Leseprobe
INHALTSVERZEICHNIS
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Gang der Untersuchung
2. Das „Push-Prinzip“ in der Fertigungssteuerung
2.1 Einordnung in die PPS-Systeme
2.2 Die Konzepte MRP-I und MRP-II
2.2.1 Ziele und Funktionsweise
2.2.2 Stärken und Schwächen
2.3 Die belastungsorientierte Auftragsfreigabe
2.3.1 Ziele und Funktionsweise
2.3.2 Anwendungsbereiche und Voraussetzungen
2.3.3 Stärken und Schwächen
3. Das „Pull-Prinzip“ in der Fertigungssteuerung
3.1 KANBAN
3.1.1 Ziele und Funktionsweise
3.1.2 Anwendungsbereiche und Voraussetzungen
3.1.3 Stärken und Schwächen
3.2 Spezielle Art der Linienfertigung mit KANBAN
4. Fazit
Anhang
Literaturverzeichnis
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abbildung 1: Perspektiven zur Unterscheidung von Konzepten der Produktionsplanung und -steuerung
Abbildung 2: Einordnung der PPS-Systeme
Abbildung 3: Ermittlung von Sekundärbedarfen durch Stücklistenauflösung eines Primärbedarfes
Abbildung 4: Trichtermodell der belastungsorientierten Auftragsfreigabe (BoA)
Abbildung 5: Die Terminschranke und die Belastungsschranke im Rahmen der BoA
Abbildung 6: Der Regelkreis innerhalb einer KANBAN-gesteuerten Fertigung
Abbildung 7: Beispiel einer KANBAN-Karte zur Informationsweitergabe
innerhalb der Fertigung
Abbildung 8: Das KANBAN-Konzept findet auch bei Lieferanten und Kunden seinen Einsatz
Abbildung 9: U-förmige Anordnung der einzelnen Regelkreise einer Fertigungslinie
Abbildung 10: In der Praxis durchschnittlich erzielte Ergebnisse durch Ein- führung von KANBAN
Abbildung 11: Eignung verschiedener PPS-Konzepte unter den gegebenen Bedingungen
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung _
1.1 Problemstellung
Gerade in den vergangenen 50 Jahren durchlebte die Produktion, nicht nur in deutschen Industrieunternehmen, einen unablässigen strukturellen Wandel. Erst vor 35 bis 40 Jahren noch, erfuhren wir die Konsequenzen von ungesättigten Gütermärkten, was dazu führte, dass sich die Produktionsunternehmen weder mit einer großen Variantenvielfalt an den Markt wagen mussten noch verlangten die bestehenden Märkte nach einer Kundenorientie- rung, wie wir sie heute kennen. Massenproduktion war damals das gängige und erfolgver- sprechende Schlagwort.1
Erst Ende der 70er Jahre änderten sich die damals vorherrschenden Grundsätze. Die in dieser Zeit für richtig gehaltenen Vorstellungen einer maximalen Auslastung der Maschinen, der Schaffung hoher Flexibilität durch das Vorhalten gewaltiger Lagerbestände sowie das Streben nach einer hohen Fertigungstiefe innerhalb der eigenen Produktion wichen allmählich aus den Köpfen der Produktionsverantwortlichen.2
Der Wandel vieler Märkte und damit einhergehend die Verdrängung des Verkäufermarktes durch den Käufermarkt als auch die immer rascher werdende Veränderung der Bedürfnis- struktur des Kunden stellen heute neue Herausforderungen an die Produktionssteuerung. Dringliche Kundenaufträge können weder durch enorme Lagerbestände an nicht benötigten Halb- und Fertigfabrikaten noch durch lange Durchlaufzeiten (DLZ) erfüllt werden. Diese füh- ren höchstens zu der Tatsache, dass die Unternehmen mit einem auffällig hohen Grad an Inflexibilität und Kapitalbindung zu kämpfen haben.3 Der Weg moderner PPS-Systeme geht daher klar in Richtung einer Flussorientierung, eines hohen Durchflussgrades und dem Prin- zip des Holsystems. Flexibilität durch hohe Bestände an Kapazitäten, anstelle von Materia- lien, sowie kurze Durchlaufzeiten sollen für eine kundenauftragsbezogene Fertigung sorgen.
