Die Grammatik der gesprochenen Sprache: Prosodie


Referat (Ausarbeitung), 2010

15 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Kategorien
2.1 DerAkzent
2.1.1 Definition
2.1.2 Funktion
2.2 Der Rhythmus
2.1.1 Definition
2.1.2 Funktion
2.3 Der Intonationsverlauf
2.1.1 Definition
2.1.2 Funktion
2.4 Die Sprechgeschwindigkeit
2.1.1 Definition
2.1.2 Funktion
2.5 Die Pause
2.1.1 Definition
2.1.2 Funktion
2.6 Die Stimmfärbung
2.1.1 Definition
2.1.2 Funktion

3. Anwendungsbereiche

4. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Es ist ebenso interessant und schwer, etwas gut zu sagen, wie es gut zu malen ist.“[1] Gesprochene und geschriebene Sprache können trotz identischem lexikalischem Aufbau unterschiedlich aufgefasst werden. Dies liegt in erster Linie an der Prosodie, dem zentralen Unterscheidungskriterium zwischen Sprechen und Schreiben.[2] Obwohl die Interpunktion im Bereich der Schrift ein Pendant zu prosodischen Äußerungseigenschaften darstellt, ist das Ausdrucks- und Gestaltungspotential der Prosodie ungleich höher.[3] Sie unterstützt beim Verständnis gesprochener Sprache und erlaubt eine genauere Interpretation syntaktisch und semantisch mehrdeutiger Sätze.[4] Die Prosodie ist ein hochgradig komplexes System, dessen in der Praxis untrennbar zusammengehörenden und stets zusammen auftretenden Kategorien in der Theorie unterschieden und einzeln betrachtet werden können.[5]

2. Die Kategorien

2.1 Der Akzent

2.1.1 Definition

Jede einzelne Silbe einer Aussage kann mit einer unterschiedlich starken Betonung versehen werden. Dazu wird jeder Silbe eine Anzahl von „Schlägen“ zugeordnet, wobei ein Schlag der Silbe als Solche zugeordnet wird.[6] Zwei Schläge bezeichnen unreduzierte Vokale oder Diphthonge, drei stehen für einen Wortakzent von Simplizia; einem sekundären Äußerungsakzent werden vier, einem primären fünf Schläge zugeordnet.[7] In der Praxis lässt sich diese Zuordnung jedoch nicht immer in dieser Form vorfinden, so dass zur gezielten Veränderung der gewünschten Aussage die Betonung auch abweichen kann.[8] Daher ist der auditive Eindruck entscheidend, der die Maxima und Minima der sprachlichen Segmente auch unter Beziehung von Kategorien wie Intensität, Klangfarbe, Tonhöhe oder Dehnung skaliert.[9] Akzente sind zudem zumeist Wendepunkte, an denen sich der Intonationsverlauf einer Aussage ändert.[10]

2.1.2 Funktion

Mit einem Akzent werden diejenigen Teile einer Aussage betont, denen eine besondere informative Wichtigkeit zugeordnet wird.[11] Hierbei lassen sich zwei Fälle unterscheiden. Soll kein Bereich ungewöhnlich stark betont werden, wird von einem Satzakzent gesprochen.[12] Hierbei lässt sich bei der Betonung mehrerer Elemente eine rhematische Hierarchie feststellen, bei der sich die verschiedenen syntaktischen Kategorien ihrer Wertigkeit als Akzentträger entsprechend ordnen lassen und unabhängig vom einzelnen Satz stets das gleiche Wertigkeitsverhältnis zueinander haben.[13] So hat ein Akkusativobjekt beispielsweise eine höhere Wertigkeit als das Verb, so dass bei Normalbetonung im Satz „Günther hat die Maus gefangen.“ das Objekt „die Maus“ stärker betont wird als „gefangen.“

