Leseprobe
Gliederung
1 Einführung
2 Grundlagen
2.1 Theoretische Grundlagen
2.2 Rahmenbedingungen für die Schülerarbeit
3 Formen kooperativen Lernens - Praxisbezug
3.1 Vorstellung der Praxis-Klasse
3.2 Gruppenpuzzle
3.3 Partnerarbeit
4 Fazit
5 Bibliographie
1 Einführung
Kooperatives Lernen bedeutet, dass sich Schülerinnen und Schüler gegenseitig bei der Arbeit unterstützen und gemeinsam zu Ergebnissen gelangen. Dies geschieht in Partner- oder Gruppenarbeit. In gut strukturierten Lerngruppen wird unter Zuhilfenahme von zahlreichen Methoden ein hohes Aktivierungsniveau der Lernenden erreicht mit nachhaltigen Erfolgen im kognitiven Bereich. Problemlöse- und Sozialkompetenz werden gleichermaßen aufgebaut und führen häufig zu einem positiveren Selbstbild der Lernenden. Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Arbeit in Gruppen ist das Schaffen eines förderlichen sozialen Klimas mit positiven Abhängigkeiten unter den Gruppenmitgliedern.[1]
Das ist eine geläufige Definition für kooperatives Lernen nach Norm Green. Die Ansätze zu kooperativem Lernen stecken also weniger im Stoff, der vermittelt werden soll, sondern in den Kompetenzen, die ein Schüler[2] erwirbt und verinnerlicht. Sozialkompetenz ist dementsprechend eine Grundprämisse für kooperatives Lernen. Es ergibt sich also, dass auch kooperatives Lernen geübt werden muss und nicht in jeder Klasse möglich ist. Es gibt viele Punkte, die für die Methoden kooperativen Lernens sprechen. Um nur einige zu nennen:
- Kooperatives Lernen fördert eine positive Haltung gegenüber dem Unterrichtsthema.
- Kooperatives Lernen fördert Schreib- und Leseerfolge bei Schülern (Madden, Stevens, Slavin 1987).
- Kooperatives Lernen entwickelt höhere Denkfertigkeiten (Webb 1982).
- Kritisches Denken wird stimuliert und Schülern wird geholfen, Ideen durch Diskussionen zu klären (Johnson 1993, 1994).
- Kooperatives Lernen entwickelt soziale Interaktionsfertigkeiten (Johnson und Holubek 1984).
- Schüler entwickeln Verantwortung füreinander. (Stahl 1992, Bonoma et al 1974).
- Kooperatives Lernen erhöht die Selbstmanagement-Fähigkeiten (Resnick 1987).[3]
Demgegenüber stehen die klassischen Lehrmethoden wie normale Gruppenarbeit oder der inzwischen ‚verpönte’ Frontalunterricht. Trotz der positiven Einflüsse auf die Schüler seitens des kooperativen Lernens haben die klassischen Methoden auch weiterhin ihre Berechtigung im Schulalltag. Zum einen, weil sie nötig sind, um an die Kompetenzen heranzuführen und zum anderen, weil es in manchen Klassen nicht möglich ist, eine Atmosphäre zu schaffen, in der kooperatives Lernen denkbar ist. Das i-Tüpfelchen für jeglichen ‚gelungenen’ Unterricht ist der Wille der Schüler. Natürlich ist es die Aufgabe des Lehrers zu motivieren, dennoch gibt es Fälle, in denen Qualitäten bzw. Bemühungen dieser Art keine Wirkung zeigen. Hat ein Schüler kein Interesse am Unterricht, kann er sich der Gruppenarbeit innerhalb des kooperativen Lernens ebenso entziehen wie beim Frontalunterricht. Ein Einzelner kann von der Gruppe getragen werden. Dies wiederum ist ein schwerwiegender Aspekt bei der Evaluation.
Insofern hat kooperatives Lernen nicht nur Vorteile gegenüber dem klassischen Lernen und Lehren. In jedem Fall jedoch rückt die Rolle des Lehrenden in den Hintergrund. Seine neue Rolle entspricht dem des Organisators und Moderators – er plant und strukturiert die Stunde, beobachtet, gibt eventuell Hilfestellung und abschließend beurteilt er.[4] In der neuen Lehrform steht der/die Lernende im Zentrum, agiert bewusster und wird selbstbewusster.
