Der preußische General Carl von Clausewitz bezeichnete den Krieg in seinem Werk „Vom Kriege“ als ein „wahres Chamäleon, weil er in jedem konkreten Falle seine Natur etwas ändert“. Das berühmte Zitat spielt auf die hohe Bandbreite kriegerischer Konflikte an, die sich zwar immer ähneln, jedoch niemals gleichen. Obwohl Clausewitz eine stark auf die Nationen fokussierte und somit relativ überschaubare Kriegskonzeption verfolgte, musste er sich die schwere Erfassbarkeit des empirischen Phänomens eingestehen. In der Welt des 21. Jahrhunderts wirft das Bild des Chamäleons noch weitaus gravierender die Frage auf, was sich noch unter den Begriff Krieg subsumieren lässt und was nicht. Mit anderen Worten: Wann kann man von Krieg sprechen, wann von Kriminalität? Für die Datenerhebung und die Auswertung sind diese Fragestellungen von zentraler Bedeutung. Zumal das empirische Phänomen Krieg einem steten Wandel unterzogen ist. Neue Aspekte wie der Postnationalismus, die Zunahme an innerstaatlichen Konflikten oder der transnationale Terrorismus fordern ein Überdenken der staatszentrierten Kriegsdefinitionen. Doch auch die Methoden im Bereich der Kriegs- und Friedensforschung haben sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Zahlreiche quantitative Erhebungen, gespeichert in Datenbanken, ermöglichen einen großflächigen Vergleich von Einzelfällen. Die verwendeten Datensätze sind in den letzten Jahrzehnten unter der Prämisse der digitalen Revolution immer besser ausdifferenziert worden. Die Kriegsursachenforschung hat ebenfalls große Fortschritte gemacht muss sich aber in Hinblick auf die hohe Veränderungsdynamik der Fallbeispiele stets neuen Herausforderungen stellen. Dies gilt vor allem bei der Generierung und Überprüfung von Hypothesen und Forschungsansätzen. Krieg als soziale Interaktion bleibt nach wie vor von zentralem Interesse, ist das Phänomen doch so alt wie die Menschheitsgeschichte selbst. Neben einer andauernden Aktualität ist es vor allem der hohe gesellschaftliche Mehrwert, der politikwissenschaftliche Forschung auf diesem Gebiet unabdingbar macht. Die folgende Arbeit fokussiert den wissenschaftlichen Umgang mit dem Phänomen Krieg und gibt einen Überblick über Definitionskonzepte und Herangehensweisen. Vorgestellt werden sollen im Bereich der qualitativen Forschung die Einzelfallanalyse und der fokussierte Fallvergleich. Im Bereich der quantitativen Methoden ist der Schwerpunkt auf Zeitreihendesign und Querschnittanalysen gesetzt.
Inhaltsverzeichnis
- Kriegsforschung – die Jagd nach dem Chamäleon
- Definitionskonzepte zum empirischen Ereignis Krieg
- Definitionen im Mittelalter und in der Neuzeit
- Vom Volkskrieg zum totalen Krieg des 20. Jahrhunderts
- Moderne Kriegsdefinitionen – Erweiterung um drei Trends
- Krieg als Ereignis auf systemischer und subsystemischer Ebene
- Räumliche, zeitliche und qualitative Entgrenzung
- Die operationalisierte Definition – Krieg als Form des Konflikts
- Problematiken der Kriegsdefinitionen - Abgrenzung und verzerrte Wahrnehmung
- Eine Frage der Abgrenzung: Krieg, Frieden, Gewalt
- Die verzerrte Wahrnehmung – Krieg als umstrittener Begriff
- Zusammenfassung: Krieg als organisierte Gewaltanwendung
- Die Wahl der Methoden - Qualitatives oder Quantitatives Forschungsdesign
- Qualitative Analysen
- Die Einzelfallanalyse
- Der fokussierte Fallvergleich
- Das Most-Similar-System-Design (MSSD)
- Das Most-Different-System-Design (MDSD)
- Quantitative Fallanalysen – Das Längsschnittdesign
- Quantitatives Zeitreihendesign
- Das Quasi-experimentelle Design der unterbrochenen Zeitreihe
- Ein Blick in die Zukunft mit Hilfe der Bayesschen Formel
- Der Aggregierte Fallvergleich - Das Querschnittdesign
- Der Correlates of War Datensatz, KOSIMO und das Uppsala Conflict Data Program
- Konfliktbarometer und Indizes
- Quantitatives Zeitreihendesign
- Zusammenfassung: Die Frage nach der Wahl der Mittel
- Qualitative Analysen
- Die Methoden einer Existenzerhaltungswissenschaft
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit dem wissenschaftlichen Umgang mit dem Phänomen Krieg und gibt einen Überblick über Definitionskonzepte und Herangehensweisen in der Kriegs- und Friedensforschung. Dabei werden sowohl qualitative als auch quantitative Forschungsmethoden vorgestellt, um die Vielschichtigkeit des Themas zu beleuchten.
- Entwicklung des Kriegsbegriffs von Mittelalter bis zur Moderne
- Moderne Kriegsdefinitionen und ihre Problematiken
- Qualitative Forschungsmethoden: Einzelfallanalyse und fokussierter Fallvergleich
- Quantitative Forschungsmethoden: Zeitreihendesign und Querschnittanalysen
- Die Rolle der Datenerhebung und -analyse in der Kriegsforschung
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel beleuchtet die historische Entwicklung des Kriegsbegriffs und die Herausforderungen, die sich aus der stetigen Wandelbarkeit des Phänomens ergeben. Es wird auf die Bedeutung der Definition für die Datenerhebung und -analyse eingegangen. Kapitel zwei widmet sich verschiedenen Definitionen des empirischen Ereignisses Krieg, beginnend mit mittelalterlichen Konzepten bis hin zu modernen Ansätzen. Dabei werden die Auswirkungen des Volkskriegs und des totalen Krieges auf die Kriegsdefinitionen untersucht. Kapitel drei beschäftigt sich mit der Wahl der Forschungsmethoden, sowohl qualitativ als auch quantitativ. Es werden verschiedene Ansätze wie die Einzelfallanalyse, der fokussierte Fallvergleich, das Zeitreihendesign und die Querschnittanalyse vorgestellt. Kapitel vier fokussiert auf die Methoden der Kriegs- und Friedensforschung und ihre Bedeutung für das Verständnis der komplexen Dynamik von Konflikten.
Schlüsselwörter
Die zentralen Begriffe dieser Arbeit sind Krieg, Friedensforschung, Definitionskonzepte, Forschungsmethoden, Einzelfallanalyse, fokussierter Fallvergleich, Zeitreihendesign, Querschnittanalyse, Datenerhebung, Datenauswertung, Konfliktforschung, Gewalt, Gewaltanwendung, Kriegstypen, Kriegstheorie, Kriegserfahrung, Kriegstraumata, Krieg und Gesellschaft, Krieg und Politik.
- Arbeit zitieren
- Moritz Boltz (Autor:in), 2009, Krieg greifbar machen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/168568