Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Moderne und Postmoderne
3. Parodie und Komik
3.1 Definition Parodie
3.2 Definition Komik
3.3 Funktionen der Komik
3.4 Mittel der Komik
4. Analysefragestellung / Leitthese
Fazit
Primärliteratur:
Sekundärliteratur:
Film:
Internetquellen:
1. Einleitung
Der Don-Juan-Stoff existiert seit weit über 300 Jahren und doch scheint er noch immer das Interesse des Publikums und der zeitgenössischen Schriftsteller zu halten. Allein im zwanzigsten Jahrhundert erschienen mehr als 350 Titel weltweit, die zumindest einen Bezug zum Don-Juan-Thema aufweisen.[1] Bei dieser gewaltigen Zahl stellt sich unweigerlich die Frage nach der Erschöpfbarkeit des Stoffes.[2]
Warum gibt Don Juan noch immer Anlass, über ihn nachzudenken, zu schreiben und ihn zu verändern? Was macht den einst Strumpfhosen tragenden Held De Molinas, Molières und Da Pontes so zeitlos attraktiv, dass man ihn in neuem Gewand auch im zwanzigsten Jahrhundert auf der Bühne, in Büchern und in Filmen findet?
In dieser Arbeit soll anhand der Beispiele „ Ornifle ou Le courant d'air “ von Jean Anouilh und Vitaliano Brancatis „ Don Giovanni in Sicilia “ insbesondere das Phänomen der parodistischen Herangehensweise an den Don-Juan-Stoff beleuchtet werden.
Vornehmlich im 20. Jahrhundert spielt die komische Form der Intertextualität generell eine große Rolle, weshalb es nahe liegt, die Frage nach dem Zusammenhang zwischen dem Don-Juan-Stoff, der parodistischen Schreibweise und den literarischen Epochen des zwanzigsten Jahrhunderts zu stellen.
Besonderes Augenmerk wird dabei auf der Komik liegen, die beide Werke in besonderer Weise kennzeichnet. Es soll erörtert werden, inwiefern sie in diesen zwei recht jungen Don-Juan-Bearbeitungen eine Rolle spielt und wie sie mit der Intertextualität des Themas zusammenhängt.
Hauptsächlich werde ich mich dabei auf Beate Müllers Dissertation mit dem Titel „Komische Intertextualität – die literarische Parodie“ beziehen, da Müller in ihrer Dissertation besonders auf die Untersuchung der parodistischen Verfahrensweisen eingeht.
Zunächst müssen jedoch die „literarische Moderne“ und die „Postmoderne“ definiert werden, um darauf aufbauend die Werke literaturgeschichtlich einordnen zu können und um hinsichtlich der Leitthese der Analyse eventuell einen höheren Zusammenhang zwischen den Texten, den literarischen Strömungen und dem Aspekt der Komik und der Intertextualität zu erkennen.
Um mit den recht komplexen Termini Parodie und der Komik sinnvoll arbeiten zu können, werde ich im Anschluss an die literaturgeschichtliche Einordnung diese beiden Begriffe erörtern und einen kurzen Abriss über gängige Theorien geben.
Anknüpfend an die Ausführung der zu untersuchenden Aspekte soll anhand der beiden für diese Arbeit relevanten Don-Juan-Bearbeitungen analysiert werden, welche Motivation seitens der Autoren für eine Don-Juan-Parodie vorliegen könnte, wieso der Don-Juan-Stoff sich gerade im zwanzigsten Jahrhundert dafür anbietet, parodiert zu werden und mit welchen Mitteln das Ziel der intertextuellen und textimmanenten Komik erreicht wird.
2. Moderne und Postmoderne
Die literarische Moderne zeichnet sich besonders durch die gesteigerte Bedeutung des „radikal Neuen“ aus.[3] Der rasche und ständige Wandel der Lebensumstände um die Jahrhundertwende und folgend hält bis heute an und verlangt jedem Individuum dieser Zeit ein Höchstmaß an Flexibilität ab. Genau diese Tendenz lässt sich auch in der modernen Kunst wieder finden. Literatur, Bildende Kunst und Film stellen ähnliche Anforderungen an ihre Rezipienten wie dies die reale Umwelt tut, weshalb Werke dieser Zeit oft als anstrengend und unbequem in die Kritik gerieten.
Wie also passt der alte Don-Juan-Stoff in diese literarische Strömung, die ständig auf der Suche nach dem radikal Neuen zu sein scheint?