U. a. durch Universalanlagen, kurzen Dispositionszyklen, geringerer Fertigungstiefe sowie einer dauerhaften und damit effizienten Qualitätskontrolle müssen Neben- und Rüstzeiten erheblich verkürzt werden.4
Die Praxis zeigte uns in den letzten Jahren in vielerlei Branchen eine Abwanderung von den Prinzipien einer Push-orientierten Fertigungssteuerung hin zur Anwendung des Pull-Prinzips. Dieser Entwicklung hätten die Unternehmen manchmal besser nur mit Bedacht Folge geleis- tet, denn hier gilt es klar zu untersuchen, welche Anforderungen an eine Fertigungssteue- rung gestellt werden und mit Hilfe welcher Prinzipien man den gesetzten Maßstäben am ehesten gerecht werden kann. Durch übereiltes Handeln zeigt sich ümliche Vorstellung, welche das Pull-Prinzip, mit sicherlich gewissen Vorteilen, oftmals als eine überall einsetzbare Gesamtlösung ohne Schwächen und Verbesserungspotenziale erscheinen lässt. Trotz diesem Trugschluss stellt sich die Frage, ob die traditionellen Produk- tionsprinzipien den gegenwärtigen Marktanforderungen in Bezug auf einen verstärkten Zwang zur Kundenorientierung, gewachsenen Ansprüchen bei Produkten und Prozessen, einem stetig steigendem Kostendruck sowie der zunehmenden Bedeutung des Zeitfaktors gewachsen sind oder ob Kundenorientierung, Qualität, Kosten sowie die Produktionszeit, als Erfolgsfaktoren, unter gewissen Prinzipien der Fertigungssteuerung zu leiden haben.5
1.2 Gang der Untersuchung
Um uns im Folgenden der Unterscheidung von Push- und Pull- Prinzipien zu widmen, bedie- nen wir uns innerhalb der Produktionsplanung und -steuerung der Unterscheidung nach dem Prinzip der Materialflusssteuerung bzw. der Anstoßlogik der Produktion. Weitere Mög- lichkeiten der Unterscheidung von Konzepten der Produktionsplanung und -steuerung wer- den in Abbildung 1 im Anhang lediglich erwähnt, da sie den Rahmen dieser Ausarbeitung sprengen würden.
Auch wird in dieser Arbeit zwar meist im Kontext der Industrie über Push und Pull gesprochen, allerdings unterscheiden sich die Funktionsweisen in Industrie und Handel kaum voneinander. Trotz gewissen Branchenunterschieden kann ein Vergleich der Industrie- mit der Handelsbranche durchaus Vorteile im Sinne eines Lerneffekts bewirken.
Nachdem im ersten Kapitel die Veränderungen der Märkte dargestellt und damit einherge- hend auch die Gründe für die Neuausrichtung der Unternehmen im Bereich der Fertigungs- steuerung genannt wurden, folgt im zweiten Kapitel, nach einer kurzen Einführung in die Entwicklung der PPS-Systeme, das Push-Prinzip. In diesem Kapitel liegt der Fokus allem voran bei den Einsatzmöglichkeiten, der Funktionsweise, sowie den Vor- und Nachteilen aber auch bei den Voraussetzungen einer Push-orientierten Fertigungssteuerung. Als gängi- ge Vertreter beschränkt sich dabei dieses Kapitel auf die Konzepte MRP I und MRP II, eben- so auch auf die belastungsorientierte Auftragsfreigabe (BoA), als einen ersten Schritt in Rich- tung dezentrale Fertigungssteuerung.
Das dritte Kapitel untersucht die gleichen inhaltlichen Eckpunkte wie bereits das vorangegangene Kapitel, allerdings liegt der Schwerpunkt in diesem Kapitel auf der Pull-orientierten Fertigungssteuerung. Als Vertreter dieses Prinzips werden vor allem Einblicke in das seit vielen Jahren aktuelle KANBAN-Konzept gewährt. Das vierte Kapitel schließt diese Ausarbeitung neben einem Fazit mit einem darin enthaltenen, kurzen Ausblick in die zukünftige Entwicklung von Systemen der Produktions- und Fertigungsplanung ab.
