In der Aufzucht eines gesunden und leistungsfähiges Kalbes werden die Grundlagen für eine leistungsorientierte und damit wirtschaftliche Milchproduktion gesetzt.
Die gegenwärtigen und zukünftigen Rentabilitätsbedingungen in der Milchproduktion sind allerdings ungünstiger zu beurteilen als in der Vergangenheit. Innerbetriebliche Kosten gilt es daher zu senken.
Insbesondere aktuelle Entwicklungen in der Kälberhaltung können zur Senkung der Aufzuchtkosten je Färse beitragen.
In dieser Seminararbeit „Einfluss des Tränkeverfahrens auf die Kälberentwicklung“ sollen verschiedene Möglichkeiten zur Optimierung der Aufzuchtperiode aufgezeigt werden.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1.0 Einleitung
2.0 Ziele und Voraussetzungen für eine Erfolgreiche Kälberaufzucht
3.0 Entwicklung des Kalbes zum Wiederkäuer
3.1 Entwicklung des Pansens
3.2 Einflussgrößen auf die Vormagenentwicklung
3.3 Neue Ansätze zur Pansenentwicklung
4 Einfluss und Verfahren zur Gestaltung der Tränkeperiode
4.1 Länge der Tränkeperiode
4.2 Neue Ansätze in der Tränkeperiode
5 Gestaltungsmöglichkeiten des Tränkeverfahrens
5.1 Ad libitum Tränke
5.2 Gruppenhaltung mit Eimertränke
5.3 Einsatz eines Tränkeautomaten
5.4 Einzelhaltung nach amerikanischen Modell
5.5 Neue Ansätze im Tränkeverfahren
6 Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung: 1: Entwicklung des Pansens vom Kalb zur Kuh
2: Vergleich der Pansenentwicklung von 6 Wochen alten Tränkekälbern bei unterschiedlicher Fütterung
3: Verlauf der Kraftfutteraufnahme bei unterschiedlichem Futtermittelangebot
4: Tränkeplan für Mast- und Aufzuchtkälber
5: Wachstumsknick ab dem Zeitpunkt des Absetzens
6: Individualität der Festfutteraufnahme zweier Tränkekälber
7: Wöchentliche Kraftfutteraufnahme in Abhängigkeit vom Absetzalter
8: Durchschnittliches Körpergewicht von Kälbern bei unterschiedlichen Absetzalter
9: Tränke und Kraftfutterplan bei kraftfuttergesteuerten Abtränke
10: Amerikanische Einzelhaltung
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Vollkosten je Tier für unterschiedliche Strategien in der Färsenaufzucht
2: Einfluss flüchtiger Fettsäuren auf das Wachstum 7 der Pansenzotten von 6 Wochen alten Tränkekälbern
3: Einfluss zusätzlicher Beleuchtung auf Leistung und Futteraufnahme von Tränkkälbern
4: Tränke und Futterplan für die normale Aufzucht
5: Tränke und Futterplan für die Frühentwöhnung
6: Entwicklung der Lebensmasse bei Tränkereduziertem Verfahren
7: Futterkosten je Kalb der Tränkevarianten 20 bis zum 84. Lebenstag
8: Effizienz der Futterverwertung
9: Zunahmen beim Vergleich von zwei- und dreimaligen 22 Tränken bis zum 14. Lebenstag
10: Wirtschaftlichkeitsberechnung Tränkeautomat
11: Versuchsergebnisse bei kraftfuttergesteuerter Abtränke
1 Einleitung
In der Aufzucht eines gesunden und leistungsfähiges Kalbes werden die Grundlagen für eine leistungsorientierte und damit wirtschaftliche Milchproduktion gesetzt.
Die gegenwärtigen und zukünftigen Rentabilitätsbedingungen in der Milchproduktion sind allerdings ungünstiger zu beurteilen als in der Vergangenheit. Innerbetriebliche Kosten gilt es daher zu senken.
Insbesondere aktuelle Entwicklungen in der Kälberhaltung können zur Senkung der Aufzuchtkosten je Färse beitragen.
In dieser Seminararbeit „Einfluss des Tränkeverfahrens auf die Kälberentwicklung“ sollen verschiedene Möglichkeiten zur Optimierung der Aufzuchtperiode aufgezeigt werden.
