Mobbing unter Jugendlichen an deutschen Schulen. Ursachen, Folgen und Präventionsmöglichkeiten


Masterarbeit, 2011

119 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Warum das Thema Mobbing?
1.2 Begriffsdefinition „Mobbing“
1.3 Ausmaße von Mobbing
1.4 Abgrenzung zum Bullying und Cyber-Mobbing

2 Ursachen von Mobbing
2.1 Wodurch ist Mobbing begründet?
2.1.1 Schule als Lernort und als Sozialisationsinstanz
2.1.2 Aussehen und Verhalten der Schüler
2.1.3 Familie und Herkunft
2.1.4 Einflüsse durch die Peergruppe
2.1.5 Gesellschaftliche Strukturen und Medien
2.2 Welche Anzeichen gibt es für Mobbing in der Schule?

3 Folgen von Mobbing: Was kann passieren, wenn nicht oder zu spät eingegriffen wird?
3.1 Folgen auf physischer/gesundheitlicher Ebene
3.1.1 Ein Fallbeispiel
3.2 Folgen auf psychischer/schulischer/sozialer Ebene
3.2.1 Ein Fallbeispiel
3.3 Folgen im Hinblick auf die Täter

4 Rollen der Beteiligten an einem Mobbingprozess
4.1 Die Täterrolle: Typische Tätermerkmale
4.2 Die Opferrolle: Typische Opfermerkmale
4.3 Typische Beziehungen zwischen Täter und Opfer
4.4 Die Rolle des Verstärkers/Antreibers
4.5 Die Rolle des Mitläufers/Außenstehenden
4.6 Die Rolle des Verteidigers

5 Präventionsmöglichkeiten
5.1 Präventionsmaßnahmen durch die Schule als Institution
5.2 Präventionsmaßnahmen durch die Lehrer
5.2.1 Exkurs: Einschätzung der Reaktionen auf Mobbing von Lehrkräften
5.3 Präventionsmaßnahmen durch die Eltern
5.4 Präventionsmaßnahmen durch die Schüler selbst

6 Bewertung der Präventionsmöglichkeiten durch Lehrer (Empirischer Teil)
6.1 Das Untersuchungsdesign
6.1.1 Ziel der Befragung
6.1.2 Der Fragebogen als Instrument
6.1.3 Beschreibung des Feldes und der Befragten
6.2 Erhebungsergebnisse und Diskussion

7 Fazit und Ausblick

8 Literaturverzeichnis

Anhang - Verzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 : Einschätzung zur bisherigen und zukünftigen Zunahme von Mobbing in der Schule

Abbildung 2 : Wahrnehmung von Mobbingfällen generell, von konkretenOpfern und konkreten Tätern

Abbildung 3 : Reaktion der Lehrkräfte auf Mobbingvorfälle

Abbildung 4 : Gut ausgebildete Lehrkräfte hinsichtlich Mobbing als präventives Mittel

Abbildung 5 : Einschätzung der Trainingsraum-Methode, des Buddy-Projekts und des No Blame-Approach

1. Einleitung

„Als Tim von der Grundschule auf eine Weiterführende Schule wechselte, wurde er mit zwei ehemaligen Mitschülern in eine neue Klasse eingeteilt. Anfangs hatte er sich noch sehr gut mit den beiden verstanden, doch bereits nach wenigen Monaten wollten sie plötzlich nichts mehr mit ihm zu tun haben. Sie hatten sich mit den anderen Jungs der Klasse angefreundet und wollten Tim nicht mehr dabei haben. Immer wenn er zu der neuen Clique kam, wurde er weggeschickt. Darüber hinaus versuchten die Jungs, ihn bei jeder Gelegenheit zu verunsichern und bloß zu stellen (zum Beispiel indem sie ihn bei einem "Annäherungsversuch" fragten, warum er eigentlich keine eigenen Freunde habe). Als Gipfel der Schikanen wurde Tim eines Tages von einer Mitschülerin unter falschem Vorwand in den Park gelockt. Tim war froh über die Einladung und folgte ihr prompt. Im Park angekommen warteten bereits seine Mitschülerin, die besagte Clique und andere Klassenkammeraden [sic!] auf ihn. Als die Jugendlichen anfingen, Tim zu beleidigen, wollte er sofort gehen, doch zwei seiner Klassenkammeraden [sic!] hielten ihn fest. Dann fingen sie an, ihm in den Bauch zu schlagen und verlangten von ihm, etwas im Kaufhaus zu klauen. Als Tim sich weigerte, zogen sie ihm seine Hose runter und fotografierten ihn mit dem Handy. Seitdem wird er mit dem Foto erpresst. Er muss für die Jungen klauen gehen, angelutschte Bonbons essen und sich auch alle anderen Schikanen der Mitschüler gefallen lassen. Und es ist kein Ende in Sicht. Tim fühlt sich hilflos und findet sein Leben schrecklich. Er denkt sogar an Selbstmord.“ (Jäger 2010)

„Jedes Jahr unternehmen in Deutschland 30.000 Kinder und Jugendliche einen Suizidversuch. 1.000 dieser Versuche enden tödlich.“ (Gebauer 2007, S.90). Ein häufig angegebenes Motiv dafür sind regelmäßige und systematische Demütigungen, Beschimpfungen, Erpressungen und verschiedenartige Ausübungen von Gewalt durch andere Personen - kurz: Mobbing.

Mobbing hat es schon immer gegeben und die Schule ist der Ort, an dem am meisten Mobbing stattfindet (vgl. Olweus 2006, S.32). Seit etwa zwei Jahrzehnten aber steht Mobbing aktiv in der öffentlichen Diskussion, da die Problematik in der Schule scheinbar immer mehr zunimmt (vgl. ebd., S.28), denn Lehrer1 und Eltern berichten immer häufiger von ernsten Vorfällen, welche starke psychische und zum Teil auch physische Probleme nach sich ziehen. Mittlerweile wird Mobbing als eine radikale und „besonders problematische Gewaltform an Schulen wahrgenommen“ (Schubarth 2010, S.57). Erst in den 1990er Jahren wurde der Gewaltbegriff erweitert und man fasste nicht mehr nur Aggressionen darunter (vgl. ebd., S.55). Seit den 2000er Jahren zählt insbesondere Mobbing zu den Gewaltformen, die an Schulen erforscht werden (vgl. ebd.).

Während die JIM-Studie (Jugend, Information, (Multi-)Media), welche 2009 durchgeführt worden ist, aufzeigt, dass 24 Prozent der 12- bis 19-Jährigen schon einmal mitbekommen haben, dass eine Person in ihrem Bekanntenkreis fertig gemacht worden ist (vgl. mpfs, JIM-Studie 2009, S.49), hat die JIM-Studie von 1998 diese Daten noch gar nicht erhoben, weil das Thema Mobbing scheinbar noch nicht die Relevanz hatte, die sie heute besitzt. Es ist normal, dass die Schüler in der Schule ihre Grenzen ausloten und in verschiedene Rollen schlüpfen, aber dass Mobbing nun einen festen Bestandteil der alltäglichen Schulrealität widerspiegelt (vgl. Scheithauer et al. 2003, S.90) scheint nicht akzeptabel zu sein.

Eine weitere Art von Mobbing hat sich zusätzlich zum klassischen Mobbing in der Schule herauskristallisiert: Beim modernen Cyber-Mobbing drangsalieren sich Kinder und Jugendliche über moderne Medien wie das Internet oder das Handy oftmals bis aufs Äußerste (siehe auch Beispiel oben) und sind sich den Auswirkungen kaum bewusst. Das klassische Mobbing in der Schule tritt zunehmend in Verbindung mit Cyber-Mobbing auf. Eine extreme Erweiterungsform des Cyber-Mobbings ist außerdem das sogenannte Happy Slapping, welches erst seit etwa einem Jahrzehnt an deutschen Schulen auftritt (vgl. Schubarth 2010, S.57). Dabei wird ein Opfer von mehreren Tätern massiv körperlich angegriffen, diese Gewaltszene wird (meist mit dem Handy) aufgenommen und hinterher veröffentlicht, sodass das Opfer auch im Nachhinein gedemütigt wird (vgl. ebd., S.57ff.).

In der vorliegenden Arbeit soll das Thema Mobbing von einigen ausgewählten Seiten her beleuchtet werden. Zunächst möchte ich meine Intention darlegen, das Thema Mobbing in der Schule näher zu untersuchen. Daraufhin gilt es, den Begriff Mobbing genau zu definieren und Subformen wie das Cyber-Mobbing, zu erklären. Im Folgenden werden die Ursachen von Mobbing ergründet, welche durch verschiedene Aspekte beeinflusst werden, wie etwa das Aussehen oder das Verhalten eines Schülers, und es wird auf die Anzeichen für Mobbing in der Schule eingegangen. Im nächsten Schritt sollen die Folgen von Mobbing ausgearbeitet werden, welche sich einerseits auf gesundheitlicher und physischer Ebene und andererseits auf schulischer, sozialer und psychischer Ebene befinden. Fallbeispiele dazu sollen die möglichen Folgen verdeutlichen. Neben der Erörterung der Ursachen und Folgen von Mobbing werden auch die verschiedenen Rollen der Beteiligten an einem Mobbingprozess näher beschrieben und es sollen verschiedenartige Präventionsmöglichkeiten vorgestellt werden, etwa Maßnahmen durch die Institution Schule, durch die Lehrer, durch die Eltern oder durch die Schüler selbst. Zuletzt sollen die Präventionsmaßnahmen durch eine empirische Befragung von Lehrern bewertet werden, bevor ein Fazit und ein Ausblick die Arbeit abschließen. Mein Ziel im Rahmen dieser Arbeit wird im folgenden Punkt beschrieben.