2. Das „Push-Prinzip“ in der Fertigungssteuerung
2.1 Einordnung in die PPS-Systeme
Jede Fertigungssteuerung verlangt heutzutage gewisse EDV-gestützte Instrumente. Darun- ter werden die klassischen PPS-Systeme verstanden, deren Entwicklung aus der Abbildung 2 ersichtlich wird. Die darin erwähnten Konzepte MRP-I, MRP-II sowie BoA werden in nachfolgenden Gliederungspunkten näher erläutert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Einordnung der PPS-Systeme
i. A. a. Wannenwetsch, H. (2010), S. 554
Jedes Unternehmen hat zur Erfüllung der Unternehmensziele, in Abhängigkeit ihrer Unter- nehmensstrategien, bestimmte Aufgaben zu erfüllen. Um die anfallenden Aufgaben, sowohl planerischer als auch physischer Natur, bewältigen zu können, nutzen die Unternehmen die so genannten PPS-Systeme. Diese Systeme unterstützen neben der Produktion selbst auch viele produktionsnahe Bereiche des Unternehmens und tragen neben der Datenverwaltung auch zur notwendigen Informationsversorgung der Mitarbeiter bei. Die entsprechende Da- tenbereitstellung sorgt für einen parallel möglichen Datenzugriff der Mitarbeiter und schafft dadurch die Möglichkeit der synchronen Bearbeitung und somit der Verkürzung der DLZ.6 PPS-Systeme sind i. d. R. so aufgebaut, dass die Gesamtheit aller Aufgaben der Produkti- onsplanung und -steuerung in kleinere Einzelaufgaben aufgegliedert wird, die der Einfach- heit halber Schritt für Schritt gelöst werden - Konzept der Sukzessivplanung.7
2.2 Die Konzepte MRP-I und MRP-II
2.2.1 Ziele und Funktionsweise
Im Gegensatz zu den PPS-Systemen wie wir sie heutzutage kennen, zielen ihre Vorgänger, die MRP-Konzepte, lediglich darauf ab erste Anhaltspunkte für eine bedarfsgerechte Produk- tion zu schaffen. Während zuvor nur losproduziert wurde, versuchen die MRP-Systeme ei- nen gewissen Planungs- und Bedarfsaspekt mit in die Produktion einzubringen. Dieses Ziel war zu früheren Zeiten, bei damals fehlenden Produktionsstrukturen, kein leichtes Unterfan- gen.
Die MRP-Systeme stützen sich dabei auf das Konzept der Top-Down-Planung, wonach die komplette Unternehmensplanung an der Strategie und den Zielen des Unternehmens an- setzt und sich von dort aus in die unteren Planungseinheiten der Hierarchie überträgt.8 Die Planung, genauer gesagt die Produktionsplanung, stellt immer die Basis für das Push- Prinzip dar.
Das MRP-I-Konzept, welches für Material Requirement Planning steht und häufig auch nur als MRP-Konzept bezeichnet wird, stellt auf Basis aktueller Kundenaufträge, Erwartungen aus der Bedarfsvorhersage und geplanten Lageraufträgen den Primärbedarf an Materialien für das anstehende Produktionsprogramm auf. Daraus resultieren durch das Auflösen von Stücklisten und unter Beachtung vorhandener Arbeitspläne die Sekundärbedarfe. Siehe hierzu Abbildung 3 im Anhang. Diese sind u. a. weitere Baugruppen, Unterbaugruppen sowie Einzelteile, die selbst gefertigt oder teilweise durch Fremdbezug beschafft werden. Die nun bekannten Sekundärbedarfe entsprechen allerdings dem Bruttobedarf, woraus durch einen Lagerabgleich der Nettobedarf ermittelt wird. Denn nur der noch benötigte Nettobedarf wird zu gleichen Fertigungslosen zusammengefasst, grob terminiert und anschließend zur Pro- duktion freigegeben.