2 Ziele und Voraussetzungen für eine erfolgreiche Kälberaufzucht
Die Ziele in der Aufzuchtperiode (bis 112. Lebenstag) sind im Gesamtzusammenhang mit den Zielsetzungen in der Färsenaufzucht zu betrachten.
Verschiedenste Untersuchungen belegen, dass die Wirtschaftlichkeit der Färsenaufzucht mit geringerem Erstkalbealter (EKA) ansteigt (Göbbel 2000, Veauthier 2000). Nach einer Modellkalkulation liegt das betriebswirtschaftlich optimale Erstkalbealter bei nur 21,2 Monaten. Berechnungen von Heideman et al. (2003) zeigen, dass durch die Verringerung des Erstkalbealters von 30 auf 22 Monate 490 € pro Tier an den Gesamtkosten eingespart werden können (vgl. Tab. 1).
Tab. 1: Vollkosten je Tier für unterschiedliche Strategien in der Färsenaufzucht
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Heideman et al 2003
Armburgh (2000) ermittelte allerdings, dass die Milchleistung von Färsen mit der Lebensmasse zur Abkalbung korreliert. Daher sollten Färsen zur Abkalbung etwa neunzig Prozent ihres endgültigen Körpergewichts erreicht haben.
Auch nach Auffassung von Gillwald und Heinz (1980) wird in der Aufzuchtsphase die Lebendmasseentwicklung der späteren Kühe wesentlich mitbestimmt. Entwicklungsrückstände im Färsenalter werden nur im geringen Maße während des ersten Laktationjahres kompensiert. Eine dem Wachstum des Jungtieres angepasste Fütterung in der Aufzuchtsphase ist von besonderer Bedeutung für die spätere Leistungsbereitschaft der Jungkuh.
Nach der DLG Bedarfsnorm (1999) sollte ein Jungrind im Belegalter von 14 bis 16 Monate ein Körpergewicht zwischen 370 bis 420 kg erreicht haben.
Im zweiten Lebensjahr der Rinder findet vor allem die Zellvergrößerung der Tiere statt, hohe Tageszunahmen müssen also in der Jugendphase (Geburt bis Pubertät) erreicht werden. Um Verfettungen zu vermeiden, sollten ab dem zweiten Aufzuchtsjahr die täglichen Zunahmen 700 bis 800 g betragen. Im Alter von 9- 12 Monaten sollten die Zunahmen nicht über 850 g liegen (Sommer 2000).
Geht man von einem Erstkalbealter von 24 Monaten aus, sollten in der Kälber- und Jugendentwicklung bis zum neunten Monat durchschnittliche Tageszunahmen von 834 – 867 g erreicht werden. Auf die einzelnen Bereiche der Kälberaufzucht aufgeteilt, sollten bis zum Absetzen der Milchtränke durchschnittliche Tageszunahmen von mindestens 730 g und bis zum ersten Lebenshalbjahr von ca. 870 g realisiert werden. Bei einem EKA von 21 müssten sogar 1101 g Tageszunahme bis zum neunten Monat erreicht werden (Steinhöfel und Lippmann 2000).
Ein weiteres wichtiges Ziel in der Kälberhaltung ist die Reduzierung der Kälberverluste und die Erhaltung der Gesundheit. Die in der Praxis immer noch auftretenden Kälberverluste sind vielfach zu hoch. Nach Angaben von Brandes (2005) haben in Mecklenburg Vorpommern die Hälfte der Milchviehbetriebe Verlustraten von über 15 % zu beklagen. In einigen Betrieben liegen die Verlustraten zeitweise sogar bei 30 – 40 %. Ernst und Streit (1990) berichten, dass die Ursachen von Kälberverlusten zu 30 % auf Faktoren nach der Geburt zurückzuführen sind. Die postnatalen Verlustursachen sind hauptsächlich in Hygiene, Fütterung und Haltung begründet.
Kranke Kälber erhöhen die Tierarztkosten. Auch die Aufzuchtsleistung von erkrankten und wieder genesenen Kälber sind eindeutig schlechter als die von gesunden. Meist wird sogar die Leistungsbereitschaft lebenslang vermindert. Schlechte Aufzuchtsbedingungen und hohe Milchleistung schließen sich eindeutig aus. Bei Totalverlusten von Kälbern fehlen Tiere für die Bestandsaufstockung. Insgesamt sinkt das genetische Potenzial einer Herde, wenn Kälber von wertvollen Tieren verenden (Brandes 2002).
