Séraphine Louis - Frankreichs große naive Malerin


Fachbuch, 2011

22 Seiten


Leseprobe


Ernst Probst

Séraphine Louis

Frankreichs große naive Malerin

Meiner Ehefrau Doris

sowie meinen Kindern Beate, Sonja und Stefan

gewidmet

Séraphine Louis - Frankreichs große naive Malerin

Die einflussreichste naive Malerin Frankreichs war die Künstlerin Séraphine (1864–1942), eigentlich Séraphine Louis, manchmal auch Séraphine de Senlis genannt. Ihre mystisch-religiösen Bilder zeigen meistens Pflanzen und offenbaren eine suggestive Phantasie. Eines ihrer bekanntesten Werke heißt „Der rote Baum“ und ist um 1927/1928 entstanden. Das Original wird im „Musée National d’Art Moderne“ in Paris, aufbewahrt.

Séraphine Louis kam am 2. September 1864 in dem Dorf Arsy (Département Oise) zur Welt. Sie war das jüngste Kind des Taglöhners und Holzfällers Antoine Frédéric Louis sowie dessen Ehefrau, der Zugehfrau Adeline Julie Mayard (auch Maillard). Ihren wohlklingenden Taufnamen Séraphine hatte der Pfarrer vorgeschlagen. Ihr Namensheiliger dürfte die toskanische Heilige Seraphina bzw. Fina (12384–1253) aus dem Mittelalter gewesen sein. Ihre Mutter starb bereits 1865 ein Jahr nach ihrer Geburt. Nach dem Tod ihres Vaters 1871 wurden Séraphine und ihre drei Schwestern zu Vollwaisen.

Über die Kindheit von Séraphine ist wenig bekannt. Man weiß nur, dass sie oft auf nahegelegenen Bauernhöfen spielte, gelegentlich Schafe hütete und Bauern bei verschiedenen Arbeiten half.

Auf Vermittlung einer ihrer Schwestern erhielt Séraphine im Alter von 13 Jahren eine Stelle als Dienstmädchen in Paris. Anderthalb Jahre später trat sie in Compiègne bei der Comtesse de Beaumini eine Stelle als Zimmermädchen und Küchenhilfe an. Diese Tätigkeit übte sie drei Jahre lang aus.

1881 wurde Séraphine in die „Kongregation der Schwestern des Convents de la Charité de la Providence“ in Clermont aufgenommen. Welchen Status sie in diesem Kloster hatte, weiß man nicht. Vielleicht war sie dort nur Dienerin oder zumindest Laienschwester. Sicherlich legte sie jedoch nicht die Gelübde ab.

Nach rund 20 Jahren verließ Séraphine vermutlich 1901 aus unbekannten Gründen das Kloster in Clermont. Man weiß heute nicht mehr, ob der Austritt aus freien Stücken erfolgte oder ob sie dazu gezwungen wurde. Danach verdiente sie als Putzfrau bei einem Fräulein Fraissant nahe Just-en-Chaussée ihren Lebensunterhalt. Ein halbes Jahr später kündigte sie aus Unzufriedenheit diese Stelle. Ihre nächste Stelle bei Madame Baudin war mit schwerer körperlicher Arbeit verbunden. Über diese Tätigkeit beklagte sich Séraphine – verbunden mit einem Neujahrsgruß – bei ihrer alten Bekannten Madame Bonnet in Senlis. Diese empfahl sie ihrer Freundin Madame Mony, deren Mann im Sterben lag und deren Dienstmädchen im Krankenhaus war und dringend Hilfe benötigte.

Ab 1903 oder 1904 arbeitete Séraphine in dem kleinen Städtchen Senlis. Ihr Dienst als Aufwartefrau bei Madame Mony endete, als diese 1904 nach Paris zog, wohin Seraphine nicht folgen wollte.

Ab 1905 arbeitete Séraphine bei dem Advokaten Chambard in Senlis. Während dieser Tätigkeit begann sie, Blumen und Früchte auf Papier, Schachteln, Dosen, Holzplatten, Vasen, Krüge, Flaschen und Teller zu malen. Für viele ihrer Bilder verwendete sie eine Lackfarbe namens Ripolin, die 1889 von dem Holländer Carl Julius Riep erfunden wurde. Diese Farbe haftete auf fast allen Untergründen und ergab eine emailartig leuchtende, sehr wasserbeständige Oberfläche.

