Können wir den Konsequentialismus entkräften, indem wir mit moralischen Intuitionen argumentieren?


Essay, 2009

5 Seiten


Leseprobe

Die Frage nach dem richtigen Handeln beschäftigt bis heute verschiedene moralphilosophische Lager. Sollen Handlungen moralischen Geboten folgen? Wenn ja, wer legt diese fest, was wären die richtigen moralischen Gebote? Oder sollten unsere Handlungen danach beurteilt werden, welche Folgen sie nach sich ziehen? Welche Folgen sind gut, welche schlecht? Hier handelt es sich um einige Beispiele aus dem Fragenkatalog moralphilosophischer Fragestellungen. An dieser Stelle möchte ich eben diese Fragen kurz aus der Perspektive eines Konsequentialistischen Moralkonzeptes betrachten.

Ob nun eine Handlung richtig oder falsch ist, hängt ausschließlich von ihren Konsequenzen ab. Wenn wir vor der Entscheidung stehen, welche Handlung wir in einer bestimmten Situation ausführen sollten, werden wir mit verschiedenen Handlungsalternativen konfrontiert. Wir müssen diese Handlungsalternativen also miteinander vergleichen. Als Vergleichsaspekt dient uns die jeweils berechnete Konsequenz jeder Handlung. Allgemein können wir hier vorerst festlegen, dass diejenige Handlung, die gute Konsequenzen nach sich zieht, derjenigen, die schlechte Konsequenzen nach sich zieht, vorzuziehen ist.

Die Frage, die sich unmittelbar anschließt, ist, woran man „gute“ und „schlechte“ Konsequenzen festmachen kann. Was sind gute Konsequenzen? Woran müssen sich die Konsequenzen messen? Sollen die besten Konsequenzen für mich gelten oder die besten Konsequenzen für die gesamte Menschheit oder für eine bestimmte Mehrheit gelten?

Antwort finden diese Fragen von Moraltheorien, wie dem Handlungsutilitarimus. Die besten Konsequenzen einer Handlung sind beispielsweise diejenigen, welche den Gesamtnutzen maximieren. Das heißt, die besten Konsequenzen beziehen sich eben nicht auf die einzelne Person oder gar auf einen selbst. Die Konsequentialistische Theorie ist keine egoistische Theorie. Der Nutzen sollte für die Gesamtheit gesteigert werden, wobei Einbüßungen einiger weniger in Kauf genommen werden. Nutzen kann und wird wiederrum unterschiedlich definiert und aufgefasst, weshalb ich es an dieser Stelle unter Vorbehalt schlicht und einfach bei „Nutzen“ belasse.

Aus diesem Grund kann man den Konsequentialisten unterstellen, dass sie, in einem Fall, in dem Sklaverei den Gesamtnutzen einer Gesellschaft maximierte, diese nicht nur tolerieren würden, sondern sogar gebieten. Machen wird dies doch an einem fiktiven Beispiel fest:

Nehmen wir an, es gibt zwei Inseln, von denen eine, „Juba“, Sklaverei betreibt und die andere, „Camaica“ Sklaverei abgeschafft hat. Während Juba zum ökonomischen Wohlstand gelangt und die Sklaverei durch politische Rahmenbedingungen eingeschränkt wurde (keine harten Strafen, Lohn für die Sklaven), verarmt Camaica nach der Abschaffung der Sklaverei; dem Volk und den ehemaligen Sklaven geht es insgesamt schlechter als denjenigen auf Juba.

In diesem Beispiel stellt Sklaverei eindeutig eine Maximierung des Gesamtnutzens der Inselbevölkerung da. Ist es aber diejenige Alternative mit den besten Konsequenzen? Ginge es Juba vielleicht nicht ohne Sklaverei noch besser? Die Frage, auf die ich eigentlich hinaus will, ist diejenige, ob es ausreichend ist zu sagen, nur weil es Camaica ohne Sklaverei schlechter geht als Juba, dass Juba die Alternative mit den besten Konsequenzen gewählt hat. Immerhin muss eingeräumt werden, dass hier nur zwei konkrete Alternativen betrachtet werden, wobei es sicherlich weitere gibt. Man kann doch wohl kaum annehmen, die Lösungen von Juba und Camaica seien die einzigen beiden möglichen Alternativen. Nur weil Camaica es nicht schafft, ihrer Bevölkerung ohne Sklaverei zu Wohlstand zu verhelfen, ist dies kein Indiz dafür, dass es generell unmöglich ist, eine wohlständige Gesellschaft ohne Sklaverei aufrecht zu erhalten. Weiterhin ist es auch nicht ersichtlich, ob nicht eine andere Form ohne Sklaverei, beispielsweise durch eine bestimmte politische Organisation, den Gesamtnutzen der jeweiligen Gesellschaft weitaus mehr maximieren würde, als Jubas Alternative. Also ist es auch erst einmal fraglich, ob nicht auch Konsequentialisten hier einräumten, dass Jubas Alternative vielleicht gar nicht diejenige Alternative mit den besten Konsequenzen ist.

Nehmen wir aber an, es existieren nur diese beiden Alternativen, auf deren Grundlage wir entscheiden könnten. Dann würde der Konsequentialist postulieren, die Sklaverei- Alternative sei diejenige mit den besten Konsequenzen, weil sie den Gesamtnutzen maximiert. Handlungsvorschlag an Camaica von den Konsequentialisten: Führt die Sklaverei wieder ein. Nehmt euch ein Beispiel an Juba.

