Britische Presse und Dekolonisation. Daily Mirror und Daily Express zum Mau Mau-Aufstand in Kenia Anfang der 1950er Jahre


Magisterarbeit, 2001

108 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

I. Einleitung

II. Die Kreuzritter – Daily Express und Daily Mirror in den 1950er Jahren
I. Der Daily Express: Lord Beaverbrooks „Propaganda-Maschine“
II. Der Daily Mirror: Anwalt und Sprachrohr des „kleinen Mannes“

III. Mau Mau – Ein Topthema der britischen Presse
I. Daily Express
II. Daily Mirror

IV. Vom Notstand zum Krieg: Die Genese des Aufstandes im Daily Express und Daily Mirror
I. Daily Express
II. Daily Mirror

V. Wer oder was ist Mau Mau? Die Sicht auf den Gegner
I. Daily Express
II. Daily Mirror

VI. Opfer, Helden oder Rassisten? Die Sicht auf die weißen Siedler
I. Daily Express
II. Daily Mirror

VII. “Wilde” oder afrikanische Märtyrer? Die Sicht auf die Kikuyu

VIII. Der Fall Kenyatta und die Sicht auf den afrikanischen Nationalismus
I. Daily Express
II. Daily Mirror

IX. Repression oder Notwendigkeit? Die Sicht auf die Politik der Regierung
I. Daily Express
II. Daily Mirror

X. “What is going on in our Colonies?” Der Fall Griffiths und die Folgen
I. Daily Express
II. Daily Mirror

XI. Rassentrennung, Entwicklung und Treuhandprinzip – Die Debatte um Reformen in Kenia
I. Daily Express
II. Daily Mirror

XII. Schlussbemerkungen

XIII. Bibliographie

Anhang

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

I. Einleitung

Im Jahre 1960, dem sogenannten „afrikanischen Jahr“, wurden siebzehn Staaten Afrikas aus der Taufe gehoben. In den nächsten Jahren sollte auch die Mehrzahl der britischen Kolonien in Afrika in die politische Unabhängigkeit entlassen werden. Der ehemalige britische Premierminister Clement Attlee sagte damals:

There have been many great Empires in the history of the world that have risen, flourished for a time, and then fallen. [...] There is only one Empire where, without external pressure or weariness at the burden of governing, the ruling people has voluntarily surrendered its hegemony over subject peoples and has given them their freedom. […] This unique example is the British Empire.[1]

Der hier beschworene Mythos vom friedlichen Ende des Empire bzw. seiner Überführung in das Commonwealth wird besonders durch eine Reihe kolonialer Konflikte der späten 1940er und 1950er Jahre getrübt. Der Dschungelkrieg gegen kommunistische Rebellen in Malaya (1948 – 1955), der Kampf gegen die zypriotische Unabhängigkeitsbewegung (1954 – 1959) und die Niederschlagung des Mau Mau-Aufstandes in Kenia (1952 – 1959) sind nur die bedeutendsten jener Krisen innerhalb des britischen Kolonielreichs, die statt des aseptischen offiziellen Begriffs „Emergency“ viel eher die Bezeichnung „Kolonialkriege“ verdienten.[2] Sie zeugen davon, dass Großbritannien in den 1950er Jahren keineswegs bereit war, irgend eines dieser kolonialen Völker in die „Freiheit“ zu entlassen. Der blutigste jener Konflikte, der Mau Mau-Aufstand in Kenia, genauer seine Wahrnehmung durch einen Teil der britischen Presse steht im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit.

In der Forschung hat sich für den Zusammenbruch der europäischen Kolonialreiche nach dem Zweiten Weltkrieg der Dachbegriff „Dekolonisation“ durchgesetzt. Beginnend mit der Unabhängigkeit Indiens 1947 bis zur Übergabe von Hongkong an die Volksrepublik China im Jahre 1999 wird die britische Dekolonisation als ein Prozess betrachtet, dessen scheinbare Zwangsläufigkeit sich im wesentlichen daraus ergibt, dass er historisch ist. Der Mau Mau-Aufstand ist im weitesten Sinne ein Element dieses Prozesses. Dennoch wurde er in der Zeit selbst nicht als solches gesehen. Der Gegensatz zwischen retrospektiver Sinnstiftung und der Wahrnehmung historischer Ereignisse in der Zeit selbst, ist gerade im Hinblick auf das Thema Dekolonisation offensichtlich. Nichts lag beispielsweise den politischen Eliten in Großbritannien nach dem Zweiten Weltkrieg ferner als der Gedanke, die afrikanischen Kolonien innerhalb von weniger als 20 Jahren in die Unabhängigkeit zu entlassen. Stattdessen wollte man das afrikanische Kolonialreich vor allem wirtschaftlich „entwickeln“ und enger an das Mutterland binden.[3] Koloniale Experten und Administratoren waren davon überzeugt, dass besonders afrikanische Völker zur Selbstregierung noch längst nicht in der Lage wären. Im Jahre 1954 schrieb Sir Philip Mitchell, von 1944 bis 1952 Gouverneur Kenias, mit Blick auf die britischen Kolonien im östlichen und südlichen Afrika:

It is common ground that the great mass of the people of this region are still in a state of ignorance and backwardness, uncivilized, superstitious, economically weak to the point of near helplessness and quite unable to construct a civilized future for themselves up their own bootstraps.[4]

Mitchell und andere sprachen von einer Zeitspanne von 50 bis 250 Jahren in der afrikanische Völker unter mehr oder minder strenger Kontrolle der Kolonialmacht bleiben müssten.[5]

Der Mau Mau-Aufstand stellt sich als gewaltsamer Einbruch in die kolonialen Blütenträume der Nachkriegszeit dar. In Kenia, seit Beginn des 20. Jahrhunderts britische Kolonie, hatte sich in den 1940er und 1950er Jahren eine Unmenge sozialen, politischen und ökonomischen Sprengstoffs angesammelt. Die politische und ökonomische Dominanz einer zahlenmäßig relativ geringen europäischen Siedlergemeinschaft stellte eines der Grundprobleme dar. Ein großer Teil der etwa 30 000 meist britischen Siedler lebte in den sogenannten White Highlands, einem 30 000 qkm großen Areal in Zentralkenia, in dem Afrikaner kein Land besitzen durften. Ihre unmittelbaren afrikanischen Nachbarn, die Kikuyu, waren mit über einer Million die größte Ethnie Kenias. Sie lebten in übervölkerten Eingeborenenreservaten, in den afrikanischen Wohnvierteln der Hauptstadt Nairobi oder als Squatter (Pächter ohne Landrechte), in den White Highlands. Die europäische Landwirtschaft boomte, während die afrikanische stagnierte. In den Städten führten niedrige Löhne, Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot unter anderem zu einem rasanten Anstieg der Kriminalität. Auffangbecken für die politischen Aspirationen der Kikuyu und anderer Ethnien Kenias war zunächst die Kenya African Union (KAU). Trotz ihrer 100 000 Mitglieder besaß diese Partei auf nationaler Ebene keinerlei Mitspracherecht und wurde von weißen Siedlern misstrauisch bis feindselig beäugt. Ab Ende der 1940er Jahre schlossen sich radikale Mitglieder und Funktionäre der KAU und der Gewerkschaften sowie bisher nicht politisierte Teile der Kikuyu (in geringerem Maße auch Angehörige anderer Ethnien wie der Meru oder Embu) in einem Geheimbund zusammen. Ausdruck und Motor des Zusammenschlusses war die Ablegung eines Eides unter Berufung auf traditionelle Riten der Kikuyu. Mit Beginn der 1950er Jahre vergrößerte sich diese „Eidgenossenschaft“ sprunghaft und veränderte ihren Charakter. Aus dem ursprünglichen Eid der Einheit wurde ein Eid, der ganz bewusst den Kampf gegen die Kolonialmacht und ihre afrikanischen Verbündeten unter Anwendung von Gewalt forderte. Die Bewegung erhielt von den Kolonialbehörden den Namen „Mau Mau“, ein Begriff, dessen Herkunft rätselhaft ist. Mau Mau wurde 1950 verboten, wuchs aber dennoch weiter.[6] Im Jahre 1952 häuften sich Anschläge auf Kikuyu, insbesondere auf „Loyalisten“, d.h. solche die offen mit der Kolonialmacht zusammenarbeiteten. Polizisten wurden ermordet, weiße Siedler mit dem Tode bedroht und ihre Viehbestände verstümmelt. Die Regierung reagierte mit der Erklärung des Notstandes am 20. Oktober 1952. Zum Ende des Jahres 1952 hin eskalierte die Situation nicht zuletzt aufgrund der repressiven Politik der Regierung gegen die Kikuyu. Bald tobte in Kenia ein Kolonialkrieg, der über mehrere Jahre hinweg mehr als 10 000 Todesopfer forderte. Eine Krise diesen Ausmaßes musste auch in der kolonialen Metropole für Aufsehen sorgen. Anhand der zwei auflagenstärksten britischen Zeitungen der Zeit, des Daily Mirror und des Daily Express, soll zumindest ein Teil der öffentlichen Reaktion in Großbritannien auf die Geschehnisse in Kenia analysiert werden. Dabei steht zum einen die Art und Weise der Wahrnehmung des Mau Mau-Aufstandes im Großbritannien der frühen 1950er Jahre an sich im Mittelpunkt, zum anderen versteht sich die Arbeit jedoch auch als eine Annäherung an das Problem Dekolonisation und öffentliche Meinung.

