Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Zwei Theorien
2.1 Die Handlungstheorie von Max Weber
2.2 Die Handlungstheorie von Alfred Schütz
3. Der Theorievergleich zwischen Weber und Schütz
3.1 Der subjektive Sinn und das Verstehen
3.2 Die Emergenz bei Weber und Schütz
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Diese Ausarbeitung beschäftigt sich mit den Handlungstheorien von Max Weber, einem der Gründerväter der deutschen Soziologie, und dem Begründer der phänomenologischen Soziologie Alfred Schütz, dessen Erkenntnisse unter anderem von denen Max Webers ausgingen.
Zunächst werden die einzelnen Theorien mit ihren wichtigsten Definitionen, Begriffen und Inhalten vorgestellt. Daraufhin werden sie in einem Vergleich gegenübergestellt. Hierbei wird vor allem auf ihren Zugang zum subjektiven Sinn des Akteurs, die Möglichkeiten des Verstehens und das Alltagsverstehen der Akteure eingegangen. Anschließend werde ich kurz erklären was man unter Emergenz versteht und die Theorien daraufhin prüfen. Am Schluss der Arbeit werde ich noch einmal auf die Ergebnisse dieser Arbeit eingehen.
2. Zwei Theorien
Um einen sinnvollen Theorievergleich anstellen zu können, werde ich im Folgenden erst einmal die zu vergleichenden Handlungstheorien von Max Weber und Alfred Schütz vorstellen.
2.1 Die Handlungstheorie von Max Weber
Max Weber gilt als einer der wichtigsten Klassiker in der Soziologie. Seiner Meinung nach ist die Soziologie „eine Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will.“ (Zitat: Weber 1980: 1)
Im Gegensatz zu anderen Theoretikern seiner Zeit, wie Emile Durkheim, der das Handeln auf den Einfluss von sozialen Institutionen zurückführt, glaubt er mit seiner verstehenden Soziologie, dass man das soziale Handeln vor allem durch den subjektiven Sinn, den die Akteure ihrem Handeln selber geben, ursächlich erklären und verstehen kann (vgl. Bayer, Mordt 2008: 85 f).
Zunächst unterscheidet Weber zwischen bloßem reaktiven Verhalten und dem Handeln, das ein Verhalten wie tun, lassen und dulden darstellt, dem der Akteur einen Sinn beimisst. Dieser Sinn ist es, den er verstehen möchte. Der Wissenschaftler kann Handeln entweder rational und logisch verstehen, oder versuchen es emotional nachzuempfinden. Mit dem „aktuellen Verstehen“ kann er offensichtliche Handlungen nachvollziehen, mit dem „erklärenden Verstehen“ kann er motivationsmäßig den Sinn des Handelns verstehen.
Oft ist es schwer das Handeln rational nachzuempfinden weil der Akteur sein Handeln an anderen Zwecken oder Mitteln orientiert, als an denen, die dem Wissenschaftler logisch erscheinen (vgl. Weber 1980: 2). Hier kann er versuchen es motivationsmäßig und emotional nachzuempfinden, aber oftmals bleibt dieser Versuch erfolglos. Auf Grund dessen möchte Weber das Handeln an einem reinen zweckrationalen, modellhaften Idealtyp untersuchen. Damit kann er feststellen in wieweit ein Akteur sein Handeln objektiv richtigkeitsrational vollzieht und ob sein Handeln durch irrationale Beeinflussungen, also „Ablenkungen“ gestört wird (vgl. Weber 1980: 3). Dieses methodische Mittel hilft dem Wissenschaftler beim Verstehen. Ein Wissenschaftler muss laut Weber aber nicht unbedingt die vollständigen Motive einer Handlung erfassen, was meist nicht möglich ist, sondern legt selber fest, wann er den für Ihn wichtigen Wissenstand erreicht hat. Weber geht sogar davon aus, dass der handelnde Akteur selbst meistens den gemeinten Sinn seiner Handlung nicht bewusst weiß, sondern „ in der Mehrzahl der Fälle triebhaft oder gewohnheitsmäßig“ (zitiert nach Schneider 2005: 46) handelt, er also dem Wissenschaftler oft in seinem Wissen um den Sinn nicht voraus ist.
Weber nennt vier Bestimmungsgründe des Handelns. Es kann entweder zweckrational, wertrational, affektuell oder traditional bestimmt sein. Die Übergänge zwischen diesen Idealtypen sind fließend und bei dem traditionalen und affektuellen Handeln ist es schwierig von einem subjektiv gemeinten Sinn zu sprechen, da diese entweder gewohnheitsmäßig oder reaktiv geschehen. Am besten ist für den Wissenschaftler der zweckrationale Handlungstyp nachzuvollziehen.