Aber nicht nur unser moralisches Alltagsgefühl, sondern auch andere Moraltheorien, welche nicht der Konsequentialistischen Quelle entspringen, wie die Deontologie, würden an dieser Stelle einschreiten. Gibt es denn nicht Handlungen, die immer falsch sind? Die man immer ablehnen müsste? Was hält unser moralisches Alltagsverständnis von dieser „Kommt-drauf-an“-Einstellung der Konsequentialisten? Sklaverei ist doch eine Verletzung der Menschenwürde; der freie Wille und die Freiheit der Menschen sind in der Sklaverei nicht von Bedeutung, sie werden missachtet. Können Konsequentialisten wirklich wollen, dass eine bestimmte Menge an Menschen, einer größeren Menge an Menschen untergeordnet wird, gesellschaftlich und politisch einflusslos sind und ihr Leben nur insoweit von Interesse ist, dass sie den andern bedingungslos und absolut dienen und gehorchen müssen?

Um nun den möglichen Einwand der Konsequentialisten zu verstehen, müssen wir uns fragen, wie wir zu unserm moralischen Alltagsverständnis kommen. Es ist naheliegend, Moral nicht als ein, von Geburt an gegebenes Wissen aufzufassen, welches jedem Menschen gegeben ist, denn sonst gebe es diese moralische Debatte erst gar nicht, denn wir wären uns alle einig, welche Handlungen nun wirklich moralisch richtig und welche moralisch falsch sind.

Vielmehr ist Moral oder besser, ist unser Moralverständnis etwas Erlerntes, welches wir mit derjenigen Gesellschaft, in welcher wir aufwachsen, teilen. Moral ist also eine Art Wert der jeweiligen Gesellschaft, welcher sich interindividuell von dem Moralwert anderer Gesellschaften unterscheiden kann. Wenn wir den Konsequentialisten nun vorwerfen, dass sie Sklaverei, auch wenn sie den Gesamtnutzen maximiert, nicht gebieten dürften, da sie nicht nur unserer Alltagsmoral widerspricht, sondern auch gegen die Würde eines jeden Menschen ist und deren Freiheit verletzt, müssen wir mit Unverständnis rechnen.

Zunächst einmal gibt es für den Konsequentialisten keine moralischen Gebote, nach denen er sich richtet. Er entscheidet nur nach einem Moralprinzip, nämlich dem Prinzip des größtmöglichen Gesamtnutzens. Weiterhin können wir mit unseren moralischen Intuitionen genau dann an eine Argumentationsgrenze stoßen, wenn der Konsequentialist uns vorwirft, dass unser Moralverständnis willkürlich sei und schlicht und einfach falsch sein könnte. Erinnern wir uns: unser Moralverständnis ist ein künstliches Gebilde, über welches innerhalb der Gesellschaft, in welcher wir leben, eine stille Übereinkunft getroffen wurde. Deshalb ist es willkürlich. Willkür impliziert, dass wir genauso gut andere Moralvorstellungen erlernen, ver- und anwenden hätten können. Außerdem existieren andere Kulturen und Gesellschaften, in denen es andere Werte, als die Unsrigen gibt. Somit begegnen wir auch unterschiedlichen moralischen Alltagsvorstellungen. Es gibt sogar Organisationen, welche vollkommen von unserem Moralverständnis abweichen (wie beispielsweise die Mafia). Diese Willkür ist ein Indiz dafür, dass unser Moralverständnis falsch sein kann. Wir haben keinen Garant dafür, dass unsere Intuition auch das ist, was nun wirklich moralisch richtig ist. Wir können es uns nicht anmaßen, den Konsequentialisten vorzuwerfen, dass Sklaverei unter bestimmten Bedingungen zu gebieten, moralisch falsch sei. Ihn interessieren keine Gebote der Moral, die uns einen Absolutismus vorschreiben. Für ihn gibt es keine Handlungen, die immer moralisch falsch sind, ganz egal, wie gut die Konsequenzen wären, denn sein moralisches Prinzip richtet sich nur und ausschließlich nach den Konsequenzen.

Nun stehen wir mit unserer Alltagsmoral vor einem Problem. Wir können den Konsequentialistischen Standpunkt nicht mit moralischer Intuition entkräften, denn er akzeptiert unsere moralischen Gebote nicht. Wenn der Gesamtnutzen einer bestimmten Menge maximiert wird zu einem bestmöglichen Zustand, dann ist es nicht verwerflich, dass Unglück einzelner, weniger Personen in Kauf zu nehmen. Die Sklaverei, wie sie im Juba-Beispiel beschrieben ist, hat sogar den Zustand der Sklaven selber verbessert im Vergleich zur ursprünglichen Sklaverei, wobei es natürlich immer noch fraglich ist, ob die politische Prohibition von harten Strafen und die Einführung einer Entlohnung der Sklaven, ausreichende Rechtfertigung dafür ist, dass auch die Sklaven von dem ökonomischen Wohlstand der Inselbevölkerung Nutzen tragen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 5 Seiten

Details

Titel
Können wir den Konsequentialismus entkräften, indem wir mit moralischen Intuitionen argumentieren?
Hochschule
Technische Universität Dortmund
Autor
Jahr
2009
Seiten
5
Katalognummer
V169443
ISBN (eBook)
9783640882984
ISBN (Buch)
9783640883271
Dateigröße
415 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
können, konsequentialismus, intuitionen
Arbeit zitieren
Mendina Morgenthal (Autor:in), 2009, Können wir den Konsequentialismus entkräften, indem wir mit moralischen Intuitionen argumentieren?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/169443

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