In der Forschung werden als wesentliche Triebkräfte der Dekolonisation erstens die Vorgänge in den Kolonien selbst, zweitens die Entwicklungen in der kolonialen Metropole und drittens die globalen Zusammenhänge angesehen.[7] Die vorliegende Arbeit untersucht im Sinne der Annäherung an das Problem öffentliche Meinung und Dekolonisation die Wechselwirkung zwischen den beiden erstgenannten Punkten. Zentral ist nicht nur die Frage, wie die Ereignisse in den Kolonien, in diesem Fall in Kenia, in der kolonialen Metropole wahrgenommen wurden, sondern auch ob und in welchem Maße die Art und Weise der Wahrnehmung die Handlungen der politischen Entscheidungsträger beeinflusste. Nicht zuletzt aufgrund des schwammigen Begriffs „öffentliche Meinung“ bzw. public opinion sind allgemeingültige Aussagen darüber, wie die britische Öffentlichkeit den Zusammenbruch des British Empire wahrnahm, nicht möglich. Eine Reihe von Untersuchungen über die Haltung der politischen Eliten, Parteien und Interessengruppen existieren bereits.[8] In Bezug auf die breite Öffentlichkeit hingegen fehlt es an verlässlichen Aussagen. Die Bandbreite der Hypothesen reicht von der angeblich kompletten Gleichgültigkeit der britischen Öffentlichkeit gegenüber kolonialen Fragen bis zu der Annahme, dass ein grundlegender und umfassender Wandel innerhalb der britischen Gesellschaft bezüglich der Sicht auf das Empire der Dekolonisation den Weg bereitete.[9]

Das politische System in Großbritannien wurde durch die Vorgänge in den Kolonien bzw. ihre Wahrnehmung in der kolonialen Metropole zu keinem Zeitpunkt grundlegend erschüttert. Zu politischen Krisen wie dem Zusammenbruch der Vierten Republik in Frankreich im Gefolge des Algerienkrieges findet sich in Großbritannien keine Parallele. Auch bei Parlamentswahlen spielten koloniale Sachverhalte so gut wie nie eine Rolle. Bedeutet das tatsächlich, dass das Empire der Spielplatz einer kleinen sachverständigen Minderheit von Kolonialexperten war, seien sie Akteure auf der politischen oder auf der publizistischen gewesen, die sich allenfalls in Ausnahmefällen an die breite Öffentlichkeit wandten und dann vielleicht sogar auf unverhohlene Gleichgültigkeit stießen?[10]

Im Laufe der Arbeit wird sich zeigen, dass zumindest die selbsternannten Vertreter der öffentlichen Meinung, in diesem Fall zwei Blätter der britischen Massenpresse regen Anteil an dem Geschehen in einem Teil des britischen Kolonialreiches nahmen. Dabei ist die öffentliche Meinung im Folgenden vor allem zweierlei: Konstrukt und Phantom. Konstrukt ist sie, weil sie nur in (scheinbar) repräsentativen Manifestationen, beispielsweise in den Medien, existiert. Dabei bestimmen die Medien einerseits die Auswahl der Themen, andererseits die Art und Weise ihrer Darstellung. Im Akt der Veröffentlichung, also der Kommunikation einer „Meinung“ an eine breite „Masse“ wird dieses Konstrukt zum Schauspiel „öffentliche Meinung“. In der sogenannten Massendemokratie kommt den Medien dabei eine Doppelfunktion zu: Einerseits sind sie die Bühne, auf der das Stück „öffentliche Meinung“ ausgetragen wird, andererseits aber auch Akteure in diesem Stück. Sie sehen sich als Anwälte und Vertreter der Öffentlichkeit und beeinflussen insbesondere mittels der Selektion von Themen aber auch durch aktive „Manipulation“ den Gang der öffentlichen Diskussion. Es soll im Folgenden nicht versucht werden, den medialen Kommunikationsprozess etwa im Hinblick auf den Mau Mau-Aufstand detailliert zu untersuchen. Dennoch werden sich im Verlauf der Analyse charakteristische Wahrnehmungs- und Kommunikationsmuster abzeichnen, die am Konstrukt öffentliche Meinung mitwirkten.[11]

Die Frage, inwieweit das beschriebene Konstrukt die Handlungen der politisch Verantwortlichen beeinflusste, führt zum zweiten Punkt, der öffentlichen Meinung als Phantom. Die öffentliche Meinung ist ein Phantom, weil sie nicht objektiv und absolut erfasst werden kann. Dies gilt für den Zeitraum dieser Untersuchung, die frühen 1950er Jahre, in noch höherem Maße als für das beginnende 21. Jahrhundert, in dem eine perfektionierte Meinungsforschungsindustrie zumindest die Illusion nährt, öffentliche Meinung lasse sich „messen“. Trotz ihres nebulösen Charakters spielt die öffentliche Meinung im politischen Entscheidungsprozess eine wichtige Rolle und sei es nur, indem man bestimmte Entscheidungen an die „Masse“ kommuniziert und andere nicht. Wie ernst die politischen Eliten in Großbritannien in den 1950er Jahren die Medien als Bühnen und Akteure des Stückes „öffentliche Meinung“ nahmen, zeigt sich in den Propagandakampagnen, die verschiedene politische Entwicklungen der 1950er Jahre begleiteten. Der Mau Mau-Aufstand ist in diesem Zusammenhang von Susan Carruthers untersucht worden. Die Informationspolitik der Kolonialbehörden in Kenia und der Regierung in London wird hier als im wesentlichen geglückte „Öffentlichkeitsarbeit“ charakterisiert. Tony Shaws Studie zur Suez-Krise hingegen zeigt, welche Grenzen einer Regierung gesetzt sind, wenn es darum geht, widersprüchliche oder problematische politische Entscheidungen an die Medien und damit an die „Masse“ zu kommunizieren.[12]

Entscheidend für die vorliegende Arbeit ist, dass „die“ öffentliche Meinung stets als politischer Faktor berücksichtigt werden muss, da sie im Kalkül der politischen Eliten eine Rolle spielte. Selbst wenn sich also koloniale Fragen in Großbritannien nicht in den Wahlen niederschlugen oder gar Massenkundgebungen provozierten, bestand doch immerhin jederzeit die Gefahr, dass sie es hätten tun können, eben weil das Phantom öffentliche Meinung eine unberechenbare Größe war. Dieser Gefahr galt es vorzubeugen, indem man „Öffentlichkeitsarbeit“ – oder Propaganda – betrieb. Der Begriff „Propaganda“ wird im Folgenden wiederholt auftauchen. Jenseits seiner negativen Konnotation bezeichnet er die Versuche zur bewussten Beeinflussung eines Zielpublikums, in diesem Fall im Hinblick auf politische Ziele. Viele der Beiträge im Daily Express und im Daily Mirror erfüllen – das wird sich im Späteren zeigen – den Tatbestand der Propaganda, wie er in einer Reihe von Untersuchungen zu diesem Problem dargestellt ist.[13]

Die Dokumentation eines kolonialen Krieges in zwei Blättern der sogenannten „Massenpresse“ gehorcht eigenen Gesetzen. Diese müssen mit den politischen Hintergründen und Implikationen der Ereignisse wenig bis gar nichts zu tun haben. Die Tatsache, dass Daily Mirror und Daily Express über den Aufstand berichteten und ihn kommentierten, ist nicht notwendigerweise Ausdruck eines profunden Interesses an kolonialen Fragen. Was geschah in Kenia in den Augen der Presse? Bekämpfte eine breite afrikanische Widerstandsbewegung den kolonialen Staat und stellte damit die Rechtmäßigkeit und die Methoden kolonialer Herrschaft in Frage, oder bedrohte ein grausamer, „terroristischer“[14] Geheimbund, eine religiöse Sekte mit „barbarischen“ Initiationsriten das Leben von unschuldigen Afrikanern und – viel wichtiger noch – von europäischen, zumeist britischen Siedlern in Kenia? Die Schwerpunkte, die beide Zeitungen in der Berichterstattung und im Kommentar setzten, sollen im Folgenden nicht nur aufgezeigt, sondern auch erklärt werden – aus den politischen Positionen und dem Selbstverständnis der britischen Massenpresse heraus.

Die Untersuchung umfasst den Zeitraum vom September 1952 bis zum April 1954. Bestimmende Eckpunkte sind zum einen die Ausrufung des Notstandes in der Kronkolonie Kenia am 20. Oktober 1952 einhergehend mit der Verhaftung führender afrikanischer Politiker, zum anderen die Zerschlagung der urbanen Strukturen der Mau Mau-Bewegung in der sogenannten Operation „Anvil“ in Nairobi am 24. April 1954. Der Fokus der Arbeit liegt also auf der Anfangsphase des Aufstandes. Im Hinblick auf die Hysterie in Kenia und ihr Echo in Großbritannien war dies die „heiße“ Phase, obwohl die Militärkampagne erst um die Mitte des Jahres 1955 weitestgehend abgeschlossen war. Der Notstand an sich wurde gar erst 1959 aufgehoben.

Die Auswahl der Zeitungen ist vor allem einem Umstand geschuldet: Daily Mirror und Daily Express standen an entgegengesetzten Enden des politischen Spektrums. Es lassen sich für die beginnenden 50er Jahre kaum gegensätzlichere Grundhaltungen in der britischen Medienlandschaft denken als die des konservativen Daily Express und des linksprogressiven Daily Mirror. Eine Analyse dieser beiden extremen Pole soll die Grenzen der politischen Debatte und die Unterschiede in der Herangehensweise aufzeigen.

Die Untersuchung wird sich insbesondere auf folgende Punkte konzentrieren:

Frequenz – wie präsent war das Thema „Mau Mau“ in beiden Zeitungen über den betreffenden Zeitraum hinweg?

Fokus – wo lagen die Schwerpunkte der Berichterstattung und Kommentierung, und wie sind sie zu erklären?

Terminologie und Blickwinkel – in welchen Worten und aus welcher Perspektive heraus wurden die Ereignisse in Kenia und die beteiligten Parteien dargestellt?

Interpretation – wie wurden die Ereignisse gesehen, welche Erklärungsmuster tauchen auf, und inwiefern waren die Zeitungen – bewusst oder unbewusst – pure Kommunikationsmedien der Regierungspropaganda bzw. der Haltung der Opposition?

Agitation – welche Positionen vertraten Daily Mirror und Daily Express ? In welchem Maße nahmen sie die Gelegenheit wahr, selbst Politik zu machen?

