Im Jahre 1997, dem 100. Geburtstag von Richard Wagners Schwiegertochter Winifred, hatte Festspielleiter Wolfgang Wagner eine große Winifred Wagner-Ausstellung angekündigt, dann zurückgezogen und auf unbestimmte Zeit verschoben, bis die Materialien kritisch aufgearbeitet wären. Die Ausstellung fand bis heute nicht statt. Wolfgang Wagner forderte die Historikerin Martha Schad auf, eine Biographie seiner Mutter zu verfassen, zog allerdings seine Bereitschaft, ihr alle Materialien zugänglich zu machen, zurück, als Brigitte Hamann, die er bereits 1997 erfolglos um einen Vortrag über seine Mutter gebeten hatte, sich bereit erklärte, als Fortsetzung Ihres Buches „Hitlers Wien“ eine Biographie über die Festspielchefin von 1930 bis 1944 zu schreiben. Schad veröffentlichte daraufhin „Frauen gegen Hitler“, eine lesenswerte Ergänzung zu Hamanns Publikation (Heyne Verlag, München 2001). Hamanns umfangreiche Arbeit, die sich auf zahlreiche verstreute Quellen stützt, aber auf ein Literaturverzeichnis ebenso verzichtet wie auf die Quellenangabe ihrer Abbildungen (etwa Adolf Hitlers Entwurf eines Bühnenbildes zu „Lohengrin“), erweist sich als leicht lesbare Anekdotensammlung. Worum ging es der Autorin? Um eine Hagiographie der Beschriebenen oder gar um ein Werben um den Nachvollzug, es „müsse doch allerlei Gutes an Hitler gewesen sein“ (593)?
Kritische Distanz vermisst der Leser oft, etwa wenn Hamann von „Hitlers Erfolgserie“ (226) spricht. Sie steht auf der Seite der harten Nazidoktrin, wenn sie einen Fackelzug des Bayreuther Bundes der Deutschen Jugend, 1926 in Weimar, als „höchst altväterisch“ klassifiziert, „verglichen mit den kraftvollen Aufmärschen der SA-Jugend“ (151).
Zahlreiche offensichtliche Errata der gerade in historischer Hinsicht höchst fragwürdigen Abhandlung werden ebenso aufgedeckt und klar gestellt wie eine Reihe eindeutiger Fehler.
„WINIHILF DES 3. REICHES“ ODER „DIE NATIONALSOZIALISTISCHE MUTTER GOTTES“
Brigitte Hamanns Hagiographie „Winifred Wagner oder Hitlers Bayreuth“
Im Jahre 1997, dem 100. Geburtstag von Richard Wagners Schwiegertochter Winifred, hatte Festspielleiter Wolfgang Wagner eine große Winifred Wagner-Ausstellung angekündigt, dann zurückgezogen und auf unbestimmte Zeit verschoben, bis die Materialien kritisch aufgearbeitet wären. Die Ausstellung fand bis heute nicht statt. Wolfgang Wagner forderte die Historikerin Martha Schad auf, eine Biographie seiner Mutter zu verfassen, zog allerdings seine Bereitschaft, ihr alle Materialien zugänglich zu machen, zurück, als Brigitte Hamann, die er bereits 1997 erfolglos um einen Vortrag über seine Mutter gebeten hatte, sich bereit erklärte, als Fortsetzung Ihres Buches „Hitlers Wien“ eine Biographie über die Festspielchefin von 1930 bis 1944 zu schreiben. Schad veröffentlichte daraufhin „Frauen gegen Hitler“, eine lesenswerte Ergänzung zur jüngsten Publikation (Heyne Verlag, München 2001). Hamanns umfangreiche Arbeit, die sich auf zahlreiche verstreute Quellen stützt, aber auf ein Literaturverzeichnis ebenso verzichtet wie auf die Quellenangabe ihrer Abbildungen (etwa Adolf Hitlers Entwurf eines Bühnenbildes zu „Lohengrin“), erweist sich als leicht lesbare Anekdotensammlung. Worum ging es der Autorin? Um eine Hagiographie der Beschriebenen oder gar um ein Werben um den Nachvollzug, es „müsse doch allerlei Gutes an Hitler gewesen sein.“ (593)
Kritische Distanz vermisst der Leser oft, etwa wenn Hamann von „Hitlers Erfolgserie“ (226) spricht. Sie steht auf der Seite der harten Nazidoktrin, wenn sie einen Fackelzug des Bayreuther Bundes der Deutschen Jugend, 1926 in Weimar, als „höchst altväterisch“ klassifiziert, „verglichen mit den kraftvollen Aufmärschen der SA-Jugend“ (151).
Die von Autorin und Verlag gewählte alte Rechtschreibung lässt gar darauf schließen, dass hier eine bewusste Rückwärtsgewandtheit an den Tag gelegt wird, ja dass man bewusst den Kreis der Ewig-Gestrigen als potenzielle Gleichgesinnte um sich zu scharen gedenkt.
Die reiche Quellenlage und der Umfang des Buches lassen auf eine exakte Arbeit schließen, aber prüft man genauer nach, so stößt man auf bewusste Unterschlagungen von Fakten, die der Autorin aus Briefwechseln, die sie zitierte, durchaus bekannt sein müssten, wie etwa der Korrespondenz Siegfried Wagners mit Evelyn Faltis, den Hamann einmal mit korrekter Ortsangabe (Handschriftensammlung der Bayerischen Staatsbibliothek) zitiert, aber weidlich außer Acht lässt.
