Die Rot-Grüne Regierung der Jahre 1998 bis 2005 stellt in vielerlei Hinsicht eine Besonderheit auf bundespolitischer Ebene dar. Zum einen handelte es sich um den ersten tatsächlichen Regierungswechsel in der Geschichte der Bundesrepublik [... ] zum anderen waren mit diesem Regierungswechsel große Hoffnungen und Befürchtungen auf einen Politikwechsel und die Überwindung des jahrelangen Reformstaus verbunden. [...]
Insbesondere diese programmatische Inkonsistenz und das weitgehende Fehlen eines geschlossenen wirtschaftspolitischen Konzepts, kennzeichnen die 14. und die 15. Legislaturperiode. [...]
Dadurch wurde außerdem der seit Jahrzehnten schwelende Streit zwischen Traditionalisten und Modernisierern, als deren Protagonisten jeweils Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder an erster Stelle zu nennen sind, innerhalb Sozialdemokratie nach außen hin verborgen gehalten. Dies führte jedoch dazu, dass innerhalb des SPD „[…] widersprüchliche und teilweise unvereinbare wirtschaftspolitische Konzepte […]“ nebeneinander standen. Eine Klärung des wirtschaftspolitischen Kurses blieb bis zum Ende der 15. Legislaturperiode weitgehend aus. [... ]
So überrascht es auch nicht, dass gerade im Bereich der Wirtschaftspolitik eine erstaunliche Heterogenität der Maßnahmen im Zeitablauf zu beobachten ist. Die Regierung bediente sich mehr oder weniger wahllos in den Instrumentenbaukästen der Wirtschaftstheorie, ohne auch nur den Versuch einer langfristig orientierten Einflussnahme auf die Wirtschaft zu unternehmen. Die Folgen wiegen schwer: Neben massiven Steuersenkungen steht der - freilich fehlgeschlagene - Versuch von Ausgabenkürzungen und Konsolidierung des Haushaltes. Rückgängig gemachte Kürzungen der Vorgängerregierung wurden später durch neue Kürzungen ersetzt. Keynesianische Ansätze wurden flugs durch neoklassische Politiken ausgetauscht, die Konsumenten durch zahlreiche Regelungen be- und entlastet, unter dem Strich aber auf jeden Fall verunsichert und die Nachfrageseite ohne Notwendigkeit zumindest in Teilen abgewürgt oder schlichtweg ausgeblendet. Will man nun nicht einzig auf die Nutzenmaximierung der handelnden Akteure abstellen (Wählerstimmenmaximierung), so bietet es sich an, die hervorstechenden Reformprojekte im wirtschaftspolitischen Bereich zu untersuchen und an den programmatischen sowie wirtschaftstheoretischen Rahmengerüsten zu spiegeln.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Analyserahmen
- Zur programmatischen Entwicklung der SPD
- Das Godesberger Programm von 1959
- Der Orientierungsrahmen `85 – Präzisierung wirtschaftspolitischer Inhalte
- Berliner Programm – Von der Geschichte überholt?
- Grundsatzprogramme: Zwischenfazit
- Das Wahlprogramm von 1998
- Das Schröder-Blair-Papier im Kontext der Programmdiskussion
- Die aktuelle Programmdiskussion: Status Quo Vadis
- Programmatischer Wandel - Fazit
- Wirtschaftspolitische Hauptelemente der 14. und 15. Legislaturperiode
- Ausgangslage zum Zeitpunkt der Regierungsübernahme
- 136 Tage expansive Finanzpolitik: Eskalation des Theorienstreits
- Angebotspolitik „von links"
- Reform der Unternehmensbesteuerung
- Die ökologische Steuerreform
- Konsolidierung als einzige Alternative?
- Auswirkungen der umgesetzten Reformen: Abkehr vom Postulat der Ergebnisgerechtigkeit
- Methodische Vorbemerkungen
- Zur Bedeutung von Paradigmen bei der Untersuchung der Einkommensverteilung
- Die orthodoxe neoklassische Sichtweise
- Die keynesianische Sichtweise
- Ein Modell zum Zusammenhang von personeller Einkommensverteilung und Wachstum
- Ein Modell zum Zusammenhang von funktionaler Einkommensverteilung und Wachstum
- Empirische Würdigung I: Verteilungswirkungen der ökologischen Steuerreform
- Empirische Würdigung II: Auswirkungen der Reformen auf die personelle Einkommensverteilung
- Empirische Würdigung III: Veränderung in der funktionalen Einkommensverteilung unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Körperschaftsteuerreform
- Schlussbemerkungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende wissenschaftliche Arbeit untersucht die Wirtschaftspolitik der 14. und 15. Legislaturperiode unter besonderer Berücksichtigung der heterogenen Finanzpolitik im Kontext des wirtschaftspolitischen Theorienstreits innerhalb der SPD. Sie analysiert die programmatischen Entwicklungen der SPD und die Umsetzung ihrer wirtschaftspolitischen Ziele in der Praxis. Dabei werden die Auswirkungen der umgesetzten Reformen auf die Einkommensverteilung und das Wirtschaftswachstum untersucht.
- Entwicklung der wirtschaftspolitischen Programme der SPD
- Wirtschaftspolitische Maßnahmen der 14. und 15. Legislaturperiode
- Theorienstreit innerhalb der SPD
- Auswirkungen der Wirtschaftspolitik auf die Einkommensverteilung
- Zusammenhang zwischen Einkommensverteilung und Wirtschaftswachstum
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel führt in die Thematik ein und stellt den Forschungsstand dar. Es werden die wichtigsten wirtschaftspolitischen Theorien und Konzepte vorgestellt, die im weiteren Verlauf der Arbeit relevant sind.
Das zweite Kapitel analysiert die programmatischen Entwicklungen der SPD. Es werden die wichtigsten Programmpunkte der verschiedenen SPD-Programme vorgestellt und in Bezug auf die wirtschaftspolitische Ausrichtung der Partei analysiert.
Das dritte Kapitel untersucht die wichtigsten wirtschaftspolitischen Maßnahmen der 14. und 15. Legislaturperiode. Es werden die wichtigsten Reformen vorgestellt und deren Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Einkommensverteilung analysiert.
Das vierte Kapitel befasst sich mit dem Theorienstreit innerhalb der SPD. Es werden die verschiedenen wirtschaftspolitischen Positionen innerhalb der Partei vorgestellt und deren Auswirkungen auf die Wirtschaftspolitik der Regierung analysiert.
Das fünfte Kapitel untersucht die Auswirkungen der umgesetzten Reformen auf die Einkommensverteilung und das Wirtschaftswachstum. Es werden verschiedene Modelle vorgestellt, die den Zusammenhang zwischen Einkommensverteilung und Wirtschaftswachstum erklären.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die wirtschaftspolitische Entwicklung der SPD, die heterogene Finanzpolitik der 14. und 15. Legislaturperiode, den wirtschaftspolitischen Theorienstreit innerhalb der SPD, die Auswirkungen der Wirtschaftspolitik auf die Einkommensverteilung und den Zusammenhang zwischen Einkommensverteilung und Wirtschaftswachstum. Wichtige Begriffe sind dabei: Godesberger Programm, Orientierungsrahmen `85, Berliner Programm, ökologische Steuerreform, Angebotspolitik, Einkommensverteilung, Wirtschaftswachstum, Keynesianismus, Neoklassik.
- Arbeit zitieren
- Sebastian Schmidt (Autor:in), 2006, Die Wirtschaftspolitik der 14. und 15. Legislaturperiode, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/170265