Mimik und Sprache


Hausarbeit, 2000

21 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Bedeutung der Mimik im kindlichen Spracherwerb

3. Mimik als Ausdruck von Emotionen
3.1 Die Entstehung der Mimik
3.2 Emotionaler Gesichsausdruck – angeboren oder erlernt?
3.3 Darstellung der Mimik als Gefühlsausdruck
3.4 Das Verstehen der Mimik
3.5 Untersuchungen an hirngeschädigten und gesunden Personen
3.6 Täuschungshinweise im Gesicht

4. Mimik als Gehirnfunktion

5. Mimik als Begleitung der Rede
5.1 Darstellung spezifischer Mienen
5.2 Mimisches Verhalten bei Stotterern
5.3 Die Rolle der Mimik in der Gebärdensprache

6. Zwei Systeme zur Messung von Gesichtsausdrücken
6.1 Das „Facial Action Coding System“ (FACS)
6.2 Die “Facial Affect Scoring Technique (FAST)

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Sprache ist das wichtigste und meistgebrauchte Kommunikationsmittel der Menschen. Sie ermöglicht es, Gedanken und Gefühle zum Ausdruck zu bringen und sie anderen Menschen mitzuteilen; ebenso werden durch sie die Mitteilungen anderer verstanden. Zur zwischenmenschlichen Kommunikation gehört aber auch die wesentliche, nichtsprachliche Komponente der Körpersprache, die Gestik, Phonik sowie Mimik beinhaltet. Von diesen drei Aspekten wird in der vorliegenden Arbeit die Mimik hervorgehoben und ihre Bedeutung sowie ihr Verhältnis zur Spra- che dargestellt, da sie die wichtigste und am wenigsten von der Sprache zu trennende Komponente ist.

Die Mimik bringt seelische Erlebnisse über eine körperliche Erscheinungsform, nämlich über das Gesicht, zum Ausdruck. Sie ist meist eine Begleitung des Spre- chens oder der Wörter und ist eine Verdeutlichung und/oder Wiedergabe dessen, was nicht in Worten ausgedrückt wurde oder darin nicht von dem betreffenden Sprachgebraucher (Sprecher, auch Gebraucher von konventionellen Gebärden, oder „Fingerspeller“) ausgedrückt werden kann.

Sprache und Mimik sind eng miteinander verbunden, denn nur selten kommt die lautsprachliche Äußerung für sich allein vor, (fast) immer ist sie von mimischen Vornahmen begleitet. Allein die Lippen- und Mundbewegungen, also eine Verän- derung der Gesichtsmuskulatur, die notwendige Bedingung für die (lautsprach- liche) Sprache sind, stellen schon eine gewisse Mimik dar. Des weiteren hat die Mimik eine große Bedeutung für die Sprache, da sie die „Sprache des Gesichtes“ ist und sich das Gesicht nicht so einfach verstecken lässt – wie etwa die Hände. Dem Gesicht kommt deshalb eine größere Aufmerksamkeit als dem übrigen Kör- per zu, weil es zuerst und ganzheitlich an anderen Menschen wahrgenommen und meist länger als vieles andere von ihnen im Gedächtnis behalten wird. Es ist das Hauptkriterium, anhand dessen Personen identifiziert und voneinander unterschie- den werden können.

Im Gespräch wird nach dem sprachlichen Ausdruck dem Gesicht die größte Auf- merksamkeit entgegengebracht. Es ist der primäre Schauplatz für die Darstellung von Emotionen und kann dem Zuhörer mitteilen, was der Sprecher in Bezug auf den Inhalt seiner sprachlichen Äußerungen fühlt – natürlich keineswegs immer genau, da Gesichter im Hinblick auf Gefühle lügen können.

Bei akustischen Schwierigkeiten kann es für den Zuhörer hilfreich sein, die Lippen des Sprechers zu beobachten, um Wörter, die gesprochen werden, zu erraten.

Im folgenden werden verschiedene Bereiche dargestellt, in denen die Mimik eine wichtige Funktion beim Verstehen von Sprache, aber eben auch beim Verstehen von Emotionen übernimmt. Außerdem werden zwei Verfahren vorgestellt, die es ermöglichen, Gesichtsbewegungen zu messen und zu differenzieren.