Es ist nicht das Ziel dieser Arbeit, der Version in den untersuchten Medien eine objektive historische „Wahrheit“ entgegenzusetzen. Eine solche existiert schlicht und einfach nicht. Auch die historische Forschung zum Mau Mau-Aufstand geht von ganz bestimmten Voraussetzungen und Grundüberzeugungen aus, ebenso wie es die Kolonialmacht tat. Die Interpretationsansätze besonders im Hinblick auf die Natur der Mau Mau-Bewegung liegen zum Teil noch immer sehr weit auseinander. Aus den „Terroristen“ von damals sind auch heute noch keine unbescholtenen „Freiheitskämpfer“ geworden. In Bezug auf die europäischen Siedler in Kenia ist der Weg vom rassistischen, ausbeuterischen und brutalen Sklavenhalter zum väterlichen Wohltäter der Afrikaner, Zivilisationsbringer und heldenhaften Pionier oft ein erstaunlich kurzer. Die bedeutendste Leistung der Mau Mau-Historiographie liegt darin, den Betrachter für die Komplexität des Themas zu sensibilisieren und die Vieldeutigkeit des Phänomens „Mau Mau“ ans Licht zu bringen.[15]

Es ist wichtig zu betonen, dass im Folgenden keinesfalls die britische Presse oder gar die beiden Zeitungen, die im Mittelpunkt der Arbeit stehen, mit „der“ britischen Öffentlichkeit gleichgesetzt werden. Es ist unmöglich, auch nur annähernd zu bestimmen, in welchem Maße das Medienpublikum die dargebotene Information wahrnahm und verarbeitete.

II. Die Kreuzritter – Daily Express und Daily Mirror in den 1950er Jahren

I. Der Daily Express - Lord Beaverbrooks „Propaganda-Maschine“

Am 18. März 1948 erklärte Lord Beaverbrook, Inhaber des Daily Express, vor einer königlichen Pressekommission: „I ran the paper purely for propaganda, and with no other purpose.“[16] Diese Aussage ist bezeichnend für das Selbstverständnis britischer Pressebarone. Neben Alfred Harmsworth (Lord Northcliffe), war William Maxwell Aitken (seit 1916 Lord Beaverbrook) der wohl erfolgreichste und streitbarste Pressemagnat Großbritanniens. Das Flaggschiff seines Imperiums war der im Jahre 1900 von Arthur Pearson gegründete Daily Express. Beaverbrook, ein kanadischer Selfmade-Millionär, kaufte die Zeitung im Jahre 1916 und baute sie zu einem der erfolgreichsten Massenblätter überhaupt auf. Im Jahre 1937 war der Daily Express mit einer Auflage von 2 329 000 die größte Zeitung der Erde[17].

Traditionell in der Grauzone zwischen Qualitäts- und Sensationsjournalismus angesiedelt, war der Daily Express bis in die 1960er Jahre hinein die Kommunikationsplattform der politischen Ansichten und Ambitionen seines Besitzers. Die Begeisterung für das Empire stand dabei an erster Stelle. Ende der 1920er Jahre startete Beaverbrook zusammen mit einem anderen Pressebaron, Lord Rothermere, eine landesweite Propaganda-Kampagne für den Ausbau des Empire zu einer gigantischen, durch Schutzzölle nach außen abgeschotteten Freihandelszone. Beaverbrooks Sinn für symbolische (oder theatralische?) Gesten äußerte sich am 17. Juli 1933 als auf dem Titelblatt des Daily Express erstmals der „Empire-Crusader“, die Figur eines mittelalterlichen Kreuzritters, in leuchtendem Rot als martialisches Symbol für diesen Kampf prangte. Beaverbrooks United Empire Party errang zunächst einige Achtungserfolge, unterlag jedoch schließlich den etablierten Parteien. Bei Kriegsbeginn rückte das Empire zwangsläufig enger zusammen, und Beaverbrook sah einige seiner Vorstellungen verwirklicht. Die Empire-Idee, für die Männer wie Joseph Chamberlain um die Jahrhundertwende und Lord Beaverbrook in den 1930er Jahren warben, ließ sich allerdings in Friedenszeiten nie auf Dauer durchsetzen.[18]

Es lässt sich schwer einschätzen, wie viel oder besser wie wenig Bedeutung die Leser des Daily Express letzten Endes den polemischen Breitseiten, die ihre Zeitung über die Jahrzehnte hinweg verschoss, beimaßen. Die Geschichte der „Kreuzzüge“ der Zeitung erscheint nur allzu oft als stille Parade politischer Niederlagen. Zum erwähnten Empire-Kreuzzug lässt sich die Appeasement-Politik der 1930er Jahre, die Wahlniederlage Winston Churchills 1945, die Entstehung des Kalten Krieges, die Errichtung des Sozialstaats in Großbritannien und namentlich der Zusammenbruch des Empire hinzufügen. Die Wirksamkeit des Daily Express als „Propaganda-Maschine“ ist also mehr als zweifelhaft, im Gegensatz zu seinem wirtschaftlichen Erfolg als populäres Massenblatt vor allem für die britische Mittelklasse. Auch in den 1950er Jahren wuchs der Daily Express stetig und erreichte 1957 eine Auflage von 4,1 Millionen bei einer Leserschaft von etwa 12 Millionen. Damit hielt das Blatt einen Anteil von 24,7 % an der Gesamtauflage der 9 großen überregionalen Londoner Morgenzeitungen und stand nur hinter dem Daily Mirror (27,8 %) zurück.[19]

Die politischen Positionen des Daily Express trugen auch nach 1945 die Handschrift Lord Beaverbrooks. Bitter registrierte der Daily Express die Herauslösung des imperialen Juwels Indien aus der britischen Krone, den Rückzug aus Burma, die Aufstellung eines Fahrplans für die Unabhängigkeit des Sudan und andere Entwicklungen der Nachkriegszeit. Am 15. Oktober 1951 erschien der „Empire-Crusader“ erstmals in Ketten, um der Erkenntnis Ausdruck zu verleihen, dass man der Idee eines einigen, unabhängigen und starken Empire ferner denn je war. Am 14. Februar 1952 schrieb Beaverbrook an den Inhaber und Chefredakteur des Recorder, W.J. Brittain:

I tell you privately, that I have given up hope of a consolidated Empire. When you and I worked on the project, the Dominions wanted it. Now they are afraid of Britain. In the Colonies there was respect for British leadership. That has passed away. If the great Churchill happened to be an Empire man, a struggle for regeneration of Empire ties might be possible. He does not believe in the economic structure. It is seldom that a man of my kind resigns himself to defeat.[20]

Trotz dieses vertraulichen Bekenntnisses ist für den Zeitraum dieser Untersuchung von Resignation im Daily Express wenig zu bemerken. So stellte das Blatt in der Ausgabe vom 8. Dezember 1952 begeistert das Projekt einer Vereinigung von imperialen Enthusiasten vor, das die Föderation der afrikanischen Kolonien Kenia, Uganda, Tanganjika (eigentlich Treuhandgebiet der UNO), Süd- und Nordrhodesien sowie Njassaland zu einem Federal Dominion of Capricorn vorsah.[21] Das Zeitalter der Empire-Builders war zumindest für den Daily Express noch längst nicht vorüber. Jenseits aller politischen Agitation war der Daily Express der 1950er Jahre jedoch ein lebendiges, abwechslungsreiches, unterhaltsames, intellektueller Haarspalterei abholdes[22] und – in den Grenzen, die der Presse gemeinhin gesetzt sind – informatives Blatt.[23]

II. Der Daily Mirror – Sprachrohr und Anwalt des kleinen Mannes

Der Daily Mirror, 1903 von Alfred Harmsworth ursprünglich als “Magazin von Frauen für Frauen“ gegründet, war in den 1950er Jahren die erfolgreichste, berühmteste und berüchtigtste britische Zeitung überhaupt.[24] Unter dem Motto „Forward with the People“ erscheinend, sah sich der Daily Mirror als Sprachrohr und Anwalt der britischen Arbeiterklasse. Der Daily Mirror stand der Labour-Partei nahe, pochte jedoch auf seine prinzipielle politische Unabhängigkeit:

The “Mirror” is a paper of the Left. But it is independent. We do not need Morrison, Greenwood, Attlee, Sir Winston, Uncle Tom Cobbleigh or any one else to make up our minds for us. We are not the bugle of Transport House. Nobody calls our tune. We have supported the Labour Party when we thought them right. We have criticised them, in and out of office, when we thought them wrong. We will go on supporting sensible policies and condemning foolish ones, whatever Party makes them.[25]

Die zuweilen großmäulige Selbstdarstellung des Daily Mirror als Anwalt der Massen, als linksprogressive Kraft und Tabubrecher war wohl ebenso sehr politisches Glaubensbekenntnis wie Marketingstrategie. Man wollte den Leser schockieren, unterhalten und informieren, vor allem aber wollte man eines: verkaufen – die Zeitung selbst und Anzeigen. Politische Nachrichten, eine umfangreiche Sportsektion, Comic-Strips, verhaltene Erotik, der neueste Klatsch aus dem Buckingham Palast und aus Hollywood, detaillierte Crime Stories, sowie Lifestyle-Rubriken für Sie und Ihn, das alles reichlich bebildert und sensationell präsentiert – im Daily Mirror sollte und konnte „der kleine Mann“ (und seine Frau) finden, was er (sie) suchte. Der traditionelle Konflikt zwischen Qualitäts- und Massenpresse in Großbritannien soll hier nicht näher beleuchtet werden. Unbestreitbar ist jedoch die Bedeutung des Daily Mirror auf dem Feld journalistischer Innovation, besonders im Bildjournalismus, im Layout und bei der Idee der Exklusivgeschichte. Auch die progressive Selbstdarstellung des Daily Mirror war nicht vollkommen aus der Luft gegriffen. Hier ist besonders die Kampagne des Blattes gegen die Appeasement -Politik Neville Chamberlains in den 1930er Jahren zu nennen. Zu einem Zeitpunkt, als der überwiegende Teil der britischen Öffentlichkeit noch an einen dauerhaften Frieden mit dem Dritten Reich glaubte, warb der Daily Mirror für verstärkte Rüstungen und warnte vor dem machthungrigen Diktator. In den 1950er Jahren stritt der Daily Mirror in einem unermüdlichen Kreuzzug für die Abschaffung der Todesstrafe und andere soziale Reformen. Zu jener Zeit war der Daily Mirror politisch weitaus engagierter und streitbarer, als es britische Boulevardzeitungen heute sind. Die Entpolitisierung der britischen Boulevardpresse hatte in der Zeit, mit der sich diese Untersuchung befasst, noch nicht stattgefunden.[26]

Beiden Blättern, dem Daily Mirror und dem Daily Express, war ihre herausragende Bedeutung als mit Abstand auflagenstärkste Zeitungen in Großbritannien gemein. Die Presse stellte im Großbritannien der 1950er Jahre noch immer das wichtigste Nachrichtenmedium dar. Im Jahre 1954 lasen 90 % aller Briten über 16 Jahre regelmäßig Morgenzeitungen, 66 % auch eine Abendzeitung.[27] Auch in der Einschätzung der Politik besetzte die Presse und hier besonders die National Papers eine Schlüsselposition, wenn es darum ging, politische Entscheidungen und Entwicklungen in einem bestimmten Licht darzustellen und zu kommunizieren.[28]