Das Problem des MRP-I-Konzepts findet sich im ausschließlichen Bezug auf das benötigte Fertigungsmaterial und der damit ausbleibenden Berücksichtigung der Kapazitäten. In der Feinterminierung, in welcher die Bedarfe an Kapazitäten pro Periode durchaus ersichtlich werden, wird eine unbeschränkte Kapazität vorausgesetzt. Doch oft können ermittelte Produktionsaufträge nicht umgesetzt werden, da die benötigten Kapazitäten nicht vorhanden oder durch andere Fertigungsaufträge besetzt sind.9
Das MRP-II-Konzept, welches für Manufacturing Resource Planning steht, besteht aus meh- reren vernetzten und der eigentlichen Produktionsprogrammplanung vorangestellten Modu- len (z. B. Terminplanung, Kapazitätsabgleich, etc.), welches im Gegensatz zum MRP-I- Konzept auch die aktuelle Kapazitätssituation beachtet.10 Neben dem Kapazitätsabgleich der Maschinen erfolgt im Rahmen des MRP-II-Konzeptes auch ein Abgleich vorhandener Mitar beiter, eingelagerter Materialien und zur Verfügung stehender finanzieller Mittel mit den be- nötigten Ressourcen. Darüber hinaus setzt sich eine Zusammenführung der langfristigen, strategischen Ebene mit der Ebene des täglichen Leistungserstellungsprozesses durch, so- dass die unteren Hierarchieeinheiten erst dann aktiv werden, wenn endgültige Vorgaben der vorhergehenden Planungsebenen bestehen. Jeder in der Hierarchie untergeordnete Teilplan entspringt aus dem direkt übergeordneten Plan. Alle Teilplanungen lassen sich somit vom Unternehmensplan, der obersten und ersten Planungsinstanz, ableiten.11 Letztendlich steht beim MRR-I-Konzept die langfristige Planung über der Erstellung des tatsächlichen Produk- tionsprogramms mit Hilfe von Stücklisten, etc., wie anhand des MRP-I-Konzepts beschrie- ben.
2.2.2 Stärken und Schwächen
Im Gegensatz zu den traditionellen Systemen, die rein eine Stücklistenauflösung bei starren Produktionsverhältnissen zu Tage legen, finden insbesondere bei dem MRP-II-System ne- ben den Materialien auch die weiteren benötigten Ressourcen ihre zustehende Beachtung. Nur so kann eine Planung der Produktionsmittel als auch die Auftragszuweisung zu einer bestimmten Leistungseinheit innerhalb des Unternehmens stattfinden. Die MRP-Systeme bilden auch den Grundstein für die daraus fortgeführten ERP-Systeme, indem sie eine ge- samtwirtschaftliche Steuerung des Betriebes, nicht ausschließlich auf den Fertigungsbereich bezogen, zulassen und somit an die notwendigen Bereiche Finanzen, Instandhaltung, Mate- rialwirtschaft, F&E, Vertrieb, sowie dem Qualitätsmanagement und dem Personalwesen an- knüpfen.12 Die Funktionen des Unternehmens teilen sich lt. des MRP-Konzeptes in drei Ebe- nen auf: Erstens die Top Management Planung, welche den Masterplan als das wichtigste Dokument zur weiteren Steuerung erstellt, zweitens die Operations Management Planung, welche die aus vorheriger Ebene beschlossenen Top-Down-Ziele aufgrund der zunehmen- den Produktionsnähe überarbeitet und drittens die Operations Management Ausführung. So wird sichergestellt, dass einerseits die Ziele der Geschäftsleitung und damit die Unterneh- mensvision nicht untergehen aber andererseits durch die anschließende Planüberarbeitung der am Tagesgeschäft nächsten Ebene möglichst praxisnahe Vorhaben eingeleitet werden. Durch das Einbinden oben genannter, an die Produktion grenzender Bereiche wird der be- triebliche Produktionsprozess laufend und ausreichend mit Ressourcen versorgt, bei gleich- zeitigem Streben nach möglichst geringen Beständen.13
