"Es ist etwas Dunkles in mir" - Pubertäre Sexualität in der Literatur um 1900

Untersuchungen zu Frank Wedekinds "Frühlings Erwachen", Robert Musils "Die Verwirrungen des Zöglings Törleß" und Lou Andreas-Salomés "Die Schwester"


Examensarbeit, 2007

101 Seiten, Note: 1,00


Leseprobe


Inhalt

1 Der „Eros Matutinus“ in Literatur und Gesellschaft um 1900 – Eine Einleitung

2 Sozialgeschichtliche Hintergründe zur „sexuellen Krise“:Sexualität und bürgerliche Moral im Fin de Siècle
2.1 Zivilisatorische Veränderungen und ihr Einfluss auf die erotische Situation des Bürgertums um
2.2 Von der vermeintlichen Entdeckung der Sexualität: Die zwei Gesichter des bürgerlichen Sexualdiskurses
2.3 Die Rolle des pubertären Jugendlichen in Gesellschaft, Diskurs und Literatur
2.3.1 Lustfeindliche Bedingungen in der Bürgerfamilie und am humanistischen Gymnasium und ihre Voraussetzungen
2.3.2 Onanieverbot und geistige Unschuld: Die Forderungen des Sexualdiskurses an die Heranwachsenden
2.3.3 „Das Jahrhundert des Kindes“ – Erste Versuche der Befreiung von Körper und Geist in Reformpädagogik und Jugendbewegung
2.3.4 Adoleszente Jungen und Mädchen als Protagonisten in der Literatur um

3 „Denn seit gestern sind sie keine Kinder mehr“ – Pubertäre Sexualität in der Literatur um 1900 am Beispiel von Wedekinds „Frühlings Erwachen“, Musils „Die Verwirrungen des Zöglings Törleß“ und Andreas-Salomés „Die Schwester”
3.1 Die Verleugnung der Pubertät: Repression der erwachenden Triebe durch die Erwachsenenwelt
3.1.1 Schweigen und Strafen: Die Figuren von Mutter und Vater
3.1.1.1 „O Mutter, laß mich frei“ – Ignoranz der pubertären Sexualität zum Schutz kindlicher Unschuld
3.1.1.2 Massive Repression der jugendlichen Triebe durch patriarchalischen Machtmissbrauch
3.1.2 Primat des Geistes über den Körper: Das sexualfeindliche Erziehungs- prinzip der Schule
3.1.2.1 Der Lehrer als asexuelles, schwaches Wesen
3.1.2.2 In der Strafkolonie: Das Angstregime Schule
3.2 Ausbruchsversuche: Lust und Schmerz als Befreiungsmomente der Jugendlichen
3.2.1 Die Sehnsucht nach Freiheit in Selbstaufklärung, Autoerotik, Koitus und Homosexualität
3.2.2 Grausame Lust: Das Quälen des eigenen und fremden Körpers
3.3 Das Leben als Geschmackssache – Die Konsequenzen pubertärer Lust
3.3.1 Der Höhepunkt des masochistischen Traums und die einsame Lebensangst: Die Selbstmorde Moritz’ und Maschas
3.3.2 Melchiors und Törleß’ Reifeprozess: Entscheidung für ein bürgerlich-ästhetisches Leben

4 „Der Einzelne inmitten einer feindlichen Welt“ – Schlussfolgerungen zum „Eros Matutinus“ in der Literatur

5 Literaturverzeichnis

1 Der „Eros Matutinus“ in Literatur und Gesellschaft um 1900 – Eine Einleitung

Und wir brauchten nicht lange, um zu entdecken, daß alle jene Autoritäten, denen wir bisher Vertrauen geschenkt, daß Schule, Familie und die öffentliche Moral in diesem einen Punkt der Sexualität sich merkwürdig unaufrichtig gebärdeten – und sogar mehr noch: daß sie auch von uns in diesem Belange Heimlichkeit und Hinterhältigkeit forderten. (Zweig 1986, S. 86f.)[1]

So reflektiert Stefan Zweig in seinen Erinnerungen an „Die Welt von Gestern“ die Zeit seiner Pubertät um 1900. Er berührt damit einen Gegenstand, der Jahrzehnte zuvor zum ersten Mal das Interesse der Literatur geweckt hatte und der das Anathema der Sexualmoral sowohl gesellschaftlicher Wirklichkeit als auch des konventionellen Dramas bzw. Romans behandelte: das pubertäre Ich auf der Schwelle zwischen Kindheit und Erwachsenenalter. Zweig weist dabei auf einen wichtigen Punkt in dieser Phase des Übergangs hin, nämlich auf die Einflüsse gesellschaftlicher Autoritäten auf den Heranwachsenden. Konkret nennt er die Sozialisationsinstanzen Familie und Schule sowie den ungeschriebenen Verhaltenskodex bürgerlicher Sittlichkeit, der wie ein Damoklesschwert über allem schwebte. Gerade der – vom heutigen Standpunkt aus gesehen – intime und persönliche Bereich der Sexualität, die sich beim Jugendlichen unvermittelt und vehement in seinen Wahrnehmungs- und Erlebensbereich zu drängen beginnt, scheint im Zentrum repressiver Tendenzen der Erwachsenenwelt gegenüber pubertärer Identitätssuche zu liegen. Dass so gehemmt mit diesem Thema umgegangen wurde, sieht Zweig im Kapitel über den „Eros Matutinus“, wie er die erwachende Erotik beim pubertären Jugendlichen bezeichnet, besonders kritisch: „Diese unehrliche und unpsychologische Moral des Verschweigens und Versteckens war es, die wie ein Alp auf unserer Jugend gelastet hat […]“ (ebd., S. 90.) In diesem Zusammenhang stellt sich besonders die Frage nach der Aufklärung von Jungen und Mädchen, bei der Zweig zufolge Schule und Familie aber versagten und die Pubertierenden allein ließen: „ Eine Methode der Aufklärung blieb aber in allen Instanzen und Formen entschlossen verpönt: die öffentliche und aufrichtige.“ (ebd., S. 101f.) Diese extrem triebfeindliche Atmosphäre des Fin de Siècle betraf also nicht nur erwachsene Frauen und Männer der höheren Schichten, sondern ebenso, wenn nicht sogar noch unmittelbarer und heftiger in den Konsequenzen, ihre heranwachsenden Kinder.

Mit ebendiesem Themenkomplex, der sich um die pubertäre Sexualität um 1900 aufbaut, werde ich mich in der vorliegenden Arbeit beschäftigen. Dabei möchte ich keine sozialhistorische Untersuchung liefern, sondern anhand dreier ausgewählter literarischer Werke aus der entsprechenden Epoche, die die Problematik meiner Meinung nach am Sensibelsten und Differenziertesten darzustellen verstehen, verschiedene Bereiche pubertärer Lust in der Literatur des Fin de Siècle genauer betrachten. Trotz des gerade um die letzte Jahrhundertwende durch Sigmund Freud ins Zentrum des öffentlichen Interesses rückenden psychoanalytischen Blickwinkels und trotz des Einflusses, den diese neue wissenschaftliche Richtung auf die zeitgenössische Literatur ausgeübt hat,[2] werde ich die Werke nicht unter diesem Aspekt analysieren, sondern eher textimmanent und textvergleichend arbeiten, da mir diese Vorgehensweise aufschlussreicher erscheint. Trotzdem ist es notwendig, politische, ökonomische, soziale und psychologische Hintergründe gerade dieser Epoche des gesellschaftlichen und geistigen Umbruchs in die Untersuchung miteinzubeziehen, da Literatur auch als Produkt der Menge dieser Faktoren gesehen werden muss. Deshalb wird der erste Schritt sein, die erotische Situation um 1900 mit all ihren zivilisatorischen Einflüssen und in diesem Zusammenhang die (mehr oder weniger seriöse, jedoch) boomende Beschäftigung der Wissenschaft mit der Sexualität aufzuzeigen. Die Darstellung des Diskurses kann dabei aber nur skizzenhaft geschehen, da nicht jeder Aspekt für meine weiteren Untersuchungen relevant ist und so zu weit führen würde. Darauf aufbauend möchte ich die Situation der Jugendlichen aus bürgerlichen Verhältnissen beleuchten, ihre lebensweltliche Umgebung, ihre Stellung im Diskurs und das steigende Interesse der Literatur an ihnen. Auf dieser Basis schließlich beziehe ich die genannten zeitkritischen Werke Wedekinds, Musils und Andreas-Salomés mit ein, wobei ich hier den Schwerpunkt auf die Autoritäten, ihren Umgang mit der erwachenden Sexualität ihrer Schützlinge und die dadurch determinierten Ausbruchsversuche und ersten erotischen Erfahrungen der jungen Protagonisten lege. Als besonders wichtig erscheint mir darüber hinaus ein abschließender Blick auf die Reaktion der Pubertierenden auf die versuchte Repression ihrer Triebe: Gelingt es ihnen, das bürgerliche Reglement hinter sich zu lassen und ein lustvolles Leben zu führen oder unterliegen sie im Kampf der Sittenwächter um die Unterdrückung ihrer Natur?

2 Sozialgeschichtliche Hintergründe zur „sexuellen Krise“: Sexualität und bürgerliche Moral im Fin de Siècle

Die Bedeutung von Sexualität in der Geschichte scheint stets unweigerlich mit Tabu und Repression verknüpft. Als geradezu wahnwitziges Paradox beweist sich der Umgang des Bürgertums mit Sexualität auf der Schwelle zur Moderne: Die Tabuisierung der Triebe war seit dem 16. Jahrhundert zunehmend strikter geworden und hatte zu starken Verdrängungstendenzen aus den offiziellen Lebensbereichen geführt. Gleichzeitig aber begann sich ein eifriger öffentlicher Diskurs zum Thema zu entspinnen, an dem sich ab dem späten 19. Jahrhundert sämtliche Institutionen aus Politik, Medizin, Psychologie, Literatur usw. beteiligten, indem sie sich der Analyse, Klassifizierung und Spezifizierung des Phänomens Sexualität zuwandten. Doch das Ziel war keineswegs Aufklärung und Enttabuisierung, wie man es vielleicht erwarten würde, sondern vielmehr die totale Kontrolle der gesellschaftlichen Machthaber über die geschlechtliche Lust.[3] Die politischen und sozial-geschichtlichen Hintergründe, vor denen der Komplex Sexualität um 1900 als Problemfall erörtert wurde, der Diskurs selbst und schließlich die Rolle des Jugendlichen unter diesen Voraussetzungen sollen im Folgenden dargestellt werden.

