Leseprobe
Gliederung
1. Vorwort
2. Der Jenaplan Peter Petersens
2.1. Zur Person Peter Petersen
2.2. Die Anfänge der Jenaplan -Pädagogik
2.3. Wesentliche Merkmale des Jenaplans
3. Die Stammgruppen
3.1. Charakterisierung im Jenaplan
3.2. Vor- & Nachteile
3.3. Bedeutung für das aktuelle Schulkonzept an Jenaplanschulen
4. Der Jenaplan in der Gegenwart 12
4.1. Jenaplanschulen in Deutschland
4.2. Ausblick in die Zukunft
5. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
1. Vorwort
Die Pädagogik Peter Petersens reiht sich in die internationale Reformpädagogik der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts ein und bietet sinnvolle und gut durchdachte Ansätze für das Schulleben, welches sich von der aktuellen Regelschule abhebt und ein Bildungsverständnis in den Vordergrund rückt, dass die Persönlichkeitsbildung betont.[1] Peter Petersen wollte mit seinem Schulmodell und der parallel dazu durchgeführten Lehrerausbildung in Jena das Erziehungssystem reformieren. Trotz der Tatsache, dass der Jenaplan[2] schon über 80 Jahre alt ist, ist diese Pädagogik nicht stehengeblieben, sondern hat sich stetig weiterentwickelt. Die Humanität und Solidarität, die Petersen mit seiner Bildung bei den Schülern erreichen wollte, ist zeitlos und aufgrund dessen ist der Jenaplan weiterhin aktuell und wird in verschiedenen Bereichen der Didaktik rezipiert. Es ist nicht verwunderlich, dass gewisse Elemente der pädagogisch-didaktischen Konzeption Petersens ebenso in staatlichen Regelschulen auftauchen, wobei diese sehr weit von der Arbeits- und Gemeinschaftsschule Petersens entfernt sind. Sie bilden weiterhin einen kompletten Gegensatz zu den Jenaplan-Schulen, von denen derzeit 49 allein in Deutschland vorhanden sind.[3] Ich werde in dieser Seminararbeit auf den Jenaplan und seine wesentlichen Merkmale eingehen, allerdings soll der Fokus vielmehr auf das Kernstück von Petersen, den Stammgruppen, gerichtet sein. Peter Petersen nutzte dieses Modell zur Gliederung in der Schule, da er durch Beobachtungen des Gruppenverhaltens von spielenden Kindern analysiert hatte, dass sich nie ausschließlich Gleichaltrige zusammenfinden. Ähnliche Ergebnisse konnte er auch im Rahmen seiner Pädagogischen Tatsachenforschung in Jena feststellen und damit seine These untermauern. Die Stammgruppe wird in der Regel als DAS zentrale Kennzeichen des von Peter Petersen entwickelten Schulkonzeptes angesehen und wahrgenommen. Somit werde ich neben einer kurzen biografischen Darstellung von Peter Petersen eingehend analysieren, inwieweit er im Jenaplan die Stammgruppen darstellt, welche Bedeutung diesem Element zukommt und wie seine Theorie in Jenaplan-Schulen der Gegenwart umgesetzt und angewendet wird.
2. Der Jenaplan Peter Petersens
2.1. Zur Person Peter Petersen
Peter Petersen war der Protagonist der Entwicklung des Jenaplans. Er ist am 26. Juni 1884 in Großenviehe bei Flensburg geboren worden. Die nordfriesische Landschaft und Mentalität haben seinen Charakter dahingehend geprägt, dass „Beharrlichkeit und Zielbewußtsein gepaart mit Strenge und Fleiß“[4] ihn in seinem weiteren Leben kennzeichneten. Die Unterstützung und Hilfsbereitschaft der Dorfbewohner untereinander waren wesentliche Ursachen für die Tatsache, dass Petersen die Gemeinschaft ins Zentrum seiner Vorstellung von Unterricht und Bildung rückte.[5] Nach dem Abitur in Flensburg studierte Petersen in Leipzig Theologie und Philologie, wodurch er sich ein breites Spektrum an Wissen und einen weiten geistigen Horizont aneignen konnte. Vor allem das Studium der Psychologie vermittelte Petersen die Anregung, dass er eigenständige erziehungswissenschaftliche Theorie entwickeln müsse, die allerdings auf empirischen Grundlagen beruhen sollten. Petersen wurde damals besonders von den beiden Leipziger Universitätslehrern Wilhelm Wundt und Karl Lamprecht zu weiteren wissenschaftlichen Studien angeregt.[6] Nachdem er 1909 die Staatliche Prüfung für das Lehramt an Gymnasien abgelegt hatte, wechselte er nach kurzer Tätigkeit als Lehrer in Leipzig nach Hamburg, wo er mit den Vorstellungen der Schulreformbewegung in Kontakt kam. Die Forderungen dieser Bewegung versuchte Petersen bereits damals praktisch umzusetzen.[7] Aufgrund seiner schulpraktischen Tätigkeiten an Johanneum und Lichtwarkschule in Hamburg und seiner Publikationen galt Petersen schon 1923 als kompetenter Reformpädagoge, der als Privatdozent an der Universität Hamburg pädagogische und philosophische Lehrveranstaltungen hielt.[8] Als ihm die Universität Jena den freigewordenen Lehrstuhl von Wilhelm Rein anbot, wechselte Peter Petersen zum 1. August 1923 nach Thüringen. Dort übernahm er neben seiner Tätigkeit als Professor an der zuvor neu eingerichteten Erziehungswissenschaftlichen Abteilung die Leitung der Universitätsübungsschule. In seinen Publikationen vertrat Petersen stets die Position, dass er Menschen mit humaner Gesinnung, die eine gemeinschaftsbetonte Lebenseinstellung besitzen, mit seiner Pädagogik erziehen will. In seinen wissenschaftlichen Arbeiten wurde sein Hauptmotiv deutlich: Der Mensch kann nur durch Erziehung zum Menschen werden. Mit dieser Einstellung entstand in Jena die pädagogische Bewegung der Neuen Erziehung, die einen enormen „Umbruch von der Herbartianismus zur Reformpädagogik“[9] darstellt. Sein am
meisten beachtetes Werk Der Kleine Jena-Plan erschien erstmals 1927 und wurde in den folgenden Jahrzehnten in hoher Auflage verbreitet. Daneben an der theoretischen Begründung einer inneren Schulreform, die den erzieherischen Unterricht verwirklichen sollte.[10] Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 positionierte sich Petersen nicht eindeutig gegen den Faschismus, was ihm im Nachhinein angelastet wurde und ihm und seinen erziehungswissenschaftlichen Vorstellungen enorme Kritik einbrachte. Das Verhältnis zum Nationalsozialismus ist Gegenstand kontroverser Diskussionen geworden.[11] Jedoch muss festgehalten werden, dass Petersen seine Schule und seine Erziehung über die Zeit der NS-Diktatur retten wollte und sich aufgrund dessen teilweise nicht ausdrücklich von der NS-Ideologie distanzierte, obwohl es seinen Tugenden und Überzeugungen von einer humanen Schule komplett gegenüberstand.[12] Nur so konnte Petersen bis zum Kriegsende seine Jenaer Universitätsschule geöffnet lassen. Die Arbeitsbedingungen wurden jedoch ab 1945 in der sowjetischen Besatzungszone nicht einfacher, sondern er wurde kontinuierlich mit administrativer Willkür seitens der SED aus seinen Positionen gedrängt und seine Universitätsschule schließlich 1950 mit der Begründung, dass sie ein „gefährliches Überbleibsel aus der Weimarer Republik“[13] sei, geschlossen. Diese Tatsache war ein harter Schlag für Petersen. Nachdem er erfolglos versuchte, in der Bundesrepublik eine Anstellung zu finden, starb er nach langer Krankheit verbittert und einsam am 21. März 1952 in Jena.