Im zweiten Fall liegt ein Kontrastakzent vor, bei dem der Satz keine Normalbetonung aufweist.[14] So könnte in obigem Beispielsatz ebenso „Günther“ betont werden, um seine Person als Fänger hervorzuheben. Ebenso wäre eine stärkere Akzentuierung von „die“ möglich, um die Bezeichnung einer konkreten, bestimmten Maus in den Fokus zu rücken. Denkbar wäre ebenfalls die Setzung eines Akzentes auf „gefangen“, um die Handlung des Fangens zu betonen und von anderen möglichen Handlungsweisen abzugrenzen. An diesem Beispiel lässt sich aufzeigen, dass ein Kontrastakzent syntaktische Kategorien betonen kann, die in der rhematischen Hierarchie weiter unten stehen als nicht betonte Silben. Kontrastakzente können auch auf zwei separate, syntaktische Einheiten verteilt werden, die zusammen eine intonatorische Einheit bilden.[15] Ein Beispiel wäre die Akzentsetzung auf „furchtbar“ und „arme“ im Satz „Ich finde es furchtbar, wie sehr arme Kinder leiden.“

Es ist möglich, innerhalb eines Satzes mehrere Akzente zu setzen, um mehrere Aspekte zur gleichen Zeit zu betonen oder zwei Sachverhalte zueinander in Beziehung zu setzen.[16] Beispielsweise könnte durch eine Betonung von „Günther“ und „die“ hervorgehoben werden, dass gerade die spezielle Person des Günthers eine bestimmte, für den Kontext relevante Maus gefangen hat. Aufgrund der im Vergleich zum Satzakzent größeren Anzahl an Möglichkeiten der Akzentsetzung lässt sich eine größere Intonationsbandbreite der Kontrast- zu den Satzakzenten attestieren.[17]

Die zentrale Funktion der Akzentsetzung ist die Markierung des rhematischen Bereiches einer Äußerung, was sich besonders gut am Bereich der W-Fragen erkennen lässt.[18] So wird im Satz „Wann fährt der Zug?“ das „Wann“ als Zielrichtung der Frage stets mit einem Akzent versehen, unabhängig davon, ob „Zug“ ebenfalls betont wird, um seine Besonderheit als bezeichneter Gegenstand - beispielsweise in Kotrastsetzung zu anderen Verkehrsmitteln - hervorzuheben. Ebenso dient der Akzent als Ausdrucksmittel für Emotion, Wertung, Emphase und Eindringlichkeit.[19] Im Satz „Dein Lachen ist einfach wunderschön“ beispielsweise dient bei einer passenden emotionalen Beteiligung des Sprechers die Akzentsetzung auf „wunderschön“ nicht primär der Vermittlung einer Sachinformation, sondern des Ausdrucks der Gefühle des Selbigen. Hierbei ist zu beachten, dass dieser Effekt nicht allein durch das Mittel der Akzentsetzung erzielt wird, sondern mit einem verlangsamten Sprechtempo, einer veränderten Lautstärke, einer Anhebung der Tonhöhe sowie einer potentiellen Pause vor dem „ist“ einhergeht, weshalb der Mechanismus lediglich in der Theorie ohne die Wechselwirkung zu anderen Mechanismen betrachtet werden kann.

2.2 Der Rhythmus

2.2.1 Definition

Das Deutsche verfügt im Unterschied zum Englischen, in dem die Regel der Akzentalternanz gilt, nicht über einen einheitlichen Sprachrhythmus.[20] Akzentverdichtungen, bei denen mehrere akzentuierte Silben aufeinander folgen, widersprechen beispielsweise aufgrund der Notwendigkeit von Dehnungen und Mikropausen dem Prinzip der Sprachökonomie und sind daher eine sprachliche Auffälligkeit.[21] Der Sprachrhythmus bezeichnet eine Regelmäßigkeit, in der mit Hilfe eines Oszillogramms die Lautstärke und Intensität eines sprachlichen Äußerung erfassbar und abbildbar wird.[22] Der Rhythmus stellt somit eine sprachliche Veränderung der Intonation auf der phrasalen- oder Satzbasis dar, wohingegen der Akzent auf die Silben- oder Wortbasis fokussiert ist, weshalb man beim Rhythmus von einer Systematisierung der Akzentuierung in einer größeren Aussageeinheit sprechen kann.[23] Im Deutschen wird dieser Rhythmus nur phasenweise aufgebaut und übernommen, was als Isochronie bezeichnet wird.[24]