2.1 Zivilisatorische Veränderungen und ihr Einfluss auf die erotischen Situation des Bürgertums um 1900

Es war ein schleichender Prozess der Veränderungen und Umstürze über Jahrzehnte wenn nicht Jahrhunderte hinweg, der die sexuelle Situation der Wilhelminischen Ära formte. Vieles ist bedingt durch die spezifischen Lebensumstände der immer mehr an gesellschaftlicher Bedeutung gewinnenden sozialen Schicht des Bürgertums. Bereits im 16. Jahrhundert hatte der von Jos van Ussel so bezeichnete „Verbürgerlichungsprozess“ (van Ussel 1970, S. 35)[4] eingesetzt, der mit der Entstehung des modernen Menschen und der patriarchalisch-kapitalistischen Gesellschaft einherging. Aufgrund von starken Strukturveränderungen erkämpfte sich dieser Stand ab Mitte des 19. Jahrhunderts infolge der Industrialisierung europaweit ökonomische Macht und Autonomie.[5] Damit war es erstmalig in der Geschichte einer sozialen Schicht gelungen, durch Leistung und nicht durch das Privileg der höheren Geburt Ansehen und Kapital zu erreichen. Das „Leistungsprinzip“ ermöglichte es nun, größere Reichtümer anzusammeln, und so hielt der finanzielle Wohlstand Einzug, allerdings zu einem hohen Preis: Um die neu entstandenen bürgerlichen Werte auf Dauer zu erhalten, wuchs das antifortschrittliche Festhalten an ihnen und der Kampf gegen sittliche Ausschweifungen verfestigte sich in einer zunehmenden Haltung der Prüderie.[6] Nur durch Disziplin und Kontrolle – so die Überzeugung – war der Erfolg des Bürgertums langfristig zu garantieren. Dieses Denken propagierte das Primat des Intellekts und schuf dadurch Distanz sowohl zum eigenen als auch zum fremden Körper.[7] Die Neudefinition seiner Funktion machte ihn schnell vom Lustorgan zum Leistungsinstrument.[8]

Mit fortschreitendem Modernisierungsprozess erfolgte auch eine stetige, rasante Beschleunigung des Lebens durch neue Möglichkeiten der Mobilität und Innovationen im Bereich der Nachrichtentechnik, die die Moderne als Zeitalter der Neuentwicklung, der Individualität und Loslösung von den Konventionen zeigen.[9] Im Bürgertum herrschte dabei immer mehr Unsicherheit: Die einen – vor allem die Vätergeneration – hielten zur Verhaltensversicherung ängstlich und streng am Althergebrachten fest, die anderen – jüngeren – ließen sich dagegen vom Geist der Moderne oft begeistert mitreißen. Vieles der alten Werte verlor dabei an Gültigkeit und wurde hinterfragt, so auch die Sexualität. Auch in diesem Bereich offenbart sich deutlich der typische Zeitgeist um 1900, der zwischen hoffnungsvollem Fortschrittsoptimismus und pessimistischer Weltsicht schwankte:[10] Einerseits wurde der Geschlechtstrieb als „energetisches Zentrum für die ‚Gesundung’ einer dem Natürlichen entfremdeten Kulturmenschheit“ (Pankau 2005, S. 31) verklärt, andererseits „als destruktive Kraft“ (ebd.) verdammt, „deren Domestizierung zum Überleben der Gattung notwendig erschien.“ (ebd.) In dieser Double-Bind-Situation gefangen und aufgrund der zivilisatorischen Reizüberflutung griffen in bürgerlichen Kreisen die Modekrankheiten der Nervosität und Neurasthenie um sich, die sich in schneller Ermüdung, Unruhezuständen sowie häufig in sexuellen Störungen wie Impotenz und Frigidität äußerten.[11] Dies schrieben konservative Autoritäten vor allem der allgegenwärtigen sexuellen Stimulation zu und sahen die Heilung des modernen Menschen nur in einer Unterdrückung seiner Triebe. So kam es dazu, dass um 1900 in bürgerlichen Kreisen der Höhepunkt der Sexualprüderie angesteuert wurde: Lust wurde als leistungsschwächend empfunden und musste kontrolliert werden, um die erreichte Kulturstufe aufrechterhalten zu können. Individuelles und intimes Verhalten wurde im Zuge dessen immer mehr unter gesellschaftliche Aufsicht gestellt, mit dem Ziel, das Zusammenleben vieler Menschen in der Gemeinschaft berechnen und garantieren zu können, wie Anja Seifert es formuliert.[12] Zu diesem Zweck griffen nun neue Normen in die Triebsphäre ein, und durch diese Kanalisierung von Lust kam man der Idee eines bürgerlichen Charakters, der den veränderten ökonomischen Bedingungen vollkommen angepasst war, immer näher. Damit erreichte die sexuelle Schamgrenze im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts hin ihren Höhepunkt: Sexualität erfuhr den totalen Ausschluss – wenigstens aus dem öffentlichen Leben.[13]

Die beste Möglichkeit zur Kontrolle sah man dabei in der Institutionalisierung von Sexualität, und zwar durch die gesellschaftlich legitimierte, monogame Ehe. Hier definierte die bürgerliche Moral Sexualität als bestehend aus der Summe von Ehe, Liebe und Fortpflanzung. Vom ökonomischen Blickwinkel aus gesehen verfolgte die Beschränkung sexueller Aktivität auf die Ehe und damit auf einen einzigen Geschlechtspartner vor allem den Zweck, dass der Mann als Machthaber in der Familie, der in der patriarchalischen Struktur die Kinder als sein „Eigentum“ betrachten konnte, nicht fürchten musste, ein fremdes Kind aufzuziehen, auf das er später rechtlich keinen Anspruch hatte. Jedoch auch die strikten Verhaltenserwartungen, die an die Frau gestellt wurden, wie die Forderung nach weiblicher Unschuld sowohl körperlich als auch gedanklich, was „zur Herausbildung eines negativ verbietenden Bewusstseins, durch welches sexuelle Wünsche abgedrängt wurden oder Angst vor einem Gewahrwerden der Sexualität entstand“ (Ulrich 1985, S. 65), führte, hat mit Sicherheit die tatsächliche Beschränkung weiblicher sexueller Aktivität auf die Ehe mitmotiviert. Somit war weibliche Sexualität nun im Sittenkodex ausschließlich auf den Ehepartner zentriert, was natürlich die unbedingte Jungfräulichkeit bis zur Heirat als Voraussetzung miteinschloss. Die sich bereits vor der Ehe entwickelnden weiblichen Körperfunktionen wurden folglich sowohl von den Eltern als auch von den Mädchen selbst verdrängt bzw. unterdrückt, worauf ich aber später noch genauer eingehen werde.[14]

Prinzipiell war der Mann an dieselbe Regelung gebunden, doch die Realität verhielt sich für beide Geschlechter unterschiedlich, insbesondere als man festzustellen glaubte, dass sich der männliche Trieb sehr viel schwerer unterdrücken ließe und aktiver sei[15] als der weibliche, den man ohnehin erst historisch spät als vorhanden akzeptierte. Durch den Prozess der Modernisierung hatte sich im Lauf der Jahrhunderte eine Wunschvorstellung vom Wesen des Mannes entwickelt, die jegliche natürliche Regung kulturell überschrieb: Schonungslose Selbstbeherrschung, Triebunterdrückung, Arbeitswut, Initiative und schließlich die Verdrängung des Sexuellen sollten idealerweise diesen „neuen“ Typus des Bürgers kennzeichnen.[16] Doch die verlängerte Periode der männlichen Ausbildung und damit die erst in fortgeschrittenem Alter mögliche Eheschließung, nämlich dann, wenn genügend Eigenkapital vorhanden war, schien Kompromisse in Bezug auf die männliche Sexualität notwendig zu machen. So wurde es ledigen Bürgern zugestanden, ihren Geschlechtstrieb in aller Diskretion und außerhalb von Alltag und Familie auch schon vor der Ehe zu befriedigen;[17] dies konnte jedoch nicht ohne Schuldgefühle vonstatten gehen, da der „neue“ Mann bereits in jungen Jahren aufgrund der eben genannten Tabuisierung der Lust einen moralischen Selbstkontrollapparat entwickelt hatte.[18] Ein Problem stellte dabei dar, dass den betroffenen Oberstufenschülern und Studenten kein weibliches Pendant ihres gesellschaftlichen Standes zum Zweck der Triebbefriedigung zur Verfügung stand, da von diesem ja bis zur Hochzeit Jungfräulichkeit erwartet wurde.[19] Auch wurden Bürgermädchen eher in romantischer Liebe aus der Ferne verehrt, als mit Geschlechtlichem in Verbindung gebracht. Ausweichmöglichkeiten boten Dienstmädchen und Prostituierte,[20] die meist aus unteren gesellschaftlichen Schichten stammten und aus bestimmten Gründen nicht heiraten konnten.[21] Um 1900 erlebte deren Geschäftszweig geradezu einen Boom – im Hinblick auf die fatale bürgerliche Doppelmoral mehr als verständlich, wenn Anita Ulrich davon spricht, dass gerade die bourgeoise Sittlichkeit mit ihren Verdrängungsmechanismen die Formen von Sexualität produzierte, die sie zu verhindern suchte.[22]

