Reformpädagogik im Nationalsozialismus

Am Beispiel der Odenwaldschule


Hausarbeit, 2009

16 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Kurzbiografie Paul Geheeb

2 Das Pädagogische Konzept der „alten“ Odenwaldschule
2.1 Koedukation
2.2 Das „Familiensystem“
2.3 Die „Schulgemeinde“
2.4 Das „offene Kurssystem“ und die Unterrichtsorganisation

3 Die Odenwaldschule im Nationalsozialismus
3.1 Die Odenwaldschule im Übergang 1933/34
3.1.1 Aufhebung der Koedukation und Erneuerung des Lehrerkollegiums
3.1.2 Abschaffung des „Wartesystems“ und Verbot der Schulschließung
3.1.3 Veränderungen im Unterrichtsablauf ab Herbst 1933
3.1.4 Die Gleichschaltung der Vereinigung der deutschen Landerziehungsheime
3.2 Die „Gemeinschaft der Odenwaldschule“
3.3 Die Jahre 1945/1946

4 Fazit

Literaturverzeichnis

Internetquellen

Einleitung

Die 1910 gegründete Odenwaldschule zählte bereits 1920 zu den interna- tional bekanntesten reformpädagogischen Schulen Deutschlands. Der Begriff der Reformpädagogik konstituierte sich zu Beginn des 20. Jahr- hunderts und wird als eine Sammelbewegung zur Änderung von Erzie- hungsansätzen in Schule und Unterricht beschrieben. Eine starke Beein- flussung gab es mit anderen Bewegungen wie der Jugendbewegung, der Arbeiter- und Frauenbewegung und dem „Wandervogel“. Als wichtigste Zweige der Reformpädagogik etablierten sich in Deutschland die Arbeits- schule, die Einheitsschule und die Landerziehungsheime. Auf letztere möchte ich im Rahmen dieser Hausarbeit eingehen. Die Odenwaldschule zählte neben den „Lietz-Schulen“ und der „Freien Schulgemeinde Wi- ckersdorf“ zu der Landerziehungsheimbewegung. Diese Schule versuchte sich, wie auch andere reformpädagogische Schulen, vom Staat zu lösen, um allen sozialen Schichten eine freie und humanistische Bildung zu er- möglichen. Daher musste sie zur Zeit des Nationalsozialismus in Konflikt mit dem Regime geraten. In meiner Hausarbeit werde ich diesen Konflikt näher erläutern und die in der Schule vorgenommenen Veränderungen während dieser Zeit aufzeigen. Dabei ist es wichtig auf den Gründer die- ser Schule, ohne diesen es die Schule nicht gegeben hätte, näher einzu- gehen. Das Pädagogische Konzept unter der Schulleitung Geheebs wird im zweiten Kapitel behandelt. Dies ist notwendig, um die Anpassungen an das NS-Regime einschätzen zu können. Der Nationalsozialismus hatte auch auf Erziehung und Bildung einen verheerenden Einfluss. Das dritte Kapitel versucht die Veränderungen, denen sowohl Schüler und Lehrer unterworfen waren, darzulegen. Mit einem Fazit soll die Arbeit abschlie- ßen.

Aus Platzgründen wird in der Arbeit nicht auf die auf die Zeit der Reformpädagogik, die Pädagogik im Nationalsozialismus im Allgemeinen und den Aufbau der Odenwaldschule eingegangen.

1 Kurzbiografie Paul Geheeb

Paul Albert Geheeb, der heute zu den bekanntesten deutschen Reform- pädagogen des 20. Jahrhunderts zählt, wurde am 10. Oktober 1870 im thüringischen Geisa als Sohn des bekannten Moosforschers Adelbert Ge- heeb geboren (vgl. Näf 2006, S. 17). Schon früh lernten er und seine 9 Geschwister die zahlreiche Tier- und Pflanzenvielfalt durch die naturbe- geisterten Eltern kennen. Mit 14 Jahren musste Paul Geheeb ein schwe- res Leid ertragen: den Tod seiner Mutter, die wie er selbst sagt „eine Per- sönlichkeit von ungewöhnlicher Geistes- und Herzensbildung war“ (Ge- heeb/Schäfer 1970, S. 33).

Nachdem er 1889 zunächst das Gymnasium in Eisenach abschloss, stu- dierte er 20 Semester lang abwechselnd in Jena und Berlin Theologie, Philosophie, orientalische Sprachen, Naturwissenschaften sowie Psycho- und Neuropathologie. 1893 erhielt Geheeb sein Staatsexamen in Theolo- gie. Anfang der 1890er Jahre lernte er Hermann Lietz kennen, welcher ebenso an der Philosophie Fichtes interessiert war. Gemeinsam, von jener Philosophie inspiriert, entwickelten sie Ideen, welche sie später in den ge- gründeten Landerziehungsheimen verwirklichen wollten (vgl. Ge- heeb/Schäfer 1970, S. 33-34).

In den Jahren zwischen 1893-1899 folgten immer wieder verschiedene praktische Tätigkeiten wie beispielsweise die Tätigkeit in den Kinderhorten verschiedener Berliner Arbeiterviertel (vgl. Priebe 2004, S.8). 1902 folgte er den Drängen seines Freundes Lietz, in dessen gegründeten Landerzie- hungsheim in Haubinda, mitzuarbeiten. Schließlich übernahm Geheeb 1904 die Leitung von diesem Landerziehungsheim (vgl. Geheeb/Schäfer 1970, S. 34).

Nach der Trennung von Lietz 1906, eröffnete Geheeb zusammen mit Gus- tav Wyneken, welcher ebenfalls ein Mitarbeiter des Landerziehungsheims in Haubinda war, am 1. September die „Freie Schulgemeinde Wickers- dorf“. Dort versuchte er erstmals seine Vorstellung von Koedukation zu verwirklichen (ebenda, S. 34). Doch schon 2,5 Jahre später hatten sich er und sein Mitdirekter Wyneken zerstritten und Geheeb zog sich aus der gemeinsamen Gründung zurück (vgl. Näf 2006, S. 61).

1909 heiratete er schließlich seine zweite Ehefrau Edith Cassirer, die ein- zige Tochter des Berliner Industriellen Max Cassirer. Am 17. April 1910 eröffnete er schließlich zusammen mit seiner Frau die Odenwaldschule in Ober-Hambach an der Bergstraße. Die Finanzierung der Schule wurde von Max Cassirer gewährleistet (ebenda, S. 63-66). Die Leitung der Schu- le hatte Geheeb bis zur seiner Emigration in die Schweiz im Jahre 1934 inne. Gemeinsam mit seiner Frau Edith, einigen Mitarbeitern und ca. 25 Schülern gründet er dort seine „Schule der Menschheit“ - die Ecole d´Humanité. Sitz der Schule ist nach dreimaligem Umzug 1946 Gol- dern/Schweiz. Mit 82 Jahren steht Paul Geheeb auf der Anwärterliste für den Friedensnobelpreis und erhält 1960 seine Ehrenpromotion an der U- niversität Tübingen. Am 1.05.1961 stirbt der Reformpädagoge in Goldern in der Schweiz (vgl. Priebe 2004, S. 8).

2 Das Pädagogische Konzept der „alten“ Odenwaldschule

Die pädagogischen Vorstellungen des Gründers der Odenwaldschule vor der Machtergreifung der Nazis im Jahre 1933 werden schließlich im folgenden Kapitel näher erläutert.

2.1 Koedukation

Während Hermann Lietz in seinen ersten Landerziehungsheimen nur Jungen aufnahm, war es für Geheeb selbstverständlich Jungen und Mädchen zusammen zu erziehen. Zu Zeiten Geheebs stand man dieser Erziehungsform noch ablehnend gegenüber.

Für Geheeb gab es jedoch klare Motive, um die Erziehungsform zu recht- fertigen. So war für ihn die Koedukation etwas Natürliches und Notwendi- ges in Hinblick auf die Herausbildung einer individuellen Persönlichkeit und der Entfaltung einer „gesunden“ Beziehung zum anderen Geschlecht. Auch der Unterricht erhielt eine enorme Bereicherung durch die Koeduka- tion (vgl. Scheibe 1994, S.125). Ebenso wollte Geheeb zur Förderung der Emanzipation der Frau und damit zur Bereicherung der Menschheit beitragen (vgl. Hohmann 1966, S. 103).

2.2 Das „ Familiensystem “

In der Odenwaldschule wurde nicht nur miteinander gelernt, sondern auch miteinander gelebt. Für viele Jungen und Mädchen war das Internat eine Art „Familienersatz“ beziehungsweise ein „Zweites Zuhause“. Lehrer und Schüler lebten zusammen in einer „Familie“. Diese bezeichnete eine Wohngemeinschaft, in welcher 6 bis 10 Kinder verschieden Alters und Geschlechts mit einem Lehrer und gegebenenfalls mit dessen Familien zusammen lebten (vgl. Becker/Röhrs 1986, S. 91). Die Lehrer wurden im Sprachgebrauch der Odenwaldschule „Pädagogische Mitarbeiter“, die Schüler „Kameraden“ genannt (ebenda, S. 87).

