Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Aspekte des Islamic Banking
1. Das islamische Wirtschaftssystem
1.1 Historie
1.2 Grundlagen des Islamic Banking
1.3 Instrumente des Islamic Banking
1.3.1 Kreditgeschäfte
1.3.2 Murabaha - der islamische Finanzierungskauf
1.3.3 Musharaka - das islamische Joint Venture
1.3.4 Mudarabah - die islamische Partnerschaft
1.3.5 Ijarah, Salam und Sukuk
2. Prinzipal-Agent-Theorie
2.1 Drei Problembereiche
2.1.1 Asymmetrische Informationen
2.1.2 Moralische Wagnisse
2.1.3 Adverse Selektion
2.2 Fokus: islamische Partnerschaft
2.2.1 Prinzipal-Agent-Problematik im Mudarabah-Vertrag
3. Das Zinsverbot der katholischen Kirche
3.1 Einleitung
3.2 Quellen des Zinsverbotes
3.3 Begründungen des Wucherverbotes
3.4 Vergleich des islamischen und christlichen Standpunktes
3.4.1 Gemeinsamkeiten
3.4.2 Unterschiede
4. Konklusion
4.1 Zukunft des Islamic Banking
Literaturverzeichnis
Elektronische Quellen
„Wer sich selbst und andre kennt Wird auch hier erkennen:
Orient und Occident
Sind nicht mehr zu trennen.“ 1
Johann Wolfgang von Goethe
Aspekte des Islamic Banking
In den siebziger Jahren haben die Länder in der Golfregion enorme Einnahmen durch den Ölex- port erwirtschaftet, welche sie in konventionelle Finanzprodukte investiert haben. Dies hatte die islamische Kritik zur Folge, die vorhandenen Gelder falsch oder ins Ausland investiert zu haben. Vor dem Hintergrund der muslimischen Bevölkerung in den meisten arabischen Staaten wurde eine moderne Version des islamischen Finanzsystems zum Wunsch gläubiger Muslime.
Der Islam beinhaltet als Lebensordnung ein Normensystem, das nicht nur religiöse, sondern auch wirtschaftliche Handlungen regelt. Für Muslime existiert keine Aufteilung zwischen religiöser und weltlicher Dimension, daher versuchen sie all ihre Handlungen mit den Normen des Islam in Einklang zu bringen.2 Das so entstandene islamische Wirtschaftssystem hat jahrhundertalte Wur- zeln, wurde jedoch schon bald von der westlichen Wirtschaftsordnung dominiert. Zusätzlich führt die ununterbrochene mediale Präsenz des Themas Islam zu einer ausgeprägten Sensibilisie- rung der Weltbevölkerung für bisher unbekannte Themengebiete der islamischen Kultur.
Im Zuge dessen erlangt auch Islamic Finance ein höheres Interesse. Dieses offeriert Finanz- dienstleistungen in Vereinbarkeit mit den Gesetzen der islamischen Religion. Der Begriff Islamic Finance steht somit nicht für Finanzgeschäfte in islamisch geprägten Regionen, sondern für eine alternative Form der weltweiten Finanzdienstleistungen. Neben dem Islamic Banking, der Begriff für Banktransaktionen, zählen auch Versicherungsgeschäfte und private Transaktionen zum Isla- mic Finance. Über den genauen wirtschaftlichen Umfang des Islamic Finance liegen keine ge- prüften Angaben vor. Der Islamic Banker gibt an, dass 500 Milliarden Dollar durch 300 islamische Finanzinstitutionen vertreten werden.3 Inhalt dieser Arbeit wird vor allem das Islamic Banking sein.
Zu Beginn ist es erforderlich, die Begrifflichkeiten des Islamic Banking zu erläutern, bevor eine anwendungsorientierte Untersuchung stattfinden kann. Folglich umfasst die vorliegende Arbeit einen umfassenden informativen Teil, um den Leser mit der Perspektive des islamischen Finanzsystems vertraut zu machen.