Daraus werden die unterschiedlichen Vorstellungen und Zuschreibungen an männliche und weibliche bürgerliche Sexualität ersichtlich: Während erstere der Zeugung eines Erben als auch sehr wohl dem Lustgewinn diente, wurde letztere – ohnehin nur in der Ehe legale[23] – auf den Zweck des Gebärens beschränkt.[24] So nimmt es kaum wunder, dass sich auch nach der Eheschließung häufig keine geschlechtliche „Normalität“ und Befriedigung einstellte: Anita Ulrich berichtet sowohl von inflationärer Unlust und Impotenz der Ehemänner als auch von nahezu traumatischen Erlebnissen unberührter Mädchen in der Hochzeitsnacht, wenn sie zum ersten Mal mit ihren „ehelichen Pflichten“ konfrontiert wurden.[25] Ausbruchsversuche aus bürgerlicher Enge und auf den Zweck der Fortpflanzung beschränkter Geschlechtlichkeit in Form von Ehebruch waren dabei trotz oder gerade aufgrund dieser triebfeindlichen Strukturen eher an der Tagesordnung als die Ausnahme.[26]

Vor dieser doppelbödigen Kulisse aus sittlichen Normen und heimlichen Zugeständnissen, aus unterschiedlichsten Voraussetzungen für beide Geschlechter und der Beschränkung der Sexualität auf die bürgerliche Ehe, ist nun der zur gleichen Zeit stattfindende öffentlich-wissenschaftliche Diskurs über das Thema zu betrachten, der bizarre Ausmaße erreichte und sowohl traditionelle Ideen von Sexualität als auch die Scham vor der öffentlichen Diskussion in ihren Grundfesten erschütterte. Hier soll der äußerst komplexe Diskurs allerdings nur in groben Zügen skizziert und allein die Aspekte näher beleuchtet werden, die der späteren Werkinterpretation dienlich sind.

2.2 Von der vermeintlichen Entdeckung der Sexualität: Die zwei Gesichter des bürgerlichen Sexualdiskurses

Während im privaten Umgang der Bürgersfamilien jegliche Sexualität ausgeschlossen und durch patriarchalische Machtausübung negiert wurde, begann zur gleichen Zeit die politische und wissenschaftliche Öffentlichkeit ihr Interesse an diesem Un-Thema zu entdecken. Zwar setzte die Diskursivierung von Sexualität bereits im 16. Jahrhundert ein, was Michel Foucault mit dem „Willen zum Wissen“ des modernen Menschen erklärt, doch um 1900 taten sich entscheidende Neuerungen in der Diskussion um das Thema auf.[27] So stellt Ulrich Linse ab Ende der 1870er Jahre eine stete Lockerung der öffentlichen Sexualauffassung in Zusammenhang mit dem Aufkommen einer neuen Forschungsrichtung – der Sexualwissenschaft – fest.[28] Die Kontroversen, an denen verschiedenste Autoritäten wie Ärzte, Feministinnen, Pastoren, Politiker, Juristen, Soziologen und Psychologen beteiligt waren, beschäftigten sich erstmalig mit sich seit mehreren hundert Jahren verhärtenden Tabus und produzierten dadurch zugleich Ängste und Hoffnungen, Zweifel und reformerische Impulse, wie Jens Flemming bemerkt.[29] Zum ersten Mal in der Geschichte der Sexualität wurde sie nicht mehr totgeschwiegen, sondern als Ausdruck unzweifelhaft vorhandener Bedürfnisse zu einem existentiellen Thema der Wissenschaft gemacht – man könnte generell von der „Entdeckung der Sexualität“ (Scheuer 1999, S. 20)[30] sprechen. Die Autoritäten zeigten nun verstärkt Interesse an der Erforschung des Geschlechtstriebs, wobei die Klärung dieser „sexuellen Frage“ vor allem als eine Aufgabe der Naturwissenschaften und deren kompetenten Experten verstanden wurde.[31] Diese Sichtweise blieb nicht ohne Konsequenzen für den jungen Forschungszweig: Der vom heutigen Verständnis stark abweichende Sexualitätsbegriff stellte Sexualität als rein physiologisches, auf seine biologischen Prozesse reduziertes Triebgeschehen dar, während der geistig-seelische Bereich der Lust unberücksichtigt blieb. Anita Ulrich spricht deshalb zu Recht von einer „Genitalisierung der Sexualität“ (Ulrich 1985, S. 65), womit sie auf eine Loslösung des Sexus vom Eros verweist, was den Sex letztendlich austauschbar machte und allumfassend generalisierte: Man sprach ihm jegliche Bedeutung für das Individuum ab.

Doch warum kam es im späten 19. Jahrhundert überhaupt zu dem Drang, sich so intensiv mit der „sexuellen Frage“ auseinanderzusetzen? Die Ursachen lassen sich wiederum aus der veränderten historisch-ökonomischen Situation erklären (vgl. 2.1). Ulrich Linse sieht das Bedürfnis der Thematisierung zunächst in der zunehmenden Erotomanie verwurzelt, die bis zur Jahrhundertwende hin immer größere Ausmaße annahm, die er wiederum auf die stärkere nervliche und damit sinnliche Erregung des durch die historischen Entwicklungen hin zu Urbanisierung, Industrialisierung und allgemeiner Schnelllebigkeit beeinflussten modernen Menschen zurückführt.[32] Johannes Pankau erweitert diesen Argumentationsstrang noch und vertritt den Standpunkt, dass die Erkenntnis, erotische Reize seien allgegenwärtig und der Körper einer permanenten sexuellen Reizung ausgesetzt, die Selbstverständlichkeit der monogamen Ehe um 1900 aufgeweicht habe. Aus diesem Grund sei eine Art Sexualreform dringend nötig geworden, um die aus ihren Schranken tretende Sexualität mit neuen Argumenten wieder einzudämmen.[33] Mit den ökonomischen und sozialen Umständen einher ging, Isabel Hull zufolge, eine seit der Aufklärung propagierte Selbststeuerung der Bürger, was bedeutete, dass sich der Staat auch immer weiter aus der Regulierung des Sexuallebens seiner Bürger zurückzog. Das dadurch entstehende Vakuum an Verhaltensregeln musste nun die Gesellschaft selbst füllen, was einen regen Diskurs nahezu unvermeidbar machte.[34] Auch die allgegenwärtige Angst vor Entvölkerung und dem damit verbundenen Niedergang der Nation,[35] verstärkt durch den Fakt, dass die Geburtenrate in Deutschland bis 1900 einen historischen Tiefststand erreicht hatte, wofür man vor allem die durch Individualisierung der Lust herbeigeführte Trennung von Sexualität und Zeugung verantwortlich machte, hatte entscheidenden Einfluss auf eine verstärkte Beschäftigung mit der „sexuellen Frage“ seit dem 18. Jahrhundert. Diese Angst des rassischen Verfalls wurde auch genährt durch die sich immer weiter ausbreitenden Geschlechtskrankheiten, an denen man besonders den großstädtischen Vergnügungsorten wie Kabaretts und Bordellen die Schuld gab. Als eine typische Reaktion darauf wurde beispielsweise 1902 die „Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten“ gegründet, der es im Kampf gegen die Syphilis weniger um Hilfe für die Betroffenen oder um Aufklärung über Schutzmaßnahmen beim Geschlechtsverkehr ging – vielmehr versuchte sie vehement, mittels Keuschheitspropaganda dagegen vorzugehen.[36]

Vor diesem Hintergrund schien es nun unumgänglich, den Sex zu thematisieren und dadurch die Bevölkerung der höheren sozialen Schichten in ihrem Denken zu beeinflussen und aufzuklären. Dass diese „Aufklärung“ jedoch einen enorm repressiven Charakter hatte und – mit wenigen Ausnahmen – ganz dem bürgerlichen Sittenkodex folgte, zeigt sich später in diesem Kapitel. Der gebildete Bürger konnte den Diskurs anhand zahlreicher, mehr oder minder wissenschaftlicher Publikationen auf diesem Gebiet verfolgen.[37] Verfasser dieser Schriften waren vor allem Ärzte, die in der Wilhelminischen Ära eine größere sexual-moralische Autorität genossen als die Geistlichen noch während der vorhergehenden Jahrhunderte, da sie sich durch ihr spezialisiertes Fachwissen und ihre rationalen Standpunkte vor jenen auszeichneten, was ihnen besonders bei ihrer Zielgruppe, dem Bildungsbürgertum, bedeutend mehr Glaubhaftigkeit schenkte.[38] Gerade in diesem Bereich ist der doppelte Boden bürgerlicher Sittlichkeit jedoch wieder deutlich spürbar, denn kaum ein Juristen-, Mediziner- oder Lehrerhaushalt besaß zwischen 1871 und 1914 neben diesen moralisch einwandfreien Aufklärungsschriften kein Exemplar der unterm Ladentisch sich gut verkaufenden pornografischen Literatur oder eine der zahlreichen erotischen Lithografien – natürlich nicht im Bücherregal für alle zugänglich aufbewahrt und besonders vor den Augen der Kinder fest unter Verschluss gehalten. Wedekinds Hänschen Rilow hat in diesem Fall wohl seinen Vater überlistet…[39]