III. Mau Mau als Thema in der britischen Presse

I. Daily Express

Der Daily Express griff ebenso wie andere britische Zeitungen das Thema Mau Mau bereitwillig auf. Dies lässt sich zum einen aus der traditionellen Schwerpunktsetzung des Blattes auf das Empire erklären, andererseits auf das journalistische Potential der Ereignisse in Kenia zurückführen. Die Existenz eines afrikanischen „Geheimbundes“, der seine Mitglieder mittels „barbarischer“ Initiationsriten zur Loyalität verpflichtete und dessen „Terrorismus“ die Autorität der Kolonialmacht in Frage stellte, die Tatsache, dass Briten Zielscheibe und Opfer des „Terrors“ waren und sich der Konflikt ab 1953 zu einem regelrechten Krieg entwickelte, all diese Faktoren erklären das fortwährende Interesse des Daily Express und anderer britischer Medien am Mau Mau-Aufstand. Gerade aufgrund seiner außergewöhnlichen und scheinbar rätselhaften Begleitumstände erregte er weitaus mehr Aufmerksamkeit als beispielsweise der Korea-Krieg oder die Niederschlagung des kommunistischen Aufstandes in Malaya. Diese wurden als mehr oder weniger konventionelle Militärkampagnen zwar dokumentiert aber keineswegs in dem Maße sensationalistisch aufgearbeitet.[29]

Für den Zeitraum von Anfang September 1952 bis Ende April 1954 finden sich im Daily Express insgesamt 377 Berichte, Meldungen, Kommentare und Reportagen zum Mau Mau-Aufstand, davon mehr als die Hälfte auf der Titelseite. Zweiundzwanzigmal war Mau Mau den Daily Express -Machern eine Titelgeschichte, also die große Schlagzeile, wert. Besonders häufig berichtete der das Blatt in der Anfangsphase des Aufstandes (Oktober bis Dezember 1952) über die Ereignisse in Kenia, oft mit mehreren Texten in einer Ausgabe. Über das Jahr 1953 hinweg blieb die Berichterstattung und Kommentierung mit zirka 15 Beiträgen monatlich weitgehend konstant. Ende 1953 erschien Mau Mau wieder häufiger im Daily Express, eine Folge der Eskalation der militärischen Auseinandersetzung und der Debatte in Großbritannien über die fragwürdigen Methoden der Sicherheitskräfte.

Mau Mau stand natürlich in fortwährender „Konkurrenz“ zu anderen Themen. Eine vergleichende Analyse, etwa im Verhältnis zu den Entwicklungen in Korea, würde den Rahmen der Arbeit sprengen. Es bleibt zu bemerken, dass der Mau Mau-Aufstand beinahe über den gesamten Zeitraum der Untersuchung hinweg im Daily Express präsent war, oft ausführlich und an prominenter Stelle.

Die Vorgänge in Kenia zogen eine große Zahl von Journalisten, besonders aus Großbritannien und den USA an. Zeitweise hielten sich bis zu 60 Korrespondenten gleichzeitig in der Kolonie auf.[30] Von September 1952 an berichteten John Redfern und Frank McGarry, ab Februar 1954 Donald Wise für den Daily Express aus Kenia. Über die britischen Parlamentsdebatten zur Krise in Kenia berichtete William Barkley. Die Mehrzahl der Beiträge, auch in der Meinungssektion, erschienen ohne den Namen des Autors oder der Autoren. Sowohl die Texte der Korrespondenten, als auch die namenlosen Beiträge im Daily Express lassen sich als Ausdruck einer relativ klaren Redaktionslinie deuten. Welche internen Entscheidungsprozesse und Verantwortlichkeiten ihr zugrunde lagen und inwiefern „äußere“ Einflüsse eine Rolle spielten, wird in der Untersuchung nicht thematisiert. Ob und in welchem Maße z.B. Lord Beaverbrook die Arbeit der Redaktion zu diesem Thema mittels seiner berüchtigten Memoranda oder trommelfeuerartigen Telefonanrufe lenkte und beeinflusste, lässt sich nicht sagen. In der gesichteten Literatur zu Beaverbrook und dem Daily Express wird der Mau Mau-Aufstand nicht erwähnt.[31] Die Position des Blattes angesichts einer kolonialen Krise musste allerdings allen Beteiligten klar sein – Loyalität zur (konservativen) Regierung, Propagierung und Verteidigung der Empire-Idee, entschiedene Opposition zu allen Kräften, die diese Idee in Frage stellten. Die Beiträge im Daily Express werden deshalb im wesentlichen als ein, bezüglich Grundhaltung und Perspektive homogener Quellenkorpus untersucht. Der Schwerpunkt der Analyse liegt auf Texten, aus denen sich die Position des Daily Express verhältnismäßig klar ableiten lässt. Dazu gehören in erster Linie Editorials und die Beiträge der Korrespondenten in Kenia. In der Untersuchung werden diese auch explizit als solche kenntlich gemacht und behandelt. Aufgrund der Fülle des Materials muss eine detaillierte Analyse der übrigen Meldungen, Kurzberichte und Berichte, etwa anhand mediensemiotischer Gesichtspunkte, unterbleiben. In diesem Fall beschränkt sich die Untersuchung auf allgemeine Bemerkungen hinsichtlich der Gewichtung und Auswahl der Themen sowie der verwendeten Terminologie. Es sei betont, dass sich der objektive Anspruch britischer Medien und im besonderen der britischen Massenpresse in den 1950er Jahren weitaus verhaltener darstellte, als beispielsweise dreißig Jahre später. Zeitungen wie der Daily Express betrieben eine mehr oder weniger klar umrissene Politik, die sich einerseits in Form von offener Polemik bzw. Propaganda, andererseits aber auch in der unverhohlen tendenziellen Darstellung des Geschehens äußerte.

II. Daily Mirror

Auch im Daily Mirror finden sich zahlreiche Berichte, Reportagen, Kommentare und Meldungen über die Ereignisse in Kenia. Mit 241 Beiträgen im betrachteten Zeitraum bleibt das Blatt allerdings hinter dem Daily Express weit zurück. Zwei Gründe bieten sich als Erklärung an. Erstens: Im Gegensatz zu seinem Hauptkonkurrenten sah der Daily Mirror das Empire nicht als einen grundlegenden Schwerpunkt der Berichterstattung an. Zweitens: Der Daily Mirror als reines Boulevardblatt gab politischen Nachrichten traditionell noch weniger Raum als der „halbseriöse“Daily Express.

Auch der Daily Mirror berichtete besonders intensiv in der Anfangsphase des Aufstandes über die Entwicklungen in Kenia und ihr Echo in Großbritannien. Als Labour-nahes Blatt dokumentierte und unterstützte der Daily Mirror die Kritik der Opposition an der Politik der konservativen Regierung und der Kolonialbehörden in Kenia. Mit der Zunahme der Gewalt in Kenia und dem Nachlassen der Labour-Kritik nahm auch die Präsenz des Themas Mau Mau im Daily Mirror vorerst ab. Während in den ersten vier Monaten des Aufstandes beinahe täglich darüber berichtet worden war, widmete man sich dem Problem von März bis November 1953 allenfalls sporadisch. Im August gab es vier, im September ganze zwei Beiträge. Gerade im Daily Mirror fand eine sensationalistische Ausschlachtung des „Mau Mau-Terrors“ nur bedingt statt. Es finden sich selten detaillierte Beschreibungen der „Gräueltaten“ des Gegners oder dramatisierte Schilderungen blutiger Mau Mau-Initiationsriten. Stattdessen schockte das Blatt seine Leser von Dezember 1953 an mit schonungslosen Enthüllungen über die angebliche Brutalität der britischen Sicherheitskräfte in Kenia. Die Beschreibungen der Foltermethoden und Vorgehensweise britischer Polizisten und Armeeangehöriger im Daily Mirror sind weitaus genauer als die der angeblichen Grausamkeiten ihrer Gegner.

Von Dezember 1953 bis März 1954 befand sich der Daily Mirror auf einem „Kreuzzug“ gegen die Brutalität von Polizei und Armee in Kenia. Demzufolge fand sich das Thema Mau Mau bis zum Ende des betrachteten Zeitraumes wieder häufiger im Daily Mirror.

Der Daily Mirror nahm die Krise in Kenia ernst und bezog zum Teil eine klare Position dazu. Ausgehend von der links-progressiven Grundhaltung des Blattes, schloss dies beispielsweise die Kritik an scheinbar archaischen Institutionen wie der Rassentrennung und reaktionären Kräften wie radikalen britischen Siedlern in Kenia ein. Abgesehen davon war die Auseinandersetzung des Daily Mirror mit den Vorgängen in Kenia lebendiger und abwechslungsreicher als im Daily Express. Dies ergab sich nicht nur aus den kritischen Positionen der Zeitung, sondern war auch darauf zurückzuführen, dass man den individuellen Ansichten politischer Autoritäten Raum gab. So finden sich James Griffiths und George Brown, ehemaliger Kolonial- bzw. Arbeitsminister der Labour-Regierung Attlee unter den Gastkolumnisten. Auch der Kolonialexperte David Williams kam zu Wort.

Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Beiträge James Camerons, des Daily Mirror -Korrespondenten in Kenia. Cameron, einer der erfolgreichsten britischen Journalisten der 1950er und 1960er Jahre, verband seine Reportagen und Berichte von Anfang an mit der Forderung nach Reformen. Seine Texte zeichnen sich unter der Oberfläche journalistischer Effekthascherei oft durch nüchterne und sachliche Analyse aus. Damit bilden Camerons Beiträge einen Gegensatz zu den durch die Agenturen und Informationsstellen der Regierung verbreiteten und überwiegend unkommentiert abgedruckten Berichten und Meldungen zum Mau Mau-Aufstand.[32]

Eine Galionsfigur des Daily Mirror war William Connor. Bekannt unter dem Pseudonym Cassandra, zählte Connor zu den bekanntesten britischen Journalisten der Zeit. Seine täglichen Kolumnen im Daily Mirror waren oft durch vordergründige Polemik und Subjektivität geprägt. Auch Cassandras Bemerkungen zu einzelnen Aspekten des Mau Mau-Aufstandes stellen im Hinblick auf Perspektive und Interpretation „exotische“ Einsprengsel im Daily Mirror dar.