In ihrem Essay „Literarische Moderne – Begriff und Phänomen“ bestimmen Sabina Becker und Helmuth Kiesel als Grundtendenz der modernen Literatur das Changieren „zwischen den Polen Provokation und Institution“.[4] Anders gesagt ist der Gegenpol des Neuen - namentlich der Provokation - das Institutionelle, folglich das Althergebrachte. Ein Changieren zwischen diesen beiden Polen erklärt die neue Beschäftigung mit einem alten Stoff wie dem des Don Juan.
Eine weitere mögliche Antwort auf diese Frage könnte die Postmoderne darstellen. Betrachtet man die Daten der Veröffentlichung von Brancatis und Anouilhs Don-Juan-Bearbeitungen[5], so fällt auf, dass sie entweder in einer späten Phase der Moderne anzusiedeln sind oder aber in einem frühen Stadium der Postmoderne.
In Grabes „Einführung in die Literatur und Kunst der Moderne und Postmoderne“ widmen sich mehrere Seiten dem Thema „Relativierung des Vertrauten“ in der Postmoderne. Ein eigener Unterpunkt beschäftigt sich mit „Ironie, Parodie, Travestie“, also mit der häufig vorzufindenden komischen Intertextualiät in Werken dieser literarischen Epoche.
Auch in dieser Abhandlung wird jedoch klar, dass sich die Parodie des zwanzigsten Jahrhunderts an sich nicht eindeutig in die Epoche der Postmoderne einordnen lässt. Grabes schreibt, „schon in der Spätphase der Moderne“ könne „man eine Hinwendung zu Parodie beobachten.“[6]
Der Versuch, die Moderne von der Postmoderne abzugrenzen, ist generell ein Unterfangen, das ganze Regale voller Bücher füllt, weshalb ich in dieser Arbeit davon absehen möchte, Grenzen ziehen zu wollen, die in diesem Kontext nicht klar zu definieren sind. Dennoch werde ich im Analyseteil auf moderne, beziehungsweise postmoderne Merkmale eingehen, insbesondere in Bezug auf die komische Intertextualiät, d. h. den Parodiecharakter der beiden Werke.
3. Parodie und Komik
"Komisch ist etwas oder muß es sein, mit dem man - grausamer- und angenehmerweise - nicht fertig wird, schon gar nicht durch eine Theorie"[7] schreibt Odo Marquardt über die zahlreichen Versuche, Komik zu theoretisieren. Wäre Komik einfach zu greifen und zu erklären, könnte sie kaum eine solch heftige Reaktion auslösen, dass die durch sie ausgelösten Emotionen sich in einer heftigen körperlichen Reaktion – dem Lachen – entladen, an dem beinahe 100 Muskeln beteiligt sind.[8]
Trotzdem beschäftigen sich Dichter, Autoren und Wissenschaftler zahlreicher Disziplinen seit Jahrtausenden mit diesem uralten Phänomen. Schon Homer und Aristoteles schrieben über die Ursache des Lachens, sowie über die mögliche Nutzung dieses Phänomens für die Kunst.[9] Doch obwohl sich die einzelnen Kulturkreise tendenziell darüber einig zu sein scheinen, was lustig ist und was nicht, scheint die Theorie der Komik hochkomplex.
Ähnlich schwierig erweist sich die Definition des Phänomens der Parodie. In ihrer Dissertation „ Komische Intertextualität: die literarische Parodie “ schreibt Beate Müller in der Einführung, die Parodie sei „häufig als parasitär betrachtet und dementsprechend stiefmütterlich behandelt worden, so dass sie insgesamt – trotz interessanter und guter Untersuchungsergebnisse zu einzelnen Aspekten – nicht als gründlich erforscht gelten darf.“[10] Problematisch sieht sie vor allem die unzureichende Globalität der gängigen Definitionen und die Frage, ob die Parodie als Gattung oder als Schreibweise gewertet werden solle.
Klare Grenzziehungen lehnt sie mit dem Einwand ab, „die Abgrenzung von Parodie von benachbarten Phänomenen“ sei „ein sehr schwieriges, ja methodisch bedenkliches Unterfangen.“
Diesem Unterfangen möchte ich in der vorliegenden Arbeit keinen Raum einräumen, da für die Analyse der Texte vor allem die Untersuchungsmethodik Müllers eine Rolle spielen wird, die nach Merkmalen und Mitteln in parodistischen Werken fragt.
