Bei der Beschäftigung mit der Sprachkontaktforschung innerhalb der Romania im Rahmen des Hauptseminars stellte sich auch die Frage nach Geschichte und Hintergrund der zahlreichen Theorien zum Sachverhalt der Sprachkontakte, insbesondere hinsichtlich der Untersuchung der Ausgliederung der romanischen Sprachen.
Daß gerade Sprachkontakttheorien (im weitesten Sinne) in ihrer Theoriebildung von der jeweiligen Einzelsprache, dem Stadium der sich vollziehenden Ausgliederung und nicht zuletzt auch von der entsprechenden Epoche abhängen, zeigt schon ein Blick auf die verschiedenen Anlagen der Ansätze, wie zum Beispiel von Leonardo Bruni in der italienischen Renaissance oder von Pierre-Alexandre Lévesque de la Ravalière im Frankreich des 18. Jahrhunderts.
Am Beispiel Pierre-Nicolas Bonamys, jenem französischen Sprachwissenschaftler avant la lettre , soll zunächst die Geschichte der theoretisch-wissenschaftlichen Beschäftigung mit den Phänomenen der Sprachveränderung, ausgehend vom Latein der romanischen Eroberer und ihre "Korruption" durch das Idiom anderer Völker innerhalb der Romania nachgezeichnet werden (1). Im Folgenden soll die notwendige Berücksichtigung historischer Umstände sowie die Einbindung derartiger sprachhistorischer Thesen in allgemein-wissenschaftstheoretische Kontexte und Strukturen erläutert werden (2), um schließlich die Debatte um die Möglichkeit sprachwissenschaftlichen Wissens vor der anerkannten methodischen Fixierung der Disziplin überhaupt aufzugreifen (3).
Anders gesagt soll der Forderung Oesterreichers Rechnung getragen werden, nach welcher "letztlich ein Eingehen auf den Einzelfall, für den eine konkrete historische Konstellation der gültigen Gewichtung der Elemente des Abforderungsrahmens, der Kennzeichen des institutionnellen Forschungsrahmens sowie die Eigendynamik der Wissenschaftsproduktion" unerläßlich ist. Die Ergebnisse des sprachwissenschaftlichen Einzelfalles werden so erst aus dem kritischen Nachvollzug des "Forschungsprozesses" in der ganzen Tragweite ihrer Bedeutung verstehbar.
Inhaltsverzeichnis
- 0. Einleitung
- 0.1. Kontext der Arbeit
- 0.2. Thema und Anlage der Arbeit
- 1. Sprachveränderungen der Romania als wissenschaftliches Thema
- 1.1. Isidor von Sevilla
- 1.2. Mittelalter
- 1.3. Renaissance
- 1.3.1. Das 15. Jahrhundert
- 1.3.2. Das 16. Jahrhundert - Allgemeine Tendenzen
- 1.3.3. Das 16. Jahrhundert - Frankreich
- 1.4. Das 17. Jahrhundert - Frankreich
- 2. Pierre-Nicolas Bonamy - Linguist vor der Zeit?
- 2.1. Französische Sprachforschung im 18. Jahrhundert
- 2.2. Pierre-Nicolas Bonamy - Ein \"Gelehrter\" des 18. Jahrhunderts
- 2.3. Das Phänomen der Debatte um die Herkunft des Französischen
- 2.4. Die \"Mémoires\" zur sprachlichen Herkunftsfrage (1750/51)
- 2.4.1. Die Wiederaufnahme der These der \"Langue Latine Vulgaire\"
- 2.4.2. Methoden und Prinzipien
- 2.5. Die Akademien als institutionalisierte Räume wissenschaftlichen Diskurses
- 2.5.1. Die Bedeutung der Lehrmeinungen der Akademie
- 2.5.2. Überlieferung wissenschaftlicher Erkenntnisse durch die Akademie
- 3. Pierre-Nicolas Bonamy - Linguist der \"zweiten Reihe\"?¹
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit verfolgt das Ziel, die Geschichte der theoretisch-wissenschaftlichen Beschäftigung mit Sprachveränderungen im Romanischen anhand des Beispiels von Pierre-Nicolas Bonamy zu beleuchten. Sie untersucht dabei den Kontext seiner Forschungen und die Einbindung seiner Thesen in die wissenschaftstheoretischen Diskurse seiner Zeit.
- Die Entwicklung von Theorien zur Sprachveränderung im Romanischen.
- Die Rolle von Sprachkontakten und der "Korruption" des Lateinischen.
- Die historische und wissenschaftliche Einordnung von Bonamys "Mémoires" zur sprachlichen Herkunftsfrage.
- Die Bedeutung der Akademien als Institutionen für wissenschaftlichen Diskurs.
- Die Frage nach der Möglichkeit sprachwissenschaftlichen Wissens vor der etablierten Methodik der Disziplin.
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 0: Einleitung: Dieser Abschnitt stellt den Kontext und das Thema der Arbeit vor. Er befasst sich mit der Frage nach der Geschichte und den Hintergründen sprachkontaktbezogener Theorien, insbesondere im Zusammenhang mit der Ausgliederung der romanischen Sprachen.
- Kapitel 1: Sprachveränderungen der Romania als wissenschaftliches Thema: In diesem Kapitel werden die frühen Entwicklungen sprachwissenschaftlicher Untersuchungen zur Differenzierung des Lateinischen beleuchtet, beginnend mit Isidor von Sevilla. Es werden die verschiedenen Erklärungsmodelle des Sprachwandels vorgestellt, wie die Korruptionsthese und die evolutionistische Sprachauffassung.
- Kapitel 2: Pierre-Nicolas Bonamy - Linguist vor der Zeit?: Dieses Kapitel fokussiert auf die französische Sprachforschung im 18. Jahrhundert und stellt die Person und die Forschungen von Pierre-Nicolas Bonamy vor. Es wird die Debatte um die Herkunft des Französischen und Bonamys "Mémoires" zur sprachlichen Herkunftsfrage im Detail analysiert.
Schlüsselwörter
Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Geschichte der Sprachwissenschaft, insbesondere im Bereich der Romanistik, und fokussiert auf die Erklärungsmodelle für Sprachveränderungen, die Rolle von Sprachkontakten, die Geschichte der französischen Sprachforschung, die Werke von Pierre-Nicolas Bonamy, die "Mémoires" zur sprachlichen Herkunftsfrage, die Bedeutung von Akademien im wissenschaftlichen Diskurs und die Herausforderungen der sprachwissenschaftlichen Methodik in der Frühphase der Disziplin.
- Arbeit zitieren
- Gerdi Ziegler (Autor:in), 1997, Die Forschungen von Pierre-Nicolas Bonamy (1694-1770), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/170943