Höflichkeit spielt im Zusammenleben einer Gesellschaft eine große Rolle, denn ohne sie ist ein soziales Miteinander kaum vorstellbar. Höfliches Verhalten äußert sich im alltäglichen Leben vor allem durch die Verwendung von Anredeformeln, die nach Werner Besch (²2003: 2599) Auskunft über zwischenmenschliche Beziehungsverhältnisse geben. Um ein effizientes Sozialverhalten innerhalb einer Sprechergemeinschaft zu gewährleisten müssen deren Mitglieder die jeweiligen Anredekonventionen lernen und befolgen. Ein Nicht-Einhalten kann sich störend auf das Miteinander der Gesellschaft auswirken. Da eine solche Gesellschaft stets von sprachlichen und sozialhistorischen Veränderungen und Umbrüchen geprägt ist, sind parallel dazu auch Anrede-Konventionen einem Wandel unterworfen.
Dieses pragmatische Sprachwandelphänomen soll Thema dieser Hausarbeit sein. Zunächst wird das „face-Konzept der Höflichkeit“ von Penelope Brown und Stephen Levinson von 1978 vorgestellt werden, da es die Grundlage der Anredeforschung darstellt. Anschließend folgt eine Erläuterung der „Anredebestimmenden Variablen“ nach Werner Besch (²2003), die die Anredekonventionen des Deutschen bestimmen und neben dem Höflichkeitskonzept von Brown und Levinson ebenfalls eine Erklärung für bestimmte Wandelphänomene bieten können. Daraufhin wird der Prozess des Anredewandels durchlaufen, der die verschiedenen Stufen der Anrede in der deutschen Geschichte beleuchtet. Dabei sollen bestimmte Phänomene, wie beispielsweise die Respektminderung der Pronomen er/sie am Anfang des 19. Jahrhunderts, oder die Anrede-Blüte im 18. Jahrhundert näher analysiert und anhand von Beispielen aus der deutschen Literatur verdeutlicht werden.
Das Ziel dieser Arbeit ist es herauszuarbeiten, welche Faktoren für den Wandel von Anredekonventionen verantwortlich sind und zu zeigen, wie sich diese Veränderungen in der deutschen Sprache und Gesellschaft äußern. Zuletzt soll sowohl ein Resümee der Arbeit, als auch ein Ausblick gegeben werden, was die deutsche Sprache in Zukunft von der höflichen Anrede zu erwarten hat.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Das „face-Konzept der Höflichkeit“ (Brown/Levinson 1978)
- Anredebestimmende Variablen
- Die Entwicklung der höflichen Anredepronomen
- Stufe 1: Vom Germanischen zum Althochdeutschen
- Stufe 2: Vom Althochdeutschen zum Frühneuhochdeutschen
- Stufe 3: Das 17. Jahrhundert
- Stufe 4: Das 18. Jahrhundert
- Stufe 5: Das frühe 19. Jahrhundert
- Stufe 6: Die Anredepronomen im Neuhochdeutschen
- Anredepronomen im Anwendungsvergleich: Beispiele zeitgenössischer Autoren
- Zu Stufe 4: Friedrich Schillers „Kabale und Liebe“
- Zu Stufe 5: Georg Büchners „Woyzeck“
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit untersucht die pragmatische Entwicklung der Anredekonventionen im Deutschen, insbesondere den Wandel der Höflichkeit in der deutschen Sprache. Ziel ist es, die Faktoren zu identifizieren, die für diese Veränderungen verantwortlich sind, und die Auswirkungen auf Sprache und Gesellschaft aufzuzeigen.
- Das „face-Konzept“ der Höflichkeit von Brown und Levinson als Grundlage für die Anredeforschung
- Die Rolle von Anredebestimmenden Variablen, insbesondere biologische und soziale Faktoren, in der Entwicklung der deutschen Anrede
- Die historische Entwicklung der höflichen Anredepronomen in verschiedenen Epochen der deutschen Sprache
- Der Einfluss des Sprachwandels auf die Anredekonventionen und ihre Auswirkungen auf das soziale Miteinander
- Die Analyse von literarischen Beispielen zur Veranschaulichung der Anredeformen in verschiedenen historischen Kontexten
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung stellt die Bedeutung von Höflichkeit im sozialen Miteinander dar und führt das „face-Konzept“ von Brown und Levinson ein, welches die Grundlage der Anredeforschung bildet. Anschließend werden die anredebestimmenden Variablen erläutert, die die Entwicklung der deutschen Anredekonventionen beeinflussen.
- Das Kapitel „Das „face-Konzept der Höflichkeit“ (Brown/Levinson 1978)“ erklärt das Konzept des positiven und negativen „Face“ und zeigt, wie diese durch Höflichkeitsinteraktion befriedigt werden. Es wird auch die Konventionalisierung von Anredeformen wie „herre“ und „vrouwe“ im Mittelhochdeutschen erläutert.
- Im Kapitel „Anredebestimmende Variablen“ werden die biologischen und sozialen Variablen vorgestellt, die den Grad der Höflichkeit in der Anrede beeinflussen. Zu den biologischen Variablen gehören Alter und Geschlecht, während die sozialen Variablen die gesellschaftliche Position und die Rahmenbedingungen umfassen.
- Das Kapitel „Die Entwicklung der höflichen Anredepronomen“ präsentiert eine chronologische Übersicht der Anredeformen im Deutschen, von den Anfängen im Germanischen bis zum modernen Standard. Dabei werden die verschiedenen Stufen des Anredewandels mit Beispielen aus der Literatur illustriert.
Schlüsselwörter
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit den pragmatischen Veränderungen in der deutschen Anredekonvention. Im Fokus stehen das „face-Konzept“ der Höflichkeit, Anredebestimmende Variablen, der historische Wandel von Anredepronomen, sowie die Bedeutung von Anredeformen im sozialen Miteinander. Die Arbeit analysiert literarische Beispiele zur Veranschaulichung der Entwicklung der Anredekonventionen in der deutschen Sprachgeschichte.
- Arbeit zitieren
- Charlotte Seeger (Autor:in), 2010, Die Entwicklung der Anredekonvention im Deutschen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/171437