Die Zeitschrift „Auf dem Wege zur Zivilgesellschaft – 50 Jahre Bundesrepublik“ enthielt in ihrer Ausgabe 3/1999 einen Aufsatz von Jürgen Appel1 über die Rolle der „Massenmedien in der Zivilgesellschaft“. Der Abteilungsleiter im Fernsehen des Südwest-Rundfunks reflektiert das „Beispiel Deutschland“ anhand von insbesondere zwei Fallanalysen, nämlich der „Spiegel-Affäre“ als Bewährungsprobe für Demokratie und Rechtsstaat einerseits und dem Phänomen der Meinungsmonopolisierung durch die Springerpresse andererseits. Appels Credo ist entsprechend seiner Position als Vertreter der Medienmacht „Fernsehen“ eher optimistisch – so wird der Ausgang der Spiegel-Affäre mit dem „Ende vom Lied“, d.h. dem Ende der politischen Karriere Franz Josef Strauß’ als Verteidigungsminister, als Sieg des „Sturmgeschütz[es] der Demokratie“ gedeutet, wie Herausgeber Rudolf Augstein die Aufgabe seines „Spiegels“ einmal bezeichnete.
Doch schließlich leitet der Autor über zu einem Fazit mit dem Titel „Die Gefahren des Fernsehens“, welches durch das einleitende Strukturelement „Trotz alledem:“ in gewisser Weise losgelöst von allem Vorherigen erscheint. Der dem Wettbewerb liberal überlassene Auswahlprozeß der kommerziellen Medien führe als „Kampf um die Quote“ zur „Verflachung des Programms“. Diese These kann Appel aber offenbar bloß mit moralischen Empörungen über sexuelle Perversionen und Gewalt im Quoten-TV sowie apokalyptischen Zitaten von Roman Herzog („flächendeckende[.] Volksverdummung“) und Neil Postman („rapider Verfall der menschlichen Urteilskraft“) untermauern.
„Skandalöses“ im weitesten Sinne des Wortes begegnet zunächst auf beiden Seiten der Kluft – Spiegel-Affäre und Springerpresse hier, „Unterhaltungsindustrie“ als demokratiegefährliches „Zerstreuungsgeschäft“ mit quotengünstigen Skandalen dort.
Doch auf diese Weise von „Skandalen“ zu reden, bietet wenig Analysepotential, den Skandal als politisches Phänomen zu begreifen noch einen politischen Skandal genau eingrenzen zu können. Im folgenden soll nun eine – eher soziologische als politologische – Definition dargebracht und untersucht werden, die versucht, das Phänomen des politischen Skandals für die Forschung zu operationalisieren. Gegen Ende soll dann versucht werden, Stärken und Schwächen dieses Ansatzes, den Dirk Käsler als Grundlagenkapitel „Der Skandal als Politisches Theater“ seinem Buch „Der politische Skandal - zur symbolischen und dramaturgischen Qualität von Politik“ voranstellt, herauszuarbeiten.
Inhaltsverzeichnis
- Prolog
- Der politische Skandal zwischen Naturalismus und Handlungstheorie
- Definition des politischen Skandals
- ,,Symbole\" und „Politische Kultur”
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit dem Phänomen des politischen Skandals und untersucht dessen Bedeutung und Funktion im politischen Kontext. Sie nimmt dabei eine systemtheoretische Perspektive ein und analysiert den Skandal als Ergebnis von Handlungen und Entscheidungen, die in einem komplexen System von Entscheidungsagenturen und -prozessen stattfinden.
- Definition des politischen Skandals und dessen Abgrenzung von anderen Formen des Skandals
- Die Rolle der Medien und der öffentlichen Meinung bei der Entstehung und Ausbreitung von Skandalen
- Die symbolische und dramaturgische Qualität von Skandalen in der Politik
- Der Einfluss von Skandalen auf politische Prozesse und Entscheidungsfindung
- Die Folgen von Skandalen für die politische Kultur und das Vertrauen in die Politik
Zusammenfassung der Kapitel
Prolog
Der Prolog führt in das Thema des politischen Skandals ein, indem er auf die Rolle der Medien in der Zivilgesellschaft und die Bedeutung des Skandal-Phänomens in der politischen Kommunikation Bezug nimmt. Dabei wird insbesondere die "Spiegel-Affäre" als Beispiel für einen politischen Skandal analysiert.
Der politische Skandal zwischen Naturalismus und Handlungstheorie
Dieses Kapitel diskutiert verschiedene Ansätze zur Analyse von Skandalen. Dabei wird die Unterscheidung zwischen einer naturalistischen Sichtweise, die Skandale als naturgegebene Ereignisse betrachtet, und einer handlungstheoretischen Perspektive, die Skandale als Ergebnis von menschlichen Entscheidungen und Handlungen versteht, herausgearbeitet. Der Autor bezieht sich dabei auf die Arbeiten von Hans Magnus Enzensberger und Hedrick Smith.
Definition des politischen Skandals
Dieses Kapitel bietet eine umfassende Definition des politischen Skandals. Es werden Kriterien entwickelt, die es ermöglichen, zwischen politischen Skandalen und anderen Formen des Skandals zu unterscheiden. Der Autor greift dabei auf die Theorie von Dirk Käsler zurück.
,,Symbole\" und „Politische Kultur”
Dieses Kapitel untersucht die symbolische und dramaturgische Qualität von Skandalen in der Politik. Es wird gezeigt, wie Skandale als Mittel der politischen Kommunikation eingesetzt werden und welche Auswirkungen sie auf die politische Kultur haben. Der Autor analysiert dabei die Rolle von Symbolen und Ritualen im politischen Diskurs.
Schlüsselwörter
Politischer Skandal, Medien, Öffentlichkeit, Handlungstheorie, Systemtheorie, Symbol, Dramaturgie, politische Kultur, Entscheidungspolitik, "Spiegel-Affäre", Franz Josef Strauß, Jürgen Appel, Dirk Käsler, Hans Magnus Enzensberger, Hedrick Smith.
- Quote paper
- Christoph Wagenseil (Author), 2003, Der Skandal als politisches Phänomen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/170640