Die genannten Autoren widersprachen sich nicht explizit, vertraten vielmehr alle einen linken oder liberalen Ansatz. Dieser – oft mit reformatorischen Eifer vorgetragen – deckte sich weitgehend mit der „Politik“ des Daily Mirror. Dennoch spielt die Urheberschaft der Texte eine nicht unwesentliche Rolle. In ihrer Individualität erscheinen die Beiträge der verschiedenen Autoren als Ausdruck einer Fülle von Wahrnehmungsmustern und Herangehensweisen an das Phänomen Mau Mau. Die Frage, wie heterogen das Spektrum der Berichterstattung und Kommentierung tatsächlich war, wird im Folgenden ebenfalls eine Rolle spielen.

Die Beiträge im Daily Mirror wie auch im Daily Express befassten sich einerseits mit dem Geschehen in Kenia selbst, andererseits mit der Debatte, die der Aufstand in Großbritannien provozierte. Der erste Punkt schließt die Genese des Aufstandes ein, d.h. die Darstellung der Entwicklungen in Kenia als Ganzes, die thematischen und zeitlichen Schwerpunkte und eventuelle Veränderungen in Perspektive und Auslegung. Zum ersten Punkt gehört weiterhin die Art und Weise der Darstellung der Mau Mau-Bewegung, der europäischen Siedler, ihrer afrikanischen Verbündeten und des afrikanischen Nationalismus.

Der zweite Punkt beschäftigt sich mit der Reaktion in Großbritannien auf die Ereignisse in Kenia, insbesondere die Politik der Regierung und der Kolonialbehörden, die diesbezügliche Kritik der Labour-Opposition und anderer liberaler Kräfte, die Diskussion um die Ursachen von Mau Mau und um die Notwendigkeit tiefgreifender Reformen in Kenia beispielsweise die Abschaffung der Rassentrennung. Auch der Sturm der Entrüstung, der angesichts der bekannt gewordenen Fälle von Brutalität und Fehlverhalten der Sicherheitskräfte in Kenia durch Teile der britischen Öffentlichkeit ging, gehört zu diesem Komplex.

Im folgenden werden die genannten Punkte einzeln untersucht, wobei zuerst Berichterstattung und Kommentar des Daily Express, dann die diesbezüglichen Beiträge im Daily Mirror an sich und im Verhältnis zu den Beiträgen des Konkurrenzblattes betrachtet werden.

IV. Vom Notstand zum Krieg: Die Genese des Aufstandes in Daily Express und Daily Mirror

I. Daily Express

Am 20. Oktober 1952 rief der Gouverneur Sir Evelyn Baring, den Notstand in Kenia aus. Britische Truppen wurden aus der Suezkanalzone und den benachbarten Territorien in die Krisenkolonie verlegt. In der Nacht vom 19. zum 20. Oktober verhaftete man führende afrikanische Politiker und Gewerkschaftler. Vor allem die Funktionäre der Kenya African Union (KAU), darunter auch deren Präsident Jomo Kenyatta und afrikanische Gewerkschaftsführer befanden sich im Fadenkreuz der Polizei.

Mit der Notstandserklärung reagierten die Kolonialbehörden auf eine Zunahme „terroristischer“ Aktivitäten in den vorangegangenen Wochen. Der Daily Express hatte bereits im September 1952 über die Verschärfung der Lage in Kenia berichtet. Eine Reihe von Attentaten auf afrikanische Würdenträger des kolonialen Staates, Morde an Afrikanern und Todesdrohungen gegen Europäer sowie massenhafte Verstümmelungen der Viehbestände weißer Farmer seien – so versicherte der Daily Express seinen Lesern – das Werk einer „terroristischen“ Organisation namens Mau Mau. Vorrangiges Ziel von Mau Mau sei es, alle Europäer aus Kenia zu vertreiben. Mau Mau rekrutiere seine Mitglieder beinahe ausschließlich aus dem größten „Stamm“ Kenias, den Kikuyu und binde sie mittels „barbarischer“ Eide an sich.[33]

Besonderes Aufsehen erregte der Mord an Waruhiu wa Kungu, einem Kikuyu- chief,[34] der am 7. Oktober 1952 in Nairobi auf offener Straße aus einem fahrenden Auto heraus erschossen wurde. Die Tatsache, dass sich Mau Mau erstmals aus dem Schutz der Nacht herausgewagt und eine afrikanische Symbolfigur des kolonialen Staates in einer belebten Straße ermordet hatte, wurden als Provokation ersten Ranges angesehen. In seinem Bericht zog der Daily Express vollkommen aus der Luft gegriffene aber anschauliche Parallelen zu US-amerikanischen Bandenkriegen der 1920er und 1930er Jahre.[35]

Die Unsicherheit wuchs besonders unter den Europäern in Kenia, die energische Maßnahmen forderten. Der Mord an Waruhiu war eine der offiziellen Begründungen für die Ausrufung des Notstandes am 20. Oktober. Der Daily Express begrüßte die Notstandserklärung: „It is good news, fine, heartening news, to learn that Britain can still act fearlessly to stem a crisis in her Colonial Empire.“[36] Das Blatt verwies im selben Zuge jedoch auf die Versäumnisse des Kolonialministers Oliver Lyttelton und seiner Beamten sowie das offensichtliche Versagen der Nachrichtendienste im Hinblick auf die Früherkennung der Gefahr. Die anfänglich geäußerte Kritik am Kolonialminister wurde jedoch nicht wiederholt. In der Folge unterstützte der Daily Express beinahe vorbehaltlos die Politik Lytteltons und der Kolonialregierung in Kenia.[37]

Während der verbleibenden Monate des Jahres 1952 war die Lage in Kenia von hektischer Aktivität vor allem auf Seiten der Regierung geprägt. In einer Reihe von großangelegten Razzien in Nairobi und in den Reservaten wurden Tausende Kikuyu unter den geltenden Notstandsgesetzen verhaftet. Die Kikuyu Independent Schools in den Reservaten wurden von der Regierung kurzerhand zu Operationsbasen und Ideologiezentren der Mau Mau-Bewegung erklärt, und schon bald Maßnahmen zu ihrer Schließung eingeleitet. Ende Oktober ereignete sich der erste Mord an einem britischen Siedler. Daraufhin wurden Armeeeinheiten in die Kikuyu-Reservate und die White Highlands verlegt. Im November ging man dazu über, Kikuyu-Squatter, die zum Teil seit Generationen auf dem Land europäischer Siedler lebten, in die ohnehin hoffnungslos übervölkerten Reservate zu deportieren, sofern in ihrem Siedlungsgebiet ein Mau Mau-Verbrechen stattgefunden hatte. Ganze Siedlungen wurden mit Bulldozern niedergerissen, die Viehbestände beschlagnahmt, Hunderte verhaftet oder interniert. Collective punishment – Kollektivbestrafung – nannte man diese Praxis, die in erheblichem Maße zur Eskalation der Lage beitrug.

Die Razzien und Deportationen zeugen vor allem von der Nervosität der Kolonialbehörden. Man bekämpfte einen Gegner, der sich selten oder nie zeigte, meist des Nachts zuschlug und sich im übrigen nicht so verhielt, wie man es von ihm „erwartete“. So äußerte die Polizei einige Wochen nach der Notstandserklärung Befremden darüber, dass eine Organisation, deren angebliches Ziel die Vertreibung oder Ermordung aller Weißen sein sollte, bisher kaum gezielte Anschläge auf das Leben von Europäern unternommen hätte.[38]

Welches Bild malte der Daily Express von diesen Entwicklungen? Seit Beginn des Notstandes berichtete David Redfern vor Ort über die Razzien der Sicherheitskräfte, den Mau Mau-„Terror“ und die Hysterie unter der europäischen Bevölkerung. Dabei wurden die Maßnahmen der Regierung verhältnismäßig neutral dargestellt, über die ersten Massendeportation im Zuge der Kollektivbestrafung beispielsweise wie folgt berichtet:

British and African troops and police went into action today to punish 2 000 Africans in one of the worst Mau Mau terror zones. The 2 000 – farm workers with their wives and children – were evicted from their homes around the spot in which thugs hacked Commander Ian Meiklejohn to death for days ago and gravely wounded his wife. [...] This is the first collective punishment inflicted on a whole community under new “get tough” emergency regulations passed by the governor of Kenya, Sir Evelyn Baring, last week-end. Under these regulations Africans living in areas where crimes occurred will be punished for failing to keep order. (DE vom 26.11.1952, S. 1)

Der Kontrast zwischen der nüchternen Darstellung der Zwangsmaßnahme der Regierung und der Darstellung des Verbrechens, das sie vergelten soll, entschärft ebenso wie die Wendung „for failing to keep order“ die Wahrnehmung der Deportation als repressiven und willkürlichen Akt. Einen Tag später berichtete Redfern vor Ort über die Räumung mehrerer Kikuyu-Siedlungen:

Kenya’s Government announced tonight that, [...], 750 men and 2,200 women and children have been evacuated from the Leisha area of Thomson’s Falls, […]. […] KAMPI YA SIMBA, a hut settlement 13 miles from here [Thomson’s Falls] was a busy, noisy, place yesterday. It has been punished according to regulations; and today Kampi ya Simba, “the camp of the lion”, is the place of the vultures – making for dead dogs in a waste land. (DE vom 27.11.1952, S. 1)

Der Gebrauch des Wortes „evacuated“ stellte die Strafmaßnahme unvermittelt als Schutzmaßnahme dar. Im übrigen konzentrierte sich Redfern auf die dramatische Darstellung des Geschehens. Es lässt sich in beinahe allen Berichten des Daily Express über Razzien, Deportationen und Massenverhaftungen in Kenia vor allem über die verwendete Terminologie eine klare Tendenz zur Verharmlosung der repressiven Maßnahmen der Regierung ausmachen. Des weiteren war die unmittelbare Dramatik bzw. Dramatisierung der Ereignisse weitaus wichtiger in der Darstellung als ihre Hintergründe und Folgen.[39]