Die Theorie befasst sich heute weniger mit Anleitungen für Muslime zum individuell richtigen Verhalten, sondern vor allem mit gesellschaftlichen Institutionen und Regeln, die in der zuneh- mend komplexer werdenden Wirtschaft die Umsetzung islamischer Werte gestalten sollen. Die vorliegende Arbeit geht in vier Schritten vor. Zuerst wird ein kurzer historischer Überblick über die Entstehung und das Wachstum des Islamic Finance gegeben. Anschließend werden in einem zweiten Schritt ausgewählte Vertragskonstruktionen des Finanzbereiches, die den religiö- sen Erfordernissen des Islams entsprechen, zunächst theoretisch dargestellt. Ziel der Arbeit ist es, die These zu überprüfen, inwiefern sich die Theorie der Prinzipal-Agent- Problematik des konventionellen Wirtschaftssystems auch im Islamic Banking bestätigt. Daher folgt in einem dritten Schritt die problemorientierte Betrachtung des islamischen Finanzsystems aus mikroökonomischer Perspektive. Aufgrund der offensichtlichen Ähnlichkeit des Zinsverbotes in der katholischen und islamischen Lehre wird als abschließender Bestandteil die Gemeinsamkeit des Zinsverbotes in der islamischen und katholischen Lehre herausgestellt. Dabei werden die his- torischen Wurzeln des Islams und Christentums nicht näher auf Gemeinsamkeiten untersucht.
Im Rahmen der Finanzinstrumente werden teilweise bewusst englische Begriffe beibehalten, wobei diese der deutschen Groß- und Kleinschreibung folgen. Auf Kursivsetzung der arabischen Termini wurde aus Gründen der Übersichtlichkeit verzichtet.
1. Das islamische Wirtschaftssystem
1.1 Historie
Im 19. Jahrhundert wurden mit der Kolonialisierung auch in islamischen Ländern konventionelle Finanzsysteme eingeführt. Die Kolonialmächte errichteten ohne Rücksichtnahme auf örtliche Gegebenheiten Banknetze, die der Vereinfachung von Import- und Exportzahlungen dienten. Die kolonialisierten Völker lehnten das Bankensystem aus nationalistischen, aber auch aus religiö- sen Gründen ab. Mit der fortschreitenden Verbreitung dieses Systems wuchs gleichzeitig die Ab- lehnung der Muslime es zu nutzen. Zeitgleich jedoch wurde auf Grund der wirtschaftlichen Wei- terentwicklung der Länder das Bankensystem für viele Transaktionen zwingend notwendig und war somit auch für gläubige Personen unumgänglich. Diese Entwicklung beobachteten die islami- schen Staaten und erkannten, dass ein zinsloses Bankensystem nötig ist, um den gläubigen Mus- limen die Einhaltung ihrer religiösen und ethischen Grundsätze zu garantieren. Im Jahre 1971 wurde in einer kleinen Stadt im Nildelta in Ägypten die erste Bank in Form einer zinsfreien Spar- kasse gegründet.4 Die Absicht war, durch die Sparkonten der Bank Investitionskredite ausgeben zu können. Schon rasch entstanden in der Umgebung mehrere solcher Sparkassen, durch deren Kreditvergabe eine stärkere Wirtschaftsentwicklung erhoffte wurde. Dieser Aspekt der Wirt- schaftsförderung passte nicht in das zentralistische Wirtschaftssystem des damaligen Präsidenten Nasser, woraufhin die Schließung sämtlicher Banken folgte.5
Die Versuchsphase der Banken war zwar nur relativ kurz, dennoch zeigte sich bereits, dass die zu jenem Zeitpunkt bekannten Islamic-Banking-Methoden praktikabel waren. Zehn Jahre später, am 18. Dezember 1973, wurde die Islamische Entwicklungsbank (IDB) anlässlich der ersten Konferenz der Finanzminister sämtlicher Mitgliedsländer gegründet. Erklärtes Ziel war die Wirtschaftsförde- rung und die Entwicklung eines Bankensystems, welches für den öffentlichen - aber auch für den privaten Sektor - aktiv sein sollte. Mit der Gründung der IDB wurde die Entwicklung des islami- schen Bankensystems eingeleitet. Nach dem ersten Ölpreisschub im Jahre 1975 nahm die IDB ihre Tätigkeit offiziell auf. Im gleichen Jahr noch kam es zur Gründung der ersten privaten isla- mischen Geschäftsbank in Dubai. In den folgenden zehn Jahren entstanden ungefähr 50 weitere islamische Banken in der Golfregion sowie im Sudan und in Ägypten. Seit den neunziger Jahren findet man sogar in Zentralasien und Europa islamische Finanzinstitutionen.6
Vor allem in den vergangenen Jahren hat das Islamic Banking zunehmend an globaler Bedeutung gewonnen. Man konnte ein verstärktes Interesse konventioneller Banken am islamischen Markt beobachten; viele spezielle islamische Abteilungen wurden eingerichtet. Die letzen Jahre sind durch die Entwicklung von neuen Wertpapiertypen und die Belebung islamischer Kapitalmärkte gekennzeichnet.