Der Musikschriftsteller Otto Daube war anlässlich des Erscheinens von Zdenko von Krafts Biographie „Der Sohn – Siegfried Wagner. Leben und Umwelt“ im Jahre 1969 entsetzt darüber, dass Kraft so Mediokres, wie die Briefe der Wahnfried-Haushälterin Lieselotte Schmidt, als ernstzunehmende historische Quelle verwendet hatte. Diese Briefe werden auch in Hamanns Buch emsig zitiert, wobei sich die Autorin auf Winifred selbst berufen kann, die diese Briefe auch David Irving als „reichhaltige Quelle“ zur Einsicht für seine Hitler-Biographie überlassen hatte. In den letzten Lebensjahren verfasste der 1900 geborene Daube als Zeitzeuge eine eigene Biographie („Bayreuth – Begegnungen – Bekenntnisse“), die jedoch ungedruckt blieb. Hamann zitiert aus dieser Biographie, die sie bei Rüdiger Pohl eingesehen hat; den sie in diesem Fall jedoch nicht als Quelle angibt, sondern nivellierend die „Deutsche Richard Wagner Gesellschaft Bayreuth“ nennt. Und weder der Titel „Begegnungen eines Neunzigjährigen“, noch die zitierten Seitenangaben stimmen mit dem Typoskript im Besitz der Nachkommen Daubes überein, laut derer es aber auch nicht mehrere Versionen der Erinnerungen Daubes gibt.
Irrtümer
Die Unkenntnis der Werke Richard Wagners und der Bayreuther Festspielgeschichte schlägt sich in einer Reihe vor Irrtümern nieder.
So verwechselt die Autorin, darin Winifred folgend, die Esche, in deren Stamm das Schwert Nothung steckt, mit einer Eiche (91). Ein andermal liest und zitiert sie „Nothung, (...) zum Leben weckt ich dich wieder“ falsch als „zum Leben weiht ich dich wieder“ (124). Den Regieassistenten Wolfram Humperdinck macht sie zum Bühnenbildner (137) und die Bayreuth-Sängerin Luise Reuss-Belce zur „Künstler-Agentin“ (143).
In ihrem Bemühen, „die erstarrte und unfruchtbar gewordene Tradition Bayreuths“ aufzuzeigen, versteigt sich die Autorin zu der Behauptung, Toscanini habe bei den „Tannhäuser“-Proben 1930 „schwere Fehler des Orchesters, die sich seit langem eingeschlichen hatten“, korrigiert. Dabei übersieht sie, dass „Tannhäuser“ zuvor zuletzt im Jahre 1904 in Bayreuth auf dem Programm stand. Um ihre These, „Bayreuth kam durch Tietjen und Preetorius aus der provinziellen Enge der Völkischen heraus und erhielt weltstädtisches Niveau“ (226) zu untermauern, liefert Hamann diverse, schwer haltbare Beispiele. Möglicherweise verwechselt sie den Dirigenten Erst Praetorius mit Emil Preetorius, wenn sie über die „Banadietrich“-Aufführung 1929 in Weimar schreibt: „Der Bühnenbildner war diesmal kein Völkischer, sondern ein ‚Judenfreund’ und Neuerer, der seine großen Erfolge in Zusammenarbeit mit Bruno Walter in Berlin gefeiert hatte: Emil Preetorius.“ (173) Tatsächlich stammten die Bühnenbilder der Inszenierung von Alexander Spring aber nicht von Preetorius, sondern von Alf Björn, und musikalischer Leiter war Ernst Praetorius. Hamanns Behauptung, Tietjen habe die Sänger Maria Müller, Frida Leider und Herbert Janssen als „erstklassige Künstler“ aus der Berliner Staatsoper nach Bayreuth mitgebracht (225), ist unzutreffend, denn alle sangen bereits zu Siegfried Wagners Lebzeiten bei den Festspielen.
Absicht oder Schlamperei? Ein Blick in die Festspielchronik hätte Hamann auch belehren können, dass Richard Strauss 1894 in Bayreuth den „Tannhäuser“, nicht wie sie schreibt, den „Parsifal“ dirigiert hat. Anja Silja debütierte in Bayreuth im „Fliegenden Holländer“, nicht in „Lohengrin“, wie Hamann fälschlich behauptet (595).
Hamann erwähnt ein Verbot einer 1934 in Königsberg geplanten Inszenierung der Oper „Der Schmied von Marienburg“, aber die zugehörige Fußnote 179 sucht der Leser im Anhang vergeblich. Die Aufführung dieses Werkes an der Berliner Staatsoper wertet Hamann als „die glanzvollste, die ein Siegfried-Werk je erreichte“ (316), während Augenzeugen, wie Daube und Söhnlein, diese Aufführung als besonders lieblos und missglückt bezeichnet haben; schließlich handelte es sich dabei um einen durch Umwertung der Handlungsträger, Striche und Ergänzungen unternommenen Versuch, die Oper der nationalsozialistischen Weltanschauung zu adaptieren. Auch führte nicht Tietjen selbst Regie, wie Hamann behauptet, sondern Edgar Klitsch.
Obgleich Friedelind Wagner wiederholt betont hat, dass Page Cooper der Herausgeber, nicht der Koautor ihres Buches „Nacht über Bayreuth“ war, dient Hamann Cooper zur Exkulpierung einiger ihr missliebiger Aussagen dieses Buches. Günther Schulz dagegen, laut Friedelind Wagner „Hitlers letzter Staatsanwalt“, wird bei Hamann zu einem „befreundeten Hamburger Richter“ (546), der Winifred Ratschläge für ihre Verteidigung vor der Spruchkammer erteilt.
Schließlich wird Hamanns Angabe, Siegfried Wagners Korrespondenz mit Engelbert Humperdinck befände sich in Winifreds Nachlass, den ihre Enkelin Amélie Hohmann hütet (630), angesichts der Autographen in der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt, sowie der in den Vorjahren erfolgten Veröffentlichung im Görres-Verlag Koblenz unglaubhaft.
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