Meinungsführer im Web 2.0

Netzwerke in der Blogosphäre


Hausarbeit, 2008

13 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltverzeichnis

1 Einleitung

2 Die Blogosphäre - Ein globales Meinungsnetzwerk

3 Meinungsführer in der interpersonalen Kommunikation
3.1 Klassische Methoden zur Identifikation von Meinungsführern
3.2 Etablierte Persönlichkeitseigenschaften von Meinungsführern

4 Untersuchung der Meinungsführer im Kontext des Web 2.0
4.1 Wie können Meinungsführer in der Blogosphäre identifiziert werden?
4.2 Wer sind Meinungsführer der Blogosphäre und was zeichnet sie aus?

5 Zusammenfassung und Ausblick

6 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Das Internet ist eines der meistgenutzten Massenmedien und das einflussreichste Medium für die europäischen Konsumenten. Zu diesem Ergebnis kommen FLEISHMAN- HILLARD und HARRIS Interactive in ihrer repräsentativen Studie Digital Influence Index.[1] Das Internet beeinflusst folglich das Konsumverhalten und damit die persönliche Meinungsbildung. Dies liegt zum einen an der einfachen Nutzung und Informations­transparenz des Mediums, aber auch an der neuen Qualität des Internets und der damit einhergehenden Möglichkeit zur Interaktion durch das Web 2.0 Angebot. Dieses ermöglicht erstmals einen aktiven und globalen Meinungsaustausch im Netz. Vor allem auf Blogs wird zunehmend zu den unterschiedlichsten Themenbereichen informiert und dis­kutiert. Über 100 Millionen Blogs gibt es inzwischen weltweit. Diese unterscheiden sich jedoch beachtlich in ihrer Aktivität und in den Leserzahlen.[2] Viele haben sich aber inzwi­schen als meinungsführende Kommunikationsplattformen etabliert.

Unter der Prämisse, dass Blogs einen hohen Einfluss auf die Meinung ihre Leser haben, stellen sich folgende Fragen: Wer veröffentlicht seine Meinung auf Blogs und wessen Mei­nung wird Gehöhr und Glauben geschenkt? Wer sind die Meinungsführer, was zeichnet sie aus und wie lassen sich sie sich identifizieren? Das soll durch eine eingehende Betrachtung der deutschen Blogosphäre[3] untersucht werden.

Laut Lazarsfeld, Berelson UND Gaudet ist ein Meinungsführer eine Person, die in ihrem sozialen Netzwerk einflussreicher ist als andere, sich selbst als besonders gut in­formiert bezeichnet und von anderen um Rat und die Meinung gefragt wird.[4] Um diese Personen genauer zu beschreiben, wurden in der Vergangenheit zahlreiche Studien durchgeführt, die sich unter anderem auf die soziale Position, die Mediennutzung und die Persönlichkeitseigenschaften von Meinungsführer konzentrierten. Zu den Meinungs­führern im Kontext des Web 2.0 gibt es jedoch kaum Forschungsergebnisse. Mit Hilfe einer Analyse der Blogstruktur, wird deshalb versucht Meinungsführer in der Blogosphäre zu identifizieren, um sie anschließend untersuchen zu können. Für diese Analyse werden zunächst die relevanten Identifikationsmethoden und Persönlichkeitseigenschaften der klassischen Meinungsführer dargelegt.

2 Die Blogosphäre - Ein globales Meinungsnetzwerk

Mit der Entwicklung interaktiver Möglichkeiten des Internets für seine Nutzer wurde in der Mitte unseres Jahrzehnts von O'REILLY der Begriff des Web 2.0 geprägt. Dieses zeichnet sich durch die aktive Mitgestaltung der Konsumenten aus, die im Zuge des Ange­botes ihr Nutzungsverhalten maßgeblich verändert haben: Sie selbst sind zu Produzenten des Webinhaltes geworden und gestalten einen User Generated Content[5]. Blogs sind hier­für ein typisches Beispiel.

Blogs sind einfache Content Management Systeme[6], die Laien das Publizieren im Web ermöglichen. Anfangs wurden sie vorwiegend als Tagebuch genutzt, heute sind Blogs je­doch über den Tagebuchcharakter hinausgewachsen. Es gibt inzwischen vermehrt Blogs, in denen aktuelle und durchaus ernstzunehmende Diskussionen zu Politik, Technik oder Lifestyle stattfinden. Demzufolge haben sich Interessensgemeinschaften zum Austausch von Erfahrungen und Informationen gebildet, die miteinander interagieren. Dies ist durch die einzigartigen Charaktereigenschaften, der Kommentarfunktion und der Verlinkungen zueinander durch Hyperlinks[7] möglich. Vor allem die Links sind bezeichnend, denn sie sind sozusagen die Währung der Blogosphäre, aber auch die Existenzbedingung für ein soziales Meinungsnetzwerk. Technisch möglich ist dies durch eindeutige Webadressen (URL), die für jeden Blogeintrag und zunehmend für jeden Kommentar generiert werden.