Das islamische Bankwesen hat sich nach rund 30-jähriger Entwicklung internationale Anerken- nung verschafft. Dies zeigt sich darin, dass sich Institutionen wie Weltbank und Internationaler W ä h- rungsfonds um ein vertieftes Verständnis und um eine Berücksichtigung der Besonderheiten des islamischen Bankwesen mit Blick auf Bankenaufsicht und -regulierung bemühen.7 Die explizite quantitative Dimension des islamischen Finanzsektors ist schwer zu ermitteln, da die Bilanzen islamischer Banken bislang nicht nach international vergleichbaren Regeln erstellt werden. Auf- grund verschiedener Schätzungen und Relationen erscheint ein Marktanteil islamischer Finanz- produkte von 6 bis 10 % plausibel.8
1.2 Grundlagen des Islamic Banking
Das Islamic Banking definiert sich auf Basis islam]itisch-ethischer Normen mit einem entscheidenden Hauptunterschied zu konventionellen Bankgeschäften: Muslime dürfen weder Zins bezahlen noch Zins entgegennehmen. Diese zinslose Finanzwirtschaft steht somit im Einklang mit dem islamischen Recht: der Scharia und dem Koran.
Der Koran als Offenbarung Allahs Wort nimmt für alle Muslime einen sehr hohen Stellenwert ein. Er verbietet den Muslimen bei Gelddarlehen Riba zu nehmen. Riba lässt sich als jegliche Form des ethisch ungerechtfertigten Zuwachses an Kapital durch einen Preis für die Überlassung von finanziellen Mitteln verstehen.9 Im Finanzbereich wird der Begriff schlichtweg als Zins oder Wucher verwendet.10 Das Riba-Verbot wird insbesondere in folgender Textpassage des Korans deutlich:
„Oh ihr, die ihr glaubt, verzehrt nicht den Zins in mehrfach verdoppelten Beträgen und fürchtet Gott, auf dass es euch wohl ergehe.“11
Von diesem Verbot unberührt bleibt jedoch die Ausschüttung von Gewinnanteilen, da diese direkt vom Erfolg der Investition mit allen ihren Risikoaspekten abhängen. Die Begründung des Riba-Verbotes basiert vor allem auf Aspekten der sozialen Gerechtigkeit. Des Weiteren wird argumentiert, dass Zinsen einen vom Unternehmensgewinn losgelösten Kostenfaktor darstellen, der im Fall von Verlusten keinen Wohlstand generieren kann. Im Gegensatz dazu werden Ge- winnanteile als Symbol für unternehmerischen Erfolg gewertet, der durch die Gewinnausschüt- tung zusätzlichen Wohlstand erzeugt.
Das Riba-Verbot ist das Kernelement des islamischen Bankensystems, es sollen jedoch noch zwei weitere Aspekte an dieser Stelle genannt werden. Zunächst das Verbot des Glücksspiels, Gharar. Das Gharar-Verbot beschränkt sich nicht auf Spielotheken, sondern verbietet Spekulationen und die Übernahme von hohen Risiken sowie Termingeschäfte. Dies hat zur Folge, dass keine Trans- aktion getätigt werden darf, ohne dass vorher mit beidseitigem Einverständnis der Preis für den Kauf und den Rückkauf festgelegt wurde. Des Weiteren ist es Muslimen verboten finanziell in die Produktion oder den Handel mit verbotenen Produkten, Haram, einzusteigen. Somit sind alle geschäftlichen Tätigkeiten, die in Verbindung mit Alkohol, Schweinefleisch, Waffen, Tabak, Prostitution, Pornographie und Glücksspiel stehen, strengstens untersagt. Weiterhin werden In- vestitionen in stark fremdfinanzierte Unternehmen sowie Spekulationsgeschäfte und damit eben- falls auch alle modernen Finanzderivate als Haram betrachtet und finden deshalb keinen Eingang in strikt islamische Finanzprodukte.