2. Die Bedeutung der Mimik im kindlichen Spracherwerb

Bevor das Kind zu sinnvollen Lautäußerungen gelangt, die der Absicht und der phonetischen Beschaffenheit nach als sprachlich (im Sinne einer konventionellen Lautsprache) gelten können, fängt es an, einige der von den Erwachsenen ge- äußerten Worte zu verstehen. Das Kind kann die erste mit Bedeutungsbewusst- sein vollzogene Nachahmung eines Wortes nicht zustande bringen, ohne vorher viel Gesprochenes verstanden zu haben. Sprachverständnis stellt sich früher ein als die Fähigkeit, einen bestimmten Ausdruck sinngemäß zu gebrauchen. Vor dem Sprachverstehen steht die vorsprachliche Vorstufe der Einfühlung in den Gesamt- sinn und den Stimmungsgehalt, ein intuitives Erfassen der undifferenzierten Ganz- gestalt der Äußerung als eines Teils des Sprechers; das Verstehen des anderen mit den Mitteln einer tieferen Schicht ist genetisch älter als das Sprachverstehen. Zunächst versteht das Kind Mimik, Stimmton, Redetonfall und Gebärden. Zur Er- klärung dieser angeborenen Resonanz für affektive Äußerungen kann man auf ein primäres instinktives Wissen verweisen, das den erst wenige Monate alten Säug- ling in die Lage versetzt, die Lippen zu spitzen und sonstige Gesichtsbewegungen auszuführen, die man ihm vormacht. Sehr früh bereits wird das Kind durch ein fro- hes Gesicht anders affiziert als durch ein mürrisches, es äußert Freude im Empor- ziehen der Mundwinkel und im jauchzenden ei -Ruf, wird durch Lachen angesteckt und fängt resonanzhaft zu weinen an, sobald es andere Kinder weinen sieht.

Sprachäußerungen, zu deren Verständnis ein durch Erfahrung und Lernen zu er- werbendes sekundäres Wissen um die Bedeutung der zeichenhaften Sprachlaute nötig ist, werden zunächst nur erfasst, wenn sie mimisch und modulatorisch unterstützt sind.

Zur Förderung des Spracherwerbs veranlassen die Erwachsenen das Kind zum Nachsprechen und kommen auf diese Art dem kindlichen Nachahmungstrieb zu Hilfe. Die akustische Anregung steht hier zwar im Vordergrund, aber die optisch-mimische ist daneben nicht unwichtig; sie gewinnt sogar in der Phase der Echo- sprache (die Phase eines chaotischen, ungezielten Mitplapperns bis hin zu einer artikulierten Imitation) eine Bedeutung, die ihr vorher nicht zugekommen war. Es wurde experimentell erwiesen, dass die Nachahmung der Mundbewegungen der Erwachsenen für das Kind tatsächlich ein Hilfsmittel ist, den gesuchten Laut her- vorzubringen. Aber wichtiger als der Eindruck des in spezieller Aktion befindlichen Mundes ist die Wirkung der gesamten Gesichtsmimik des Erwachsenen, die beim Sprechkontakt mit dem Kind einen dieses wohl faszinierenden Ausdruck gewinnt.

Von eben diesen Gesichtseindrücken erhält das sehende Kind allgemeine, seine Sprechmotorik anregende Impulse.

Die grundsätzliche Bedeutung der Mimik beim Spracherwerb des Kindes konnte auch durch Untersuchungen an blindgeborenen Kindern bewiesen werden. Bei diesen Kindern war ein verspäteter Spracherwerb nachgewiesen worden.

3. Mimik als Ausdruck von Emotionen

3.1 Die Entstehung der Mimik

Der Gesichtsausdruck von Emotionen ist ein Produkt der Evolution. Darwins Theo- rie z.B. geht von der Annahme aus, dass die heutigen Ausdrucksbewegungen des Gesichts ursprünglich einmal Zweckbewegungen waren, die im Laufe der Zeit zur Gewohnheit geworden sind. Er bezeichnet das Herabziehen der Mundwinkel, wie es u.a. beim Weinen erfolgt, als eine Folge des Bestrebens, das Öffnen des Mun- des anzuhalten. Darwin formulierte die These, dass einige in hohem Grade aus- drucksvolle Bewegungen das Resultat des Versuchs seien, andere ausdruckge- bende Bewegungen aufzuhalten oder zu verhindern; so sei die schräge Stellung der Augenbrauen und das Herabziehen der Mundwinkel eine Folge des Versuchs, den Ausbruch eines Schreianfalls zu verhüten oder ihn zu unterbrechen, wenn er eingetreten sei. Ein anderes Beispiel ist die Annahme, dass sich die Miene der Aufmerksamkeit, die durch ein Hochziehen der Augenbrauen charakterisiert ist, aus dem Bestreben ableite, durch weite Öffnung der Augen viel sehen zu können. Darwins These war und ist in der Ausdrucksforschung sehr umstritten, doch ist es Kritikern nicht möglich, eine ausreichend begründete Erklärung für die Entstehung der Gesichtsausdrücke zu finden.