1.1 Warum das Thema Mobbing?

Für das Thema Mobbing interessiere ich mich schon seit einigen Jahren. Bereits zu meiner Schulzeit ist mir aufgefallen, wie komplex Mobbingprozesse unter Schülern sind und besonders spannend schienen mir die Rollen, welche von den anwesenden Schülern eingenommen werden - diese gehen nämlich weit über die Hauptrollen des Opfers und des Täters hinaus. Während meiner Studienzeit rückte das Thema Mobbing unter Jugendlichen in der Schule noch weiter in mein persönliches Interessengebiet, da es besonders viele verschiedene Bereiche gleichzeitig anschneidet, primär die Pädagogik und die Psychologie.

Mobbing ist ein vielschichtiges Phänomen, welches noch zukünftigen, interdisziplinären Forschungsbedarf hat - etwa durch die psychologische Verhaltensforschung, die Entwicklungs- bzw. Sozialisationsforschung, die Präventionsforschung, die Jugendforschung oder die Konflikt- und Gewaltforschung. Bei den bisher durchgeführten Studien zum Thema Mobbing stand überwiegend die Erfassung der Ausmaße und die Analyse dessen im Vordergrund, „während Folgerungen für die [...] Prävention und deren Umsetzung in die Praxis eher nachrangig waren“ (Schubarth 2010, S.56).

Auch die Amokläufe, die sich im letzten Jahrzehnt in Deutschland gehäuft zugetragen haben, führten dazu, dass mein Interesse an Mobbing unter Jugendlichen an deutschen Schulen sich noch weiter ausprägte. Bei den Amokläufen „in Erfurt (2002), Emsdetten (2006), Winnenden und Ansbach (2009)“ (ebd., S.20) stand immer wieder die Frage im Raum, ob der Amoklauf im Zusammenhang damit stehe, dass der Täter scheinbar ein Opfer von Mobbing an der Schule gewesen sei. Rache an Mitschülern und/oder Lehrern stellte in den Ermittlungen stets ein mögliches Tatmotiv dar und mir wurde die Brisanz des Phänomens Mobbing in seiner wohl radikalsten Auswirkung - dem Amoklauf - bewusst.

Diese Arbeit soll dazu beitragen, das facettenreiche Phänomen genau zu analysieren und ein geeignetes, bereits vorerprobtes Instrument für Schulen zu entwickeln, mit welchem aufgezeigt werden kann, inwiefern die Lehrkräfte an einer Schule die möglichen Präventionsmaßnahmen kennen und bewerten. Mobbing ist eine moderne Form von Gewalt an Schulen, welche besonders zugenommen hat (vgl. Schubarth 2010, S.58). Deshalb sollten Schulen auch zunehmend bemüht sein, gegen Mobbingprozesse anzukämpfen. Mein Ziel ist also erreicht, wenn Schulen durch dieses Instrument die Schwächen bezüglich der Prävention von Mobbing erkennen können und im nächsten Schritt verbesserte Maßnahmen an der Schule ergreifen können, um aktiv gegen Mobbing vorzubeugen. Daher bin ich letztlich zu der folgenden Fragestellung der vorliegenden Arbeit gekommen: „Mobbing unter Jugendlichen an deutschen Schulen: Ursachen, Folgen und Präventionsmöglichkeiten“.

1.2 Begriffsdefinition „Mobbing“

„Der Begriff Mobbing kommt von engl. 'to mob' = schikanieren, anpöbeln“ (Gebauer 2007, S.29) und meint systematische und wiederholte Schikanen über einen langen Zeitraum (vgl. ebd.). Mobbing ist ein kollektiver Prozess, welcher auf existierenden sozialen Beziehungen in einer Gruppe basiert (vgl. Schäfer & Kulis 2005, S.220). Mobbing unter Schülern ist also ein soziales Phänomen, das wohl existiert seitdem es Schulen gibt (vgl. Scheithauer et al.

2003, S.9) und welches von gezielten und wiederholten verbalen Demütigungen bis hin zu körperlichen Attacken durch physisch und psychisch stärkere Schüler an physisch und psychisch schwächer gestellte Schüler reicht (vgl. Schäfer et al. 2003c, S.1). „Wenn demnach zwei gleich starke Schüler sich gegenseitig ärgern, so ist dies kein Mobbing. Man spricht auch nicht von Mobbing, wenn ein solcher Vorfall nur einmal passiert“ (Jäger et al. 2007b, S.8). Ferner fallen Rangeleien, welche den Beteiligten Spaß bereiten, oder Vandalismus nicht unter den Mobbingbegriff (vgl. Korn et al. 2006, S.5).

Schubarth (2010) formuliert, dass Mobbing „immer auch Aggressions- und Gewalthandlung [...]“ (S.18) sei und er füllt die drei bestehenden Mobbingkategorien der verbalen, körperlichen und nonverbalen Schädigungshandlungen mit folgenden Beispielen aus: Das Drohen, Hänseln, Spotten und Beschimpfen zählt insbesondere zum verbalen Mobbing, das Schlagen, Treten, Stoßen und Kneifen zählt hauptsächlich zum körperlichen Mobbing und durch bestimmte Gesten, durch Ignorieren oder durch Ausschluss aus einer Gruppe kann jemand unter anderem nonverbal gemobbt werden (vgl. ebd.).

Die bisher gängigste und immer wieder zitierte Definition von Mobbing stammt vom schwedischen Psychologen Dan Olweus (1993): „A person is bullied when he or she is exposed, repeatedly and over time, to negative actions on the part of one or more other persons, and he or she has difficulty defending himself or herself.“ (S.9). Hervorgehoben wird also, dass Mobbing ein wiederholter Prozess des Ärgerns ist und dass der oder die Täter systematisch vorgehen. Ein weiteres, von Olweus betontes Merkmal von Mobbing ist, dass ein Machtungleichgewicht zwischen dem Täter und dem Opfer zu Ungunsten des Opfers vorliegt und dass der Täter so seine Machtposition ausnutzen kann (vgl. Stephan 2010,

S.14) . Gemobbt werden kann jemand sowohl durch Ausgrenzungen, Schikanen, Belästigungen, Beleidigungen (vgl. Allermann 2008, S.2), als auch durch das Verbreiten von Gerüchten oder durch das Ausüben körperlicher Gewalt an dieser Person. Um „gelegentliche, nicht ernsthafte negative Handlungen auszuschließen“ (Olweus 2006, S.23), legt Olweus (2000) die folgenden vier zentralen Charakteristiken von Mobbing dar, die alle gegeben sein müssen, damit tatsächlich von Mobbing gesprochen werden kann: Repetition: Die Angriffe müssen wiederholt und über einen längeren Zeitraum stattfinden.

1. Intent to hurt: Mit den Attacken sind verbale, physische oder psychische Verletzungen seitens des Täters am Opfer direkt beabsichtigt.
2. Imbalance of power: Es herrscht ein Machtungleichgewicht (klare Unterlegenheit des Opfers).
3. Helplessness: Das Opfer fühlt sich dem Täter hilflos ausgesetzt und weiß sich nicht zu helfen (vgl. S.10f.).

Wachs (2009) erklärt außerdem, dass es etliche Klassifizierungen anhand des Hintergrundes, vor dem das Mobbing ausgeübt wird, gibt (vgl. S.14). Einige davon sind etwa rassistisches Mobbing, homophobisches, xenophobisches (vgl. ebd.) oder sexistisches und geschlechterfeindliches Mobbing (vgl. Schubarth 2010, S.20). Besonders Taten mit rechtsextremem Hintergrund haben seit Anfang der 1990er Jahre deutlich zugenommen (vgl. Schubarth 2010, S.77). Mobbing kann demnach als ein „Spezialfall aggressiven Verhaltens aufgefasst werden, bei dem nicht nur individuelle Differenzen im Vordergrund stehen, sondern der soziale Kontext eine bedeutende Rolle spielt“ (Scheithauer et al. 2003, S.18). Außerdem weisen Scheithauer et al. (2003) darauf hin, dass Bullying große Überschneidungen zum Aggressions- bzw. Gewaltbegriff aufweist (vgl. S.19). „Nicht jede Gewalt ist Mobbing, aber Mobbing ist immer Gewalt“ (Jannan 2010a, S.22). Der zentrale Gegenstand dieser Arbeit bleibt aber der des Mobbings bzw. Bullyings, welcher in den 1970er Jahren durch die Studien des oben bereits zitierten Dan Olweus initiiert wurde und schon damals auf ein Gruppenphänomen (wie etwa in Schulklassen) hinwies (vgl. Schäfer et al. 2006, S.3).

Eine gezielte und detaillierte Definition von Mobbing durch Personen im sozialen Raum Schule bietet Gollnick (2006):

„Unter Mobbing wird eine konfliktbelastete Kommunikation in der Klasse [...] oder zwischen Lehrperson(en) und Schüler/innen verstanden, bei der die angegriffene Person unterlegen ist und von einer oder mehreren Personen systematisch, oft und während längerer Zeit mit dem Ziel und/oder dem Effekt der Ausgrenzung aus der Lerngruppe direkt oder indirekt angegriffen wird und dies als Diskriminierung empfindet. Dabei sind die Angriffe in verletzender Weise tendiert (beabsichtigt) und können sich gegen einzelne, aber auch gegen eine Gruppe richten [...].“ (S.36)

1.3 Ausmaße von Mobbing

„Alle Untersuchungen zum Thema Gewalt an Schulen zeigen: Mobbing ist die bei weitem häufigste Gewaltform an allen deutschen Schulen“ (Jannan 2010b, S.6). Es gibt keine klare Definition vom Beginn von Gewalt oder Mobbing und daher ist es schwierig festzustellen, ab wann Mobbing tatsächlich beginnt. „Für manche ist eine Hänselei schon Gewalt oder Mobbing“ (Schubarth 2010, S.18), während besonders für viele Jugendliche erst von Gewalt oder Mobbing gesprochen werden kann, wenn eine Person sichtbar körperlich geschädigt wird, denn psychische bzw. verbale Attacken werden unter Jugendlichen oftmals als normale Umgangsformen angesehen (vgl. ebd.).

Es wird aber zwischen drei Ebenen von Mobbing unterschieden, welche sich in ihrer Art und Weise voneinander unterscheiden. Diese werden wie folgt von Korn et al. (2006) zusammengefasst: „Zunächst wird verbales (z. B. über jemanden Witze machen, beleidigen, hänseln) von körperlichem (schlagen, schubsen, festhalten u.Ä.) und relationalem, auf die Beziehung zielendem Bullying (bloßstellen, ausgrenzen, Gerüchte verbreiten u.Ä.) unterschieden“ (S.4f.). Weiterhin gibt es die Unterscheidung zwischen direktem und indirektem Bullying, welche sich auf die vom Täter genutzte Strategie bezieht (vgl. ebd.). So wird ein Opfer beispielsweise mit verbalen Äußerungen direkt angegriffen, während durch die Schädigung sozialer Beziehungen (z. B. Verbreitung von Gerüchten) ein Opfer indirekt gemobbt wird (vgl. ebd.). Es kann davon ausgegangen werden, dass die Häufigkeit einer dieser drei Mobbingebenen mit der Schwere der Taten abnimmt (vgl. Jannan 2010a, S.14).

„Mobbing ist die häufigste Gewaltform an deutschen Schulen“ (Jannan 2010a, S.22). Die genauen Ausmaße von Mobbing sind insgesamt aber nicht eindeutig zu erfassen, da keine einheitliche Grenze zwischen Mobbing und Nicht-Mobbing gezogen werden kann und da der Beginn von Mobbing subjektiv unterschiedlich wahrgenommen wird. Es gibt jedoch viele Studien, die durch Schülerbefragungen versucht haben, valide Zahlen zu erheben. Schubarth (2010) fasst die aktuell bestehenden Fakten wie folgt zusammen: „Der Anteil von Mobbingopfern und Mobbingtätern, die mindestens einmal in der Woche von ihren Mitschülern gemobbt werden bzw. selbst mobben, beträgt - übereinstimmenden Befunden zufolge - jeweils etwa 5 bis 10%“ (S.79). Schubarth (2010) stellt ferner fest, dass demnach in jeder Schulklasse durchschnittlich ein bis zwei Mobbingopfer und die entsprechenden Mobbingtäter vorhanden seien (vgl. S.79). Dazu passt auch die Hochrechnung von Graf (2007), welcher nach einer Langzeitstudie zum Ergebnis kommt, dass in Deutschland rund 500.0 Schüler wöchentlich gemobbt werden (vgl. S.67). Hier ist aber anzumerken, dass diese Zahlen lediglich Durchschnittswerte darstellen und dass es Unterschiede hinsichtlich der Schulform, Jahrgangsstufe, etc. gibt.

Hinsichtlich der Unterschiede von Mobbing nach Schulformen kann generell erst einmal gesagt werden, dass Mobbing in allen Schulformen und in allen Schulklassen stattfindet (vgl. Korn et al. 2006, S.5). Atria et al. (2005) ergänzen, dass aggressive Handlungen innerhalb einer Klasse sehr wahrscheinlich mit negativer Stimmung und hohem Wettbewerbsdruck in der Klasse einhergehen (vgl. S.190). Bei genauerer Betrachtung kann aber folgendes, zentrales Ergebnis festgehalten werden: „[D]ie Rate der Mehrfachopfer an Förderschulen und Hauptschulen [ist] annähernd doppelt so hoch wie an Gymnasien“ (Schubarth 2010, S.80) und stellt demnach eine besondere pädagogische Herausforderung (vgl. ebd., S.58) dar. Diese Schulformen sind laut Schubarth (2010) unter anderem deshalb mehr mit Mobbingproblemen belastet, weil die Schüler durch das mehrgliedrige Schulsystem frühzeitig in ihre Schullaufbahnen vorsortiert werden und sich daher bezüglich ihrer Zukunftsperspektive institutionell ausgegrenzt fühlen (vgl. S.60f.). So wird Mobbing auch als ein gesellschaftliches „Problem von sozialer Ungleichheit“ (ebd.) gesehen. Ferner sind Schulen, welche in sozialen Brennpunkten gelegen sind, häufiger von massiven Gewalt- und Mobbingproblemen betroffen (vgl. ebd., S.69). Scheithauer et al. (2003) fanden außerdem heraus, dass sich nach einem Schulwechsel eines Schülers besonders häufig eine Zunahme des Mobbings feststellen lässt (vgl. S.53). Auch regionale Differenzen können ausgemacht werden, denn in Ostdeutschland ist die Mobbingrate an Schulen am höchsten, während sie in Norddeutschland am geringsten ist (vgl. Schubarth 2010, S.80).

Zur Prävalenz von Mobbing hinsichtlich der Jahrgangsstufen sagt Wachs (2009), dass Mobbing in der Schule bis ins untere Mittelschulalter anzusteigen scheint und dass sich von der mittleren Schulstufe an die Zahl der Opfer und Täter wieder reduziert (vgl. S.54). Die Höchstphase der Mobbingattacken erfolgt etwa von der achten bis zur elften Jahrgangsstufe, denn mit zunehmenden sozialen und verbalen Fähigkeiten werden die Äußerungsformen von Mobbing subtiler und komplexer (vgl. ebd.), bis die Mobbing-Angriffe sich schließlich mit zunehmender Reife reduzieren und prosoziales Verhalten unter den SchülerInnen zunimmt. Mobbing in der Primarstufe (Jahrgangsstufen eins bis vier) kommt aber auch vor (vgl. Jäger et al. 2007b, S.10) und sollte nicht vernachlässigt werden: „Mobbing scheint nicht nur an den weiterführenden Schulen, sondern auch an Grundschulen [...] ein Alltagsproblem zu sein“ (Schubarth 2010, S.79). Besonders verbale Aggressionen haben in den letzten Jahren stark zugenommen (vgl. ebd., S.64) und gehören offenbar an jeder Schulform und in jeder Jahrgangsstufe „zur gegenwärtigen Schülerkultur“ (ebd., S.58). Über 50 Prozent der Schüler und über 60 Prozent der Lehrer nehmen häufig Beschimpfungen wahr (vgl. ebd., S.65). Eine „Verrohung der Umgangsformen“ (ebd., S.64) ist somit deutlich erkennbar.

Nicht außer Acht gelassen werden sollte an dieser Stelle aber auch, dass Lehrer ebenso von Mobbing durch Schüler oder in seltenen Fällen Schüler von Mobbing durch Lehrer betroffen sein können (vgl. ebd.). Auch solche Konfliktkonstellationen sind neben dem hier angesprochenen Mobbing zwischen Schülern möglich.2 Studien haben belegt, dass Gewalt (bzw. Mobbing), welche von Schülern ausgeht, manchmal auch mit Aggression und Gewalt, die zuvor vom Lehrer ausging (z. B. über Schüler abfällig reden, sie bloßstellen oder handgreiflich werden), in Zusammenhang gebracht werden kann (vgl. ebd., S.60).

Durch eine Schülerbefragung von Jäger et al. (2007b) konnte herausgefunden werden, dass der häufigste Ort von Mobbing in der Schule mit knapp 40 Prozent der Klassenraum ist, relativ dicht gefolgt vom Schulhof (S.13) - besonders dann, wenn diese Orte von Lehrern nicht oder wenig überwacht werden (vgl. Olweus 1991). Smith & Sharp (1994) fanden außerdem heraus, dass Mobbing in stark hierarchisierten Machtsystemen stattfindet, welche nicht verlassen werden können (wie etwa Schulen) und dass Mobbing besonders dann vorkommt, wenn wenig oder keine Kontrolle stattfindet (vgl. S.45ff.). Auch der Nachhauseweg ist bei einer Befragung von Jäger et al. (2007b) als ein möglicher Ort von Mobbing angegeben worden (S.13), während Mobbing auf den Toiletten oder im Treppenhaus/Flur eher weniger wahrscheinlich ist (vgl. ebd.).

Hinsichtlich der Zeitpunkte, an denen Mobbing in der Schule stattfindet, konnte festgestellt werden, dass Mobbing am häufigsten in den großen Pausen vorkommt und am wenigsten in den kleinen Pausen oder gar während des Unterrichts (vgl. Jäger et al. 2007b, S.14) . Auch bezüglich des Alters konnten eindeutige Erkenntnisse gewonnen werden. Am häufigsten werden Schüler von Gleichaltrigen gemobbt, teilweise auch von älteren Schülern, aber selten von Jüngeren (vgl. Jäger et al. 2007b, S.15).

Im Bezug auf die Geschlechterunterschiede ist festzuhalten, dass „Jungen signifikant häufiger Täter und Opfer von Bullying als Mädchen“ (Wachs 2009, S.56) sind und dass sie eine höhere Frequenz von Mobbinghandlungen aufweisen (vgl. ebd.). Schubarth (2010) stellt fest, dass die Quote der Mobbingtäter bei den 15-jährigen Jungen sogar über 30 Prozent liegt (vgl. S.79). Es fällt auch auf, dass Jungen ihre Opfer eher durch körperliche Gewalt oder durch direkte Drohungen und Beschimpfungen mobben, während Mädchen ihren Opfern eher durch verbale und indirektere Formen wie etwa soziale Isolation einer Person, das Verbreiten von Gerüchten über das Opfer oder durch die Manipulation anderer Peers zusetzen (vgl. Wachs 2009, S.55). Die insgesamt am häufigsten genannten Formen von Mobbing stellen aber das Ärgern, Beschimpfen, Beleidigen, Ausgrenzen und Gerüchte verbreiten dar (vgl. Jäger et al. 2007b, S.17), während harte Formen von Mobbing wie Schlagen und das sonstige körperliche Verletzen weniger oft vorkommen. Schäfer et al. (2006) stellen fest, dass relationales Bullying möglicherweise unterschätzt wird, da es insgesamt häufiger vorkommt als beispielsweise körperliche Gewalt, Letztere aber als schlimmer beurteilt wird (vgl. S.6). Insgesamt ist Deutschland im internationalen Vergleich bezüglich der Härte des Mobbings unterdurchschnittlich anzusiedeln (vgl. Schubarth 2010, S.79), woraus gefolgert werden kann, „dass Schulen in Deutschland weniger ein Gewalt-, sondern eher ein Mobbingproblem haben“ (ebd.).

Erstaunlich ist auch, dass Deutschland im internationalen Vergleich beim Ausmaß von Mobbingvorfällen jedoch „einen unrühmlichen Spitzenplatz“ (Schubarth 2010, S.79) belegt und dass dieses Phänomen an deutschen Schulen somit überdurchschnittlich häufig vorkommt. Nach Schubarth (2010) beteiligen sich über 20 Prozent der Schüler in Deutschland mindestens einmal pro Monat als Täter an Mobbingvorfällen (vgl. ebd.). „Deutschland liegt damit im Vergleich von 35 Ländern auf Platz zwei bzw. drei“ (ebd.).

1.4 Abgrenzung zum Bullying und Cyber-Mobbing

Mobbing meinte bis vor zwei bis drei Jahrzehnten noch die Schikanierungsprozesse am Arbeitsplatz, welche durch Mitarbeiter, Kollegen oder Vorgesetzte stattfinden können. Der Begriff Bullying hingegen stammt aus der englischsprachigen Literatur und meint die Drangsalierungsprozesse, die ausschließlich unter Schülern in der Schule stattfinden. „Mobbing ist in Deutschland der begriffliche Vorläufer von Bullying und wird heute auch oft synonym zu Bullying gebraucht.“ (Wachs 2009, S.8). Da sich die Begrifflichkeiten heutzutage vermischt haben und sowohl im allgemeinen Sprachgebrauch als auch in der Literatur weitgehend synonym verwendet werden, werden die Begriffe Mobbing und Bullying auch in dieser Arbeit synonym gebraucht.

Eine klare Abgrenzung besteht hingegen zu dem Begriff Cyber-Mobbing bzw. Cyber- Bullying. Cyber-Mobbing ist eine Subform vom Mobbing und bezieht sich auf das Schikanieren anderer mittels neuer Medien. Eine eher allgemein gehaltene Definition von Cyber-Mobbing findet sich bei Hinduja & Patchin (2009): „Cyberbullying is willful and repeated harm inflicted through the use of computers, cell phones, and other electronic devices“ (S.5). Eine spezifischere Definition bieten Jäger et al. (2007b):

„Bei Cyber-Mobbing geht es darum, dass neue Techniken, wie z. B. E-Mail,

Chats, Instant Messaging Systeme (wie z. B. ICQ oder MSN) oder auch Handys eingesetzt werden, um immer wieder und mit voller Absicht andere zu verletzen, sie zu bedrohen, sie zu beleidigen, Gerüchte über sie zu verbreiten oder ihnen Angst zu machen.“ (S.8) Vor allem im Zuge der technischen Entwicklung (z. B. Handys) und des Aufbaus des sogenannten Web 2.0, welches eine neue, interaktive Art des Internets darstellt, da die Nutzer die Inhalte nunmehr selbst erstellen und im Internet veröffentlichen können (z. B. in Weblogs3 ), hat sich etwa in den letzten zwei Jahrzehnten das Phänomen des CyberMobbings entwickelt. Die Täter bleiben meist anonym, da sie die genutzten Medien als Deckmantel nutzen können und die Opfer können sich an keinem Ort mehr sicher fühlen, da sie für die Täter stets von überall her erreichbar sind.

In Anbetracht der Tatsachen, dass 98 Prozent aller deutschen Haushalte mit Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren bereits online sind (vgl. mpfs, JIM-Studie 2009,

S.31) , dass knapp die Hälfte der Jugendlichen einen Internet-Anschluss im eigenen Zimmer hat (vgl. Bonstein 2008, S.101) und dass die reale Welt immer mehr mit der Cyber-Welt verzahnt wird (vgl. Hinduja & Patchin 2009, S.24), da z. B. 70 Prozent der 12- bis 19Jährigen regelmäßig über Instant Messenger4 oder Online-Communities5 mit anderen kommunizieren (vgl. mpfs, JIM-Studie 2009, S.34), wird deutlich, dass Cyber-Mobbing sich in den kommenden Jahren wahrscheinlich zu einem noch ernsteren Problem entwickeln könnte.

Jugendliche geraten immer häufiger über die Nutzung von Medien wie z. B. Handys, welche 88 Prozent der Jugendlichen täglich oder mehrmals pro Woche nutzen (vgl. mpfs, JIM-Studie 2009, S.16), in Cyber-Mobbing hinein. Es werden beispielsweise peinliche und/oder abschreckende Bilder oder Videos mit den Handys aufgenommen und veröffentlicht. Nunmehr kann das Opfer in eine Art Kreislauf hineingeraten. Andere Mitschüler könnten bei dem Mobbing mitmachen und so könnte der angegriffene Jugendliche zukünftig auch in der Schule zum Opfer klassischen Mobbings werden. „95 Prozent der Jugendlichen haben ein eigenes Mobiltelefon“ (mpfs, JIM-Studie 2009, S.53) und 94 Prozent der eigenen Handys der Jugendlichen sind mit einer Kamera ausgestattet (vgl. ebd.). Dadurch können jederzeit bloßstellende Bilder oder Videos von Jemandem gemacht werden, welche für Mobbingattacken genutzt werden könnten. Besonders alarmierend ist, dass jeder dritte Jugendliche schon einmal mitbekommen hat, dass eine Schlägerei mit einem Handy gefilmt worden ist (vgl. mpfs, JIM-Studie 2009, S.58). Neben dem klassischen Mobbing scheint auch Cyber-Mobbing somit ein fester Bestandteil der Schülerkultur geworden zu sein.

2 Ursachen von Mobbing

Wichtig ist mir, vorab festzuhalten, dass es nicht die eine Erklärung für Mobbing gibt, sondern dass es „eine Reihe von Theorien bzw. Erklärungsmodellen für Aggression und Gewalt“ (Schubarth 2010, S.51) gibt, da dieses Phänomen ein interdisziplinäres Feld darstellt. Neben einer Vielzahl von soziologischen und psychologischen Erklärungsmodellen gibt es auch sogenannte integrative Ansätze, welche die soziologischen und die psychologischen Modelle miteinander verknüpfen. In meiner folgenden Darstellung werde ich mich auf einen der integrativen Erklärungsansätze stützen, und zwar auf den sozialisationstheoretischen, da dieser meines Erachtens den breitesten Blickwinkel hat, sich nicht auf einzelne Ursachenbereiche beschränkt, Multiperspektivität innehat und somit auch in einem weiteren Schritt viele Möglichkeiten der Prävention bietet.

2.1 Wodurch ist Mobbing begründet?

Mobbing kann eine Reihe verschiedenster Ursachen haben, denn Kinder „werden schließlich nicht gewalttätig geboren“ (Jannan 2010b, S.10). Immer wieder wird betont, dass jeder Schüler zum Opfer werden kann (vgl. ebd., S.13). Opfer sind allerdings oftmals unbeliebt in der Klassengemeinschaft (vgl. Schäfer 2003b, S.2). „Wer also ein uncooles Handy hat, die 'falsche' Kleidermarke trägt, zu schlau, zu langsam oder sonst irgendwie auffällig ist, fällt rasch aus der Klassengemeinschaft heraus“ (Jannan 2010b, S.13) und könnte somit schnell zum potentiellen Mobbingopfer werden.

Insbesondere die Sozialisationsinstanzen, die ein Kind oder ein Jugendlicher durchläuft (u. a. Familie und Schule), sind bei der Ursachenfindung von großer Relevanz. Auch die Persönlichkeit der betroffenen Personen selbst und der Einfluss der Gleichaltrigengruppe spielen eine bedeutende Rolle. Auch die gesellschaftlichen Strukturen und die Beeinflussung durch die Medien sind zu berücksichtigen. Schubarth (2010) fasst die komplexe Ergründung von Gewalt und Mobbing wie folgt zusammen: „Ob und wann Gewalt auftritt, hängt sowohl von längerfristigen Sozialisationseinflüssen (z. B. Familie, Schule, Peergroup, Medieneinflüsse u. a.) als auch von situativen Faktoren und gesellschaftlichen Bedingungen ab.“ (S.47) Im Folgenden werden diese verschiedenartigen Determinanten hinsichtlich der möglichen Ursachen für Mobbing aufgezeigt.

2.1.1 Schule als Lernort und als Sozialisationsinstanz

Die Schule fungiert in erster Linie zwar als Lernort für Schüler, in zweiter Linie übernimmt sie aber eine zentrale Rolle im Sozialisationsprozess der Kinder und Jugendlichen - neben der anderen großen Sozialisationsinstanz, der Familie. „Schule kann Fehlentwicklungen in der Familie nicht kompensieren - schulische Bedingungen haben aber Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung“ (Schubarth 2010, S.47). Unter anderem durch das an der Schule herrschende Klima und die Lernkultur können Schulen Mobbing vorbeugen6, denn auch ein schlechtes Klima in der Schule kann laut Hinduja & Patchin (2009) die Mobbing-Gefahr begünstigen (vgl. S.139). „In Schulen mit einer guten Lernkultur und einem guten Sozialklima gibt es auch weniger Gewalt“ (Schubarth 2010, S.75). Schubarth (2010) proklamiert außerdem, dass ein erhöhtes Risiko für das Begehen von Gewalt- und Mobbingtaten „bei der Kombination von Leistungsversagen des Kindes, überhöhten Erwartungen der Eltern, sozialer Stigmatisierung und Anschluss an deviante Peergroups“ (S.47) bestehe.

Auch unprofessionelles Lehrerhandeln kann Aggressionen und Mobbing begünstigen (vgl. Schubarth 2010, S.75). Verhaltensweisen wie etwa „überwiegend strafendes Verhalten in der Klassenführung, keine ausreichende Würdigung prosozialen Verhaltens der Schüler, [...] unklare Regeln [... oder] aggressives und entwürdigende[s] Verhalten von Lehrkräften“ (ebd.) können das Auftreten von Mobbing begünstigen. Auch Ungerechtigkeit, vor allem bei der Notengebung, seitens der Lehrkräfte kann Aggressionen und Mobbing fördern (vgl. Küchemann 2006, S.37). Im Bezug auf den Unterricht sollte keine Langeweile aufkommen (vgl. Jannan 2010a, S.29) und die Notengebung darf nicht willkürlich erscheinen, sondern die „Bewertungskriterien müssen offengelegt und den Schülern erklärt werden“ (Schubarth 2010, S.103). Küchemann (2006) sagt außerdem, dass Lehrer durch die Etikettierung von Schülern (z. B. als Außenseiter/Einzelgänger) die Wahrnehmung der anderen Schüler verstärkt und Mobbing somit begünstigt (vgl. S.65). Es ist allerdings schwierig für einen Lehrer, die unbewusste Wahrnehmung eines solchen Schülers nicht nach außen zu tragen (vgl. ebd.). Jannan (2010a) sagt außerdem, dass Mobbing begünstigt werden kann, weil „Schul- und Klassenregeln [...] zu wenig verbindlich oder sogar beliebig [sind]“ (S.28).

Kinder und Jugendliche verbringen viele Jahre in der gleichen Schulklasse und sind lange Zeit von den gleichen Mitschülern umgeben. Die Schulklasse stellt somit einen weiteren Sozialisationszusammenhang dar, welcher an dieser Stelle auch berücksichtigt werden sollte. Die in einer Schulklasse vorherrschenden Machtstrukturen können Schüler dazu verleiten, zu Mobbingtätern oder -opfern zu werden (vgl. Schäfer et al. 2004, S.3). Die Autoren sprechen von einer „strong social hierarchy“ (ebd.), in welcher es Schüler mit niedrigem und mit hohem sozialen Status gibt. Oftmals wollen Schüler, die in der Klasse einen hohen sozialen Status haben, diesen auch beibehalten. Um dieses Ziel zu erreichen, werden häufig Schüler mit niedrigem sozialen Status gemobbt, um sie in der sozialen Leiter nicht weiter aufrutschen zu lassen (vgl. ebd.). Der soziale Status, der einer Person in einer Umgebung wie etwa einer Schulklasse zugeschrieben wird, sagt also viel über die Wahrscheinlichkeit aus, ein Mobbingtäter bzw. -opfer zu werden. Hinzu kommt, nach Schäfer et al. (2006), dass „die Verbindung zwischen geringem sozialem Status in der Kindheit und aktuellen wie zukünftigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten, z. B. Depression, Einsamkeit oder Delinquenz, [...] vielfach beschrieben [ist]“ (S.9) - wenn eine Person mit geringem sozialen Status auch zum Mobbingopfer wird, dann ist es noch wahrscheinlicher, dass diese Symptomatiken eintreten.7

2.1.2 Aussehen und Verhalten der Schüler

Auch die Persönlichkeitsmerkmale, die „individuelle[n] Verhaltensdispositionen“ (Schubarth 2010, S.55) und das Aussehen der Schüler spielen eine Rolle bei der Ursachenfindung von Mobbing. In der Entwicklung eines Kindes/Jugendlichen werden Persönlichkeitsmerkmale durch den Sozialisationsprozess geprägt und diese können das Hineingeraten in einen Mobbingvorfall entweder begünstigen oder unwahrscheinlicher werden lassen.

Risikoerhöhende Bedingungen dafür, zum Mobbingopfer zu werden, legen Scheithauer et al. (2003) dar. Vor allem „körperlich schwache Kinder, übergewichtige Kinder oder Kinder mit anderen äußerlichen Beeinträchtigungen (z. B. Seh-, Sprechbeeinträchtigungen)“ (S.72) scheinen häufiger zu Opfern von Mobbing zu werden. Auch Kinder und Jugendliche mit Lernauffälligkeiten und außergewöhnlichen Merkmalen (z. B. rote Haare zu haben, besonders klein zu sein oder mit eigentümlichem Dialekt zu sprechen) scheinen besonders gefährdet zu sein, ein Mobbingopfer zu werden (vgl. Wachs 2009, S.50). Olweus (2006) sagt hingegen, dass äußerliche Auffälligkeiten im Hinblick auf das Mobbingrisiko eine geringere Rolle spielen, als allgemein angenommen wird (vgl. S.40).

Die Persönlichkeit und das Verhalten betreffend, stellt Jannan (2010b) des Weiteren fest, dass mobbinggefährdete Kinder und Jugendliche „eher ängstlich und unsicher sowie tendenziell sensibel und vorsichtig [sind]“ (S.12). Sie verhalten sich außerdem oft still, ignorieren die für sie gefährlichen Schüler, haben keine oder wenige Freunde, reagieren auf Angriffe oftmals mit Weinen und Rückzug und haben ein schwaches Selbstwertgefühl (vgl. ebd.).

Hinzu kommt auch, dass Kinder und Jugendliche, welche über keine gut ausgeprägten Bewältigungsfertigkeiten verfügen, durch dieses Kompetenzdefizit besonders in die Opfer- bzw. Täterrolle hineingeraten (vgl. ebd., S.73), weil ihnen keine geeigneten Strategien einfallen, mit Konflikten auf eine andere Art und Weise umzugehen. „Auch scheint die Hemmschwelle, bei Provokationen mit Gewalt [und Mobbing] zu reagieren, geringer geworden zu sein“ (Schubarth 2010, S.58). Neben mangelnder sozialer Kompetenzen sind auch mangelndes Empathievermögen, Impulsivität und Egozentrismus Merkmale, welche bei Mobbingtätern häufig auftreten (vgl. ebd., S.75).

2.1.3 Familie und Herkunft

Wie oben bereits betont, werden Kinder und Jugendliche auch in ihrer Familie und durch ihre Herkunft geprägt. Schubarth (2010) betont, dass [a]ggressive und gewalttätige Kinder und Jugendliche [...] nicht als solche geboren [werden], sondern im Sozialisationsverlauf dazu gemacht [werden]“ (S.47). Wenn Gewalt schon frühzeitig in der Familie eines Kindes/Jugendlichen als alltäglich erlebt wird, dann empfinden die Heranwachsenden solche Umgangsformen als normal und die Wahrscheinlichkeit steigt, dass auch sie einmal zu dem Ausführen von Gewalttaten oder Mobbingattacken neigen. Schubarth (2010) legt weiterhin dar, dass gewalttätige oder mobbende Kinder und Jugendliche überdurchschnittlich häufig aus Familien mit schwierigen Familienverhältnissen kommen und dass sich dies beispielsweise durch soziale Probleme, eheliche/erzieherische Probleme der Eltern oder auch durch mangelndes Selbstwertgefühl der Eltern (etwa durch Arbeitslosigkeit, kümmerliche Wohnbedingungen oder Alkoholsucht) widerspiegelt und sich auf die Töchter und Söhne niederschlagen kann (vgl. S.47). Die familialen Kontextfaktoren „gelten als einflussreiche Wirkmechanismen auf positive und negative Entwicklungsverläufe von Kindern“ (Ittel et al. 2005, S.138). Jannan (2010b) betont, dass auch Kinder und Jugendliche, welche von ihren Eltern überbehütet werden, eine erhöhte Wahrscheinlichkeit aufweisen, zum Mobbingopfer bzw. -täter zu werden (vgl. S.12). Auf der anderen Seite kann auch eine zu tolerante Erziehung durch einen „Mangel an Grenzziehung durch die Eltern“ (Jannan 2010a, S.35) den gleichen Effekt nach sich ziehen.

Ein weiterer Erklärungsansatz liegt in der Bindungstheorie begründet, denn Gebauer (2007) postuliert, dass Mobbing oftmals eine „Folge unsicherer Bindungserfahrungen“ (S.43) sei. Dazu passt die These von Scheithauer et al. (2003), welche besagt, dass „Bullying als ein intergenerationales Problem anzusehen ist“ (S.81), da Kinder und Jugendliche, die innerhalb ihrer Familiensituation Gewalt oder sogar Misshandlungen erfahren mussten, oftmals auch selbst zum Täter werden (vgl. ebd.). Gewalterfahrungen während der familialen Sozialisation fördern die Gewaltaffinität bei Kindern und Jugendlichen (vgl. Schubarth 2010, S.73). Genetische Einflussfaktoren, wie etwa erbliches Temperament, der sozioökonomische Status der Familie und die Modellwirkung der Eltern im Bezug auf gewaltfreies Konfliktlösen (vgl. Wachs 2009, S.69) werden ebenfalls als Faktoren genannt, die es begünstigen, zum Mobbingtäter zu werden. Auch für Kinder und Jugendliche belastende Lebensereignisse wie etwa die Trennung/Scheidung der Eltern können es begünstigen, zum Mobbingtäter zu werden (vgl. Malti 2005, S. 114).

Zum Zusammenhang von Mobbing mit ethnischer Herkunft kann Folgendes festgestellt werden: „Die Annahme, dass es einen Zusammenhang zwischen Bullying und Migrationshintergrund gibt, ist nachvollziehbar.“ (Wachs 2009, S.60). Unterschiedliche Untersuchungen konnten aber „keinen signifikanten Zusammenhang zwischen Bullying und Migrationshintergrund nachweisen“ (ebd.), höchstens ein sehr geringer Einfluss wird durch Jannan (2010b) bescheinigt (vgl. S.11). Schüler mit Migrationshintergrund weisen zwar insgesamt eine deutlich höhere Delinquenzrate auf (vgl. Schubarth 2010, S.72), jedoch fallen darunter eher einmalige Gewalttaten, wie z. B. Körperverletzungen und keine gezielten und wiederholten Mobbinghandlungen. Einen ethnisch bedingten Hintergrund für Mobbingverhalten scheint es also nicht zu geben. Schubarth (2010) führt aber an, dass mit zunehmendem Anteil an Migrantenschülern in der Klasse die deutschen Schüler häufiger von Mobbingvorfällen berichten (vgl. S.80). Dieser Zusammenhang wird aber nicht auf die bloße Tatsache des Migrationshintergrundes zurückgeführt, sondern vielmehr auf eine Art Gruppenphänomen: „Das heißt, Angehörige von Minderheiten - egal ob deutscher oder nichtdeutscher Herkunft - werden offenbar eher zum Opfer von Angriffen anderer Schüler als Angehörige der jeweiligen Mehrheit“ (ebd.).

2.1.4 Einflüsse durch die Peergruppe

Wie bereits erwähnt, übernimmt auch die Peergruppe eine wichtige Funktion bei der Identitätsfindung eines Jugendlichen. Die Peergruppe hat für Kinder und Jugendliche eine „erhebliche Bedeutung für Rollenlernen und Identitätsbildung“ (Küchemann 2006, S.49).

Jugendliche werden durch die Werte und Normen der Peergruppe beeinflusst und übernehmen diese oftmals auch in ihr vorhandenes Verständnis von Moral (vgl. Scheithauer et al. 2008, S.21). Jugendbanden und Jugendgangs „beeinflussen unmittelbar den Sozialisationsprozess“ (Fuchs & Luedtke 2008, S.274f.). Falls Jugendliche zu einer bestimmten Jugendsubkultur gehören, nehmen sie den jeweiligen Lebensstil und somit unter Umständen auch die dazugehörigen Risikoverhaltensweisen an (vgl. Scheithauer et al. 2008, S.21). Wenn die Peergruppe also beispielsweise relativ gewaltbereit ist, stellt sie ein Risiko dar. Denn durch den hohen Einfluss, den eine Gleichaltrigengruppe auf Grund der oftmals existierenden „Altersgruppeneffekte“ (Schubarth 2010, S.55) auf einen Jugendlichen haben kann, wird die Wahrscheinlichkeit größer, dass dieser bei Mobbingattacken mitmacht. Jugendliche, die keine gute Beziehung zu ihren Eltern und zu ihrer Familie haben, dort nicht die nötige Anerkennung und Zuwendung erfahren und auch nicht ausreichend von ihren Eltern anerkannt und wertgeschätzt werden, könnten auch versuchen, diese Befriedigung durch die Peergruppe zu erlangen, indem sie sich den Handlungen dieser Gruppe anschließen (vgl. Schubarth 2010, S.47). Die Clique wird dann „zur Kompensation für fehlende Anerkennung in Schule und Familie“ (ebd., S.74) genutzt. Hier spielt auch der in 2.1.1 angesprochene soziale Status wieder mit ein, denn Schäfer et al. (2004) vermuten, dass mit steigender Ausprägung der Hierarchiestruktur in einer Schulklasse auch die Wahrscheinlichkeit steigt, dass Mobbingopfer ihren niedrigen sozialen Status beibehalten (vgl. S.7) und somit langfristiges Opfer von Mobbingattacken bleiben. Auch wurde festgestellt, dass die Mobbingopfer mit niedrigem sozialen Rang selten Unterstützung von Mitschülern aus der Schulklasse bekommen (vgl. ebd., S.3).

2.1.5 Gesellschaftliche Strukturen und Medien

Beim Versuch, alle möglichen Ursachen für Mobbing mit einzubeziehen, dürfen auch gesellschaftliche Strukturen, die Beeinflussung durch Medien und situative Einflüsse nicht unberücksichtigt bleiben.

Die gesellschaftlichen Bedingungen können auch dazu beitragen, dass Gewalt und Mobbing gefördert und verstärkt werden (vgl. Schubarth 2010, S.48). Als mögliche Ursache, welche Jugendliche dazu bewegt, zu Mobbingtätern zu werden, wird unter anderem auch die Unsicherheit und die Perspektivlosigkeit, welche die gesellschaftliche Situation für die Jugendlichen heutzutage mit sich bringt, als Erklärung herangezogen (vgl. Gebauer 2007, S.32) . Besonders eine ökonomisch unbefriedigende Lage könnte dazu beitragen - beispielsweise durch eine ungünstige Lehrstellensituation, durch Arbeitslosigkeit, Armut oder einer desolaten Wohnungssituation (vgl. ebd.). Durch solche Lebensumstände können sich Jugendliche schnell ausgegrenzt und wertlos fühlen, was sie folglich zu Gewalt- und Mobbingtaten verleiten könnte. Hinzu kommen auch Faktoren wie eine niedrige Hemmschwelle gegenüber Gewalt, eine gesellschaftliche Tendenz hin zu extremer IchBezogenheit, ein allgemeiner Werteverfall und die zunehmende Vereinsamung der Kinder hinsichtlich ihrer Erziehung (vgl. Schubarth 2010, S.73).

Die Massenmedien haben in der heutigen Zeit einen besonderen Stellenwert erlangt. Die JIM-Studie (2009) hat aufgezeigt, dass die Massenmedien für Kinder und Jugendliche zunehmend wichtiger geworden sind und dass sie sich davon auch stark beeinflussen lassen. Insbesondere Mediensensationen wie die eingangs erwähnten Amokläufe des letzten Jahrzehnts haben in den Medien eine außerordentlich große Präsenz gefunden. Solche öffentlichen Darstellungen von Gewalt sind allerdings mit einem Wirkungsrisiko verbunden (vgl. Schubarth 2010, S.47), da die Jugendlichen insofern davon beeinflusst werden können, dass es u. a. zu „Nachahmungs-, Gewöhnungs- und Abstumpfungseffekten [und] zur Trivialisierung von Gewalt als 'normalem' Problemlösungsmittel“ (ebd.) kommen kann. So gab es durch die Dramatisierung, die Skandalierung (vgl. Schubarth 2010, S.56) und die Betonung des Gewalt- und Mobbingaspektes im Zusammenhang mit den Amokläufen in den Medien im Jahr 2009 - nach dem Amoklauf in Winnenden - „bundesweit hunderte Drohungen und 'Trittbrettfahrer', in Nordrhein-Westfalen allein über 500“ (ebd., S.10).

Ein weiterer medialer Einfluss, welcher aggressive Dispositionen nachweislich fördert, ist der „Konsum von Horror-, Kriegs- und Sexfilmen“ (ebd., S.74), denn ein übermäßiger Konsum solcher Filme oder auch themenähnlicher, gewaltverherrlichender Computer- und Videospiele steht in einem deutlichen Zusammenhang mit der Bereitschaft zu Gewalt- und Mobbingtaten (vgl. ebd.). Filme oder Spiele dieser Art „führen zu einem Abtrainieren von Hemmungen und zu einer Konditionierung zur Empathielosigkeit“ (Jannan 2010a, S.20). Die Kinder beziehungsweise Jugendlichen ziehen sich folglich zurück, weisen oftmals schlechtere Schulleistungen auf (vgl. Züge et al. 2008, S.184f.) und lassen ihren Frust mittels Mobbing und/oder Gewalt an anderen Jugendlichen ab.

Auch situative Umstände können mitverantwortlich bei einer Mobbingtat sein. Etwa durch Alkoholeinfluss, durch Einmischung von Fremden, durch Affekthandlungen oder durch verzerrte Wahrnehmungen (z. B. Unbeteiligte als Sündenbock zu sehen) sind Eskalationen wahrscheinlicher und Mobbingtaten können begünstigt werden (vgl. Schubarth 2010, S.48).

2.2 Welche Anzeichen gibt es für Mobbing in der Schule?

Wenn Bullying einmal entstanden ist, dann ist es schwer zu stoppen, da beim Bullyingprozess eine Art Teufelskreislauf entstehen kann.8 Es gilt aber, Mobbing zwischen Mitschülern möglichst frühzeitig zu erkennen. Gebauer (2007) hat dazu mehrere Erscheinungsformen von Mobbing innerhalb der Klasse herausgestellt. Wenn Lehrer auf diese Erscheinungsformen aufmerksam werden, dann sollten sie überprüfen, ob eventuell ein Mobbingprozess innerhalb der Klasse vorliegt:

„Hefte und andere Materialien verschwinden,

Schulsachen werden beschädigt oder zerstört,

Kleidungsstücke werden versteckt oder zerstört,

das Fahrrad wird beschädigt,

über einen Schüler/eine Schülerin wird hinter seinem/ihrem Rücken schlecht geredet,

es werden über eine Person Gerüchte verbreitet,

es erfolgt ein Ausschluss aus sozialen Verbindungen,

jemand wird vor anderen lächerlich gemacht, z. B. beim Lösen einer Aufgabe an der Tafel

Mitschüler machen Andeutungen, flüstern,

jemand darf bei Gruppenarbeiten nicht mitmachen,

man verbietet einem Schüler/einer Schülerin, sich aktiv am Unterricht zu beteiligen,

Kinder, die sich mit dem Mobbingopfer solidarisieren, werden unter Druck gesetzt,

es kommt zu körperlichen Übergriffen (stoßen, schlagen, kneifen, treten, Bein stellen, streicheln, tätscheln, Nahrung verunreinigen,

es gibt sexuelle Diffamierungen, Verleumdungen, Anspielungen und Provokationen,

Demütigungen erfolgen mit Worten und Zeichnungen auf Zetteln, in Briefen, in E-Mails und durch Nachrichten auf dem Handy,

andere Kinder werden zu aggressiven Tätern gegen das Mobbingopfer angestachelt,

man macht sich über etwas Persönliches lustig (Körperformen, Nase, Figur, Behinderung),

jemand wird permanent als dumm hingestellt, wird beschimpft und beleidigt, unter Druck gesetzt, bedroht (mit und ohne Waffen),

es werden Verletzungen zugefügt,

es kommt zu Erpressung von Geld oder anderen Leistungen“ (S.30f.)

Eine weitere Auflistung von Warnsignalen, die Eltern, Lehrkräfte oder Mitschüler darauf aufmerksam machen können, dass eine Person gemobbt werden könnte (Victim) oder selber mobbt (Bully) findet sich bei Scheithauer et al. (2003).9

Selbstverständlich können auch Eltern die Vermutung haben, dass ihr Kind in der Schule gemobbt wird, indem sie beispielsweise ungewöhnliche Verhaltensweisen an ihrem Kind erkennen und folgende Beobachtungen machen, welche von Jannan (2010b) zusammengetragen werden: Wenn ein Kind häufig launisch, aggressiv, unsicher oder zurückziehend wirkt, dann sollten Eltern sich Gedanken machen (vgl. S.17). Des Weiteren fällt ein Mobbingopfer oftmals durch einen starken Abfall der schulischen Leistungen auf und möchte teilweise nicht mehr zur Schule gehen, schwänzt die Schule heimlich oder täuscht den Eltern Unwohlsein vor (vgl. ebd.). Weitere Auffälligkeiten sind unter anderem noch, dass das Kind häufig angeblich sein Geld oder andere Gegenstände verloren hat und dass es mit körperlichen Beschwerden von der Schule kommt (vgl. ebd.).

3 Folgen von Mobbing: Was kann passieren, wenn nicht oder zu spät eingegriffen wird?

Mobbing kann je nach Ausmaß und Stärke die verschiedensten Folgen nach sich ziehen. Besonders die Opfer haben häufig langfristig unter den Mobbingattacken zu leiden, aber auch für die Täter können Folgen entstehen. Schubarth (2010) beschreibt, dass sowohl physische Gewalt (z. B. körperliche Verletzungen), als auch psychische Gewalt (z. B. Schädigung durch Ablehnung, durch seelische und emotionale Qualen) zum Mobbing dazugehört (vgl. S.19). Auch in der folgenden Darstellung der möglichen Folgen von Mobbing soll an diesen Kategorien festgehalten werden. Zunächst werden die Folgen auf physischer und gesundheitlicher Ebene festgestellt und daraufhin sollen die Folgen auf psychischer, schulischer und sozialer Ebene genauer untersucht werden. Dazu werden jeweils Fallbeispiele geliefert, sodass die Unterschiede in den möglichen Folgen von Mobbing noch deutlicher werden und anhand dessen erläutert werden können.

3.1 Folgen auf physischer/gesundheitlicher Ebene

Die physischen und gesundheitlichen Auswirkungen von Mobbingattacken auf die Opfer sollten keinesfalls unterschätzt werden, da die Opfer oftmals in vielen verschiedenen Hinsichten mit den Folgen zu kämpfen haben.

Dass Mobbingopfer körperliche und gesundheitliche Folgen nur von direktem körperlichen Mobbing, wie z. B. durch Schläge oder Tritte, davontragen, ist ein Trugschluss. Auch durch verbales oder relationales Mobbing können die Opfer massiv gesundheitlich beeinträchtigt werden. Der Schaden, der einem Mobbingopfer an seinem Körper zugefügt wird, ist nur eine Seite der möglichen Auswirkungen. Denn auch wenn der rein körperliche Schaden wieder verheilt ist, können dennoch gesundheitliche Schäden zurückbleiben. Neben Symptomen wie Schlaflosigkeit, Bauchschmerzen und Kopfschmerzen (vgl. Gebauer 2007, S.46) , zählen auch psychosomatische Beschwerden wie z. B. Essstörungen, zu den körperlichen Folgen von Mobbing (vgl. Wachs 2009, S.77). Durch den Psychostress, dem Mobbingopfer ausgesetzt sind, ist langfristig sogar eine Schädigung im Sinne einer posttraumatischen Belastungsstörung denkbar (vgl. Allermann 2008, S.8), welche eine lang anhaltende Traumatisierung nach sich zieht. Diese Opfer sind meist viele Jahre nach ihren Mobbingerlebnissen noch traumatisiert und sehr gefährdet, in eine langjährige Depression zu fallen (vgl. Korn et al. 2006, S.5).

3.1.1 Ein Fallbeispiel

Das folgende Fallbeispiel soll verdeutlichen, wie sehr Mobbingopfer unter der körperlichen Gewalt von ihren Mitschülern zu leiden haben und inwiefern sich die Attacken auf ihre Gesundheit auswirken kann.

„Vor der Schule wartete Thomas auf Jens. „Hey, du dicke Sau, wie viel Geld hat deine Mutti dir heute mitgegeben? Ich denke, du solltest eine Diät machen!“. Die Kinder um Thomas fingen an zu lachen und beschimpften Jens. Jens selbst versuchte, so schnell wie möglich an der Gruppe vorbeizugehen. „Ich werde einfach versuchen, auf den Boden zu schauen, damit niemand auf mich aufmerksam wird“, sagte er sich selbst. Thomas, der die Gruppe mittlerweile verlassen hatte, holte Jens ein, um ihn zu bedrängen. „Komm, lass' uns hier herüber gehen, wo wir alleine sind“. Hinter der nächsten Ecke schlug Thomas Jens in den Magen, „so, du dicke Sau! Das hast du verdient!“. Jens krümmte sich und rang nach Atem; er zeigte keinen Widerstand. Das passierte Jens schon viele Male, da Thomas ihn schon oft vor den anderen blamierte und ihn trat oder schlug. Jens sorgte sich jeden Tag und hatte Angst vor dem täglichen Gang zur Schule - dieser wurde für ihn zur Qual. Noch nicht einmal während der Schulstunde konnte er sicher sein vor Thomas und seinen Freunden. Vor allem, dass sie ihn nachäfften, wie zum Beispiel im Sportunterricht, und sich vor den Mädchen über ihn lustig machten, demütigte ihn. Und in den Pausen wurde Jens geschnitten; eigentlich war es egal, ob er da war oder nicht. Niemand spielte oder redete mit ihm, niemand wollte ihn dabei haben. Thomas und seine Clique warfen ihm zwar vereinzelt Blicke zu, jedoch nur aus Verachtung. Das Tuscheln über ihn vernahm Jens schon gar nicht mehr. Wie froh wäre er nur, schon zu Hause zu sein, endlich Wochenende - nur noch sechs Wochen bis zu den Sommerferien. Jens wusste einfach nicht, wie er diese Zeit herumkriegen sollte...er verzweifelte immer mehr...“ (Scheithauer et al. 2003, S.13)

3.1.1.1 Erläuterungen und Diskussion des Fallbeispiels

Das Fallbeispiel zeigt, wie belastend die alltäglichen Angriffe auf ein Opfer von Mobbing in der Schule sein können. Jens muss einerseits verbales Mobbing durch seine Mitschüler über sich ergehen lassen, denn er wird ausgelacht und beschimpft, z. B. mit den Worten „dicke Sau“ (ebd.). Andererseits wird Jens aber auch körperlich angegriffen, indem Thomas Jens schlägt und tritt. Außerdem ist in dem Fallbeispiel auch eine Art des relationalen Mobbings (vgl. Korn et al. 2006, S.4f.) erkennbar, denn Jens wird auch von vielen anderen Mitschülern gemieden: „Niemand spielte oder redete mit ihm, niemand wollte ihn dabei haben“ (ebd.).

Neben den rein körperlichen Schmerzen (physische Ebene), etwa nach dem Schlag in den Magen, muss Jens auch die psychischen Belastungen ertragen, die das Mobbing mit sich bringt. Er fühlt sich ausgegrenzt, ausgelacht und verachtet. Hier spielt auch die soziale Ebene eine Rolle, denn Thomas, der Haupttäter, scheint viele Mitschüler davon überzeugt zu haben, Jens entweder auch zu mobben, oder ihn wenigstens zu ignorieren. Die Clique von Thomas unterstützt diesen bei den Mobbingangriffen. Somit liegt ein Machtungleichgewicht vor, denn Jens erfährt keinerlei Unterstützung von anderen Mitschülern und weiß, dass er allein nicht dagegen ankommt. Nach einer längeren Dauer der Mobbingattacken verzweifelt er immer mehr, weiß sich nicht zu wehren und gerät in eine Hilflosigkeit hinein. Jens reagiert typisch, denn er denkt nicht darüber nach, einem Lehrer oder seinen Eltern von den Mobbingtaten zu erzählen und hofft stattdessen darauf, dass bald die Sommerferien beginnen und er dann seinen Mitschülern aus dem Weg gehen kann. Die Kriterien von Olweus (2000) dafür, dass Mobbing vorliegt, sind also erfüllt: Jens wird (verbal und körperlich) über einen längeren Zeitraum wiederholt angegriffen. Ein Machtungleichgewicht zwischen Täter und Opfer liegt vor und das Opfer gerät in eine Hilflosigkeit hinein (vgl. S.10f.).

Weitere Faktoren, die aus dem Fallbeispiel hervorgehen, sind beispielsweise, dass Jens einen sehr niedrigen sozialen Status in der Schulklasse zu haben scheint, während der Haupttäter Thomas einen sehr hohen sozialen Status hat, da er durch seinen Einfluss viele andere Mitschüler davon überzeugen kann, Jens auch zu verachten. Auffällig ist auch, dass Jens stets versucht, die Tätergruppe zu meiden, indem er ihnen aus dem Weg geht, „damit niemand auf [ihn] aufmerksam wird“ (Scheithauer et al. 2003, S.13). Somit ist Jens ein passiver Opfertyp. Jannan (2010b) sagt, dass Ignorieren der Täter ein typisches Anzeichen für Opfer ist (vgl. S.17). Weiterhin entwickeln Opfer oftmals auch Schulangst (vgl. ebd.), wollen am liebsten nicht mehr in die Schule gehen und ersehnen die Tage, an denen sie nicht in die Schule gehen müssen. So auch in dem Fallbeispiel, denn Jens freut sich immer auf das Wochenende und zählt sogar die verbleibenden Wochen bis zu den Sommerferien. Außerdem hatte Jens „Angst vor dem täglichen Gang zur Schule - dieser wurde für ihn zur Qual“ (Scheithauer et al. 2003, S.13), was auch für das Entwickeln von Schulangst spricht.

Vermutlich würde Jens ohne fremde Hilfe nicht aus dieser Mobbingsituation herauskommen, da es auch keine Mitschüler gibt, die sich im Sinne einer verteidigenden Rolle für ihn einsetzen. Es ist wahrscheinlich, dass Jens neben den körperlichen Blessuren auch psychische Beschwerden bekäme, wenn das Mobbing langfristig weiter so stattfinden würde. Ebenfalls wahrscheinlich wäre ein Abfall der schulischen Leistungen, da sich die Opfer nicht mehr ausreichend auf die Schule konzentrieren können, wenn ihr Alltag von Mobbingschikanen geprägt ist (vgl. Jannan 2010b, S.17).

3.2 Folgen auf psychischer/schulischer/sozialer Ebene

Die Folgen von Mobbing auf psychischer, schulischer und sozialer Ebene sind viel weitreichender als die rein körperlichen Folgen. Durch alle Formen von Mobbing, verbales, körperliches oder relationales, können Symptomatiken bei den Opfern festgestellt werden, die durchaus als verheerend bezeichnet werden sollten, denn Mobbing „führt zu zum Teil erheblichen langfristigen individuellen psychischen wie somatischen Konsequenzen“ (Jäger et al. 2007b, S.37).

Neben Antriebslosigkeit (vgl. Gebauer 2007, S.46), Traurigkeit, Bettnässen (vgl. Scheithauer et al. 2003, S.69), Angst, Wut und Scham können auch Unkonzentriertheit, Einsamkeit, Selbstmitleid, die persönliche Abwertung, Depressionen, Schulverweigerung, Introvertiertheit und sogar Suizidgedanken (vgl. Wachs 2009, S.69,76) zu den Folgen für Opfer von Mobbing gezählt werden. Hilflosigkeit, Motivationsprobleme und Stigmatisierung (vgl. S.11) werden als zusätzlich mögliche Auswirkungen von Rössler (2009) aufgezählt. Auf langfristiger Basis sind auch Beziehungsprobleme, soziale Anpassungsprobleme und schulische Leistungsprobleme möglich (vgl. Wachs 2009, S.77). Schäfer (2003a) nennt außerdem emotionale Verlassenheit, fehlende soziale Akzeptanz, Schwierigkeiten, Freundschaften aufrechtzuerhalten und angstbesetzte Partnerbeziehungen (vgl. S.1) als Langzeitauswirkungen von Mobbing auf die Opfer. Manche Opfer erinnern sich noch Jahrzehnte nach den Mobbingerlebnissen an ihre Qualen zurück und träumen auch von den damaligen Attacken (vgl. ebd.). „Signifikant sind auch ihr fehlendes Vertrauen in andere und die Furcht, verletzt zu werden, wenn sie Nähe zulassen“ (ebd.). Immer wieder wird in der Literatur auch der Hang zu Selbstmordgedanken der Mobbingopfer betont, denn unter solchen Symptomatiken leidend, sehen manche Opfer keinen Sinn mehr in ihremLeben und halten es für wertlos (vgl. Schäfer et al. 2006, S.28), da es so quälend auf sie wirkt, obwohl die Mobbingvorfälle möglicherweise schon Jahre oder sogar Jahrzehnte zurückliegen. Eltern sollten darüber nachdenken, ihrem Kind psychologische Hilfe zukommen zu lassen (vgl. Olweus 2006, S.104), wenn es von Mobbing betroffen ist/war.

Es ist bisher schon mehrmals vorgekommen, dass ein Opfer „keinen Ausweg mehr sieht und selbst zum Täter wird“ (Wachs 2009, S.80), indem es zum Beispiel einen Amoklauf in seiner (ehemaligen) Schule plant und auch durchführt. Besonders tragisch ist es, wenn ein Mobbingopfer sich auf Grund lang andauernder Mobbing-Qualen selbst umbringt. Man spricht dann von 'Bullycide' und vermutet eine hohe Dunkelzifferquote in diesem Bereich (vgl. ebd.). Eine Studie aus den USA hat ergeben, dass die Wahrscheinlichkeit für männliche Mobbingopfer, Selbstmordgedanken zu entwickeln um 10 Prozent erhöht ist, während sie bei weiblichen Mobbingopfern sogar um mehr als 20 Prozent erhöht ist (vgl. Hinduja & Patchin 2009, S.14). Außerdem weisen Mobbingtäter und -opfer ein erhöhtes Risiko für das Begehen von Straftaten wie u. a. Vandalismus, Ladendiebstahl oder Drogenmissbrauch auf (vgl. ebd.).

3.2.1 Ein Fallbeispiel

Im folgenden Fallbeispiel, einem Bericht von einem Schüler aus Bremen, soll deutlich werden, wie demütigend Mobbingvorfälle für einen Schüler tatsächlich sein können.

Mobbing im schulischen Kontext ist ein ernst zu nehmendes soziales Problem (vgl. Scheithauer et al. 2003, S.13), welches manche Kinder und Jugendliche im Schulalltag nahezu zur Verzweiflung treibt:

„Mehmet ist 14 Jahre alt und geht nicht mehr gerne zur Schule. Er ist in Deutschland geboren, seine Eltern sind in den 70er-Jahren aus der Türkei nach Deutschland ausgewandert. In der Grundschule kam er eigentlich noch ganz gut mit seinen Klassenkameraden zurecht, aber seit dem Schulwechsel ist das anders.

Auffällig an ihm ist, dass er sehr weiblich wirkt, eher schmal gebaut ist und auch seine Bewegungen „total schwul 'rüberkommen“ - so die anderen Jungen. Irgendwie interessiert er sich nun einmal nicht so sehr für die „typischen Jungendinge“ - spielt zum Beispiel nicht gerne Fußball. So fing es an, dass ihn die anderen Jungen auf dem Schulhof beschimpften, als „schwuler Türkenarsch“ oder „Türken-Homo-Tucke“. Erst dachte er sich nicht viel dabei, aber die Sprüche wurden immer massiver, zudem schnitten ihn die anderen immer mehr, wollten ihn nicht dabei haben. Und nicht nur das, nein, sie stachelten auch noch die Mädchen auf, redeten so über ihn in deren Gegenwart. Beim Sportunterricht, in der Umkleidekabine, wollte niemand mehr neben ihm sitzen und sich umziehen „ey, der guckt mir sonst noch alles weg...vorsicht, nicht bücken!“ - so etwas mußte [sic!] er sich die ganze Zeit anhören, zudem schubsten sie ihn oder versteckten seine Sachen, so dass er einmal fast verzweifelte, als er im Winter seine Sachen in der Umkleidekabine nicht wiederfand und schon in kurzer Turnhose nach Hause gehen wollte - der Lehrer schritt dann ein und forderte, dass die anderen seine Sachen wieder zurückgeben sollten, aber gab auch den Spruch ab: „Kannst du nicht besser darauf aufpassen?“. Es nutzte nichts, zu Hause traute er sich nicht, es einem [sic!] Vater oder seiner Mutter zu erzählen. Sein Vater war sehr streng und meckerte auch ständig an ihm rum. Am schlimmsten aber fand er, dass die anderen ihn ständig als „Homo“ bezeichneten - denn er fand ein Mädchen aus der Parallelklasse gut. Doch die hat überhaupt keinen Blick für ihn, schon gar nicht nach all den Vorfällen. Und so ist es für Mehmet am schlimmsten, dass die anderen ihn in seiner Männlichkeit kränken. Natürlich hat er verschiedene Versuche unternommen, Freunde zu gewinnen - „wenn die mich erstmal näher kennen, werden die schon merken, dass ich ganz normal bin“ - aber was er auch unternahm, es klappte nicht. Er lud sie zu seinem Geburtstag ein, doch sie kamen nicht. Er brachte ihnen Geschenke mit, kopierte zum Beispiel CD's - diese nahmen sie auch, aber wollten trotzdem nichts mit ihm zu tun haben. Irgendwie kam er aus dieser Sache nicht mehr so richtig raus. Was sollte er nur tun?“ (Scheithauer et al. 2003, S.25)

[...]


1 Zur Vereinfachung und aus Gründen der Lesbarkeit wird in dieser Arbeit die männliche bzw. neutrale Form zur Personenbeschreibung genutzt und auf das Anhängen von „-Innen“ verzichtet. Falls nicht ausdrücklich betont, sind aber stets beide Geschlechter gemeint.

2 Auf Mobbing zwischen diesen Parteien kann im Rahmen dieser Arbeit aber nicht näher eingegangen werden, da der Fokus auf Mobbing unter Schülern liegen soll.

3 Ein öffentlich geführtes Tagebuch, in welchem eine Person denunziert werden könnte (vgl. Wachs 2009, S.41).

4 z. B. „ICQ“ oder „MSN“

5 z. B. „SchülerVZ“, „MySpace“ oder „Facebook“

6 Siehe dazu auch Punkt 5.1 dieser Arbeit.

7 Siehe dazu auch Punkt 3.1 und 3.2 dieser Arbeit.

8 Ein Schaubild zum Teufelskreislauf beim Bullying (nach Olweus) kann dem Anhang I(A) entnommen werden.

9 Diese ergänzende Checkliste (nach Olweus) kann dem Anhang I(B) entnommen werden.

Ende der Leseprobe aus 119 Seiten

Details

Titel
Mobbing unter Jugendlichen an deutschen Schulen. Ursachen, Folgen und Präventionsmöglichkeiten
Hochschule
Universität Bielefeld  (Erziehungswissenschaften)
Note
1,3
Autor
Jahr
2011
Seiten
119
Katalognummer
V171371
ISBN (eBook)
9783640907397
ISBN (Buch)
9783640907526
Dateigröße
12761 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
mobbing, jugendlichen, schulen, ursachen, folgen, präventionsmöglichkeiten, Definition, Ausmaß, Jugendliche, Kinder, Bullying, Cyber-Mobbing, Aussehen, Verhalten, Familie, Herkunft, Sozialisation, Peers, Peergroup, Medien, Videospiele, Computerspiele, Film, Anzeichen, physisch, gesundheitlich, Fallbeispiel, Analyse, psychisch, schulisch, Täterrolle, Opferrolle, Täter, Opfer, Mitläufer, Beziehung, Merkmal, Verstärker, Antreiber, Rolle, Verteidiger, Außenstehender, Prävention, Eltern, Lehrkräfte, Schüler, Schule, Institution, Lehrer, Erhebung, empirisch
Arbeit zitieren
Laura Cenicola (Autor:in), 2011, Mobbing unter Jugendlichen an deutschen Schulen. Ursachen, Folgen und Präventionsmöglichkeiten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/171371

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