Dieser unverhofft freie Umgang mit einem sich in den letzten 400 Jahren immer mehr verhärtenden Tabu ist ein Phänomen in der Geschichte der Sexualität. Im Ansatz positiv, da nun zum ersten Mal seit langer Zeit das Schweigen gebrochen worden war, wurde der Sexualitätsdiskurs um 1900 in seiner vermeintlichen Offenheit aber sowohl von Zeitgenossen als auch später von vielen Autoren stark kritisiert. Hierbei sticht besonders Michel Foucault hervor, der im ersten Band seiner Abhandlung „Histoire de la sexualité“ (1976) „La volonté de savoir“ die „diskursive Explosion“ um das Thema Sexualität der letzten drei Jahrhunderte betont.[40] Doch anstatt die Verkrustungen der viktorianischen Moral durch Aufhebung der Verbote und Hineindrängen der Rede aufzubrechen und die verlorene Lust wiederherzustellen, sieht Foucault den Diskurs, der ja im Kern der Macht selbst stattfand, im Gegenteil gerade als Mittel zur Kontrolle und Beobachtung des Geschlechtstriebs.[41] Foucault drückt es so aus: „Der Sex ist zum Einsatz, zum öffentlichen Einsatz zwischen Staat und Individuum geworden; ein ganzer Strang von Diskursen, von Wissen, Analysen und Geboten hat ihn besetzt.“ (Foucault 1983, S. 32) So wird Sexualität durch den „Willen zum Wissen“ zum Problemkomplex und gleichzeitig zu einer staatlichen Angelegenheit, einer Sache der Behörden, negiert. Zwar stellt sich ihr kein striktes Schweigegebot mehr in den Weg, doch die propagierte Freiheitlichkeit im Umgang mit ihr ist eine bloß vermeintliche: Es ist der groß angelegte Versuch der Gesellschaft, das Triebverhalten ihrer Mitglieder durch aufgezwungene vernünftige, nützliche und begrenzte Diskurse zu normieren und zu regeln. Foucault nennt dies treffend „eine Art diskursiver Orthopädie“ (Foucault 1983, S. 34). Das oberste Ziel sollte demnach heißen: Sexuelles Engagement der Bürger, jedoch nur in geregelten Bahnen, d.h. ausschließlich in der Ehe, abseits von „pervertierten“ Formen und allein mit dem Zweck der Zeugung von Nachwuchs. Lust tritt folglich als der große Feind jeglicher gesellschaftlich-zivilisatorischer Ordnung auf, die durch die Freisetzung ihrer anarchischen Energie in ihrer Stabilität äußerst bedroht ist.[42] Dahinter verbergen sich, Foucault zufolge, wiederum die Ängste um die Zukunft des Volkes, die von der Art und Weise, wie es seine Sexualität gebraucht, abhängt.[43]

Sexualität wird dementsprechend zu einer Frage der richtigen Erziehung.[44] In Deutschland sind es deshalb mit der Zeit verstärkt Pädagogen, die Anteil am Diskurs nehmen und in ihrer Argumentation auf den Vater moderner Erziehung zurückgreifen: So spricht schon Jean-Jacques Rousseau in seinen Schriften vom zentralen Einfluss des Sexuellen auf die menschliche Charakterbildung, was den Geschlechtstrieb zum besonders aufmerksam beobachteten Gegenstand der Pädagogik erheben sollte.[45]

Eine herausragende Rolle im paradoxen Umgang des Diskurses mit Sexualität spielt dabei auch die nun erfolgende Verbalisierung des Unaussprechlichen und die Art und Weise der Behandlung erotischer Sprachtabus. Michel Foucault sieht gerade in diesem Punkt seine Thesen bestätigt und schreibt dazu Folgendes:

Dennoch handelt es sich keineswegs um ein reines und einfaches Schweigegebot. Es handelt sich eher um ein neues Regime der Diskurse. Man sagt nicht weniger, im Gegenteil. Aber man sagt es anders, es sind andere Leute, die es sagen, von anderen Gesichtspunkten aus und um anderer Wirkungen willen. (Foucault 1983, S. 33)

Nicht nur der französische Philosoph, auch andere Autoren betrachten ausführlich das Phänomen der Verbalität des Sexualdiskurses um 1900. Ulrich Linse geht davon aus, dass die neu gewonnene Öffentlichkeit den Diskurs dahingehend positiv prägte, dass durch die zahlreichen Publikationen, Vorträge und Wanderausstellungen mit sprachlichen Tabus gebrochen wurde.[46] Meiner Meinung nach und auch Foucault zufolge lässt sich aber stattdessen vielmehr feststellen, dass zwar tatsächlich über Sexualität gesprochen wurde, jedoch nur unter dem Schleier eines pseudowissenschaftlichen, euphemisierenden Wortschatzes und mit dem Ziel der Abschreckung. So führt auch Jos van Ussel in seiner Abhandlung über die Triebkanalisierung die Bildung starker Tabus auf die unvermeidbare Verdrängung alles Sexuellen im Rahmen der bürgerlichen Sittlichkeitsvorstellungen zurück.[47] Durch die Aufhebung des Schweigegebots mittels des Diskurses ist zwar das Haupttabu durchbrochen, trotzdem verbirgt sich der eigentliche Gegenstand immer noch oder sogar viel extremer als zuvor kaum sichtbar hinter sexuellen Sprachkulissen.[48] Sexualität wird dadurch in ein dogmatisches System gebracht, wie Isabel Hull es nennt, in dem Paradoxa nicht nur nicht aufgelöst, sondern sogar festgeschrieben werden.[49] Ab dem 18. Jahrhundert ist in der Verbalisierung von Erotischem eine Entwicklung festzustellen, bei der zunächst die direkte Andeutung des Koitus unausgesprochen blieb, bis dann die Genitalien insgesamt und im 19. Jahrhundert schließlich sämtliche erogenen Körperteile davon betroffen waren. Van Ussel spricht hier von der „’phänomenalen verbalen Empfindlichkeit’ der viktorianischen Zeit“ (van Ussel 1970, S. 72), die in der Wilhelminischen Ära ihren endgültigen Höhepunkt erreicht hatte, indem man bei vermeintlich delikaten Sachverhalten auf lateinische terminos technicos aus der Medizin und auf umständliche Umschreibungen zurückgriff.[50] Als Beispiel sei hier genannt, dass bei vielen zeitgenössischen Aufklärungsautoren Masturbation zur „Versuchung, die an junge Männer herantritt“ (Ulrich 1985, S. 62) umformuliert wurde. Das zentrale Problem sieht Anita Ulrich hierbei in der schwierigen Überbrückung des Gegensatzes zwischen Sprechen über das Sexuelle und der gleichzeitigen Pflicht, Keuschheit und Reinheit der Gedanken gerade bei Mädchen und Frauen nicht zu verletzen. Ein Dilemma, das Umschreibungen des Sex mit Ausdrücken wie „Sturm“ und „Flamme“ oder „Abgrund“ und „Sumpf“, die den Trieb entweder als Mysterium verklärten oder ihn zur dunklen Katastrophe denunzierten, ihn jedoch nie in seiner realen Dimension darstellten, umso mehr verstärkten. Dass dadurch den Adressaten des gebildeten mittelständischen Bürgertums und vor allem deren wohlerzogenen Söhnen und Töchtern das Verständnis enorm erschwert wurde, berücksichtigte man kaum.[51] Beliebt waren unter den Sprachkulissen vor allem die Ausflüchte zu Beispielen in Flora und Fauna, die man gern unternahm, um nicht vom Menschen selbst sprechen zu müssen.[52] Auch hier zeigt sich wieder deutlich die „sexuelle Krise“, in der auch der Diskurs, der eigentlich davon befreien wollte, bis zum Hals steckte: Sexualität wurde einerseits durch ihre Erörterung entfesselt, wodurch die Verantwortlichen das Risiko eines Kontrollverlusts eingingen, das gleichzeitig aber durch die versteckt prüde Wortwahl und die gehemmte Art der Themenbehandlung wieder relativiert und beschränkt wurde. Wie Foucault im vorhergehenden Zitat festgestellt hat, wurden zwar Worte gefunden, um über Sexualität zu diskutieren, aber diese näherten sich nur sehr vage und ungefähr dem Gegenstand, was die erhoffte Aufklärung defizitär bleiben und die brennenden Fragen vor allem der pubertierenden Jugendlichen unbeantwortet ließ.

Ende des 19. Jahrhunderts veränderte sich der Blickwindel auf die Sexualität auch dahingehend, dass vor allem die von der festgelegten sexuellen „Normalität“ abweichenden, als „krankhaft“ interpretierten Heterogenitäten des Triebes ins Zentrum des öffentlichen Interesses rückten.[53] Mit ihrer Problematisierung ging also auch die Pathologisierung nicht-ehelicher und nicht auf Fortpflanzung ausgerichteter Sexualität einher. Dahinter stand die Absicht, unter dem Deckmäntelchen der medizinischen und juristischen Legitimation alle die Stabilität der gesellschaftlichen Ordnung gefährdenden, weil von der festgelegten Norm divergenten Formen des Geschlechtsverhaltens auszuschalten,[54] um wiederum – wie es insgesamt das oberste Ziel des Sexualdiskurses im Fin de Siècle gewesen zu sein scheint – den Erhalt der zivilisatorischen Stufe durch Eindämmung der Explosivität der freigesetzten Triebe zu gewährleisten.[55] Michel Foucault spricht in diesem Zusammenhang von der Strategie einer kontrollierten Unterdrückung des Perversen, indem man ihm „eine analytische, sichtbare und stetige Realität verleiht […].“ (Foucault 1983, S. 48) Auf dem Gebiet der Untersuchung solcher „Abirrungen“ setzte der Wiener Arzt und Psychiater Richard von Krafft-Ebing erste Maßstäbe, indem er sich in seinem 1886 erschienenen, in großer Stückzahl aufgelegten Werk „Psychopathia sexualis“ im Besonderen der Psychopathologie des Sexuallebens, also den Abweichungen des Triebes widmete.[56] So wenden sich das vierte und fünfte Kapitel ausführlich den verschiedensten erotischen „Perversionen“ zu, mit dem Schwerpunkt auf Sadismus und Masochismus, Fetischismus und Homosexualität, um dann in diesen „Ausschweifungen“ die Ursachen für Geisteskrankheiten zu suchen. Dabei ging es nicht in erster Linie um Therapie als vielmehr um beschreibende Darstellung,[57] was vor allem der sechste Abschnitt der „Psychopathia sexualis“ offen legt. Darin verzahnt Krafft-Ebing – und dies mag überraschen – den medizinischen mit dem juristischen Diskurs. Seiner Ansicht nach könne die Medizin nur beobachten und diagnostizieren, der Staat hingegen habe dafür Sorge zu tragen, denjenigen zu verfolgen, „welcher unzüchtige Handlungen begeht“ (Krafft-Ebing 1984, S. 372): „Insofern die Erhaltung von Zucht und Sitte eine der wichtigsten Existenzbedingungen für das staatliche Gemeinwesen ist, kann der Staat kaum genug tun als Hüter der Sittlichkeit in dem Kampf gegen die Sinnlichkeit.“ (ebd.) Damit spricht er der Strafjustiz volle Autorität zu, das „abnorme“ Subjekt aus der Gesellschaft auszuschließen und für sein amoralisches Handeln zu bestrafen und zwar schon für kleinste Verstöße gegen die Sittlichkeit wie beispielsweise durch Onanie.[58] Auch Krafft-Ebing, der hier als ein wichtiges Beispiel unter einer bedeutenden Anzahl von mehr oder weniger seriösen Wissenschaftlern herausgegriffen wurde, nahm am groß angelegten Kreuzzug gegen die Lust mit dem Ziel der Prävention der Sittenverwilderung und damit des vermeintlichen Rückfalls auf eine primitive Kulturstufe teil.[59] Michel Foucault macht die Absurdität des Systems überdeutlich, indem er die traurige Reihe der als „Sexualstraftäter“ eingestuften Individuen am Leser vorbeiziehen lässt:

Zu vorwitzige Kinder, frühreife Mädchen, verwirrte Zöglinge, zweifelhafte Dienstboten und Erzieher, grausame oder irre Gatten, einsame Sammler, Spaziergänger mit seltsamen Neigungen: sie bevölkern die Disziplinargerichte, Erziehungsheime, Strafkolonien, Gerichte und Irrenhäuser; ihre Schlechtigkeit schleppen sie vor die Ärzte und ihre Krankheit vor die Richter. (Foucault 1983, S. 44)

Doch schon in den 1870er Jahren begannen Stimmen in den eigenen Reihen laut zu werden, die sich für einen liberaleren Umgang mit Sexualität aussprachen. Ulrich Linse führt als Beispiel das Werk des Arztes Roderich Hellmann mit dem Titel „Über Geschlechtsfreiheit“ (1878) an, das mit der Idee eines „geschlechtsfreien Staates“, in dem sowohl Männern als auch Frauen zugestanden wurde, auch vor der Ehe und ohne den unbedingten Zweck der Zeugung Geschlechtsverkehr zu praktizieren. Hellmanns Anliegen dabei war es, auch den Mädchen die Chance zu geben, voreheliche erotische Erfahrungen zu sammeln, damit sie später in dieser Hinsicht ihre Gatten mehr erfreuen könnten, und dass sich Ehepaare finden könnten, die dem sexuellen Dilemma entkommen und besser harmonieren könnten. Damit traf er den Nerv der bürgerlichen Doppelmoral und sagte den Kollegen aus Medizin und Psychologie den Kampf an – wenngleich gerade die Rolle der Frau bei Hellmann nicht unproblematisch ist.[60] Zwar war diese frühe Vorstellung der „freien Liebe“ nicht die einzige in dieser Richtung, sollte aber für nahezu die nächsten hundert Jahre für das Bürgertum Utopie bleiben. Auch Feministinnen wie die schwedische Pädagogin Ellen Key und die Schriftstellerin Lou Andreas-Salomé setzten sich für eine frei gewählte sexuelle Partnerschaft ein und betonten in diesem Zusammenhang die lange geleugnete Sinnlichkeit der Frau.[61]

Doch besonders ein Name tauchte im Sexualdiskurs um 1900 immer wieder auf: Der Wiener Psychoanalytiker Sigmund Freud galt als Autorität auf dem Gebiet der Sexualtherapie und stellte bereits früh den Zusammenhang zwischen Kultur, Nervosität und Sexualität her.[62] Er war es auch, der zum ersten Mal die Bedrohlichkeit der bürgerlichen Sittlichkeitsnorm in ihrer vollen Dimension erfasste, da er die prinzipielle Bedeutung der Sexualität für die menschliche Existenz in den Vordergrund stellte.[63] Jos van Ussel jedoch betrachtet Freud überaus kritisch und bezeichnet ihn als geradezu „Ideologen der bürgerlichen Moral“ (van Ussel 1970, S. 52), der durch seine psychoanalytischen Erkenntnisse die Schematisierung von Sexualität noch vorangetrieben habe. Gegenteilig argumentiert Sabine Andresen, die Freuds Diskurs darauf angelegt versteht, dass er gerade durch den Verweis auf die fließenden Übergänge zwischen Perversion und Normalität den Trieb ent pathologisieren wollte.[64] Ein weiteres Verdienst des Psychoanalytikers sieht sie zu Recht in der lustbetonten Trennung der Sexualität sowohl von Genitalität als auch von Fortpflanzung. Doch Freud soll hier nicht näher diskutiert werden, da dies zu weit führen würde.

Die „Entdeckung der Sexualität“ und ihre Problematisierung in der öffentlichen Debatte schloss unweigerlich auch die Frage nach den Geschlechteridentitäten ein. Hier kreiste das Interesse in erster Linie um ein scheinbar ewiges Mysterium – das „Wesen der Frau“. Hierbei handelt es sich – das macht Stephanie Catani deutlich – um eine durch wissenschaftliche Erkenntnisse und bürgerliche Klischeebildung initiierte „Inszenierung des Weiblichen“ im großen Stil.[65] Die entworfenen Bilder der Frau reichen dabei von ihrer Dämonisierung bis hin zu ihrer Verklärung. Vor allem Autorinnen und Feministinnen wie Lou Andreas-Salomé sahen in der Frau aufgrund ihrer angeblich dominanten emotionalen Persönlichkeitsanteile eine erlösende Naturkraft, die die im Kontext der Modernisierungsprozesse aus den Fugen geratene Männlichkeit wieder erden sollte.[66] In diesem Verständnis tritt die Frau als Verkörperung des „Lebens“ dem Mann als Kulturbringer, der abgetrennt vom Lebendigen und der lebensschaffenden Energie seine Existenz führt, entgegen. In den beiden Geschlechtern standen sich also Natur und Zivilisation geradezu feindlich gegenüber, was ebenfalls als Erklärung für die dämonisierende Sichtweise des Weiblichen als Gefahr für die erreichte kulturelle Stufe der Gesellschaft herangezogen werden kann. Die „Angst vor weiblicher Überpotenz“ (Pankau 2005, S. 75) und gleichzeitig deren unheilvolle Anziehungskraft – wohl am reinsten verkörpert im Klischee der sich ihrer Lust ganz hingebenden, männermordenden „Femme fatale“ – saß tief in den Köpfen bürgerlicher Männer. Dieser Furcht Ausdruck verlieh 1903 die zu Berühmtheit gelangte Hassschrift Otto Weiningers „Geschlecht und Charakter“. Obwohl von äußerst zweifelhafter pseudowissenschaftlicher Natur, hatte Weiningers Werk bedeutenden Einfluss auf die zeitgenössische Vorstellung von der weiblichen Biologie: Der „weibliche Geschlechtscharakter“, den Weininger und viele Gesinnungsgenossen als naturgegebene Veranlagung voraussetzten, definierte die Frau als etwas Exotisches, Fremdartiges, Animalisches und Sinnliches, das unkontrollierbare Triebkräfte in Bewegung setze, dadurch die Ordnung stark gefährdete und deshalb abgewehrt werden müsste.[67] Insbesondere der Frau aus den unteren gesellschaftlichen Schichten wurde der Status der aktiven Verführerin zugeschrieben, vor deren korrumpierender Sinnlichkeit sich der Bürger in Acht zu nehmen habe.[68] Anders als bei der Bürgerstochter wurde sie als von Natur aus und als von früher Kindheit an verdorben angesehen. Potentiellen Ehefrauen jedoch wurde besonders von der zeitgenössischen Gynäkologie jegliche Triebhaftigkeit und sämtliches Lustempfinden aberkannt, um ihnen stattdessen Passivität, ja sogar Frigidität als ihrem „Wesen“ entsprechend zuzuordnen.[69] Die lustfeindliche Erziehung der Mädchen leistete hierzu einen folgenschweren Beitrag, indem die jungen Frauen ihren Körper und seine Reaktionen oft wenig kannten. Allerdings gab es verstärkt ab 1870 immer wieder Ärzte, die dieser Ansicht widersprachen und die weibliche Libido in ihrer Intensität der männlichen gleichsetzten.[70] Anita Ulrich stellt dementsprechend einen Wandel in der Einschätzung der weiblichen Geschlechtlichkeit im Laufe des 19. Jahrhunderts fest, die wohl auch als Spiegel der langsam einsetzenden Emanzipation der Frau zu verstehen ist.[71] So wurde zum Beispiel immer häufiger der Einsatz von Verhütungsmitteln diskutiert und die weibliche Masturbation thematisiert: Dies bedeutet, dass weibliche Lust mit der Zeit und von einem Teil der am Diskurs beteiligten Institutionen zwar als gegeben anerkannt wurde, aber im Diskurs größtenteils nur auftauchte, um mittels Verboten dagegen vorzugehen oder sie auf die Ehe zu beschränken. So wurde auch weibliche Sexualität normiert und pathologisiert, nachdem sie für die meisten unleugbar geworden war. Ulrich spricht hier vom „Prozess der partiellen Sexualisierung der Frau“ (Ulrich 1985, S. 69) ab dem späten 19. Jahrhundert. Mit dem Zugeständnis eines weiblichen Sexualtriebes, was demnach ein Zurückweichen von Triebrestriktionen bei der Frau beinhaltete, wurde nun allerdings eine Verschärfung männlicher Triebrestriktionen notwendig, um das Gleichgewicht zwischen freigesetzter sexueller Energie und deren Disziplinierung zu wahren.[72] An dieser Stelle muss allerdings hinzugefügt werden, dass vor allem Freud – trotz seines kritischen Standpunkts gegenüber der Mehrzahl der repressiven Tendenzen und Ausprägungen bürgerlicher Sittlichkeit – einen bedeutenden Beitrag zur fatalen Unterschätzung weiblicher Libido geleistet hat: Er war bis zuletzt einer derjenigen, die der Frau jegliche sexuelle Empfindung absprachen, wenngleich aus abweichenden Gründen.[73] Nichtsdestoweniger wurde von beiden Geschlechtern nun extreme Triebbeherrschung gefordert, vor allem aber auch vom Mann, der als „Kulturmensch“ den Kampf gegen die Doppelmoral antreten sollte. Auch hier werde ich später (vgl. 2.3.1) zeigen, welchem Druck der junge Bürger durch solche Forderungen ausgesetzt war.

Auffällig und kennzeichnend für den Blickwinkel der Jahrhundertwende auf weibliche Sexualität ist der Homozentrismus,[74] d.h. der ausschließlich männliche Blickwinkel, von dem aus weibliche Sexualität betrachtet wurde: Der Körper der Frau definierte sich allein in Bezug auf den männlichen, d.h. er stellte sozusagen das „Konträrorgan“ zum maskulinen Geschlecht dar.[75] Dies wird auch auf verbaler Ebene deutlich, „wenn die Geschlechtsreife der Frau mit der ‚Mannbarkeit des Weibes’ umschrieben wird.“ (Ulrich 1985, S. 60) Hier hinein spielt auch eine bereits oben genannte Zuschreibung an Weiblichkeit, nämlich die Überzeugung vieler damaliger Sexualwissenschaftler, dass der instinktiven und angeborenen sexuellen Aktivität des Mannes die Passivität und Trieblosigkeit der Frau entspräche.[76] Diese Vorstellung widerspricht dem Stereotyp der bedrohlichen weiblichen Erotik – ein weiteres Paradox in der Auffassung der bürgerlichen Gesellschaft von Sexualität: Hier werden zwei Bilder der weiblichen Geschlechtsnatur präsentiert, wie sie unterschiedlicher und unvereinbarer nicht sein könnten, was zeigt, wie viele verschiedene und teilweise konfuse Ansichten der Diskurs zum Großthema Sexualität hervorbrachte. Aus dem Dilemma fehlender sinniger Argumente für den langen Erhalt der weiblichen Jungfräulichkeit, ergab sich als einziger Ausweg die Einpflanzung eines negativ verbietenden Bewusstseins durch entsprechend repressive Erziehung.[77] Welche Auswirkungen dies auf die Jugendlichen hatte, werde ich in den folgenden Kapiteln genauer darlegen (vgl. 2.3.1 und 2.3.2).

Auch der weibliche Körper unterlag um 1900 also einer weitgreifenden Pathologisierung: Die Frau diente nicht nur als Projektionsfläche männlicher Perversionen, sie selbst wurde zur Perversion. Stephanie Catani bezeichnet diesen kulturellen Zustand treffend als die „Krankheit Frau“.[78] Abschließend bemerkt Anita Ulrich zum Blickwinkel auf die weibliche Sexualität des Fin de Siècle:

Diese Beispiele zeigen, wie trotz fehlender oder mangelhafter biologischer Kenntnisse – die Entdeckung der Funktion der Chromosomen erfolgte 1901, diejenige der Hormone 1903 – tiefsinnige Theorien über die Sexualität der Frau gebildet wurden, die als naturwissenschaftlich galten, in Wirklichkeit jedoch gängige Stereotype und soziale Mythen über das Wesen der Frau reflektierten. (Ulrich 1985, S. 60)

Dies ist überhaupt als das zentrale Problem des gesamten Sexualdiskurses auf der Schwelle zum 20. Jahrhundert zu verstehen: Ein Großteil der „wissenschaftlichen“ Erkenntnisse im Bereich der Sexualität hatte es nicht geschafft, die gängigen traditionellen Stereotype aufzubrechen, sondern brachte es selbst nicht fertig, den klischeebesetzten Blickwinkel zu erweitern und half im Gegenteil nur, sie zu bestätigen und zu verfestigen. Das Dilemma des Sexualdiskurses, das ihn zum janusköpfigen Wesen machte und im Rahmen dessen man zwar das Schweigen brach, jedoch unter dem Deckmantel einer gründlich gesäuberten Sprache durch die Genitalisierung, Normierung und Pathologisierung des Gegenstandes und die Produktion von Ängsten den natürlichen Trieb mehr denn je beiseite zu drängen und zu beherrschen suchte, soll zum Abschluss des Kapitels noch einmal ein Zitat Foucaults zusammenfassen:

In der Tat handelte es sich um eine aus nichts als Ausweichmanövern bestehende Wissenschaft [d.i. die Sexualwissenschaft; Anm. d. Verf.], deren Unfähigkeit oder Unwillen, vom Sex selber zu sprechen, sie dahin führte, sich in erster Linie seinen Verirrungen, Perversionen, Absonderlichkeiten, pathologischen Schwunderschein-ungen und krankhaften Übersteigerungen zuzuwenden. Es handelte sich um eine Wissenschaft, die in ihrem Wesen den Imperativen einer Moral verpflichtet war, deren Teilungen sie unter dem Vorzeichen der medizinischen Norm wiederholte. Unter dem Vorwand der Wahrheit erweckte sie allerorten Ängste und sprach den geringfügigsten Schwankungen der Sexualität einen imaginären Stammbaum der Krankheiten zu, die sich über Generationen hinweg auswirken sollten. (Foucault 1983, S. 57)

Hieraus wird auch die sarkastische und herbe Kritik der zeitgenössischen Literatur verständlich, die die Pseudo-Absicht des Diskurses noch vor den meisten anderen hellsichtig durchschaute und in Werken, die noch heute gerade deswegen von großer Bedeutung sind, zum Ausdruck brachte, wie ich im dritten Teil meiner Arbeit zeigen werde.

2.3 Die Rolle des pubertären Jugendlichen in Gesellschaft, Diskurs und Literatur

Von dieser schwülen Atmosphäre bürgerlicher Moralvorstellungen, der strikten Beschränkung des Geschlechtsverkehrs auf die Ehe und des Abdrängens jeglicher abweichender Formen ins Geheime und Verbotene, schienen die heranwachsenden Bürgersöhne und -töchter besonders betroffen zu sein. Die Ende des 19. Jahrhunderts in der Öffentlichkeit an Bedeutung gewinnende Phase der Jugendzeit zwischen „Nichtmehr und Nochnicht“ (Gutjahr 1997, S. 118)[79] und der mit ihr einhergehende erwachende Geschlechtstrieb machte das durch den Diskurs thematisierte Problem der Aufklärung vor allem zu einem Problem des Umgangs der Gesellschaft mit pubertierenden Jugendlichen. Im Folgenden werde ich deren Situation und Rolle in Elternhaus und Schule, im Sexualdiskurs und schließlich – überleitend zum dritten Hauptteil – in der Literatur näher beleuchten, da mir dies als Grundlage meiner Interpretation dienen wird.

2.3.1 Lustfeindliche Bedingungen in der Bürgerfamilie und am humanistischen Gymnasium und ihre Voraussetzungen

Gerade in der Umbruchsphase der Wilhelminischen Ära unterlag die Situation in den Bürgerfamilien einem drastischen Wandel. Während die Familie der vorindustriellen Zeit als Arbeits- und Lebensgemeinschaft mit Zweckcharakter definiert werden kann, in der feste und unhinterfragte Normen und Regeln geherrscht hatten, um eine Orientierungssicherheit für das Zusammenleben der Mitglieder zu garantieren, und wo Ehen aus rein rationalen Gründen geschlossen worden waren, ereignete sich im Zuge des Modernisierungsprozesses eine Auflösung der bisherigen Bedingungen von Familie. Bereits Ende des 18. Jahrhunderts begann sich die bürgerliche Kernfamilie, beschränkt auf das Zusammenleben nur zweier Generationen unter einem Dach, nämlich der Eltern und Kinder, herauszubilden. Ein wichtiges Kennzeichen dieses Typus ist die nun aufgrund ökonomischer Ursachen erfolgende Trennung von Haushalt und Arbeitsplatz.[80] Dementsprechend verteilten sich die Rollen der Mitglieder neu: Hatten im so genannten „ganzen Haus“ zuvor noch alle Personen unter einem Dach ihre Produktionsaufgaben gleichberechtigt erfüllt,[81] geschah die „Arbeitsverteilung“ nun streng nach geschlechtsspezifischen Rollenzuschreibungen: Die Bürgersfrau fand sich dabei als treusorgende Gattin und Mutter, d.h. Erzieherin der Kleinkinder und Töchter, wieder, die auch für die geschmackvolle Möblierung des Hauses und in besonderem Maße für dessen Repräsentation zuständig war.[82] Gleichzeitig stellte sie eine Art emotionalen Ruhepol dar – sie hatte dafür zu sorgen, dass der Ehemann die Familie als „Schonraum“ im Gegensatz zur nervenaufreibenden Außenwelt erleben konnte und das Gefühl von Stabilität vermittelt bekam, sobald er die Schwelle zu seinem Heim überschritt.[83] Dies schien er auch zu benötigen, denn auf dem Mann lastete infolge der neuen Strukturen die gesamte Verantwortung der Versorgung und Lebenssicherung der Familienmitglieder und damit der Erhaltung des Vermögens.[84] Dieser Umstand machte ihn aber auch zur unangreifbaren Autorität im Bereich der Familie, die unbedingte Unterordnung forderte. Um den Erhalt dieser Macht und somit – im damaligen Verständnis – um den Erhalt der Familie zu garantieren, setzte er – parallel zu den makrogesellschaftlichen Vorgängen – auf traditionelle Verhaltensmuster und die Vermittlung althergebrachte Werte und Normen. Das System von Autorität der Alten und Gehorsam der Jungen wurde somit aus vorindustrieller Zeit hinübergerettet, wo es als naturgegeben empfunden worden war.[85] Dass im Laufe und als Folge des Modernisierungsprozesses aber auch das Modell der patriarchalisch-autoritären Familienstruktur von den Söhnen und Töchtern immer mehr hinterfragt wurde und allmählich an Gültigkeit verlor, begann sich um 1900 bereits abzuzeichnen – zum radikalisierten Generationenkonflikt und „Vatermord“[86] sollte es jedoch in Gesellschaft und Literatur erst ab ca. 1912 kommen.