Alle Familien trafen sich dreimal täglich zu den Mahlzeiten, darüber hinaus wurden auch Unternehmungen getätigt (ebenda, S. 92).

Die Namen der Häuser, in denen die Familien lebten, zeigten Geheebs Verbundenheit zur Klassik und Antike: Fichte, Goethe und Pestalozzi fin- den unter anderem Erwähnung (vgl. Hohmann 1966, S. 90). Die Häuser lagen inmitten eines ausgedehnten Wald- und Wiesengeländes, jedoch in naher Erreichbarkeit der Städte Darmstadt und Heidelberg (vgl. Be- cker/Röhrs 1986, S. 87).

Ziel des Zusammenlebens in Familien sollte es sein Verantwortung zu ü- bernehmen, Konflikte zu lösen und ein freundschaftliches und ungezwungenes Verhältnis zwischen den Lehrern und Schülern aufzubauen (vgl. Scheibe 1994, S. 126-128).

1931 wurde das „Familiensystem“ durch ein „Wartesystem“ ersetzt. Man lebte von nun an in „Hausgemeinschaften“, 5 Schüler, als „Warte“ be- zeichnet, hatten hierfür die Verantwortung zu tragen (vgl. Näf 2006, S. 361). Die 5 Warte setzten sich zusammen aus dem Hauswart, dem Fi- nanzwart, dem Gesundheitswart, dem Studienwart und dem Urlaubswart (vgl. Alphei 1995, S. 4). Ziel dieser neuen Art des Zusammenlebens war die Hoffnung auf einen größeren Erfolg der Odenwaldschule zum Einen und zum Anderen die Erzie]hung der Kinder zu verantwortungsvollen Wesen (vgl. Näf 2006, S. 362). Nach Näf spielten eigentlich andere Argumente eine Rolle, so hatte Geheeb das Gefühl, dass der Einfluss seiner Schule zurückging und er deshalb reagieren musste (ebenda, S. 363).

2.3 Die „ Schulgemeinde “

Schülermitbestimmung und Schülerverantwortung waren wichtige Ideale in der Odenwaldschule (vgl. Näf 2006, S. 150). Die Schulgemeinde be- zeichnete eine Versammlung aller „Kameraden“ und „pädagogischer Mit- arbeiter“, um über die Angelegenheiten der Schule zu diskutieren und eine für alle Mitglieder der Gemeinde gerechte Lösung zu finden (vgl. Be- cker/Röhrs 1986, S. 96). Die Schulgemeinde findet 2-3mal im Monat statt. Jedes Mitglied, egal welchen Alters, Religion, Geschlechts oder Rasse hatte das gleiche Stimmrecht. Selbst Geheeb, der Leiter, musste sich den Beschlüssen beugen und hatte diese auch nach außen zu verantworten. Selbst der Tagesablauf, die Arbeitsorganisation, Dauer der Ferien und der Beschluss, ob ein religiöser oder politischer Festtag gefeiert oder abge- lehnt werden soll, waren Endergebnisse der Diskussion in der Schulge- meinde (vgl. Hohmann 1966, S. 106). Ziel dieser Schulgemeinde war es, dass die Erwachsenen ihren Schülern Vertrauen entgegenbrachten und die Schüler Verantwortung für die Gemeinschaft übernahmen (ebenda, S. 127).

2.4 Das „ offene Kurssystem “ und die Unterrichtsorganisation

Die Schüler der Odenwaldschule sollten sich frei und selbstständig bilden. Ein Schritt zur Verwirklichung der Freiheit war die Abschaffung eines Stoffplans, von nun an sollten die Schüler ihr Bildungsgut selbst wählen. Ebenso wurden die Unterrichtsstunden durch 2 doppelstündige Kurse er- setzt. Jeden Monat gaben die Lehrer ihre Kurse bekannt und jeder Schü- ler konnte frei wählen zu welchem Kurs er gehen möchte (vgl. Hohmann 1966, S. 107).

[...]

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Reformpädagogik im Nationalsozialismus
Untertitel
Am Beispiel der Odenwaldschule
Hochschule
Evangelische Hochschule Berlin
Veranstaltung
Geschichte der Pädagogik
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
16
Katalognummer
V171277
ISBN (eBook)
9783640905621
ISBN (Buch)
9783640905485
Dateigröße
424 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
reformpädagogik, nationalsozialismus, beispiel, odenwaldschule, Geheeb, Koedukation, Landerziehungsheim
Arbeit zitieren
Rebecca Foth (Autor:in), 2009, Reformpädagogik im Nationalsozialismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/171277

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