3.2 Emotionaler Gesichtsausdruck – angeboren oder erlernt?

Während vor allem in den USA lange angenommen wurde, dass der emotionale Gesichtsausdruck erlernt sei, zeigte sich in letzter Zeit die Tendenz, zumindest teilweise genetische Grundlagen des Gesichtsausdrucks zu akzeptieren. Untersuchungen von Ekman und Mitarbeitern (1972) haben diese genetische Bedingtheit nahegelegt. Bei Untersuchungen von Eingeborenenstämmen in von der Zivilisation noch unberührten Gebieten in Neu-Guinea wurde festgestellt, dass diese Menschen auf Stimuli mit entsprechenden Gesichtsausdrücken reagieren wie andere Gruppen. Auch können sie Emotionen, die auf Fotos dargestellt sind, genauso gut erkennen wie beispielsweise amerikanische Versuchspersonen. Umgekehrt erkennen Amerikaner Emotionen von Fotografien der Neu-Guineaner entsprechend gut. Nie miteinander in Berührung gekommene Gruppen reagieren also auf dieselben Stimuli mit dem gleichen Gesichtsausdruck und können diese Mienen wechselseitig richtig interpretieren. Dies spricht dafür, dass zumindest einige Mienen angeboren und damit interkulturell gleich sind. Diese Annahmen werden unterstützt durch Untersuchungen an Taub-Blind-Geborenen, die trotz des Mangels an Lerngelegenheit bestimmte mit gesunden Personen übereinstimmen- de Gesichtsausdrücke zeigen.

Es wurde zwar gegen eine genetische Bedingtheit des mimischen Verhaltens argumentiert, dass sich beispielsweise die Japaner im mimischen Verhalten von Amerikanern unterscheiden (das bewegungslose ‚Maskengesicht‘). Ekman und Mitarbeiter konnten allerdings in einer Untersuchung zeigen, dass dieses Argu- ment nicht zutrifft. Während des Betrachtens eines stressinduzierenden Films zeigten Japaner zwar von Amerikanern verschiedenes mimisches Verhalten, wenn eine zweite Person im Raum war (sie lächelten, während Amerikaner Ausdrücke des Abscheus zeigten). Wenn sie den Film aber allein betrachteten, glich ihre Mimik vollständig der der amerikanischen Versuchspersonen. Der emotionale Ge- sichtsausdruck scheint also teilweise genetisch festgelegt zu sein.

Natürlich bedeutet dies nicht, dass kulturelle Faktoren unwichtig sind. Die Auslö- ser, die Emotionen und damit mimisches Verhalten hervorrufen, können durchaus kulturell verschieden sein (so wird in einer Kultur auf den Tod eines Menschen mit stiller Freude, in einer anderen dagegen mit lautem Schmerz reagiert). Außerdem gibt es eine Vielzahl kulturell unterschiedlicher ‚Darbietungsregeln‘, die sozial nor- mieren und bestimmen, ob und wann eine Emotion gezeigt werden kann, welche Emotionen jeweils angemessen sind und wie stark sie geäußert werden dürfen. So befolgten die Japaner viel eher als die meisten Amerikaner diese Darbietungs- regeln, denen gemäß sie jeglichen Ausdruck negativer Emotionen mit einem höf- lichen Lächeln maskierten.

Die Darbietungsregeln werden während der Kindheit schon so gut gelernt und ein- geprägt, z.B. durch die Aufforderungen der Eltern an das Kind: „Schau mich ge- fälligst nicht so böse an“ oder „Mach ein freundliches Gesicht, wenn du ein Ge- schenk bekommst“, dass sie zur Gewohnheit werden und automatisch danach gehandelt wird.

Diese Faktoren überlagern notwendigerweise die genetischen Grundlagen und be- dingen, dass verschiedene Gruppen auf einen Stimulus eine unterschiedliche Miene zeigen können; nicht aber weil es keine universellen Gesichtsausdrücke gäbe, sondern weil verschiedene Stimuli zu verschiedenen Emotionen führen kön- nen oder weil Darbietungsregeln den eigentlichen Emotionsausdruck überlagern, verfälschen, abschwächen oder neutralisieren.

[...]

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Mimik und Sprache
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Sonder- und Heilpädagogik)
Note
1
Autor
Jahr
2000
Seiten
21
Katalognummer
V17030
ISBN (eBook)
9783638217125
Dateigröße
385 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mimik, Sprache
Arbeit zitieren
Lena Langensiepen (Autor:in), 2000, Mimik und Sprache, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/17030

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Mimik und Sprache



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden