Leseprobe
Einführung
In ihrem 2010 im Journal of Communication erschienenen Artikel ‚The Effects of Mood, Message Framing and Behavioral Advocacy on Persuasion’ beschreiben die Autoren James Price Dillard, Fuyuan Shen und Changmin Yan den Hintergrund, die Methodik sowie die Ergebnisse zweier von ihnen durchführten Studien.1 Im Folgenden sollen diese beiden inhaltlich aufeinander aufbauenden Studien erläutert und nachvollzogen werden. Aufgrund des eng bemessenen Rahmens dieser Ausarbeitung scheint es angebracht, nicht explizit auf beide Studien einzeln einzugehen, sondern diese soweit möglich zusammenzufassen. Aus demselben Grund wird die Methodik der Untersuchungen nur in Grundzügen dargestellt, um ein Verständnis für die Vorgehensweise zu schaffen und eine Einordnung und Bewertung der Ergebnisse zu ermöglichen.
Vorüberlegungen
Hintergrund der Untersuchungen sind jüngste Erkenntnisse der Forschung, nach denen davon ausgegangen werden kann, dass der Gemütszustand (Mood) von Rezipienten eine Rolle dabei spielt, wie persuasive Botschaften aufgenommen werden.2 Mit ihren Studien untersuchten Dillard, Shen und Yan nun, wie sich der Gemütszustand von Rezipienten und die Beschaffenheit persuasiver Botschaften im Persuasionsprozess auswirken. Konkret ging es dabei um die Frage, wie der Gemütszustand die Reaktion auf persuasive Botschaften beeinflusst, die auf eine bestimmte Art und Weise geframed sind.
Begriffsklärungen
Zum Verständnis der Vorgehensweise von Dillard, Shen und Yan ist es nötig, im Vorfeld einige Kernbegriffe zu erläutern. So wird zunächst davon ausgegangen, dass persuasive Botschaften auf zwei verschiedene Arten geframed sein können.3 Gain Frames in einer Botschaft betonen die Vorteile bei Befolgung eines als wünschenswert dargestellten Verhaltens, während Loss Frames die Nachteile bei Nichtbefolgung dieses Verhaltens herausstellen.
Unter dem Begriff ‚behavioral advocacy‘ werden verschiedene in einer persuasiven Botschaft enthaltene Handlungsempfehlungen verstanden, wobei zwischen preskriptiven und proskriptiven Handlungsempfehlungen unterschieden wird. Preskriptive Handlungsempfehlungen ermutigen Rezipienten dazu, etwas Bestimmtes zu tun, während proskriptive Handlungsempfehlungen Rezipienten empfehlen, etwas Bestimmtes nicht zu tun.4
Aus Erkenntnissen der Hirnforschung leiten die Autoren ab, dass es verschiedene neuronale Motivationsmuster gibt, die das menschliche Handeln bestimmen.5 Das Behavioral Approach System (oder kurz BAS) veranlasst Menschen Dinge zu tun, die als wünschenswert angesehen werden und eine Belohnung versprechen. In der aktuellen Forschung wird davon ausgegangen, dass das BAS die Quelle von positiven Emotionen wie Freude oder Begeisterung für etwas ist. Das Behavioral Inhibition System (BIS) hingegen hindert Menschen daran Dinge zu tun, die zu persönlichen Nachteilen oder Schaden für den Organismus führen könnten. Das BIS wird als die Quelle von negativen Emotionen wie Traurigkeit oder Depression angesehen. Es wird davon ausgegangen, dass je nach Gemütszustand bei der Verarbeitung einer persuasiven Botschaft entweder das BAS oder das BIS aktiviert wird.
Hypothesen
Dillard, Shen und Yan untersuchten im Rahmen ihrer Studien, wie die einzelnen Variablen einer persuasiven Botschaft zusammenwirken und welche Rolle dabei der Gemütszustand der Rezipienten spielt. Konkret wurden dabei folgende Hypothesen geprüft:
1. Der Gemütszustand hat Auswirkungen auf die Aktivierung neuronaler Motivationsmuster. Fröhlichkeit führt tendenziell zu Verhaltensaktivierung (BAS), Traurigkeit dagegen tendenziell zu Verhaltenshemmung (BIS).6
2. Der Gemütszustand interagiert mit dem Framing bestimmter Botschaften. Fröhlichkeit ist in Kombination mit Gain Framing überzeugender als in Kombination mit Loss Framing, Traurigkeit ist in Kombination mit Loss Framing überzeugender als in Kombination mit Gain Framing. 7
3. Der Gemütszustand interagiert mit bestimmten Formen von Handlungsempfehlungen. Fröhlichkeit ist in Kombination mit preskriptiven Handlungsempfehlungen überzeugender als mit proskiriptiven, Traurigkeit ist in Kombination mit proskriptiven Handlungsempfehlungen überzeugender als in Kombination mit preskriptiven. 8
Methodik
Zur Prüfung der genannten Hypothesen wurden in einem ersten Schritt mögliche Zusammenhänge zwischen dem Gemütszustand und dem BIS/BAS-Level ermittelt. Dazu wurden die Probanden (Studenten der Pennsylvania State University) zunächst in zwei Gruppen eingeteilt und jeweils in einen fröhlichen oder traurigen Gemütszustand versetzt. Anschließend wurde ihre Zustimmung zu bestimmten Aussagen wie beispielsweise I worry about making mistakes oder It would excite me to win a contest abgefragt, die Ergebnisse anhand einer BIS/BAS-Skala von Carver/White9 aufsummiert und verglichen.