Diese Arbeit versucht kooperatives Lernen nicht nur in seiner theoretischen Funktion darzustellen, sondern in der Praxis.
2 Grundlagen
2.1 Theoretische Grunlagen
Bereits Hans Aebli wies darauf hin, dass es wünschenswert sei, „dass die Schüler immer wieder Gelegenheit erhalten, Probleme selbstständig anzupacken und zu lösen.“[5] Er sah es als Operation innerhalb des Lernprozesses. Strukturiert hatte er seine Ansätze als Gegebenheiten, der eigentlichen Operation (Problemlösen) sowie der Prüfung der (Zwischen)-Ergebnisse.[6]
Diese Ansätze sind inzwischen erweitert worden. Kooperatives Lernen stellt heute ein natürliches soziales Geschehen dar, in dem die Teilnehmer miteinander kommunizieren und sich reziprok motivieren.[7] Grundsätzlich ist es so zu verstehen, dass diese Lernform nur als Team gelingen kann. Das Kommunizieren erfolgt in Form von Feedback oder Erklärungen oder Begründungen. Je mehr ein Schüler sich rechtfertigt und seinen Standpunkt innerhalb seines Teams begründet, desto mehr festigt sich das eigene Wissen. Aufbauend darauf wächst das Wissen und gleichzeitig ist es eine positive Verstärkung für das eigene Selbstwertgefühl. Für den Schüler, der etwas erklärt bekommt oder der einen anderen Standpunkt vertritt, ist diese Weise der Erklärung durch Begründung weniger ‚belehrend’, wenn es durch einen Mitschüler erfolgt, als wenn er vom Lehrer das ‚Richtige’ gesagt bekommt. Die Auffassung eines ‚Gleichrangingen’ ist immer diskutabel, die eines Lehrers meist nicht. Durch die „Interaktion in kleinen Gruppen werden kognitive Prozesse angeregt“[8], der Mitschüler also zum Mitdenken animiert.
Die bereits in der Einführung genannten Vorteile kooperativen Lernens finden größtenteils auf einer Metaebene statt. Das Anregen der Kompetenzen und das Fördern der Kommunikation bewirken ein Lernen lernen. Die Lernmethoden fördern eine bessere und bewusstere Aufnahme des gelernten Inhalts, zudem wird es durch die Auseinandersetzung in der Gruppe mit vorhandenem Wissen verknüpft. Es bildet sich ein sogenanntes metakognitives Wissensnetz[9]. Das Gelernte wird viel fester vernetzt und dadurch nicht so schnell vergessen.
Grundlage dessen ist die Teamarbeit, die nicht einer üblichen Gruppenarbeit entspricht, auch wenn sie dadurch entstanden ist. Dass eine Gruppe ein Team wird, muss vorher gelernt werden. Denn wenn die Gruppe kein Team ist, kann sie auch nicht effektiv zusammenarbeiten. Daher ist kooperatives Lernen nicht synonym zur Gruppenarbeit. Teamarbeit ist besonders bemerkenswert, da, nach Piaget, jeder individuell lernt. Deshalb ist jeder Beitrag zur Teamarbeit ein anderer, denn jeder hat das Wissen individuell aufgenommen und verarbeitet. Gruppenarbeit hat oft das Ziel eines Produktes, beim kooperativen Lernen ist das Ziel die Wissensverarbeitung von kognitiv-intellektuellen Aufgaben. „Aus welchen Mitgliedern eine Gruppe gebildet wird, ist von nicht zu unterschätzender Bedeutung.“[10] Es gibt verschiedene Ansätze.
Zum einen kann es von Vorteil sein, wenn alle Mitglieder auf einem gleichen kognitiven und Wissens-Level sind, dann kann eine Gruppendiskussion wertvoll sein. Zum anderen sind unterschiedliche Level von Vorteil, weil die Schwächeren dadurch mehr lernen können und die Stärkeren geforderter sind im Erklären. Beides kann auch negative Effekte hervorbringen.