Ein Vorteil gegenüber der verbrauchsgesteuerten Disposition liegt bei der bedarfsgesteuer- ten Disposition darin, dass bereits im Vorfeld eventuell notwendige Maßnahmen wie Mitar beitereinstellung, externe Auftragsvergabe, etc. bei einer sichtlichen Abweichung der bisher beanspruchten Kapazitäten im Vergleich zur benötigten Kapazität in der kommenden Periode bzw. des kommenden Produktionsprogrammes, eingeleitet werden können. Die verbrauchsgesteuerte Disposition unter KANBAN hingegen ist von einer konstanten, längerfristigen Kapazitätsbeanspruchung abhängig, wie sich noch zeigen wird.14
Nirgends kann man sich einen Materialfluss ohne das Einwirken spezieller IT-Lösungen noch vorstellen. Gerade durch eine sehr zentralistisch geprägte Planung aller Bereiche entstehen hochkomplexe Zusammenhänge in den Ursache-Wirkungskreisen und erhöhen dadurch deutlich das Potenzial für mögliche Fehler. Genau dabei lassen sich die Schwächen des MRP-Konzeptes finden. Um die Gefahr menschlicher Fehler zu minimieren, folgen viele Un- ternehmen dem Ruf nach einer höheren Automatisierung. Diese entsteht durch den vermehr- ten Einsatz von IT, allerdings auf Kosten der erhöhten Fehlerfortpflanzung, da eine manuelle Kontrolle bei Datenfeldern in Millionenhöhe und teilweise täglichen Änderungen z. B. der Bedarfstermine, o. Ä. nicht mehr möglich ist. Hinzu kommen Eingabefehler durch die opera- tiven Tätigkeiten der Mitarbeiter. Die Folgen spiegeln sich in einer zunehmenden Unüber- sichtlichkeit sowie einer weitergehenden Entfernung zwischen der IT-Darstellung und den physischen Abläufen in der Realität wider. Um die Lieferfähigkeit trotzdem einigermaßen zu bewahren, müssen weitere Bestände aufgebaut werden; die Verschwendung im Unterneh- men steigt. Deswegen führen komplexe, zentral angelegte Planungen, wie die der beschrie- benen MRP-Konzepte, welche stark von einer funktionierenden IT-Lösung abhängen, eher zu Problemen, als dezentrale Systeme, welche nach zentraler Grobplanung die aktuelle Fer- tigung selbst regeln.15
Auch finden in der Praxis, trotz Beachtung der Kapazitätssituation im MRP-II-Konzept, doppelte Maschinenbelegungen, durch mehrfache Einplanung derselben Kapazität für unterschiedliche Aufträge, oftmals keine ausreichende Beachtung. Daraus resultieren lange DLZ, Terminverschiebungen und eine schlechte Lieferfähigkeit.
In der Praxis konnte sich MRP-II, wie auch sein Vorgänger, augenscheinlich nicht dauerhaft etablieren. Zu schnell entwickelten sich die Ziele in der Fertigung weiter, sodass neue Kon- zepte, wie etwa die heutigen PPS-Systeme, notwendig wurden und somit die MRP-Konzepte als erste Mittel der Fertigungsplanung erst gar nicht völlig ausgereift wurden. Weg von der ausschließlich dezentralen Planung führte die Entwicklung in den Unternehmen eher in die entgegengesetzte Richtung, d. h. hin zur zentralen Fertigungssteuerung.16 Ein erster Schritt in diese Richtung zeigt sich im Konzept der Belastungsorientierten Auftragsfreigabe (BoA), welche vorwiegend im Bereich der gemischten Serienfertigung ihre optimale Eignung findet.