Nach Reiß (2005) liegt das Ziel einer wirtschaftlichen Kälberaufzucht neben dem Erreichen der hohen Tageszunahmen und der Minimierung der Verluste in einer kostenorientierten Aufzucht. Diese Ziele werden bestimmt durch die Gesundheit der Kälber, Verbrauch an Milch, Milchaustauscher und Kälberkraftfutter, Kosten der Technik sowie dem Arbeitsaufwand.
3 Entwicklung des Kalbes zum Wiederkäuer
3.1 Entwicklung des Pansens
Ein neugeborenes Kalb zählt ernährungsphysiologisch eigentlich zunächst zu den Monogastariden. In den ersten Lebenswochen arbeitet nur der Labmagen und das Kalb ist auf die flüssige Nahrung von Milch angewiesen. Der gesamte Magen- Darm- Trakt weist gegenüber dem erwachsenen Wiederkäuer in Bau und Funktion einige grundlegende Unterschiede auf. Pansen, Haube und Blättermagen werden als Vormägen bezeichnet. Ihr Anteil am Volumen des Gesamtmagens beträgt zum Zeitpunkt der Geburt ca. 25 %, beim ausgewachsenen Rind sind es dagegen 80 % (vgl. Abbildung 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Entwicklung des Pansens vom Kalb zur Kuh
Heinrichs 2000
Mit zunehmenden Alter erfolgt neben der erheblichen Veränderungen des Fassungsvermögens vor allem eine Veränderung in den Funktionen und den Wechselbeziehungen zwischen den einzelnen Organen. Das Kalb entwickelt sich während dieser Zeit zum fertigen Wiederkäuer (Schrag et al. 1987).
Nach Ansicht von mehreren Autoren sollte die Erziehung des Kalbes zum Wiederkäuer im Vordergrund der Kälberaufzucht stehen, um die Vormägen möglichst früh zu fördern (Sanftleben 2003, Heinrichs 2000). Denn ein intensives Wachstum der Rinder ist nur möglich, wenn ein Rind in der Lage ist große Mengen an Futter aufzunehmen und die Nährstoffe umgesetzt werden können. Dies kann nur mit Hilfe eines voll funktionsfähigen Vormagensystem erfüllt werden (Schrag et al. 1987).
3.2 Einflussgrößen auf die Vormagenentwicklung
Die Entwicklung der Vormägen steht in deutlicher Abhängigkeit zur Art und Menge des aufgenommen Futters (Hodgson, 1971). Die Geschwindigkeit mit der dieser Entwicklungsprozess abläuft, hängt von der Dauer der Tränkeperiode und dem Zeitpunkt der Futteraufnahme ab (Heinrichs 2000).
In Versuchen von Hilber (1972) und von Frieling (1989) konnte nachgewiesen werden, dass die Entwicklung des Pansens bei Aufzuchtskälbern durch die Fütterung von Heu und Kraftfutter stärker gefördert wird als durch die alleinige Milchtränke.
Bei der alleinigen Fütterung von Milch läuft die Milch über die Schlundrinne am Pansen vorbei direkt in den Labmagen. Der Pansen bleibt klein und unterentwickelt (Heinrichs 2000).
Die Ergebnisse von Frieling (1989) zeigen, dass das Pansenleergewicht von Tieren die eine Zulage von Kraftfutter und Heu erhielten, eine hochsignifikante Überlegenheit gegenüber dem von Tieren hatte, die lediglich Stroh aus der Einstreu aufnehmen konnten. Das Pansenleergewicht ergibt sich aus der Pansenschleimhaut und der muskulöser Pansenwand (Lauwers et al., 1969).
Nach Untersuchungen von Frieling (1989) entwickelt sich die Pansenschleimhaut und die Pansenmuskulatur getrennt von einander. Heu und Kraftfutter haben danach eine ergänzende Wirkung auf das Pansenwachstum.
Die Pansenschleimhaut mit ihren fingerartigen Ausstülpungen, den Pansenzotten entsteht hauptsächlich durch Buttersäure und des weiteren durch Propionsäure, die beim Abbau von Kohlenhydraten entstehen (vgl. Tabelle 2) (Dirksen et al, 1986).