Eine gleichstarke Gruppe, die sich in allem einig ist, diskutiert eventuell weniger. Bei einer ungleichen Gruppe könnte es passieren, dass die stärkeren Schüler die Arbeit machen und die schwächeren ‚mitschwimmen’. Es ist bis heute weitgehend unbekannt, „welche individuellen Voraussetzungen von Schülerinnen und Schülern darüber entscheiden, ob sie erfolgreich in einer Gruppe zusammen arbeiten können.“[11] Aufgrund dessen breche ich die Diskussion über die Gruppenzusammensetzung an dieser Stelle ab.
„Kooperation muss erlernt und erstritten werden.“[12] Dass Kooperation gelernt werden muss, habe ich bereits erwähnt, dass sie erstritten werden muss ist eine provokante These. Bonnet begründet dies damit, dass fachlich kompetente Schüler, ihr Können bei kooperativen Aufgaben nicht nutzen und dass "Interaktion nicht zwingend kooperativ ist“. Wie genau das aussehen kann, wenn es nicht funktioniert, werde ich später im Praxisteil aufzeigen. Das Aktive und Interaktive am kooperativen Lernen fordert von jedem Schüler und jeder Schülerin sich selbst einzubringen und auch das Team immer wieder zu motivieren. Das können kleine Sätze sein wie: Bitte erklär es mir noch mal, ich verstehe nicht, wie du das meinst. Oder: Was ist deine Meinung dazu? Das ‚Erstreiten’ der kooperativen Arbeit kann insoweit in Streit ausbrechen, wenn zwei Schüler ihre verschiedenen Auffassungen diskutieren und sich gegenseitig nicht überzeugen können. Das ist allerdings eine sehr wörtliche Interpretation, auch wenn es die Diskussion meint und in dieser die Redebeiträge eines jeden Einzelnen.
2.2 Rahmenbedingungen für die Schülerarbeit
Nach Weidner[13] ergeben sich folgende Bedingungen für erfolgreichen Teamunterricht.
- Die Aufgabenstellung für die selbstständig arbeitenden Gruppen muss klar, angemessen und zu bewältigen sein.
- Die Schüler müssen bereits über ein arbeitsorganisatorisches und methodisches Know-how verfügen.
- Schüler müssen zu motivieren und leistungswillig sein.
Eine klare und verständliche Aufgabenstellung ist noch kein Charakteristikum für funktionierenden Teamunterricht. Im Allgemeinen sollte jede Aufgabenstellung klar verständlich sein. Bei selbstständig arbeitenden Teams, gerade in der Anfangsphase, sollte man noch ein ‚kleinschrittig’ hinzufügen. Wenn sich ein Team nicht angeleitet fühlt, ist es weniger produktiv, fühlt sich eventuell alleingelassen und erwirbt weniger Wissen. Die anderen beiden Punkte habe ich bereits angemerkt und ausgeführt. Das Schulministerium führt außerdem an, dass die Schülerinnen und Schüler das Gefühl haben müssen, dass sie einander brauchen, um das Gruppenergebnis erstellen zu können.[14] Für Schüler ebenso wichtig wie für den vorbereitenden Lehrer ist das Lernziel, das erreicht werden soll.
[...]
[1] http://www.learn-line.nrw.de/angebote/greenline/lernen/grund/gruende.html#definition am 17.08.09
[2] Im Folgenden wird die männliche Form als Pluralform verwenden, weibliche Schülerinnen sind darin einbegriffen.
[3] http://www.learn-line.nrw.de/angebote/greenline/lernen/grund/forschung.html am 17.08.09
[4] Green, Norm/Green, Kathy (2005): S.99ff
[5] Aebli, Hans (1983): Zwölf Grundformen des Lehrens. Klett-Cotta: Stuttgart. S. 302
[6] ebd. S. 304ff
[7] vgl. Gerlach, 1994 S.8. In: Konrad, Klaus/Traub, Silke (2005): S. 5
[8] Konrad, Klaus/Traub, Silke (2005): S. 6
[9] ebenda
[10] ebenda S. 55
[11] Bonnet, Andreas (2007): In: Rabenstein, Kerstin/Reh, Sabine (2007): S. 87
[12] ebenda S. 93
[13] vgl. Weidner, Margit (2003): S.28
[14] Schulministerium NRW http://www.learn-line.nrw.de/angebote/greenline/lernen/grund/rolle_lehrer.html am 5.09.09