2.1. Die Anfänge der Jenaplan-Pädagogik
Nachdem Peter Petersen 1927 in Locarno auf der Tagung des „Weltbundes für Erneuerung und Erziehung“ seine pädagogischen Grundzüge präsentiert hatte, wurden diese unter dem Namen Jenaplan, den englische Teilnehmer entsprechend seinem Entstehungsort titulierten, international einem breiten Publikum näher gebracht. Doch dieser Vortrag ist nicht als Beginn der Jenaplan-Pädagogik zu sehen, sondern Petersen stellte darin nur seine Ergebnisse und Erfahrungen vor, die er sowohl in Hamburg an den Lebensgemeinschaftsschulen als auch an seiner Versuchsschule in Jena erlebt und gesammelt hatte und die ihn überzeugten, dass sein Konzept der Bildung und Erziehung vielfältige Vorteile im Vergleich mit der herkömmlichen Didaktik besaß. Der Umgang mit Jugendlichen in den Landerziehungsheimen von Hermann Lietz beeinflussten Petersen schon seit 1912, als er dies in Schondorf am Ammersee zum ersten Mal beobachten konnte.[14] Gleichfalls wurde er von der Kunsterziehungsbewegung und dem Institut für Jugendkunde, welches von der Pädagogik Ernst Meumanns beeinflusst wurde, inspiriert.[15] Im Jahr 1923 formulierte er schließlich bei seiner Antrittsrede an der Jenaer Universität, dass er eine neue Richtung pädagogischen Denkens einführen werde, die sich eindeutig von der von Johann Friedrich Herbart propagierten Theorie, die für die damalige Bildungslandschaft charakteristisch war, unterscheide. Er nutzte die Universitätsschule als freie Versuchsschule, um die pädagogische Theorie und Praxis zu erproben und fortzubilden. Er versuchte in dieser Umgebung eine Lebensgemeinschaftsschule und Schulgemeinde umzusetzen.[16] Dies erreichte er durch Stammgruppen als Gegenentwurf zu den Jahrgangsklassen, schülerzentrierten Unterricht, die Schulwohnstube und andere Merkmale, die nur wenig später unter dem Namen Jenaplan an die Öffentlichkeit gelangten, da Petersen darüber ausführlich berichtete.[17] Durch die positive Bewertung von Unterschiedlichkeit in den Lerngruppen gelangt Petersen zu einem Konzept der freien allgemeinen Volksschule, welches er in den Jahren 1925 bis 1950 bis zur 10. Klasse in Jena realisieren konnte. Der Jenaplan stieß nach der Tagung von Locarno weltweit auf positive Resonanz und weckte großes Interesse.[18] In Deutschland dagegen spielten die Ideen Petersens kaum eine entscheidende Rolle, sodass die Universitätsschule in Jena weiterhin ein einzelnes Projekt blieb, welches nach der Schließung im Jahre 1950 erst in den 70er Jahren Nachahmer in der BRD und den Niederlanden fand.
[...]
[1] Vgl. EICHELBERGER 2000, S. 60.
[2] PETERSEN 2001.
[3] Stand 18.08.2010
[4] DIETRICH 1995, S. 23.
[5] Vgl. Ebd.
[6] Vgl. MITZENHEIM 1991, S. 8.
[7] U.a. wurde gefordert, dass das Kind im Mittelpunkt stehen und der Lehrer lediglich eine Beraterfunktion übernehmen solle. Desweitern wurde schon die Schulgemeinde von Eltern und Kindern zum Ideal der Zusammenarbeit auserkoren. Diese Ideen übten gleichsam Einfluss auf Petersens spätere Konzeptionen aus.
[8] Vgl. KAßNER 1992, S. 18ff.
[9] MITZENHEIM 1991, S. 12.
[10] Vgl. OFENBACH 2000, S. 145ff.
[11] Vgl. DIETRICH 1995, S. 180-195.
[12] Vgl. Ebd., S. 180ff.
[13] SEYFAHRT-STUBENRAUCH 1997, S. 115.
[14] Vgl. MITZENHEIM 1991, S. 8.
[15] Vgl. PETERSEN 2001, S. 113ff.
[16] Vgl. KLAßEN 1991, S. 82f.
[17] Vgl. Ebd., S. 71f.
[18] Vgl. Ebd., S. 68f.