Neben der tendenziellen Berichterstattung fand sich die Agitation und Spekulation mit Blick auf den Gegner. So behauptete Redfern in einem Artikel, die Kikuyu Independent Schools in den Reservaten seien „Indoktrinierungszentren“ der „Terroristen“ und forderte ihre Schließung.[40] An anderer Stelle wurde Mau Mau als mutmaßliches Zwitterwesen zwischen subversiver politischer Organisation und pseudo-religiöser Sekte beschrieben.[41]

Ab Dezember war Redfern beim Prozess gegen Jomo Kenyatta und andere afrikanische Nationalisten zugegen, die als angebliche Führer und Mitglieder einer kriminellen Organisation namens Mau Mau vor Gericht gestellt wurden. Auch diese Berichte strotzen von Dramatik, etwa in der detaillierten Beschreibung der strengen Sicherheitsvorkehrungen (der Vorsitzende trug einen Revolver unter seiner Robe), enthalten sich allerdings einer eindeutigen Parteinahme für oder gegen die Angeklagten.[42]

Die Ereignisse in Kenia wurden auch im Bild dokumentiert. Fotos im Daily Express zeigten britische Siedlerinnen mit Revolver beim Einkauf, von Soldaten bewachte spielende weiße Kinder, die Insassen eines Flüchtlingscamps in den Kikuyu-Reservaten und von der Regierung beauftragte „Medizinmänner“ (witch doctors), die in einer speziellen Zeremonie, unter Verwendung der Innereien eines Ziegenbocks, inhaftierte Kikuyu von dem Eid „reinigten“, dessen Ablegung Mau Mau von seinen Mitgliedern forderte.[43]

Nirgends im Daily Express fanden sich klare Aussagen über die genauen Ziele, über Strategie, Taktik oder Organisation von Mau Mau, über die Anzahl der Mitglieder oder ähnliches. Ebenso wenig wurden die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Zustände in der Kolonie beleuchtet, die den Hintergrund all jener schockierenden oder zumindest merkwürdigen Ereignisse bildeten, die man in so eindringlichen Worten und Bildern beschrieb. Es lassen sich nur Vermutungen darüber anstellen, wie die Beiträge über die Ereignisse in einem Teil der Erde, den nur ein Bruchteil der Leserschaft je sehen würde, wahrgenommen wurden. Angesichts der Autorität, die insbesondere die Berichte und Reportagen Redferns vermittelt haben müssen, ist es unwahrscheinlich, dass sie kritisch aufgenommen oder gar hinterfragt wurden. Der Korrespondent als journalistische Institution ist einerseits eine Quelle für Informationen, an die auf anderem Wege scheinbar nicht oder nur sehr schwer zu gelangen wäre. Er ist aber auch Ausdruck der Unmittelbarkeit und damit der Zuverlässigkeit von Information. Er nimmt die Dinge, über die er berichtet, mit eigenen Augen und Ohren wahr. Daraus ergibt sich seine Glaubwürdigkeit und Kompetenz. Dies wird von ihm selbst oder dem Medium, das seine Beiträge veröffentlicht, noch eigens betont, wenn beispielsweise Redfern in Bezug auf die bereits erwähnte „Evakuierung“ an den Leser gerichtet schreibt: „I came to Thomson’s Falls to find out what this evacuation has meant. Now I can tell you.“[44] Hier werden keinerlei Zweifel an der Autorität dieses Beobachters zugelassen. Seine räumliche Nähe zum Geschehen macht ihn zu einem Wesen, das in der westlichen Gesellschaft eine beinahe religiöse Autorität genießt – zum Experten. Redfern ist ein Experte, der seinem Publikum die Vorgänge in Kenia nicht nur vor Augen führt, sondern sie auch erklärt, bzw. ihre Deutung vorgibt, indem er sie in einem bestimmten Licht und mittels einer mehr oder weniger stark wertenden Terminologie darstellt. Mit anderen Worten: hier wurde Propaganda betrieben, eine ganz bestimmte Sicht auf die Dinge gefördert, in diesem Fall aus der Perspektive des kolonialen Staates heraus. Natürlich ist das angesichts der bereits erwähnten politischen Ausrichtung des Blattes nicht überraschend. Wichtig ist, dass damit in den ersten Monaten die Weichen für die Wahrnehmung des Aufstandes gestellt wurden, im Sinne eines Kampfes zwischen Gut und Böse, im Sinne der Unterstützung der staatlichen Autorität in Kenia und der weißen Siedler, im Sinne auch der absoluten Loyalität zum britischen Kolonialismus. Informationen, die diese Sichtweise hätten in Frage stellen können, wurden nicht gegeben, selbst der Hintergrund der Ereignisse – etwa die politische, wirtschaftliche und soziale Struktur des kolonialen Kenia – nie thematisiert. Die Berufung auf und die Verwendung von „Experten“, die zielgerichtete Selektion von Information und die Verwendung wertender Terminologie („Gangster“, „Evakuierung“, „Terroristen“) sind wichtige Elemente von Propaganda. Im Zusammenhang mit anderen Schwerpunkten der Berichterstattung und des Kommentars im Daily Express wird sich zeigen, dass auch andere Elemente – der Gebrauch von Stereotypen, die Schaffung von klaren Feindbildern, die ständige Wiederholung von Stigmatisierungen und ähnliches – Verwendung fanden.[45]

Eine Reihe von Untersuchungen zum Mau Mau-Aufstand betont den Umstand, dass bis zum Ende des Jahres 1952 die hektische Aktivität der Regierung und die Maßnahmen der Sicherheitskräfte in keinem Verhältnis zur faktisch vorhandenen Bedrohung standen.[46] Es gab keine „terroristische“ Organisation namens Mau Mau mit einer einheitlichen Kommandostruktur, einer eigenen Ideologie oder klar umrissenen Zielen, die einen systematischen Kampf gegen die Kolonialmacht hätte führen können. „Terroristische“ Aktionen in den ersten Monaten waren selten und folgten keinem erkennbaren Schema, waren offenbar nicht einmal durch eine zentrale Kommandostelle geplant. Erst die Offensive der Regierung führte dazu, dass vor allem junge Kikuyu, die man aus den Städten und den White Highlands vertrieb, zu Tausenden in die Wälder gingen, wo sich gegen Ende des Jahres eine pseudo-militärische Organisation herausbildete. Im Januar 1953 wurde eine dreiköpfige britische Siedlerfamilie bestialisch ermordet, ein Verbrechen, dass besonders unter den Europäern Entsetzen hervorrief und Rachegelüste provozierte. Neben diesem und weiteren Anschlägen auf europäische Farmen griffen Mau Mau-Kommandos bald auch gezielt Polizeistationen und Armeeposten an, erbeuteten Waffen und lieferten sich erste Scharmützel mit den Sicherheitskräften. Alles deutete darauf hin, dass sich nunmehr in den dichten Bergwäldern der Aberdares und des Mt. Kenia eine Art Guerilla etabliert hatte. Immer wieder gingen Gerüchte um, wonach Mau Mau eine „Nacht der langen Messer“ plane, eine Aktion in der alle Europäer in Kenia gleichzeitig umgebracht werden sollten.[47] Die Behörden reagierten mit weiteren Razzien, Polizeiaktionen, Deportationen, einer steten Verschärfung der Gesetze und bald auch mit Exekutionen von „Terroristen“.

Im März 1953 wurden in dem kleinen Ort Lari des Nachts 97 Kikuyu, darunter auch Frauen und Kinder, ermordet. Bei den Toten handelte es sich um die Familie und Anhängerschaft eines Kikuyu- chiefs. In der selben Nacht überfiel ein Mau Mau-Kommando die Polizeistation von Naivasha, tötete einige Polizisten und erbeutete eine erhebliche Anzahl Waffen. Beide Ereignisse hatten weitreichende Konsequenzen. Das „Lari-Massaker“ wurde als ein weiterer Beweis für die Barbarei des Feindes interpretiert und nach Kräften propagandistisch ausgeschlachtet. Der Angriff auf die Polizeistation wiederum hatte gezeigt, dass man es nunmehr offenbar mit einem militärisch organisierten Gegner zu tun hatte, der auch vor direkten Angriffen auf die Autorität des kolonialen Staates und seine Sicherheitsorgane nicht zurückschreckte.[48]

Bis Mitte 1953 wurde die Militärpräsenz drastisch erhöht und paramilitärische Einheiten aus weißen Siedlern und loyalen Afrikanern gebildet. Der Krieg wurde auf beiden Seiten mit großer Härte geführt. Im Mai 1953 setzte die RAF erstmals Flugzeuge ein, die potentielle Mau Mau-Verstecke in den Wäldern bombardierten. Im Juni 1953 übernahm General Sir John Erskine das Kommando über sämtliche Einheiten der Sicherheitskräfte. Bis Ende 1956 waren 11 503 „Terroristen“ getötet und 2 585 gefangengenommen worden. 2714 hatten sich ergeben. Die Verluste der Sicherheitskräfte und Armee beliefen sich auf 167 Tote, davon 63 Europäer. Während des gesamten Notstandes wurden 95 Europäer (davon 32 Zivilisten) getötet. Die Verluststatistik untermauert die hoffnungslose militärische Unterlegenheit der Mau Mau-Kämpfer.[49]

Der Daily Express trug der Eskalation des Konfliktes im Laufe des Jahres 1953 durch die zunehmende Darstellung des Aufstandes als Krieg Rechnung. Es gab nun einen mehr oder weniger klar erkennbaren Gegner, und besonders Anfang 1954 nahmen die bewaffneten Auseinandersetzungen tatsächlich beinahe den Charakter eines Krieges an. Die Verluste von Mau Mau gingen bald innerhalb von wenigen Tagen in die Hunderte, größere Gefechte häuften sich, und die RAF belegte mutmaßliche Mau Mau-Verstecke in den Wäldern mit Bombenteppichen. Der Daily Express nannte das, was im Hochland Kenias vor sich ging, mehr als einmal einen „Krieg“ und beschrieb es auch so.[50] Damit entfernte sich das Blatt, trotz Loyalität zur Regierung, von der offiziellen Position. Den Kolonialbehörden und der Regierung in London hatte von Anfang an viel daran gelegen, das Geschehen in Kenia nicht als kolonialen „Krieg“ dargestellt zu wissen. Aus diesem Grund wurde in Pressemitteilungen und anderen offiziellen Verlautbarungen noch immer der Begriff Emergency verwendet.[51]

Charakteristisch in den Beiträgen des Daily Express ist die Schaffung klarer Fronten. Aus allen Berichten, Meldungen und Kurzmeldungen geht hervor, dass in Kenia aufrechte Europäer und ihre afrikanischen Verbündeten einen Kampf gegen bösartige „Terroristen“ führen. Der Gegner wird, sofern er nicht den Titel „Terrorist“ an sich erhält, mit den Bezeichnungen „killer“, „thug“, „murderer“ oder „gangster“ belegt, er führt keine Angriffe, sondern „Überfälle“ durch, die Dienstgrade seiner Anführer stehen allenfalls in Anführungszeichen. In dieser Beziehung folgte der Daily Express nicht nur der offiziellen Version, wie sie von den zuständigen Regierungsstellen in Kenia und London ausgegeben wurde, sondern bediente sich zuweilen einer noch radikaleren Terminologie zur Diffamierung des Gegners.[52]

[...]