Verhaltensweisen, wie das Verfassen oder Kommentieren von Einträgen und das Füh­ren eines Blogs selbst sind jedoch momentan vor allem in Deutschland noch nicht weit verbreitet, haben aber bereits heute einen großen Einfluss auf die Personen, die sie lesen.[8] Vor allem sogenannte A-List Blogs[9] wie Spreeblick, Basicthinking, Metaroll, oder Netzpoli­tik treffen auf eine zahlreiche Leserschaft. Das Weblogs deren Meinung beeinflussen kön­nen wurde durch eine Befragung von MORI in der Proximity Studie im September 2006 bestätigt, denn 42 % der Nutzer gaben an, Weblogs als Informationsquelle und zur Mei­nungsbildung als sehr wichtig oder eher wichtig einzustufen.[10] Wer aber trägt zum Meinungsbildungsprozess aktiv bei?

Um Meinungsführer im Web 2.0 zu identifizieren, muss zunächst das klassische Meinungsführerkonzept beschrieben werden.

3 Meinungsführer in der interpersonalen Kommunikation

Das Konzept der Meinungsführerschaft wird in der Forschung fortwährend debattiert. Zwar ist die Existenz von Meinungsführern und deren interpersonellem Einfluss auf andere wiederholt empirisch belegt worden, die Beschreibung sowie Theorien und Methoden zur Identifikation dieser Personen sind jedoch umstritten. Dies liegt vor allem daran, dass eine fundierte Analyse eine totale Transparenz der Kommunikations- und Beeinflussungsstrukturen einer Gruppe erfordert, in der Realität aber kaum zu finden ist.

3.1 Klassische Methoden zur Identifikation von Meinungsführern

Eine erste Skala zur Erfassung der Meinungsführerschaft wurde von LAZARSFELD, BERELSON und GAUDET in Anlehnung an ihre Studie The People's Choice entwickelt.[11] Mit Hilfe von zwei Selbsteinschätzungsfragen sollte unterschieden werden, ob die befragten Personen den Meinungsführern oder den Gefolgsleuten zu geordnet werden konnten.[12] Auch MERTON versuchte Meinungsführer zu identifizieren, ermittelte diese aber in der Rovere-Studie, an Hand einer Fremdeinschätzungsfrage.[13] Beide Methoden weisen dabei eine Divergenz der Selbst- und Fremdeinschätzung auf. Die Wissenschaft forderte somit neue Methoden, um Meinungsführer auszumachen. Daher versuchten sich KATZ, MENZEL und COLEMAN der Ermittlung von Meinungsführern auf eine neuartige Weise zu nähern. Mit der Durchführung von Untersuchungen zu dem Thema Interpersonale Beeinflussung und Adoption von Innovationen entwickelten sie das Netzwerkkonzept. Durch soziometri­sche Fragen war es ihnen möglich Einfluss- und Informationswege der Probanden zu in­terpretieren und ein Soziogramm zu erstellen, das die interpersonalen Beziehungen widerspiegelte und Meinungsführer eindeutig identifizieren und lokalisieren konnte.[14] Dieses Verfahren ist jedoch sehr aufwendig und erfordert eine in sich geschlossene Gruppenstruktur und eignet sich nicht als gängiges Messinstrument.

Etabliert hat sich der Ansatz von NOELLE-NEUMANN, der aktive und einflussreiche Per­sonen durch die Messung ihrer Persönlichkeitsstärke identifiziert. Unter Beachtung reprä­sentativen Stichproben entwickelte sie zehn Aussagen der Selbstbeschreibung deren Zu­stimmung bzw. Negation in einem demoskopischen Interview Rückschlüsse über die Stärke der Persönlichkeit einer Person zulassen. An Hand dieser Fragen, deren Gewich­tung unterschiedlich konstituiert worden ist, lässt sich die Persönlichkeitsstärke messen. Um Vergleichsmöglichkeiten zu haben, entwickelte NOELLE-NEUMANN eine dazugehörige Skala, die Meinungsführer eindeutig identifiziert. Diese Methode wurde von WEIMANN an Hand von zwei Stichproben in geschlossenen Gesellschaftsstrukturen durch verschiedene Messungen validiert, indem sie die Persönlichkeitsstärke der Probanden mit deren Ein­fluss basierend auf einer soziometrischen Clusteranalyse verglich.[15]

Im Folgenden werden die einen Meinungsführer identifizierenden Items dargestellt:

Fragen zur Persönlichkeitsstärke nach Noelle-Neumann

- Gewöhnlich rechne ich bei dem, was ich mache, mit Erfolg Ich bin selten unsicher, wie ich mich verhalten soll Ich übernehme gern Verantwortung
- Ich übernehme bei gemeinsamen Unternehmungen gern die Führung
- Es macht mir Spaß, andere Menschen von meiner Meinung zu überzeugen
- Ich merke öfter, dass sich andere nach mir richten
- Ich kann mich gut durchsetzen
- Ich bin anderen oft einen Schritt voraus