Obwohl allzu menschlich-seelische Regungen des Vaters in seiner Funktion als Familienoberhaupt und Berufsmensch nicht angebracht waren und Frau und Kindern gegenüber häufig unterdrückt wurden,[87] darf dennoch nicht übersehen werden, dass mit der Entwicklung der bürgerlichen Kernfamilie auch gleichzeitig insgesamt eine Emotionalisierung und Intimisierung einherging. Dies ist bereits an den Beweggründen für eine Eheschließung abzulesen, die nun nicht mehr aus rein ökonomischen oder Standesgründen eingegangen wurde: Die Liebesheirat kam in Mode, war allerdings aufgrund eines immer noch wirksamen, strengen Normsystems kaum mit ihrer heutigen Form zu vergleichen. Wie zuvor erwähnt, war aber die zentrale Figur der Emotionalität die Mutter und Ehefrau, die ihrer Familie uneingeschränkte Liebe und Wärme entgegenbrachte und somit starke gefühlsmäßige Bindungen gerade zu den Kindern aufbaute.[88]

Aber auch die Lage des Kindes innerhalb der Familie änderte sich radikal: Mit der Entdeckung der Kindheit und Jugend als eigenständigen Lebensabschnitten im 18. bzw. späten 19. Jahrhundert[89] wurde auf das Aufwachsen der Kinder bewusster reagiert und Einfluss genommen. Erziehung wollte professionalisiert sein, was mit der Einführung einer formalen Schulbildung geschah. Das Kind wurde plötzlich als eigenständiges Individuum wahrgenommen, das es zu einer gesellschaftstüchtigen Persönlichkeit heranzuziehen galt. Die enge Bindung an die Mutter jedoch stand im krassen Gegensatz zur emotionalen Kälte zwischen Vater und Kindern: „Vaterlose Gesellschaft“ (Musall 1987, S. 32)[90] nennt Friedhelm Musall die soziale Situation um 1900, die davon gekennzeichnet ist, dass die Kinder des Wirtschafts- und Bildungsbürgertums ohne die Anwesenheit der stark in den Beruf eingebundenen Väter in der Obhut von Mutter bzw. Schule aufwuchsen. Dies bedeutete besonders für die Söhne, dass ihnen die Identifikation mit dem Vorbild immer schwerer fiel, zumal ihnen der Sinn und Inhalt des außer Haus im Büro ausgeübten väterlichen Berufs verborgen blieb.[91] Wie oben dargelegt, setzte die familiäre Welt um 1900 mehr als je zuvor auf den Erhalt traditioneller Wertmaßstäbe, gerade um ihren Mitgliedern Stabilität gegen die als kalt und durch ihre ständigen Veränderungen als unbegreifbar empfundene Welt der Politik, Wirtschaft und Technik zu gewährleisten. So wurden Verhalten und Handlungsmuster vor zeitlichen Einflüssen geschützt und unreflektiert von Generation zu Generation weitergegeben.[92] Eben diese fehlende Reflexion führte eine bis zum Fin de Siècle immer weiter zunehmende Entfremdung zwischen Eltern und Kindern herbei, in deren Augen die alten Werte längst ihre Gültigkeit verloren hatten.[93] Die unbedingte Unterordnung unter die Allmacht des Vaters wurde am Ende des 19. Jahrhunderts immer mehr in Frage gestellt – und dies vor allem von Jugendlichen, die sich in der Lebensphase der Pubertät bzw. Adoleszenz befanden, da diese ebenfalls – ähnlich dem damaligen Zeitgeist – dazu prädestiniert war, die Harmonie zwischen Idealen und Gehorsam zu stören, wie Max Horkheimer betont.[94]

Pubertät als die körperliche Manifestation physischer und psychischer Reifung, die ungefähr zwischen dem 12. und 17. Lebensjahr stattfindet, ist die Zeit der Veränderungen, der Neuorientierung, des seinen Platz in der Gesellschaft Findens. Begleitet wird diese Suche nach der eigenen Identität von innerer Zerrissenheit und Verlassenheitsgefühlen, die mit der schrittweisen Loslösung von der Familie verbunden sind. In dieser Lebensphase, in der sich jegliche Triebbeherrschung und soziale Einordnung zeitweise auflösen, kollidiert die Selbsterfahrung der Jugendlichen häufig mit der familiären Lebenswelt und den väterlichen Normen und Regeln, wie Friedhelm Musall feststellt.[95] Dies gilt für die Jugendlichen der Postmoderne wohl immer noch ähnlich, wie besonders auch für die erste Generation der Heranwachsenden überhaupt, die – durch Modernisierungs-, Individualisierungs- und Psychologisierungsprozesse bedingt – ihre Pubertät bewusst als wichtige Zeit der Veränderungen erlebte. Auch schon um 1900 war es die Tatsache des erwachenden Geschlechtstriebs, was – wie auch in der später zu behandelnden Literatur deutlich wird – die Jugendlichen für ihre Eltern besonders fremdartig werden ließ. Da die Unschuld des Kindes als ein möglichst lang zu erhaltendes, hohes Gut betrachtet wurde, und im bourgeoisen Verständnis schon allein das Wissen um geschlechtliche Vorgänge unkeusch machte,[96] wurde Sexualität in der Familie entweder totgeschwiegen oder – wie im öffentlichen Diskurs vor allem Masturbation und vorehelicher Geschlechtsverkehr – dämonisiert,[97] d.h. auch die notwendige Aufklärung der Kinder blieb defizitär oder fiel ganz aus. Dieser Umstand beließ Mädchen und Jungen in einem beunruhigenden, scheinbar ahnungslosen Zustand. Die Folgen dieses Halbwissens zeigten sich in einem Paradox aus ungezügeltem „Willen zum Wissen“ und gleichzeitiger verzweifelter Unterdrückung des eigenen Triebs: Während Masturbation, durch das schlechte Gewissen gequält, in größter Heimlichkeit betrieben wurde, schossen gleichzeitig gymnasiale „Onanie-Clubs“ aus dem Boden,[98] waren erotische Bilder und Lektüren in Schülerkreisen massenhaft in Umlauf, wurden vermeintlich eindeutige Bibelstellen mit Eifer rezipiert und übernahmen Dienstboten, Mitschüler und Verwandte eine zwielichtige und lückenhafte Aufklärung.[99] Trotz (oder wegen?) der strengen Tabuisierung von Sexualität, so stellt Jens Flemming fest, lautete das Ergebnis bei einer medizinischen Befragung im Jahr 1914, dass über 90% der Männer und nahezu 80% der Frauen schon als Jugendliche masturbiert hatten, und dass trotz des strikten Verbots eine bedeutende Anzahl sowohl Männer als auch Frauen sexuelle Erfahrungen bereits in der Jugend, d.h. vorehelich gesammelt hatten.[100] Hierin zeigen sich ein weiteres Mal die zwei Gesichter bürgerlicher Moral und ihre paradoxen Auswirkungen.

[...]


[1] Die Sigle Zweig steht für Stefan Zweig: Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers. Frankfurt a. M.: Fischer 1986.

[2] So standen auch Lou Andreas-Salomés spätere Werke unter starkem Einfluss des Wiener Psychoanalytikers, den sie 1912 kennenlernte. Vgl. Ursula Welsch, Michaela Wiesner: Lou Andreas-Salomé. Vom „Lebensurgrund“ zur Psychoanalyse. München / Wien: Verlag Internationale Psychoanalyse 1988, S. 214ff.

[3] Vgl. Alfons Höger: Hetärismus und bürgerliche Gesellschaft im Frühwerk Frank Wedekinds. Kopenhagen / München: Wilhelm Fink Verlag 1981 (= Text & Kontext 12), S. 33f.

[4] Van Ussel 1970 steht für Jos van Ussel: Sexualunterdrückung. Geschichte der Sexualfeindschaft. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag 1970.

[5] Vgl. Martin H. Ludwig: Thomas Mann. Gesellschaftliche Wirklichkeit und Weltsicht in den „Buddenbrooks“. Hollfeld: Joachim Beyer Verlag 19952 (= Analysen und Reflexionen 38), S. 13f.

[6] Vgl. van Ussel 1970, S. 35.

[7] Vgl. Anita Ulrich: Bordelle, Straßendirnen und bürgerliche Sittlichkeit in der Belle Epoque. Eine sozialgeschichtliche Studie der Prostitution am Beispiel der Stadt Zürich. Zürich: Druckerei Schulthess 1985 (= Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich Band 52 Heft 3), S. 82.

[8] Vgl. van Ussel 1970, S. 39.

[9] Vgl. Johannes Pankau: Sexualität und Modernität. Studien zum deutschen Drama des Fin de Siècle. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann 2005, S. 28f.

[10] Vgl. ebd., S. 31.

[11] Vgl. ebd., S. 36.

[12] Vgl. Anja Seifert: Körper, Maschine und Tod. Zur symbolischen Artikulation in Kunst und Jugendkultur des 20. Jahrhunderts. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften 2004 (= Studien zur Jugendforschung 24), S. 47.

[13] Vgl. Seifert 2004, S. 48.

[14] Vgl. ebd., S.67.

[15] Diese Ansicht stammte aus der mittelalterlichen Naturphilosophie, die die sexuelle Aktivität des Mannes vom aktiven Eindringen des Spermiums in die weibliche Eizelle ableitete. Vgl. ebd., S. 70.

[16] Vgl. ebd., S. 76.

[17] Vgl. Ulrich 1985, S. 83.

[18] Vgl. ebd., S. 76.

[19] Vgl. ebd., S. 83.