[1] Clement Attlee: Empire Into Commonwealth, London 1961, S. 1.

[2] Frank Furedi verweist auf diesen Punkt: “These conflicts were either potentially or actually colonial wars. The term ‘emergency’ was essentially a public relations concept. It had the advantage of allowing Britain to adopt wide-ranging coercive powers while maintaining the pretence of normal civil rule.” Frank Furedi: “Creating a Breathing Space. The political management of colonial emergencies”, in: Robert Holland (Hrsg.): Emergencies and Disorder in the European Empires after 1945, Sonderausgabe des Journal of Imperial and Commonwealth History, 21(1993), 3, S. 89-106, S. 94.

[3] Ausdruck des verstärkten Engagements der Kolonialmacht sind koloniale Entwicklungsprojekte wie der missglückte Versuch, in Tanganjika in großem Stil Erdnüsse anzubauen sowie die Gründung der Central African Federation im Jahre 1953. David A. Low und John M. Lonsdale haben für die kurzzeitige „Renaissance“ des Kolonialismus in Afrika den Begriff „second colonial occupation“ geprägt. Vgl. dazu dies.: „Introduction. Towards the new order“ in D.A. Low / Alison Smith (Hrsg.): History of East Africa, Bd. 3, Oxford 1976, S. 1-63, besonders S. 12-16.

[4] Sir Philip Mitchell: African Afterthoughts, London 1954, S. 219f

[5] Bruce Berman: Control and Crisis in Colonial Kenya. The Dialectic of Domination, London / Nairobi / Athens, Oh. 1990, S. 287.

[6] Im folgenden wird der Begriff „Mau Mau“ als Bezeichnung für die betreffende Organisation dennoch verwendet. Offenbar gab es auch unter den Mitgliedern keine einheitliche Bezeichnung. Gebräuchliche Namen waren Uigano wa Muingi (Kik.: Einheit der Gemeinschaft), Muingi (Gemeinschaft), Gikuyu na Mumbi (die Namen der mythischen Stammeltern der Kikuyu) , Muma (Eid), Muiguithania (der Vereidiger) oder KCA (Kikuyu Central Association). Siehe dazu Marshall S. Clough: Mau Mau Memoirs. History, Memory and Politics, London / Boulder 1998, S. 97.

[7] Für einen allgemeinen Überblick über die Debatte vgl. John Darwin: “Decolonization and the End of Empire”, OHBE, V, S. 541-557 und David McIntyre: British Decolonization, 1946-1997. When, Why and How did the British Empire Fall?, London / Basingstoke 1998.

[8] David Goldsworthy: Colonial Issues in British Politics, 1945-61, Oxford 1971, Partha Sarathi Gupta: Imperialism and the British Labour Movement, 1914-1964, London / Basingstoke 1975, Miles Kahler: Decolonization in Britain and France. The Domestic Consequences of International Relations, Princeton N.J. 1984, Stephen Howe: Anticolonialism in British Politics. The Left and the End of Empire, Oxford 1993, Philip Murphy: Party Politics and Decolonization. The Conservative Party and British Colonial Policy in Tropical Africa, 1951-1964, Oxford 1995.

[9] Zur angeblichen Gleichgültigkeit der britischen Öffentlichkeit gegenüber kolonialen Fragen vgl. Jack Gallagher: „The Decline, Revival and Fall of the British Empire“ in ders.: The Decline, Revival and Fall of the British Empire. The Ford Lectures and Other Essays, Cambridge 1982, S. 73-153, besonders S. 78-80. Zum zweiten Punkt siehe John Strachey: The End of Empire, London 1959, S. 215 und Robert Holland: European Decolonization 1918-1981. An Introductory Survey, London 1985, S. 208-210.

[10] John Darwin: The End of the British Empire. The Historical Debate, Oxford 1991, S. 13 – 24.

[11] Die hier dargelegte Sicht auf das Phänomen „öffentliche Meinung“ erhebt keineswegs Anspruch auf Allgemeingültigkeit und ist als Arbeitsdefinition zu verstehen. Das Problem ist Gegenstand einer lebhaften Debatte, deren Vielfältigkeit sich in Sammelbänden wie dem von Theodore L. Glasser und Charles T. Salmon herausgegebenen (Public Opinion and the Communication of Consent, New York / London 1995) zeigt. Besonders wichtig für die Formulierung meines Ansatzes war darin der Aufsatz von John Durham Peters: „Historical Tensions in the Concept of Public Opinion“ (S. 3-32). Ebenso: Walter Lippmann: Public Opinion, New Brunswick, NJ 1991 und ders.: The Phantom Public. A Sequel to ‘Public Opinion’, New York 1927 sowie Jürgen Habermas: Strukturwandel der Öffentlichkeit . Untersuchungen zu einer Kathegorie der bürgerlichen Gesellschaft, Neuwied 1962 und der Artikel „Öffentlichkeit“ von Lucian Hölscher in Otto Brunner / Werner Conze / Reinhart Koselleck (Hrsg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deuschland, Bd. 4, Stuttgart 1978, S. 413 – 467.

[12] Susan L. Carruthers: Winning Hearts and Minds. British Governments, the Media and Colonial Counterinsurgency, 1944-1960, London 1995 (darin zum Mau Mau-Aufstand die Seiten 128-193); Tony Shaw: Eden, Suez and the Mass Media. Propaganda and Persuasion during the Suez Crisis, London / New York 1996.

[13] Siehe James A. Brown: Techniques of Persuasion. From Propaganda to Brainwashing, Harmondsworth 1963; Anthony R. Pratkanis / Elliot Aronson: Age of Propaganda. The Everyday Use and Abuse of Persuasion, New York 1992; Jeremy Hawthorn (Hrsg.): Propaganda, Persuasion and Polemic, London 1987.

[14] In der Folge werden die Begriffe “Terrorismus”, „Terrorist“, „terroristisch“ mit Anführungszeichen versehen. Damit soll nicht die Existenz der Gewalt in den Reihen von Mau Mau geleugnet, sondern auf den stark wertenden Charakter dieser Begriffe hingewiesen werden. Für einen Überblick zum Thema „Terrorismus“ vgl. Carruthers, S. 2-6.

[15] Zum Mau Mau-Aufstand und seiner Wahrnehmung siehe z.B.: Carl J. Rosberg / John Nottingham: The Myth of „Mau Mau. Nationalism in Kenya, New York / Washington / London 1966, Robert Buijtenhuis: Mau Mau, Twenty Years After. The Myth and the Survivors, Den Haag / Paris 1973, David Throup: Economic and Social Origins of Mau Mau, London / Nairobi /Athens, Oh. 1988, Frank Furedi: The Mau Mau War in Perspective, London / Nairobi /Athens, Oh. 1989; Bruce Berman: Control and Crisis in Colonial Kenya. The Dialectic of Domination, London / Nairobi /Athens, Oh. 1990, Bruce Berman / John Lonsdale: Unhappy Valley. Conflict in Kenya and Africa, 2 Bde., London / Nairobi /Athens, Oh. 1992, Greet Kershaw: Mau Mau From Below, Oxford 1997 und Clough.

[16] Zitiert nach A.J.P. Taylor: Beaverbrook, London 1972, S. 585. Vgl. Brown, S. 27f. Die folgenden Ausführungen zu Beaverbrook und dem Daily Express beruhen auf Taylor und Robert Allen: Voice of Britain. The Inside Story of the Daily Express, Cambridge 1983.

[17] Allen, S. 54.

[18] Sowohl für Chamberlain als auch für Beaverbrook nahmen bei der Idee eines engeren Zusammenschlusses der Einzelbestandteile des Empire die Dominions (Kanada, Australien, Südafrika, Neuseeland) und Indien eine Schlüsselposition ein. Die Bedeutung der afrikanischen Kolonien war marginal, wobei allerdings Kenia und Südrhodesien mit ihrer relativ zahlreichen bzw. einflussreichen weißen Siedlerschaft durchaus ebenfalls Beachtung fanden. Zur Empire-Kampagne Beaverbrooks siehe Taylor, S 272-307 und Allen, S. 55-63, zu Chamberlain siehe William L. Strauss: Joseph Chamberlain and the Theory of Imperialism, Washington 1942 und W. Mock: Imperiale Herrschaft und nationales Interesse. 'Constructive Imperialism' oder Freihandel in Großbritannien vor dem Ersten Weltkrieg, Stuttgart 1982.

[19] Die neun großen Londoner Morgenzeitungen und ihre Auflagen (1957):

Daily Mirror 4 658 793

Daily Express 4 127 085

Daily Mail 2 138 570

Daily Herald 1 640 707

News Chronicle and Daily Dispatch 1 394 077

Daily Sketch and Daily Graphic 1 304 892

Daily Telegraph and Morning Post 1 125 893

The Times 232 719

Daily Worker 82 200

Zusammen 16 704 936

Tabelle aus: Handbuch der Auslandspresse, (hrsg. vom Institut für Publizistik der FU Berlin), Bonn / Köln 1960, (künftig HdA), S. 94.

[20] Zitiert nachTaylor, S. 602.

[21] DE vom 08.12.1952, S. 7.

[22] In einem Brief an Arthur Christiansen, Chefredakteur des Daily Express, kritisierte Lord Beaverbrook eine Reihe von komplizierten Hintergrundberichten, und bekräftigte: „We are not a highbrow paper!“ Brief Beaverbrooks an Christiansen vom 22.01.1953. Zitiert in Taylor, S. 610.

[23] Parallel zur Londoner Ausgabe erschien der Daily Express in Glasgow und Manchester. Diese Ausgaben unterschieden sich jedoch nur durch einen veränderten Lokalteil und sind deshalb in der vorliegenden Arbeit nicht gesondert behandelt. Der Sunday Express, 1918 von Lord Beaverbrook gegründet, ist ebenfalls aus der Analyse ausgeklammert, denn es handelte sich nicht um die Sonntagsausgabe des Daily Express, sondern um eine eigene Zeitung mit einer gesonderten Redaktion.

[24] Die Ausführungen zur Geschichte des Daily Mirror beruhen auf: Robert Allen / John Frost: Daily Mirror, Cambridge 1983, Hugh Cudlipp: Sensationen für Millionen. Die erstaunliche Geschichte des Daily Mirror und ders.: At Your Peril: A Mid-Century View of the Exciting Changes of the Press in Britain, and a Press View of the Exciting Changes of Mid-Century Britain, London 1962. Zur Mirror Group Newspapers Ltd., unter der Leitung von Cecil King, gehörte neben zahlreichen anderen Publikationen auch der Sunday Pictorial, der Sonntagsableger des Daily Mirror (Chefredakteur: Hugh Cudlipp), mit einer Leserschaft von 14,7 Millionen (1958) die zweitgrößte Sonntagszeitung Großbritanniens (HdA, S. 98). Der Daily Mirror erschien zeitgleich in London und Manchester mit verändertem Lokalteil und ebenso in Schottland unter dem Namen Daily Record. Der Untersuchung liegt die Londoner Ausgabe des Daily Mirror zugrunde.

[25] Editorial im Daily Mirror vom 27.04.1953, S.2. In der Folge erscheinen die Quellenangaben zu Zitaten aus Daily Mirror und Daily Express meist unmittelbar hinter der Passage, wobei die Titel mit DM und DE angekürzt, erklärende Einschübe in eckigen Klammern erscheinen und Auslassungen ebenfalls durch eckige Klammern symbolisiert sind.

[26] Vgl. dazu Curran / Seaton, S. 112-117.

[27] HdA, S. 93.

[28] Vgl. Shaw, S. 15 und Carruthers, S. 17.

[29] Vgl. Carruthers, S. 128f.

[30] Vgl. Carruthers, S. 177.

[31] In A.J.P Taylors mit unverhohlener Bewunderung durchtränkten Beaverbrook-Biographie werden die Jahre 1948 bis 1956 als eine Periode dargestellt, in der sich Beaverbrook – 1949 siebzig Jahre alt geworden – aus dem politischen Tagesgeschehen zurückzog. Immer wieder betonte er, sich fortan nicht mehr in die redaktionelle Arbeit seiner Zeitungen einmischen zu wollen, eine Aussage, die niemand ernst nahm. Dennoch hielt sich Beaverbrook in jenen Jahren nur einige Monate im Jahr in Großbritannien auf, pendelte sonst zwischen Kanada, den Bahamas und Südfrankreich umher und verfolgte vor allem seine schriftstellerischen Ambitionen. Vgl. Taylor, S. 574-618.

[32] Cameron war bis Ende der 1960er Jahre als Korrespondent in aller Welt tätig. Er berichtete für Zeitungen wie den News Chronicle, die Daily Mail, den Daily Herald, den Evening Standard, den Daily Express (!) und den New Statesman unter anderem über die Kuba-Krise, das Kennedy-Attentat, den Sechstagekrieg, die Suez-Krise und die Unilateral Declaration of Independence in Rhodesien. Als einem der ersten westlichen Journalisten gelang es ihm, während des Vietnam-Krieges nach Nordvietnam vorzudringen, eine Reise, die ihm in Amerika Verdächtigungen als Spion einbrachte und die er in seinem erfolgreichen Buch „Witness“ (London 1966) beschrieb. In seiner Autobiographie nennt Cameron den Daily Mirror „the worst and the best newspaper, a gymnastic in the dedicated technical expertise of the persuasive non-think.” (James Cameron: Point of Departure, London 1967, S. 71). Weitere Bücher: The African Revolution (London 1961), What a Way to Run the Tribe. Selected Articles 1948-67 (New York 1968).

[33] Siehe DE (1952) vom 6.09., S. 1/ 13.09., S. 1/ 17.09., S. 1/ 19.09., S. 1 / 26.09./ 27.09., S.1/ 29.09., S. 1.

[34] Das Wort „chief“ wird hier und im folgenden verwendet, um einen afrikanischen Würdenträger zu bezeichnen, der seine Position innerhalb der „Stammesgesellschaft“ im wesentlichen der Zusammenarbeit mit, bzw. der Einsetzung durch den kolonialen Staat verdankte. Die deutsche Übersetzung „Häuptling“ würde m.E. suggerieren, dass die Stellung des Betreffenden aus einer organisch gewachsenen Stammeshierarchie herrührt. Dies trifft in diesem Fall nicht zu, denn vor der Ankunft der Europäer kannten sowohl die Kikuyu, als auch andere afrikanische Völker keine „Häuptlinge“, sondern lediglich Älteste, deren Position aus ihrem Ansehen und ihren Verdiensten herrührte und keinesfalls eine dauerhafte oder gar erbliche Autorität beinhaltete. Siehe dazu: Berman, Control and Crisis, S. 208-218.

[35] Im Daily Express erschien die Meldung unter der Schlagzeile: ‚Chicago Killing’ in Kenya. DE vom 8.10.1952, S. 1.

[36] Editorial im DE vom 21.10.1952, S. 4.

[37] Frank Furedi verweist auf das „Sündenbock-Syndrom“ als charakteristischer Bestandteil der öffentlichen Reaktion auf koloniale Krisen. Vgl. ders.: “Breathing Space“, S. 88.

[38] Vgl. die Lageeinschätzung des Polizeipräsidenten von Kenia für die letzte Woche des Jahres 1952 (CO 822 / 477), zitiert in Carruthers, S. 136.

[39] Berichte über Razzien und Massenfestnahmen im DE vom 22.10.1952, S. 1 / 31.10.1952, S. 1 / 10.11.1952, S. 1 / 13.11.1952, S. 1 / 17.11.1952, S. 1, über „Evakuierungen“ im DE vom 26.11.1952, S. 1 / 27.11.1952, S. 1 / 3.12.1952, S. 7.

[40] DE vom 27.10.1952, S. 1f.

[41] DE vom 11.11.1952, S. 4.

[42] Redfern über den Kenyatta-Prozess siehe 18.11.1952, S. 1 / 19.11.1952, S. 1 / 4.12.1952, S. 1 / 5.12.1952, S. 2 / 6.12.1952, S. 2 / 9.12.1952, S. 1f / 11.12.1952, S. 7 / 16.12.1952, S. 2 / 17.12.1952, S. 2 / 30.12.1952, S. 2 / 31.12.1952, S. 2.

[43] In der Reihenfolge der Nennung siehe DE vom 12.11.1952, S. 5 / 03.11.1952, S. 2 / 03.12.1952, S. 7 / 15.11.1952, S. 2.

[44] DE vom 27.11.1952, S. 1.

[45] Vgl. Propaganda-Definition in Brown, S. 26-28.

[46] Siehe Berman, Control and Crisis, S. 349; Furedi, Mau Mau War, S. 115-120; Rosberg / Nottingham, S. 277-9.

[47] Vgl. DE vom 23.03.1953, S. 1 / 25.04.1953, S. 1.

[48] Bericht über das Lari-Massaker im DE (Überschrift: ‚Babies die in Mau massacre’) vom 28.03.1953, S. 1. Rosberg und Nottingham behaupten in der „Bibel“ der Revisionisten (The Myth of „Mau Mau“, S. 286-292 ), beim Lari-Massaker habe es sich keineswegs um eine Mau Mau-Aktion, sondern um die Eskalation eines regionalen Landkonflikts gehandelt. Lonsdale (Berman / Lonsdale: Unhappy Valley, S. 453f) betont hingegen, dass sich das Massaker nicht vom Mau Mau-Aufstand isoliert darstellen lässt. Hier zeigen sich die Schwierigkeiten, die sich auch heute noch bei der Wahrnehmung und Deutung von Mau Mau ergeben.

[49] Statistik aus: F.D. Corfield: Historical Survey of the Origins and Growth of Mau Mau, Nairobi 1960, S. 316.

[50] DE vom 6.01.1953, S. 2 / 11.01.1953, S. 2 / 18.02.1954, S. 1 / 16.04.1953, S. 2 / 12.04.1954, S. 1.

[51] Ähnliches geschah im Jahre 1956 während der Suezkrise, als man die Invasion britischer und französischer Truppen in Ägypten als „Polizeiaktion“ bezeichnete und den anwesenden Korrespondenten sogar das Wort „Krieg“ in ihren Berichten verbot. Siehe Shaw, S. 78 und 81.

[52] DE vom 09.02.1953, S. 1 / 09.04.1953, S. 1 / 13.04.1953, S. 1 / 09.05.1953, S. 5 / 03.07.1953, S. 2 / 01.08.1953, S. 1.

Ende der Leseprobe aus 108 Seiten

Details

Titel
Britische Presse und Dekolonisation. Daily Mirror und Daily Express zum Mau Mau-Aufstand in Kenia Anfang der 1950er Jahre
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Geschichtswissenschaften)
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2001
Seiten
108
Katalognummer
V16986
ISBN (eBook)
9783638216739
ISBN (Buch)
9783638847988
Dateigröße
977 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit untersucht anhand von zwei Beispielen Berichterstattung und Kommentar der britischen Yellow Press zum Mau Mau-Aufstand (1952-1959) in Kenia. Zentral ist die Frage nach der Wahrnehmung einer kolonialen Krise durch die Massenpresse und die Art und Weise der Kommunikation an die Öffentlichkeit.
Schlagworte
Britische, Presse, Dekolonisation, Daily, Mirror, Daily, Express, Mau-Aufstand, Kenia, Anfang, Jahre
Arbeit zitieren
Rohland Schuknecht (Autor:in), 2001, Britische Presse und Dekolonisation. Daily Mirror und Daily Express zum Mau Mau-Aufstand in Kenia Anfang der 1950er Jahre, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/16986

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