Der Begriff Scharia fällt häufig in Verbindung mit Islamic Banking. So heißt es, dass islamische Bankgeschäfte Scharia-konform sein müssen. Um die Funktionsweise und Umsetzung des islami- schen Rechts verständlich zu machen, muss die Scharia näher erklärt werden: Der Begriff lässt sich als gottgegebenes oder religiöses Recht übersetzen. Ein gläubiger Muslim wird sein Leben ganz nach den Grundsätzen der Scharia führen, denn sie beinhaltet sämtliche Aspekte seines Lebens. Wichtig für die vorliegende Arbeit ist die Tatsache, dass die Scharia als Grundlage für sämtliche wirtschaftliche Aktivitäten gilt. Als primäre Rechtsquellen der Scharia akzeptiert werden der Koran und die Sunna12 akzeptiert. Zur Rechtsfindung werden immer zu- erst der Koran und die Sunna konsultiert. Geben beide Quellen keinen Aufschluss über den zu beurteilenden Fall, kommen zwei weitere Instrumente zum Zug. Das ist zum einen die Bildung von Analogieschlüssen, Qiyas, auf Grund bereits gefällter Urteile und zum anderen der Mei- nungskonsens, Ijma, der Rechtsgelehrten.13
Neben den bisher genannten Verboten gibt es auch Voraussetzungen, die erfüllt werden müssen, um Scharia-konform zu investieren. Es darf nicht in Unternehmen investiert werden, die einen Verschuldungsgrad von 33 % und mehr haben. Des Weiteren müssen alle Unternehmen ausge- schlossen werden, deren Summen an liquiden Mitteln sowie zinsbasierten Wertpapieren 33 % und mehr übersteigen. Zusätzlich dürfen die Debitorengegenstände nicht mehr als 45 % betragen und die Zinseinnahmen eines Unternehmens, in das investiert werden soll, dürfen nicht über 5 % liegen.14
Dass sämtliche Vorschriften der Scharia eingehalten werden, bedarf der Überprüfung. Dazu gibt es das Scharia Board, das neben der Kontrollfunktion neue Scharia-konforme Finanzinstrumente entwickelt.15 Das Vorgehen des Scharia Boards ist vergleichbar mit konventionellen Finanzinstitu- ten. Bevor ein islamisches Bankprodukt auf den Markt geht, muss es durch das Scharia Board bewilligt werden. In der Praxis hat jedes Finanzinstitut sein eigenes Scharia Board. Dieses besteht mindestens aus drei Mitgliedern, die entweder Rechtsgelehrte oder aber islamische Finanzexper- ten sind. Jedes Scharia Board orientiert sich an den zuvor beschriebenen Rechtsquellen.
Das strikte Zinsverbot im Islam ist eine Folge der tiefen Sorge um das moralische, soziale und wirtschaftliche Wohlergehen der Menschheit. Hauptgrund für dieses Verbot ist das einseitige Risiko beim verzinslichen Darlehen. Der Borger geht das Risiko der Insolvenz ein, während der Darleiher dieses Risiko nicht zu teilen braucht.
Als Konsequenz aus dem Zinsverbot gilt es nun aufzuzeigen, wie benötigte finanzielle Mittel in einem islamischen Wirtschaftssystem zu finanzieren sind.
1.3 Instrumente des Islamic Banking
Auf Grund des Riba-Verbotes haben sich in der islamischen Finanzwelt neue Wege gefunden, auf denen die Finanzinstitute trotzdem Erträge erwirtschaften können. Die Mitglieder der Scharia Boards entwickelten im Laufe der Jahre etliche islamische Finanzinstrumente. Das so entstandene islamische Bankensystem basiert auf Kooperation und Verantwortung und setzt die finanziellen Aspekte einer Transaktion gleich mit den moralischen und religiösen. Die islamischen Vertragstypen stimmen nur bedingt mit den westlichen Gestaltungselementen überein. Auf Grund dessen werden im folgenden Part einige der grundlegenden Finanzinstrumente und deren Nutzung im Rahmen der Finanzierung aufgezeigt.16
1.3.1 Kreditgeschäfte
Kreditgeschäfte können grundsätzlich nur von Unternehmen getätigt werden. Im islamischen Recht ist es verboten, Konsumkredite an Private zu vergeben. Die Scharia gestattet Kreditvergabe nur bei dringendem Bedarf und nicht um einer Privatperson das Leben über ihre Verhältnisse zu ermöglichen. Zur Zeit gibt es sieben verschiedene Produktarten im Islamic Banking. Diese kön- nen in drei Gruppen zusammengefasst werden: Cost Plus Transaction (Murabaha), Profit and Loss Sharing Investment (Mudarabah und Musharakah) und Leasing Transaction (Ijara).
