival - die Weiterentwicklung der Mutterfigur
- Herzeloyde als Medium der Zeitenwende
- Das Bindeglied Herzeloyde
- Der heilsgeschichtliche Aspekt
- Das mütterliche Erbe
- Leid als Kritik am Gesellschaftsmodell
- Marianische Topik
- Herzeloyde als Vorbotin der Gralsherrschaft
- Der Rückzug nach Soltane
- Parzivals art
- Herzeloydes triuwe
- Präfiguration und Parzivals Happy End
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Rolle der Figur Herzeloyde in Wolframs von Eschenbachs Parzival und zeigt auf, wie sie als Bindeglied zwischen der Ritterschaft von art und dem Gralsrittertum fungiert und damit entscheidend für Parzivals Entwicklung ist. Die Arbeit beleuchtet Herzeloydes Position als Medium der Zeitenwende und ihre Funktion als Vorbotin der Gralsherrschaft.
- Die Bedeutung von Herzeloyde als Bindeglied zwischen zwei Rittermodellen
- Herzeloydes Rolle als Medium der Zeitenwende
- Der heilsgeschichtliche Aspekt von Herzeloydes Leid
- Die marischen Attribute und die Apokalypse in Herzeloydes Geschichte
- Herzeloydes Rückzug nach Soltane und seine Bedeutung für Parzivals Entwicklung
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel untersucht die Figur der Herzeloyde und stellt die Kontroversen der Forschungsliteratur dar. Es wird deutlich, dass Herzeloyde eine ungewöhnliche und vielschichtige Figur ist, die sowohl als „menschliches Abbild der schmerzreichen Mutter“ als auch als „königliche Frau mit all ihren Intrigen“ interpretiert werden kann.
Das zweite Kapitel vergleicht die Mutterfigur bei Chrétien de Troyes mit Herzeloyde in Wolframs Parzival. Es wird deutlich, dass Wolfram die Figur der Herzeloyde entscheidend um- und aufwertet und ihr eine neue Bedeutung zumisst. Im Parzival ist Herzeloyde kein Randcharakter mehr, sondern eine Gestalt, die das Geschehen über mehrere Episoden hinweg begleitet und teils maßgeblich bestimmt.
Das dritte Kapitel untersucht Herzeloydes Funktion als Medium der Zeitenwende. Es werden die Veränderungen, die Wolfram gegenüber der Vorlage Chrétiens de Troyes vorgenommen hat, aufgezeigt und die Bedeutung der Figur für das Gesamtwerk beleuchtet. Herzeloyde wird als Bindeglied zwischen der Ritterschaft von art und dem Gralsrittertum dargestellt und ihre Rolle als Vorbotin der Gralsherrschaft herausgestellt.
Das vierte Kapitel fasst die wichtigsten Erkenntnisse der Arbeit zusammen und zeigt die Bedeutung der Figur Herzeloyde für das Verständnis von Wolframs Parzival.
Schlüsselwörter
Herzeloyde, Parzival, Wolfram von Eschenbach, Ritterschaft von art, Gralsrittertum, Zeitenwende, Marianische Topik, Mater dolorosa, triuwe, Soltane, Apokalypse, Präfiguration.
- Quote paper
- Agathe Schreieder (Author), 2004, Herzeloyde als Medium der Zeitenwende in Wolframs von Eschenbach "Parzival", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/168558