Es ist weitläufig bekannt, dass es nach dem 2. Weltkrieg eine starke Migrationsbewegung von Bürgern aus der DDR in die Bundesrepublik gab. Insbesondere in den 50er Jahren waren die Zahlen enorm, allein im Jahr 1955 kamen mehr als eine halbe Million Ost-Bürger in die Bundesrepublik. Während die Auswanderung bzw. Republikflucht stets ein Thema in der bundesdeutschen Öffentlichkeit war, blieb die Gegenbewegung, namentlich die West-Ost-Migration, weitestgehend unbeachtet und das obwohl auch hier die Zahlen für sich sprechen. So suchten Hunderttausende im Laufe der Jahre den Weg in die DDR. Im öffentlichen und politischen Diskurs gewann das Thema jedoch erst nach der Wende an Interesse. Auch die Geschichtswissenschaft entdeckte die deutsch-deutsche Migration als tatsächlichen Forschungsgegenstand erst spät. Dies hatte unterschiedliche Gründe. Zum einen war das Thema Zu- bzw. Abwanderung in beiden Staaten vor 1989 nicht nur eine rein statistische Angelegenheit, sondern war auch Gradmesser für den Erfolg des entsprechenden politischen Systems. Insbesondere in der DDR interpretierte man hohe Zuwanderungszahlen als Legitimation für den neu gegründeten sozialistischen Staat und dies wurde auch dementsprechend propagiert.Ziel dieser Arbeit ist es, den komplexen Verlauf der West-Ost-Migration darzustellen. Erstens soll das Wanderungsgeschehen in Hinsicht auf Volumen, Verlaufsformen und Strukturen untersucht werden. Zweitens soll das Wanderungsverhalten analysiert werden. Aspekte der Untersuchungen sind hier Schub- und Anziehungskräfte der Ausgangs- und Zielräume, unterschiedliche Motivationen bzw. Wanderungsabsichten in regionaler und schichten- oder gruppenspezifischer Hinsicht, wanderungsfördernde oder -hemmende Faktoren sowie Integration und Akkulturation. Drittens sollen all diese Fakten und Aspekte in die sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Umstände der jeweiligen Regionen eingebunden werden. Darüber hinaus soll die Frage beantwortet werden, welche Kontinuitäten bzw. Diskontinuitäten die Einwanderungspolitik der DDR aufweist.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Soziographie der West-Ost-Migranten
- 1949-1953: Zwischen Restriktion und Werbepolitik
- Sicherheitspolitische Aspekte
- Praktische Motive
- Regulierung der Zuwanderung
- „Kampf gegen die Republikflucht“
- Anwerbepolitik
- Verwaltung der Maßnahmen
- „Neuer Kurs“
- 1954-1957: Erwünschte und unerwünschte Übersiedler in der Hochphase der West-Ost-Migration
- „Westarbeit“
- Propaganda
- Erwünschte Übersiedler
- Unerwünschte Übersiedler
- Systematische Beobachtung
- Kriminalitätsrate der Übersiedler
- Asozialität der Übersiedler
- Aufnahmestellen
- Kehrtwende der Migrationspolitik
- Passgesetz
- Abschottung und systematische Überwachung ab 1958
- Kontrolle und Überwachung
- Abwanderung der Übersiedler
- Neue Maxime: Abschottung
- Kontroll- und Überwachungssystem
- Kerblochkarteisystem
- Mauerbau
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Migrationspolitik der DDR im Zeitraum von 1949 bis zum Mauerbau 1961. Sie analysiert den komplexen Verlauf der West-Ost-Migration und untersucht die Kontinuitäten und Diskontinuitäten in der Einwanderungspolitik der DDR. Dabei werden sowohl die politischen Entscheidungen und Maßnahmen als auch die Motive, das Wanderungsverhalten und die soziographischen Merkmale der West-Ost-Migranten beleuchtet.
- Die Entwicklung der Migrationspolitik der DDR von einer restriktiven zu einer werbeorientierten und schließlich wieder zu einer abschottenden Politik.
- Die unterschiedlichen Motive der West-Ost-Migranten, insbesondere die Rolle von ökonomischen, familiären und politischen Faktoren.
- Die Schwierigkeiten der DDR bei der Integration der Übersiedler und die Entstehung von Stigmatisierungen und Kontrollmechanismen.
- Der Aufbau eines systematischen Kontroll- und Überwachungssystems durch die DDR zur Abwehr von „unerwünschten Elementen“.
- Die Auswirkungen der Migrationspolitik der DDR auf die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik sowie auf das politische und gesellschaftliche Leben im Ostdeutschen Staat.
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung skizziert das Thema West-Ost-Migration, erläutert die Forschungslücke und die Relevanz des Themas, stellt die Forschungsmethodik dar und definiert zentrale Begriffe.
Soziographie der West-Ost-Migranten
Dieses Kapitel bietet einen Überblick über den Umfang, die Zusammensetzung und die Motivationen der West-Ost-Migranten in den 1950er Jahren. Es werden Statistiken zum Geschlecht, Alter, Beruf und zu den Gründen der Übersiedlung analysiert.
1949-1953: Zwischen Restriktion und Werbepolitik
Dieses Kapitel analysiert die Migrationspolitik der DDR in den ersten Jahren nach der Staatsgründung. Es beleuchtet die restriktive Haltung gegenüber der Zuwanderung, die Gründe für die hohe Abwanderungsrate und die Reaktion der DDR-Regierung mit dem „Kampf gegen die Republikflucht“. Schließlich wird die Einführung des „Neuen Kurses“ und die damit verbundene Abkehr von der Diffamierung von Republikflüchtlingen und die aktive Werbung um sie behandelt.
1954-1957: Erwünschte und unerwünschte Übersiedler in der Hochphase der West-Ost-Migration
Dieses Kapitel beschreibt die Phase des Massenzuzugs von Bürgern der Bundesrepublik in die DDR. Es behandelt die Gründe für den Anstieg der Zuwanderungszahlen, die Rolle der Propaganda und die gleichzeitig einsetzende Kontrolle und Überwachung von „unerwünschten Elementen“. Es analysiert die Entstehung des Stigmas der Kriminalität und Asozialität, die Einführung von Aufnahmestellen und die verschärfte Kontrolle von Republikflüchtlingen.
Abschottung und systematische Überwachung ab 1958
Dieses Kapitel schildert die Kehrtwende der Migrationspolitik der DDR, die zu einer verstärkten Abschottung vom westlichen Ausland führt. Es beleuchtet die Ursachen für den Rückgang der Zuwanderungszahlen, die Einführung eines systematischen Kontroll- und Überwachungssystems und die verstärkte ideologische Kontrolle der Übersiedler.
Schlüsselwörter
West-Ost-Migration, DDR, Bundesrepublik, Migrationspolitik, Republikflucht, Übersiedler, Anwerbepolitik, Propaganda, Staatssicherheit, Kontrolle, Überwachung, Integration, Stigmatisierung, „Neuer Kurs“, Abschottung, Kalter Krieg.
- Arbeit zitieren
- Ulrike Ziegler (Autor:in), 2010, Die Migrationspolitik der DDR zwischen Restriktion und Anwerbung , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/168777