1.3.2 Murabaha - der islamische Finanzierungskauf
Im Rahmen eines Murabaha-Vertrages kauft eine Bank eine Ware im Auftrag des Kunden. Der Kunde erstattet der Bank den Betrag für die Ware zuzüglich einer im Voraus festgelegten Profit- marge zurück. Dabei werden alle Kosten von Seiten des Verkäufers gegenüber dem Käufer of- fengelegt. Die Lieferung der Bank an den Kunden erfolgt sofort, während die Zahlung erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen wird. Der Termin für die Bezahlung ist jedoch im Voraus ver- traglich genau festzulegen. Der Weiterverkauf kann entsprechend einem Abzahlungsvertrag auch in Raten erfolgen, wodurch sich ein Finanzinstrument ähnlich dem westlichen Darlehen mit Zins ergibt. Voraussetzung für den Murabaha-Vertrag ist, dass die Ware zum Zeitpunkt des Kaufes physisch existiert und Eigentum des Verkäufers ist. Der Verkauf muss sofort erfolgen, ein auf die Zukunft abgeschlossener Vertrag ist nicht gültig. Außerdem darf das Verkaufsobjekt entspre- chend der Scharia kein Haram sein. Die Finanzierung von Alkohol, Tabak oder Kriegsmaterialien ist somit sittenwidrig. Hervorzuheben ist, dass bei Zahlungsverzug keine zusätzlichen Zinsen fäl- lig werden. Es kann jedoch vereinbart werden, dass der Zahlungssäumige eine Spende an eine karitative Organisation leistet.17
Der wesentliche Unterschied zu einem konventionellen Kredit ist zum einen die konstante Zinshöhe im Gegensatz zum zunehmenden Rückzahlungsbetrag bei einem verzinslichen Kredit. Zum anderen wird bei einer Murabaha-Geschäftstransaktion dem Kunden kein Geld, sondern die Ware zur Verfügung gestellt. Für den Zeitraum, in dem die Bank in Besitz der zu verkaufenden Ware gelangt, trägt sie das volle Verlustrisiko. Es ist im Sinne des islamischen Rechts, dass die Bank die Kontrolle darüber hat, dass nur Scharia-konforme Transaktionen getätigt werden.
Murabaha gilt mit einem Anteil von ca. 80 % aller abgeschlossenen Verträge als das meist verbreitet Finanzinstrument des Islamic Banking.18
1.3.3 Musharaka - das islamische Joint Venture
Musharaka ist dadurch gekennzeichnet, dass mindestens zwei Vertragsparteien - in der Regel Bank und Unternehmer - gemeinsam Kapital in eine Gesellschaft einbringen, um ein Investitionsprojekt zu realisieren. Der Gewinn des Projektes wird nach einem vorher vereinbarten Verhältnis aufgeteilt. Verluste aus dem Musharaka werden von den Parteien nach dem Verhältnis des eingebrachten Kapitals proportional getragen. Folglich kann Musharaka als islamisches Pendant zum klassischen westlichen Joint Venture gesehen werden.
In der praktischen Anwendung haben sich zwei grundsätzliche Arten in Gestalt des Permanent und des Diminishing Musharakas etabliert. Ersteres zeichnet sich durch eine unbegrenzte Vertrags- dauer aus. Daraus folgt, dass die Partnerschaft so lange besteht, bis eine der beiden Parteien das Vertragsverhältnis kündigt oder das Joint Venture liquidiert wird. Das Permanent Musharaka findet seine Anwendung häufig bei langfristigen Projekten, wo das Kapital über längere Zeit gebunden bleibt.19 Bei der zweiten Variante reduziert sich vertragsgemäß das finanzielle Engagement der Bank im Laufe der Zeit. Diese Eigentumsanteile werden stetig der anderen Partei übertragen, in- dem der Unternehmer die Anteile der Bank zu einem höheren Preis als dem ursprünglichen Wert zurückkauft, bis seine Eigentumsanteile 100 % betragen. Auf diese Art erzielt der Kapitalgeber einen Kapitalgewinn seiner Anteile. Das Diminishing Musharaka wird als kurz- bis mittelfristige Finanzierungsform verwendet.