2.2.2 Funktion

Lässt sich im Deutschen ein Rhythmus ausmachen, so hat er keine fest durch die Sprache determinierte, sondern eine analog zur Akzentuierung betonende Funktion.[25] Er dient der emphatischen Verstärkung von Wertungen, was sich am Beispiel „Mir ist so unerträglich kalt!“ bei der Betonung der Silben „un“, „träg“ und „kalt“ aufzeigen lässt.[26] Zugleich dient er der Positionierung zum Gegenüber, was durch ein Anpassen des Rhythmus an den des Gesprächspartners ausgedrückt wird.[27] In diesem Fall werden eigentlich „falsche“ Silben akzentuiert, um die sprachliche Einheit rhythmisch zu strukturieren.[28]

[...]


[1] Van Gogh, Vincent: Briefe. In: Mörtenhummer, Мол/ka/MöRTENHUMMER, Martin: Zitate im Management. 2.,überarb. Aufl. Linde. Wien. 2009. S. 53.

[2] Vgl. Schwittala, Johannes: Gesprochenes Deutsch. Eine Einführung. 2., überarb. Auflage. Erich Schmidt Verlag. Berlin. 2003. S.56.

[3] Vgl. Stein, Stephan: Textgliederung: Einheitenbildung im geschriebenen und gesprochenen Deutsch. De Gruyter. Berlin. 2003. S. 325.

[4] Vgl. Féry, Caroline: Laute und leise Prosodie. In: Blühdorn, HardariklBreindl, Eva (Hrsg.):Text- Verstehen. Grammatik und darüber hinaus. De Gruyter. Berlin. 2006. S. 164.

[5] Vgl. Schwittala: Gesprochenes Deutsch. S.56.

[6] Vgl. Ebd. S. 56.

[7] Vgl. Ebd. S. 56f.

[8] Vgl. Ebd. S. 57.

[9] Vgl. Maas, Utz: Phonologie. Einführung in die Phonetik des Deutschen.Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen. 2006. S. 67.

[10] Vgl. Schwittala: Gesprochenes Deutsch. S. 57.

[11] Vgl. Ebd. S. 57.

[12] Vgl. Ebd. S. 57.

[13] Vgl. Uhmann, Susanne: Fokusphonologie. Eine Analyse deutscher Intonationskonturen im Rahmen der nicht-linearen Phonologie. Niemeyer. Tübingen. 1991. S. 210-215.

[14] Vgl. Schwittala: Gesprochenes Deutsch. S. 58.

[15] Vgl. Ebd. S. 60.

[16] Vgl. Ebd. S. 58.

[17] Vgl. Schwittala: Gesprochenes Deutsch. S. 58.

[18] Vgl. Ebd. S. 60.

[19] Vgl. Ebd. S. 61.

[20] Vgl. Ebd. S. 62f.

[21] Vgl. Ebd. S. 62f.

[22] Vgl. Peukert, Hagen: Kindliche Kalkulation. Eine Computersimulation überden Einfluss stochastischer Informationen auf die Wortsegmentierung beim Erstsprachenerwerb. Kassel university press. Kassel. 2009. S.55.

[23] Vgl. Peukert Kindliche Kalkulation. 2009. S.55-57.

[24] Vgl. Schwittala: Gesprochenes Deutsch. S. 64.

[25] Vgl. Uhmann, Susanne: Grammatische Regeln und konversationeile Strategien. Fallstudien aus Syntax und Phonologie. Niemeyer. Tübingen. 1996. S.116-119.

[26] Vgl. Schwittala: Gesprochenes Deutsch. S. 63.

[27] Vgl. Ebd. S. 62f.

[28] Vgl. Ebd. S. 64.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Die Grammatik der gesprochenen Sprache: Prosodie
Hochschule
Universität Münster  (Germanistische Fakultät)
Veranstaltung
Grammatik der gesprochenen Sprache in Theorie und Praxis
Note
1,7
Autor
Jahr
2010
Seiten
15
Katalognummer
V170106
ISBN (eBook)
9783640890675
ISBN (Buch)
9783640891078
Dateigröße
632 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Prosodie
Arbeit zitieren
Johannes Bellebaum (Autor:in), 2010, Die Grammatik der gesprochenen Sprache: Prosodie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/170106

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