Zur praktischen Anwendung der Skala werden den verschiedenen Aussagen Punktwerte gegeben. Nach diesem Verfahren erhält jeder Befragte einen Gesamt­punktwert zwischen 101 (geringste Punktzahl) und 198 (höchste Punktzahl). Um die Persönlichkeitsstärke für Analysen zu vereinfachen, wird mit fünf Gruppen hoher bis niedriger Persönlichkeitsstärke gearbeitet.[16]

3.2 Etablierte Persönlichkeitseigenschaften von Meinungsführern

Wie WEIMANN in ihrer Studie The Influenciáis: Back to the Concept to Opinion leaders empirisch belegte, verfügen Meinungsführer über eine starke Persönlichkeit. Folglich sind Meinungsführer standfest, durchsetzungsfähig, verantwortungsbewusst und selbstsicher, denn diese Eigenschaften korrelieren nach NOELLE-NEUMANN mit Persönlichkeitsstärke. Weitere Studien belegen, dass Personen mit hoher Persönlichkeitsstärke jünger, weit­gehend männlich und besser ausgebildet sind als Personen mit geringer Persönlichkeits­stärke. Außerdem wurde wiederholt gezeigt, dass Meinungsführer mehr Menschen kennen, sich in größeren sozialen Netzwerken bewegen und mehr mit anderen kommuni­zieren.[17] Prinzipiell setzt Meinungsführung soziale Kontakte voraus, um Wissen und Einstellungen an Personen weitergeben zu können. Charakteristisch für Meinungsführer ist darüber hinaus, dass sie sich bestimmten Themen mehr zu wenden und in Bezug auf diese Themen auch aktiver nach Informationen suchen.

[...]


[1] n= 500, vgl. McRoberts, B., & Terhanian, G. H. (2008). Digital Influence Index Study. Im Rahmen dieser Studie wird der „Einfluss" eines Mediums definiert als eine Kombination aus der Zeit und der Bedeutung, die die Probanden dem Medium beimessen. Um verschiedene Medien miteinander zu vergleichen und so die absolute und relative Auswirkung jedes Mediums zu identifizieren, wurden verschiedene Indizes entwickelt.

[2] Technorati.com, eine Internet-Suchmaschinen speziell für Weblogs, verfolgt derzeit 112,8 Millionen Blogs.

[3] Der Begriff Blogosphäre beschreibt das komplexe Netzwerk von Weblogs und ihrer Verbindungen.

[4] vgl. Lazarsfeld,P.F., Berelson, B.R, & Gaudet (1969) Hazel: Wahlen und Wähler.

[5] Inhalte, die nicht vom Anbieter eines Webangebots, sondern von dessen Nutzern erstellt werden.

[6] Redaktionssystem, dass die Verwaltung und Erstellung digitaler Daten im Internet unterstützt.

[7] Hyperlinks bzw. Links, sind Querverweise, die zu anderen Seiten im Internet führen.

[8] vgl. Fußnote 1.

[9] Beliebteste und einflussreichste Blogs, die an Hand ihres Verlinkungsgrades identifiziert werden.

[10] Neuberger, C., Nuernbergk, C., & Rischke, M. (2007). Weblogs und Journalismus: Konkurrenz, Ergänzung oder Integration?

[11] vgl. Schenk, M. (2002). Medienwirkungsforschung.

[12] Die Selbsteinschätzungsfragen lauteten: (1) „Haben Sie in letzter Zeitversuchtjemanden von Ihren politischen Ansichten zu überzeugen?" (2) „Hat Sie jemand in letzter Zeit um Ihren Rat bezüglich politischer Fragen gebeten?". Wurden diese beiden Fragen bejaht, wurden die Personen Meinungsführer genannt.

[13] Studie in der Kleinstadt Rovere. Personen die auf die Frage: „Who influences you?" mehr als viermal genannt wurden bezeichnete Merton als Meinungsführer. Vgl. Merton, R. K. (1949). Social Theory and Social Structure. Toward the codification of theory and research.

[14] vgl. Fußnote 10.

[15] vgl. Weimann, G. (1991). The Influentials: Back to the Concept of Opinion Leaders?

[16] vgl. Schenk, M. (1995). Soziale Netzwerke und Massenmedien.

[17] vgl. Schenk, M., & Rössler, P. (1997). Wirtschaftsberichterstattung in Zeitschriften : Literaturbericht und Inhaltsanalyse.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Meinungsführer im Web 2.0
Untertitel
Netzwerke in der Blogosphäre
Hochschule
Universität der Künste Berlin  (Kommunikations- und Medienwissenschaften)
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
13
Katalognummer
V170350
ISBN (eBook)
9783640891665
ISBN (Buch)
9783640891375
Dateigröße
567 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Web 2.0, Netzwerke, Blogs, Blogosphäre, Social Media
Arbeit zitieren
Sandra Yvonne Richter (Autor:in), 2008, Meinungsführer im Web 2.0, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/170350

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