Wesentliche Bestandteile des Musharaka-Vertrages sind neben der beidseitigen Kapitaleinbrin- gung das Mitspracherecht des Investors in der Geschäftsführung des Joint Ventures. Des Weiteren ist der Vertrag nur im Sinne der Scharia gültig, wenn die anteilsmäßige Gewinnvertei- lung bei Vertragsabschluss festgelegt wird. Folglich ist eine Abmachung über eine pauschale oder garantierte Gewinnsumme nicht erlaubt. Die Haftung der Parteien ist unbeschränkt. Die Partnerschaft des Musharaka-Vertrages wird als geeignete Form zur Finanzierung von Ge- meinschaftsunternehmen betrachtet. Die Bank als Partner des Unternehmers garantiert ihm ge- nügend Liquidität über die gesamte Dauer des Projektes. Zu betonen ist, dass die Bank hierbei eine aktive Rolle übernimmt. Sie bestimmt im Konsens mit dem anderen Vertragspartner die Zie- le des Projektes und überwacht die Durchführung des Investitionsprojektes. Verschiedene Scharia Boards erklären die Musharaka-Finanzierung zum reinsten Instrument des Islamic Banking, da das Risiko der Finanzierung gemeinsam getragen wird.20
1.3.4 Mudarabah - die islamische Partnerschaft
Mudarabah ist eine gewinnbezogene Partnerschaft zwischen einem Unternehmer, dem Mudarib, und einer Bank, dem Rabb Al-Mal. Die Bank beteiligt sich als stiller Gesellschafter an einem In- vestitionsprojekt, in das der Unternehmer seine Arbeitskraft einbringt. Die entstehenden Gewin- ne werden gemäß einem festgelegten Schlüssel zwischen den beteiligten Parteien aufgeteilt. Das wesentliche Merkmal des Mudarabah-Vertrages ist, dass der Mudarib seinerseits kein eigenes Kapital beisteuert, sondern lediglich seine Managementkenntnisse in die Partnerschaft einbringt. Die eingebrachte Arbeitszeit wird mit einem Honorar abgegolten. Für die Bank ergibt sich ein sehr hohes Risiko, weil der Mudarib die alleinige Verantwortung für die Führung des Investiti- onsprojektes übernimmt und nur im Falle fahrlässigen Verhaltens für Verluste haftet. Der etwaige Verlust des Projektes wird ansonsten von der Bank allein getragen, beschränkt auf die Höhe des Mudarabah-Kapitals.
[...]
1 Goethe 1819: Kap. Aus dem Nachlass.
2 Vgl. Lewis/Algaoud 2007: S. 38.
3 Vgl. N. N.: Global Islamic Finance Monitor (s. d.), URL: http://www.islamicbanker.com/database.html (Stand: 19.10.2009).
4 Vgl. Iqbal/Molyneux 2005: S. 37.
5 Vgl. Ende/Steinbach 1984: S. 167.
6 Vgl. a. a. O.: S. 170.
7 Vgl. a. a. O.: S. 167f.
8 Vgl. N. N.: Islamic Finance in the Middle East (2002), in: HSBC Economic Bulletin, URL: http://www.econresearch.net/admin/articles/7(2).pdf (Stand: 22.10.2009).
9 Vgl. Iqbal/Molyneux 2005: S 7.
10 Vgl. Bosworth/Donzel/Heinrichs/Lecomte 1993: S. 491.
11 Koran, Sure 3, Vers 130.
12 Die Sunna umfasst die Gesamtheit der Äußerungen, Taten oder stillschweigenden Billigungen des Propheten Mohammad.
13 Vgl. Amereller 1995: S. 21.
14 Vgl. El-Mogaddedi 2005: S. 6.
15 Vgl. Altundag/Haldi 2003: S. 43.
16 Vgl. Ashrati 2008: Kap. 4.1.
17 Vgl. Altundag/Haldi 2003: S. 50.
18 Vgl. Buchkmaster 1996: S. 30.
19 Vgl. Altundag/Haldi 2003: S. 54.
20 Vgl. Premchand 2000: S. 27.