Die Ehefrau des Advokaten Chambard fand die künstlerischen Aktivitäten ihrer Aufwartefrau lächerlich. Der Sohn von Madame Chambard dagegen meinte, Séraphine habe Talent und solle weitermachen. Der größte Teil der frühen Werke von Seraphine ging verloren oder wurde, weil man sich deren Wertes damals noch nicht bewusst war, bei Entrümpelungen zerstört.

Nach ihrer Aussage griff Séraphine nicht aus eigenem Antrieb zu Zeichenstift und zum Pinsel. Über ihre Anfänge als Künstlerin berichtete sie jedoch Unterschiedliches. Sie erklärte, ihr Schutzengel habe ihr in der Kirche aufgetragen, mit dem Zeichnen zu beginnen. Gelegentlich behauptete sie aber, die Jungfrau Maria habe ihr den Befehl zum Malen erteilt. Diese Erscheinung der Muttergottes lokalisierte sie mal in der Kathedrale von Senlis, mal in ihrer Wohnung.

Um 1906 beschloss Séraphine, künftig nicht mehr bei ihrer jeweiligen Herrschaft zu wohnen. Sie mietete in der Rue du Puits Tiphaine im Haus Nr. 1 eine kleine Dachkammer, in der sie rund 25 Jahre wohnte.

In ihrer Dachkammer malte Séraphine nur nachts und niemand durfte ihr dabei zusehen. Weil sie in der warmen Jahreszeit beim Malen ihr Fenster offen stehen ließ, hörte man in der Nachbarschaft und auf der Straße, dass sie schrill und falsch religiöse Lieder sang. Beim Malen vergaß sie offenbar die Welt um sich herum und tauchte in ihre inneren Bilder, in ihre Visionen, ein.

Um 1910 trat Séraphine eine Stelle bei der Familie Duflos in Senlis an. Irma Duflos war Schneiderin und betrieb ein Modegeschäft. Sie erhielt von ihrer Aufwartefrau zahlreiche Gemälde, die sie meistens verschenkte. Manche ihrer Bilder malte Séraphine mit Farben aus dem Farbkasten von Pierre Duflos, dem Sohn von Madame Duflos. Pierre und dessen Freund Philippe Andy spielten Séraphine einmal einen Streich: Sie entwendeten ihren Wohnungsschlüssel, drangen in ihre Wohnung ein und malten auf einem Stilleben ein buntes Insekt dazu.

In Senlis galt Séraphine als Sonderling. Stets trug sie einen flachen, schwarzlackierten Strohhut, über der Schulter abgeschnittene Haare, einen weiten und kurzen Schulterumhang (Pelerine), der nur die Schultern und Oberarme bedeckte, einen langen, schwarzen oder weißen Schal, einen knöchellangen, bauschigen, schwarzen Rock, und dicke Männerschuhe. Zu ihren belächelten Eigenheiten gehörte auch, dass sie mit Bäumen sprach.

Séraphine war in Senlis keineswegs aber ganz so einsam oder etwa gar von allen Einwohnern verachtet, wie manchmal in der Literatur fälschlicherweise behauptet wird. Sie hatte eine Freundin, eine Gemüsefrau namens Mandine, die auf einem Karren ihre Waren feilbot. Allabendlich bereitete Mandine aus unverkauften Resten eine Gemüsesuppe zu, die sie zusammen mit Séraphine löffelte. Die dankbare Séraphine schenkte Mandine gelegentlich Bilder, die auf dem Speicher landeten. Diese Gemälde wurden nach dem Tod von Mandine und deren Schwester leider von deren Erben bei einer Entrümpelung entsorgt.

Einer Entrümpelung des Speichers fielen auch drei große Gemälde zum Opfer, die Séraphine dem Lebensmittelhändler Esnaux in Senlis für ihren täglichen Rotwein überlassen hatte. Dessen beide Töchter warfen die Bilder während einer Reise des Vaters und der Mutter bei einer Aufräumaktion weg.

[...]

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Séraphine Louis - Frankreichs große naive Malerin
Autor
Jahr
2011
Seiten
22
Katalognummer
V169871
ISBN (eBook)
9783640884858
ISBN (Buch)
9783640885398
Dateigröße
969 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
séraphine, louis, frankreichs, malerin
Arbeit zitieren
Ernst Probst (Autor:in), 2011, Séraphine Louis - Frankreichs große naive Malerin, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/169871

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