Einführung
„Ich kenne keinen anderen Ort, dem es mit der gleichen
Selbstverständlichkeit gelingt, sich als Mythos auszugeben;
keinen, der mit wenigen bedeutungsvollen Sinnbildern die
ergreifende Geschichte des Menschen zusammenfasst und
sichtbar deren verschiedenste Regungen verkörpert, heilige und
profane: das Streben nach Glück, Trunkenheit und Elend der
Sinne, Begehren, Reue, Abwendung, Liebe... Wie eine Frau ist
Sizilien...“
Gesualdo Bufalino
Sizilien ist ein Landstrich, eine Insel, der Emotionen. Nicht umsonst
gebiert das leidenschaftliche Zusammentreffen von üppiger und blühender Landschaft, versengender Hitze und abenteuerlicher Historie
einen kulturellen Schmelztiegel und Menschenschlag, der zwischen den
Extremen sowohl mit aufbrausender Leidenschaft als auch stoischer
Duldung seine Sinne von Geburt an schult, in der ihn umgebenden
Intensität leben und überleben zu können.
Die Menschen spielen dabei stets die Hauptrolle im täglichen Drama der Sizilianer; ganz besonders die Frauen. Sie sind zugleich Mutter, Ehefrau, Geliebte, Jungfrau, Heilige und Tochter; sie bringen Opfer und spenden Kraft, halten die Fäden in der Familie zusammen, versorgen und nähren, lassen sich aber auch aushalten, verwöhnen, fordern und dramatisieren. Eine explosive Mischung, deren Umsetzung im realen Leben, in der Anpassung der eigenen Weiblichkeit an das geforderte tradierte Rollenkonstrukt der Gesellschaft nichts selten zum Scheitern verurteilt ist. Die Besonderheit der sizilianischen Frau hat Bufalino in einführendem Zitat in seiner Grundsätzichkeit erfasst. Es ist ihre Ausprägung eine Entsprechung zu ihrem Geburtsort, ihrem Land, zu ihrer stolzen Natur und Geschichte, zum intensiven Erleben einer Insel der erdverbundenen Bauern in einem katholischen Dorfleben geprägt von tiefreligiöser Doppelmoral. Folgende Arbeit will die vielen Besonderheiten der
sizilianischen Frau in einer patriarchal und katholisch geprägten
Umgebung beleuchten und sowohl ihre jeweilige Darstellung, im Sinne
von Rollenmustern und gesellschaftlichen Entwürfen, als auch ihre
Lebensweise, im Sinne der Umsetzung des Weiblichen am Beispiel
verschiedener Biographien, in unterschiedlichen Epochen analysieren.
[...]
Inhaltsverzeichnis
Einführung
1 Sizilien
1.1 Insel als Utopie
1.2 Religion und Patriarchat
1.2.1 Christentum
1.2.2 Volksglaube und Magie
1.2.3 Die biblische Eva – Schuld und Sünde aller Frauen
1.2.4 Marienverehrung
1.2.5 Patriarchat vs. Matriarchat
1.3 Dorfgemeinschaft und Tradition
2 Die Ehefrau, 1850-heute
2.1 Die Hochzeitsfalle
2.2 Die sklavische Eva, Luigi Pirandello,
2.3 Hure oder Heilige, Dacia Maraini,
3 La Mafiosa
3.1 La Mamma – die Übermutter
3.2 Generationswechsel – moderne Sizilianerinnen wehren sich
3.2.1 Rita Atria - La Pentita
3.2.2 Letizia Battaglia – Chronistin und Kämpferin
4 Emanzipation, 1960 - heute
4.1 Divorzio all’siciliana von Pietro Germi,
4.1.1 Handlung
4.2.1 Christliche Tradition als Sinn- und Lebensideal
4.2.2 Ansehen und Würde im Patriarchat
4.2 Volevo i pantaloni von Lara Cardella,
4.2.1 Handlung
4.2.2 Dilemma der jungen Frau
4.2.3 Ankunft in der Realität
5 Konklusion
Literaturverzeichnis
Filmverzeichnis/Internetquellen
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