Tab. 2: Einfluss flüchtiger Fettsäuren auf das Wachstum der Pansenzotten von 6
Wochen alten Tränkekälbern
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Mentschel et al. (2001)
Die Pansenzotten zeigen bei kraftfutterreichen Rationen eine deutliche Größenzunahme. Somit vergrößert sich die Oberfläche der Pansenwand und es können größere Mengen an flüchtigen Fettsäuren, die beim Abbau von Futtermitteln anfallen, durch die Pansenwand absorbiert werden (Heinrichs 2000).
Raufutter werden aber hauptsächlich zu Essigsäure und nur zu geringem Teil zu Buttersäure umgewandelt (Heinrichs 2000). Nach Untersuchungen von Frieling (1989) bewirkt die Fütterung größerer Heumengen eine bessere Entwicklung des Blättermagens. Weiterhin entwickelt sich die Pansenmuskulatur stärker. Dies ist darauf zurückzuführen, dass durch größere Heumengen die Pansenmuskulatur infolge der Dehnung des Pansens zu einer höheren Beanspruchung bzw. Belastung veranlasst wird.
3.3 Neue Ansätze zur Pansenentwicklung
Kraftfutter anstatt Heu anfüttern
Aktuelle Empfehlungen (2005) von amerikanischen Wissenschaftlern, gestützt von Untersuchen der BAMN (bovine Alliance on Management and Nutrition), gehen sogar dazu über, während der Tränkeperiode auf Heu ganz zu verzichten (Wattiaux 2005, Hopkins 1997, Heiting 2005).
Untersuchungen an der PennState University, USA zeigen, dass ein optimales Wachstum des Pansens durch das alleinige Angebot von Kraftfutter und Milch optimiert werden kann (Lesmeisters und Heinrichs 2000). Tiere die ausschließlich Kraftfutter und Milch erhielten, wiesen im Gegensatz zu der Milch- und Heu- Variante eine weiterentwickelte Zottenanlage auf. Die Pansenschleimhaut wies weiterhin eine dunklere Färbung auf, was auf höhere Fermentationsraten hindeutet (vgl. Abb. 2).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Vergleich der Pansenentwicklung von 6 Wochen alten Tränkekälbern bei unterschiedlicher Fütterung. Bild 1: Fütterung nur mit Milch; Bild 2 und 3: Fütterung Milch und Heu; Bild 4 und 5: Fütterung Milch und Kraftfutter
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bild 1 Bild 2 Bild 3 Bild 4 Bild 5
Heinrichs 2000
Ohne Heuzufütterung wird vor allem eine höhere und frühere Aufnahme des Kraftfutters beabsichtigt. Heinrichs (2000) weist darauf hin, dass Heu und auch Silagen durch den langsamen Abbau den Pansen regelrecht „verstopfen“. Sanftleben (2003) gibt an, dass die Fähigkeit zur Celluloseverdauung bei jungen Kälbern aufgrund der geringen Bakterienpopulation im Pansen noch sehr begrenzt ist. Folglich wird die mögliche Energieaufnahme des Kalbes vor dem Absetzen der Tränke begrenzt. Auch Versuche an der Landesanstalt für Landwirtschaft in Iden (Sachsen Anhalt), bestätigen höhere und frühere Futteraufnahmen eines Kälbermüsli ohne Raufutterzusatz im Vergleich zu einer konventionellen Fütterung (vgl. Abb. 3) (Fischer 2003).
Abb. 3: Verlauf der Kraftfutteraufnahme bei unterschiedlichem Futtermittelangebot
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Fischer 2003
Die Autoren weisen aber weiterhin darauf hin, dass bei der alleinigen Verfütterung von Kraftfutter und Milch eine ausreichende Strukturversorgung gewährleistet werden muss. Nur unter dieser Voraussetzung kann die Gesundheit der Tiere erhalten bleiben und die Pansenmotorik sowie das Größenwachstum des Pansens angeregt werden (Heinrichs 2000).
- Arbeit zitieren
- Michael Bergmann (Autor:in), 2006, Einfluss des Tränkeverfahrens auf die Kälberentwicklung (Tränkedauer und Verfahren), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/168972