Nichtsdestotrotz soll hier (in stark vereinfachter Form) kurz erläutert werden, was gemeinhin unter Parodie verstanden wird.
3.1 Definition Parodie
Die literarische Parodie lässt sich historisch bis zur griechischen Antike verfolgen, bleibt aber dennoch ein typisches Phänomen der zeitgenössischen Literatur. Etymologisch lässt sich das Wort Parodie aus dem Griechischen von dem Präfix „para“ (neben, gegen oder bei) und dem Wort für Gesang oder Lied „odia“ ableiten, bedeutet also „Nebengesang“ oder „Gegenlied“, dies variiert je nach Übersetzung.
Im allgemeinen Sprachgebrauch wird die Parodie als „verzerrende, übertreibende oder verspottende Nachahmung eines bekannten Werkes“ angesehen.[11] So einfach ist eine wissenschaftliche Definition allerdings nicht. Während die einen die Parodie als ein „die Norm affirmierendes, konservatives Genre“ abtun, sehen andere in ihr ein Beispiel für Intertextualität, oder sogar das Paradebeispiel der selbigen.[12] Ohne die Parodie in dieser Kürze klar definieren oder abgrenzen zu wollen, kann man verallgemeinernd sagen, dass die Parodie eine Form der „Relativierung des Vertrauten“[13] darstellt, wobei die dabei entstandenen Veränderungen komische Elemente beinhalten oder aber im Kontrast zum Vertrauten Komik entsteht.
Grundsätzlich sind bei Brancatis und Anouilhs Texten die beiden Grundpfeiler einer jeden Parodie gegeben: Komik und Intertextualität, wobei die Komik sich mitunter, doch nicht ausschließlich, durch die Intertextualität bedingt. Eine Besonderheit bringt der vorliegende Fall jedoch mit sich. Während Müller sich weitestgehend mit einzelnen parodierten Texten beschäftigt, gilt es hier, die Gesamtheit der Texte des Stoffes nicht zu verachten.
[...]
[1] Vgl. Jacobs, Hans J.: Don Juan – heute, Die Don Juan-Figur im Drama des zwanzigsten Jahrhunderts. Mythos und Konfiguration, Hrsg. Koppen, Erwin, CMZ-Verlag, Rheinsbach-Merzbach, 1989. (im Folgenden abgekürzt durch „Jacobs: Don Juan – heute. “
[2] Vgl. Jacobs: Don Juan – heute.
[3] Vgl. Grabes, Herbert: Einführung in die Literatur und Kunst der Moderne und Postmoderne, A. Francke Verlag Tübingen und Basel, 2004, S. 1 - 6.
[4] Becker, Sabine und Diesel, Helmuth (Hrsg.): Literarische Moderne: Begriff und Phänomen, Walther de Gruyter GmbH & Co KG, Berlin, 2007. (S. 9)
[5] Publikation Brancati, Vitaliano: Don Giovanni in Sicilia im Jahre 1942
Publikation Anouilh, Jean: Der Herr Ornifle im Jahre 1955
[6] Vgl. Grabes, Herbert: Einführung in die Literatur und Kunst der Moderne und Postmoderne, A. Francke Verlag Tübingen und Basel, 2004, S. 73.
[7] Marquard, Odo: Exile der Heiterkeit, in: Preisendanz, Wolfgang (Hrsg.): Das Komische. Wilhelm Fink Verlag, München, 1976, S. 143.
[8] Vgl. http://www.news.de/gesundheit/728772252/lachend-zum-waschbrettbauch/1/ (05.03.2010)
[9] Bachmaier, Helmut (Hrsg.): Texte zur Theorie der Komik, Philipp Reclam jun. Stuttgart, 2005.
[10] Vgl. Müller, Beate: Komische Intertextualität: Die literarische Parodie, in: Stratmann, Gerd: Horizonte: Studien zu Texten und Ideen der europäischen Moderne, Band 16, Wissenschaftlicher Verlag Trier, 1994. (Im Folgenden abgekürzt durch: Müller, Beate: Komische Intertextualität)
[11] Nach Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Parodie, 03.03.2010.
[12] Vgl. Müller, Beate: Komische Intertextualität.
[13] Vgl. Grabes, Herbert: Einführung in die Literatur und Kunst der Moderne und Postmoderne, A. Francke Verlag Tübingen und Basel, 2004, S. 70.