In einem zweiten Schritt wurden anschließend mögliche Zusammenhänge zwischen dem Gemütszustand, dem Framing einer Botschaft und der Befolgung bestimmter Handlungsempfehlungen untersucht. Wiederum wurden die Probanden in Gruppen eingeteilt, die zunächst in einen fröhlichen oder traurigen Gemütszustand versetzt wurden. Anschließend wurden die Probanden in Kleingruppen mit jeweils einer Werbebotschaft aus dem Gesundheitssektor konfrontiert. Die Botschaften wurden zwischen Zeitungsartikeln platziert und die Probanden nicht darüber aufgeklärt, dass es bei der Untersuchung hauptsächlich um die Anzeigen geht. Folgende Kombinationen wurden in den Werbebotschaften umgesetzt und anschließend jeweils auf Probandenseite mit verschiedenen Gemütszuständen kombiniert10:
1. Eating Less Junk Food Benefits You: Diese Botschaft kombiniert Gain Framing mit einer proskriptiven Handlungsempfehlung.11
2. A Regular Eye Exam Benefits You: Diese Botschaft kombiniert Gain Framing mit einer preskriptiven Handlungsempfehlung.12
3. Eating Junk Food Costs You: Diese Botschaft kombiniert Loss Framing mit einer proskriptiven Handlungsempfehlung.13
4. Skipping A Comprehensive Eye Exam Could Cost You: Diese Botschaft kombiniert Loss Framing mit einer preskriptiven Handlungsempfehlung.14
Nachdem die Probanden mit diesen Botschaften konfrontiert wurden, erfolgte schließlich eine Abfrage von Einstellungen und Handlungsabsichten bezüglich ihres Fast-Food-Konsums und zu Augenuntersuchungen, um mögliche Zusammenhänge zwischen dem Gemütszustand der Probanden, dem Framing der Botschaft und den darin enthaltenen Handlungsempfehlungen identifizieren zu können.
Ergebnisse
Bei der Auswertung der Ergebnisse des ersten Analyseschrittes wurde deutlich15: Fröhliche Probanden verfügen über ein höheres BAS-Level als traurige Probanden und sind somit empfänglicher für Botschaften, die positive Konsequenzen in Aussicht stellen. Traurige Probanden verfügen hingegen über ein höheres BIS-Level als fröhliche Probanden und sind somit empfänglicher für Botschaften, die die Vermeidung negativer Konsequenzen versprechen.16 Hypothese 1 wurde somit bestätigt.
Die Ergebnisse des zweiten Analyseschrittes, bei dem verschiedene Gemütszustände mit verschieden strukturierten Werbebotschaften kombiniert wurden, können wie folgt zusammengefasst werden17: Fröhliche Probanden sind empfänglicher für Werbebotschaften mit Gain Framing als für Werbebotschaften mit Loss Framing, traurige Probanden sind hingegen empfänglicher für Werbebotschaften mit Loss Framing als für Werbebotschaften mit Gain Framing.18 Diese Erkenntnisse bestätigen Hypothese 2 . Fröhliche Probanden sind empfänglicher für Botschaften mit preskriptiven Handlungsempfehlungen als traurige Probanden, traurige Probanden sind empfänglicher für Botschaften mit proskriptiven Handlungsempfehlungen als fröhliche Probanden.19 Auch Hypothese 3 konnte folglich bestätigt werden.
Einordnung und Bewertung
Die Ergebnisse der Untersuchungen von Dillard, Shen und Yan haben gezeigt, dass der Gemütszustand von Rezipienten im Persuasionsprozess eine große Rolle spielt. Es wurde deutlich, dass die Wirksamkeit einer persuasiven Botschaft in großem Maße sowohl von ihrer Struktur und inhaltlichen Ausrichtung als auch vom Gemütszustand des Rezipienten abhängig ist. Wie die Autoren selbst betonen, sind diese Erkenntnisse von großer Bedeutung für die strategische Gesundheitskommunikation.20 Doch auch für andere Felder der strategischen Kommunikation können die Ergebnisse interessant sein - beispielsweise für die Werbeindustrie. Die Erkenntnisse von Dillard, Shen und Yan können hier zur Optimierung bei der Konzeption von TV-Werbeblöcken und ihrer Platzierung innerhalb emotional anregender Unterhaltungsformate beitragen.
[...]
1 Vgl. Dillard, James Price; Shen, Fuyuan; Yan, Changmin (2010): The Effects of Mood, Message Framing and Behavioral Advocacy on Persuasion. In: Journal of Communication 60 (2010), S. 344-363.
2 Vgl. Dillard; Shen; Yan (2010): S. 344.
3 Vgl. Dillard; Shen; Yan (2010): S. 345.
4 Vgl. Dillard; Shen; Yan (2010): S. 345.
5 Vgl. Dillard; Shen; Yan (2010): S. 345f.
6 Vgl. Dillard; Shen; Yan (2010): S. 347.
7 Vgl. Dillard; Shen; Yan (2010): S. 349.
8 Vgl. ebd.
9 Vgl. Carver, C. S.; White, T. L. (1994): Behavioral inhibition, behavioral activation and affectice responses to impending reward and punishment: The BIS/BAS scales. In: Journal of Personality and Social Psychology 67 (1994), S. 319-333.
10 Vgl. Dillard; Shen; Yan (2010): S. 360ff.
11 Vgl. Anhang: Abbildung 1.
12 Vgl. Anhang: Abbildung 2.
13 Vgl. Anhang: Abbildung 3.
14 Vgl. Anhang: Abbildung 4.
15 Vgl. Dillard; Shen; Yan (2010): S. 348f.
16 Vgl. Anhang: Abbildung 5.
17 Vgl. Dillard; Shen; Yan (2010): S. 352ff.
18 Vgl. Anhang: Abbildung 6 & Abbildung 7.
19 Vgl. Anhang: Abbildung 8 & Abbildung 9.
20 Vgl. Dillard; Shen; Yan (2010): S. 357.