Als „soziales Handeln“ wird nach Weber das Handeln bezeichnet, bei dem der gemeinte Sinn sich auf ein Verhalten anderer bezieht oder sich in seinem Ablauf daran orientiert (vgl. Weber 1980: 1). Hierbei ist es einerlei ob er sich auf eine oder mehrere Personen bezieht und ob sie ihm bekannt sind oder nicht. Es muss auch keine weitere Person zum sozialen Handeln anwesend sein, genauso wie man auch mit einer zweiten Person zusammen sein kann ohne sozial zu Handeln (vgl. Schneider 2005: 58). Beispielsweise würde ein Putzfrau die ein Kaugummi unter einem Stuhl hervorholt sozial handeln, da sie sich auf die Person, die es dort hingeklebt hat in ihrem Handeln bezieht, auch wenn diese Handlung schon Tage her ist.
Das soziale Handeln ist es, was Weber untersuchen und verstehen möchte.
Wenn mehrere Akteure sich in Ihrem sinnhaften Handeln wechselseitig aufeinander beziehen und an sich orientieren, nennt Weber dies „soziale Beziehung“. Dies kann vorübergehend oder dauerhaft sein und es liegt eine Erwartbarkeit eines Beziehungskonformen Handelns vor. Beide Personen müssen allerdings nicht den gleichen Sinn in ihrem Handeln sehen. Beispielsweise könnten sich zwei Personen schon jahrelang kennen, der eine trifft sich aus Freundschaft, der andere aber vielleicht, weil er gewisse Vorteile durch die Treffen hat.
Hier liegt eine kontinuierliche soziale Beziehung vor, bei der die Handelnden einen unterschiedlichen Sinn in ihrem Handeln sehen. Die soziale Beziehung ist hier objektiv einseitig (vgl. Weber 1980: 13f). Weber unterscheidet unter vielen Formen der sozialen Beziehung. Als „Kampf“ bezeichnet er eine konfliktäre Beziehung, in der einer seinen Willen gegen den des Anderen durchsetzen will. Dies kann gewaltsam ablaufen oder sich in einer friedlichen Konkurrenz äußern.
Als „Vergemeinschaftung“ wird eine konsensuelle soziale Beziehung bezeichnet, wenn sie sich auf emotional oder traditionelle „Zusammengehörigkeit“ von den Handelnden bezieht.
Wenn die Beziehung zwar konsensuell ist, aber zweckrationalen oder wertrationalen Beweggründen der Akteure unterliegt, nennt Weber diese Beziehung „Vergesellschaftung“
(Weber 1980: 20ff). Diese Formen der sozialen Beziehungen sind symmetrisch.
Es gibt aber auch sowohl in konfliktären Beziehungen, als auch in konsensuellen Beziehungen asymmetrische Formen.
Wenn eine Partei in einer konfliktären Beziehung mehr Macht hat, und seinen Willen gegen den der anderen Partei durchbringen kann, das sinnhafte Handeln aller sich also auf diese Tatsache bezieht, nennt man dies eine Machtbeziehung. Wenn eine Partei innerhalb einer konsensuellen Beziehung, wie einer Vergemeinschaftung oder Vergesellschaftung, Befehle geben kann und sich die anderen diesen freiwillig unterordnen, seine Befehlsgewalt also legitimieren, nennt man diese Beziehung eine Herrschaft. So kann man auch beispielsweise in Familien ein Herrschaftsverhältnis feststellen, da die Eltern den Kindern legitim übergeordnet sind. Die Formen von sozialen Beziehungen sind jeweils idealtypisch und es gibt natürlich einige Mischformen der genannten Typen
Um nun sozial typische Muster von Handlungen und Sozialen Beziehungen, ihre Verbreitung, Wiederholung und ihr Bestehen zu erklären führte Weber den Begriff „Brauch“ ein.
Ein Brauch ist laut Weber ein regelmäßiges, stabiles soziales Handeln in einem Kreis von Menschen. Den Brauch differenziert er noch einmal in drei Unterkategorien, die sich nach den Bedingungen der Stabilität richten.
Als Sitte werden die Bräuche bezeichnet, die auf Grund von traditionalem Handeln, Gewohnheit und Nachahmung fortbestehen, als interessensbedingtes Handlungsmuster werden diejenigen bezeichnet, die aus zweckrationalen Gründen fortbestehen und als Mode werden die stabilen Handlungsmuster bezeichnet, die neuartig sind, affektuell entstanden und zeitlich befristet sind. Die Mode besteht so lange, wie der Kontrast zu den vorherigen Handlungsmustern noch präsent ist. Sobald sie zur Gewohnheit wird, können die Handlungsmuster wieder verschwinden(vgl Schneider 2005:66 ff)
Die Handlungsmuster, die allgemein als verbindlich anerkannt werden, (beispielsweise durch Glaube, Tradition oder legitime Herrschaft), und auf der Überzeugung von handelnden Akteuren basieren, nennt Weber Handlungsmuster der „legitimen Geltung“. Wer abweichend handelt wird auf Grund von einer Normverletzung negativ sanktioniert. Eine Sitte die sich dahingehend modifiziert wird Konvention genannt. Wird die Sanktionierung und Überwachung einer Konvention von einem Personenkreis übernommen spricht Weber vom „Recht“. Diese beschriebene normative Geltung eines Handlungsmusters, also bestehende Konventionen in Kombination mit dem Recht, wird von Weber als Basis einer Ordnung gesehen.
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