2.3 Die belastungsorientierte Auftragsfreigabe
2.3.1 Ziele und Funktionsweise
Die Ziele bei diesem Verfahren sind klar: Senken der DLZ und der Bestände bei gleichzeiti- ger maximaler Auslastung der vorhandenen Kapazitäten sowie einer hohen Termintreue. Vor allem die maximale Maschinenauslastung steht hierbei deutlich im Vordergrund. Jedoch ins- besondere die Verkürzung der Durchlaufzeit zieht eine ganze Menge von positiven Auswir- kungen mit sich.17 Jeder redet zwar davon, doch vielen ist das enorme Ausmaß bzw. das enorme Potenzial einer geringeren DLZ nicht vollends bekannt. Eine kurze DLZ verspricht sowohl eine hohe Termintreue, speziell bei Anwendung des First-in-First-out-Prinzips, als auch höhere Verkaufschancen der Produkte, da Änderungen im Anforderungsprofil des Marktes in Kürze berücksichtigt werden können. Zudem werden automatisch die Bestände in der Produktion verringert, was dazu führt, dass die Kapitalbindung im Unternehmen ab- nimmt, sodass die Finanzmittel für andere Zwecke wie Kredittilgung, Investitionen, usw. ver- wendet werden können. Auch der Platzbedarf wird gesenkt, wodurch wiederum die Über- sichtlichkeit des Produktions- und Logistikbereichs im Unternehmen verbessert wird.Ein Unternehmen profitiert demzufolge auf alle Fälle von möglichst kurzen DLZ.18
Wie die Bezeichnung belastungsorientierte Auftragsfreigabe bereits vermuten lässt, knüpft dieses Steuerungssystem der Fertigung an die Belastung der Arbeitsplätze bzw. der Belas- tungsgruppen an. Es soll eine Belastung in dem Maße vorherrschen, welche sich auch tat- sächlich zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme bestimmter Maschinen bewältigen lässt. Der bisherige Arbeitsvorrat wird durch das Konzept der BoA minimiert, was eine kürzere DLZ zur Folge hat. Bekannt ist in diesem Zusammenhang das Trichtermodell, welches die einzelnen Belastungen der jeweiligen Arbeitsplätze, Arbeitsgruppen, usw. veranschaulicht. Siehe hier- zu Abbildung 4. Dabei ist die Füllhöhe des Trichters ein Zeichen für den aktuellen Auftrags- bestand und der wesentlich kleinere Auslass des Trichters steht für die vorhandene Kapazi- tät an dieser Belastungsgruppe.19
Tatsächlich aber lebt die BoA sogar von zwei hintereinandergeschalteten Trichtern, die es für jeden Auftrag zu durchlaufen gilt. Neben der Terminschranke, nutzt die BoA eine Belas- tungsschranke als zweites wichtiges Instrument, welche auch in Abbildung 5 ersichtlich ist. Diese ist notwendig, da die Kapazitäten eines Betriebes oder eines Betriebsteiles, zumindest bei kurzfristiger Betrachtung, einen eher fixen Charakter aufweisen. D. h. im Regelfall kön- nen, trotz drängender Aufträge seitens der Kundschaft, nicht binnen weniger Stunden neue Kapazitäten durch zusätzlich bereitgestellte Maschinen oder Anlagen aufgebaut werden.
[...]
1 Vgl. Adam, D. (1988), S. 6.
2 Vgl. Arnreich, R. (1988), S. 122.
3 Vgl. Zäpfel, G./Missbauer, H. (1988), S. 24.
4 Vgl. Wannenwetsch, H. (2010), S. 585.
5 Vgl. Wildemann, H. (2008), S. 2.
6 Vgl. Schmitz, R. (1998), S. 328f.
7 Vgl. Dorninger, C. (1991), S. 21.
8 Vgl. Wannenwetsch, H. (2010), S. 553.
9 Vgl. Dickmann, E. (2009), S. 375; Wannenwetsch, H. (2010), S. 553.
10 Vgl. Dickmann, E. (2009), S. 376.
11 Vgl. Blohm, H., et al. (2008), S. 448.
12 Vgl. Blohm, H., et al. (2008), S. 449.
13 Vgl. Bichler, K./Kalker, P./Wilken, E. (1992), S. 33f.
14 Vgl. Wildemann, H. (1989), S. 286.
15 Vgl. Dickmann, E. (2009), S. 384f.
16 Vgl. Schulte, C. (2009), S. 419.
17 Vgl. Glaser, H./Geiger, W./Rohde, V. (1992), S. 201.
18 Vgl. Müller, J. (1998), S. 132.
19 Vgl. Wannenwetsch, H. (2010), S. 588.