[20] Auch Stefan Zweig berichtet vom „sonderbare[n] Mittel“ mancher Väter: „[…] sie engagierten für das Haus ein hübsches Dienstmädchen, dem die Aufgabe zufiel, den jungen Burschen praktisch zu belehren. Denn es schien ihnen besser, daß der junge Mensch diese lästige Sache unter ihrem eigenen Dache abtäte, wodurch nach außen hin das Dekorum gewahrt blieb und außerdem die Gefahr abschaltet, daß er irgendeiner ‚raffinierten Person’ in die Hände fallen könnte.“ (Zweig 1986, S. 101).

[21] Vgl. Höger 1981, S. 29.

[22] Vgl. Ulrich 1985, S. 85.

[23] Vgl. Stephanie Catani: Das fiktive Geschlecht. Weiblichkeit in anthropologischen Entwürfen und literarischen Texten zwischen 1885 und 1925. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann 2005 (= Würzburger Beiträge zur Deutschen Philologie 28), S. 53.

[24] Vgl. ebd., S. 30.

[25] Vgl. Ulrich 1985, S. 66.

[26] Vgl. Höger 1981, S. 30.

[27] Vgl. Michel Foucault: Sexualität und Wahrheit. Bd. 1: Der Wille zum Wissen. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 1983 (= Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 716), S. 20.

[28] Vgl. Ulrich Linse: „Geschlechtsnot der Jugend“. Über Jugendbewegung und Sexualität. In: „Mit uns zieht die neue Zeit“. Der Mythos Jugend. Hrsg. von Thomas Koebner u.a. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 1985, S. 245.

[29] Vgl. Jens Flemming: „Sexuelle Krise“ und „Neue Ethik“. Wahrnehmungen, Debatten und Perspektiven in der deutschen Gesellschaft der Jahrhundertwende. In: Liebe, Lust und Leid. Zur Gefühlskultur um 1900. Hrsg. von Helmut Scheuer und Michael Grisko. Kassel: University Press 1999, S. 29.

[30] Scheuer 1999 steht für Helmut Scheuer: Liebe, Lust und Leid. Zur Gefühlskultur um 1900 – Eine Einführung. In: Liebe, Lust und Leid. Zur Gefühlskultur um 1900. Hrsg. von Helmut Scheuer und Michael Grisko. Kassel: University Press 1999.

[31] Vgl. Ulrich 1985, S. 60.

[32] Vgl. Linse 1985, S. 248.

[33] Vgl. Pankau 2005, S. 46f.

[34] Vgl. Isabel Hull: „Sexualität“ und bürgerliche Gesellschaft. In: Bürgerinnen und Bürger. Geschlechterverhältnisse im 19. Jahrhundert. Hrsg. von Ute Frevert. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1988 (= Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft), S. 56.

[35] Vgl. Hull 1988, S. 52ff.

[36] Vgl. Linse 1985, S. 252.

[37] Vgl. Hull 1988, S. 57.

[38] Vgl. Ulrich 1985, S. 59f.

[39] Vgl. Fr Erw II, 3. Die Sigle Fr Erw steht für Frank Wedekind: Frühlings Erwachen. Eine Kindertragödie. In: Frank Wedekind Werke. Darmstädter Ausgabe: Kritische Studienausgabe Bd. 2. Hrsg. von Mathias Baum und Rolf Kieser. Darmstadt: Häusser-media 2000, S. 261-322.

[40] Vgl. Foucault 1983, S. 24

[41] Vgl. ebd.

[42] Vgl. Hull 1988, S. 61.

[43] Vgl. Foucault 1983, S. 31f.

[44] Vgl. Linse 1985, S. 252f.

[45] Vgl. Hull 1988, S. 57.

[46] Vgl. Linse 1985, S. 252.

[47] Vgl. van Ussel 1970, S. 48f.

[48] Vgl. ebd., S. 71ff.

[49] Vgl. Hull 1988, S. 50.

[50] Vgl. van Ussel 1970, S. 72.

[51] Vgl. ebd.

[52] Vgl. van Ussel, S. 74.

[53] Vgl. Foucault 1983, S. 43.

[54] Vgl. ebd., S. 44f.

[55] Vgl. Pankau 2005, S. 34.

[56] Vgl. Richard von Krafft-Ebing: Psychopathia sexualis. Mit Beiträgen von Georges Bataille, Werner Brede, Albert Caraco u.a. München: Matthes & Seitz Verlag 1984.

[57] Vgl. Sabine Andresen: Mädchen und Frauen in der bürgerlichen Jugendbewegung. Soziale Konstruktion von Mädchenjugend. Neuwied / Kriftel / Berlin: Luchterhand Verlag 1997, S. 165.

[58] Vgl. Foucault 1983, S. 36.

[59] Vgl. Ulrich 1985, S. 73.

[60] Vgl. Linse 1985, S. 245ff.

[61] Vgl. Geralde Schmidt-Dumont: Sexualität und Beziehung der Geschlechter in der Jugendliteratur 1885-1920. In: Inszenierungen von Weiblichkeit. Weibliche Kindheit und Adoleszenz in der Literatur des 20. Jahrhunderts. Hrsg. von Gertrud Lehnert. Opladen: Westdeutscher Verlag 1996, S. 201.

[62] Vgl. Pankau 2005, S. 49ff.

[63] Vgl. Andresen 1997, S. 159.

[64] Vgl. ebd.

[65] Vgl. Catani 2005, S. 69.

[66] Vgl. Pankau 2005, S. 59ff.

[67] Ebenso war Weininger der Überzeugung, dass in jeder Frau eine natürliche Veranlagung zur Prostitution vorhanden sei. Vgl. Sander Gilman: Rasse, Sexualität und Seuche. Stereotype aus der Innenwelt der westlichen Kultur. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag 1992, S. 172f.

[68] Vgl. ebd., S. 159.

[69] Vgl. Catani 2005, S. 41.

[70] Vgl. Ulrich 1985, S. 68.

[71] Vgl. ebd.

[72] Vgl. ebd., S. 73.

[73] Vgl. Catani 2005, S. 45.

[74] Vgl. Ulrich 1985, S. 60.

[75] Vgl. Hull 1988, S. 62.

[76] Vgl. ebd.

[77] Vgl. Ulrich 1985, S. 65f.

[78] Vgl. Catani 2005, S. 19.

[79] Gutjahr 1997 steht für Ortrud Gutjahr: Jugend als Epochenthema um 1900. In: Adoleszenz. Hrsg. von Johannes Cremerius, Gottfried Fischer u.a. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann 1997 (= Freiburger Literaturpsychologische Gespräche: Jahrbuch für Literatur und Psychoanalyse 16).

[80] Vgl. Yvonne Schütze: Mutterliebe – Vaterliebe. Elternrollen in der bürgerlichen Familie des 19. Jahrhunderts. In: Bürgerinnen und Bürger. Geschlechterverhältnisse im 19. Jahrhundert. Hrsg. von Ute Frevert. Göttingen: Verlag Vandenhoeck & Ruprecht 1988 (= Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 77), S. 123.

[81] Vgl. ebd.

[82] Vgl. Ludwig 1995, S. 49. Yvonne Schütze spricht in diesem Zusammenhang auch von der Bürgerfamilie als „Repräsentationsfamilie“. Vgl. Schütze 1988, S. 123.

[83] Vgl. Ludwig 1995, S. 49.

[84] Vgl. ebd., S. 47.

[85] Vgl. Ludwig 1995, S. 47.

[86] So lautet der Titel eines 1920 erschienenen Dramas von Arnolt Bronnen, in dem der Generationenkonflikt gewaltvoll gelöst wird.

[87] Vgl. Ludwig 1995, S. 47.

[88] Vgl. ebd., S. 48ff.

[89] Vgl. Atsushi Imai: Das Bild des ästhetisch-empfindsamen Jugendlichen. Deutsche Schul- und Adoleszenzromane zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Wiesbaden: Deutscher Universitätsverlag 2001, S. 8.

[90] Musall 1987 steht für Friedhelm F. Musall: Frühe Jugendbewegung, Sexualität und adoleszente Politisierung. Pädagogisch-sozialpsychologische Untersuchungen zu Entstehung und Verlauf der deutschen Jugendbewegung bis 1920. Frankfurt a. M.: dipa-Verlag 1987 (= Quellen und Beiträge zur Geschichte der Jugendbewegung 29).

[91] Vgl. Musall 1987, S. 32f.

[92] Vgl. Ludwig 1995, S. 56.

[93] Vgl. Musall 1987, S. 34.

[94] Vgl. Max Horkheimer: Autorität und Familie. In: Kritische Theorie. Hrsg. von Alfred Schmidt, Bd. 1. Frankfurt a. M.: Fischer 1968, S. 337.

[95] Vgl. Musall 1987, S. 6ff.

[96] Vgl. van Ussel, S. 99f.

[97] Vgl. Musall 1987, S. 70.

[98] Vgl. ebd., S. 71.

[99] Vgl. Flemming 2005, S. 43.

[100] Vgl. ebd.

Ende der Leseprobe aus 101 Seiten

Details

Titel
"Es ist etwas Dunkles in mir" - Pubertäre Sexualität in der Literatur um 1900
Untertitel
Untersuchungen zu Frank Wedekinds "Frühlings Erwachen", Robert Musils "Die Verwirrungen des Zöglings Törleß" und Lou Andreas-Salomés "Die Schwester"
Hochschule
Otto-Friedrich-Universität Bamberg  (Lehrstuhl für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft)
Note
1,00
Autor
Jahr
2007
Seiten
101
Katalognummer
V171216
ISBN (eBook)
9783640904150
ISBN (Buch)
9783640904242
Dateigröße
866 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
dunkles, pubertäre, sexualität, literatur, untersuchungen, frank, wedekinds, frühlings, erwachen, robert, musils, verwirrungen, zöglings, törleß, andereas-salomés, schwester
Arbeit zitieren
Carolin Hagl (Autor:in), 2007, "Es ist etwas Dunkles in mir" - Pubertäre Sexualität in der Literatur um 1900, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/171216

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