In Lauf der Geschichte haben die Weißen als Eroberer, Missionare, Kolonisatoren, Händler, Touristen usw. zwangsläufig bei allen Farbigen, welche sie vor allem als Fremde wahrnahmen, einen tiefen Eindruck hinterlassen. Kehrt man jedoch die Perspektive einmal um, stellt sich ziemlich schnell die Frage, wie sie denn über uns (die Weißen) denken.
In der Ethnologie, die sich ja nun gerade damit beschäftigt, die Menschen in fremden Gesellschaften zu beobachten, sollte man am ehesten eine Spur von Unbehagen an der Einseitigkeit des Beobachtens erwarten. Die ethnologische Beobachtung wird heute noch größtenteils als teilnehmende Beobachtung praktiziert, der Ethnologe neigt jedoch dazu, sich als Teilnehmer auszuklammern und sich auf einen beobachtenden, aber seinerseits nicht wahrnehmbaren Punkt zu reduzieren. In der Aufklärung traute man dem Blick von außen noch eine Erkenntnis und ein Urteil zu. Heute vertrauen wir so sehr auf den Blick von innen, dass der Ethnologe sich gerade die Aufgabe stellt, die von ihm untersuchte Gesellschaft so zu sehen, wie sie sich selbst sieht. Diese Erkenntnisfähigkeit setzt jedoch auch ein großes Wissen voraus über das, was betrachtet wird. So stellt sich unter anderem auch Fritz Kramer die Frage, welcher Wert der Erkenntnis eines Fremden zukommen kann, der die moderne Zivilisation von außen sieht.
Die genannten Probleme der eingeschränkten Perspektive sowie eine gewisse Voreingenommenheit westlicher Ethnologen finden ihre wissenschaftliche Aufarbeitung im relativ jungen Forschungszweig der „Whiteness-Studies“. In diesem Bereich arbeiten Wissenschaftler aus den unterschiedlichsten Bereichen zusammen. „Whiteness has been established as an object of study by scholars from an array of disciplines, each struggling with the task of making visible the operations of racial privilege and advantage that structure the lives, attitudes, and actions of white people“. Man muss sich des eigenen Weiß-Seins bewusst werden, um die eigenen Voruteile sowie die eingeschränkte Sichtweise zu erkennen. Zu dem Blick von innen sollte also immer auch ein Blick von außen gehören, die Perspektiven der Anderen müssen in die eigenen miteinbezogen werden, um ein realistisches Bild der untersuchten Gesellschaft (und rückschließend davon auch der eigenen) zu erhalten.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung - über die Bedeutung der Perspektive
- Über den Begriff der Colon-Figuren
- Das schwarze Bild vom weißen Mann
- Julius Lips – Leben und Entstehungsgeschichte des Werkes
- "The Savage Hits Back"
- Darstellung und Beschreibung der Figuren
- Die Schiffe der Weisen
- Soldaten und Offiziere
- Der weiße Mann in der Masse
- Seltsame Dinge um den weißen Mann
- Die Häuptlinge der Weißen
- Rezeption und Wirkungsgeschichte
- Frühe Rezensionen
- Wiederentdeckung des Werkes
- Der rote Fes
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit setzt sich zum Ziel, den ersten ernsthaften Perspektivenwechsel in der Ethnologie zu beleuchten, welcher mit Julius E. Lips' Werk "The savage hits back or the white man through native eyes" stattfand. Im Zentrum stehen die von Lips beschriebenen Colon-Figuren und ihre satirische Darstellung der Europäer aus der Sicht außereuropäischer Kulturen.
- Die Bedeutung der Perspektive in der Ethnologie
- Die Darstellung des „Weißen“ in außereuropäischer Kunst
- Die Bedeutung der Colon-Figuren als Ausdruck der Sichtweise der „Anderen“
- Die Rezeption und Wirkungsgeschichte des Werkes von Julius Lips
- Die Bedeutung des Werkes für die Entwicklung der "Whiteness-Studies"
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung - über die Bedeutung der Perspektive: Die Einleitung beleuchtet die Bedeutung der Perspektive in der Ethnologie und die Problematik der einseitigen Sichtweise westlicher Ethnologen. Sie führt den Begriff der "Whiteness-Studies" ein und betont die Notwendigkeit, die Perspektiven der "Anderen" in die eigene Forschung einzubeziehen.
- Über den Begriff der Colon-Figuren: Dieses Kapitel erklärt den Begriff der Colon-Figuren, die vor allem in afrikanischer Kunst während der Kolonialzeit entstanden sind. Es wird hervorgehoben, dass die Darstellung der Europäer weniger durch ihre Physiognomie, sondern durch ihre Attribute geprägt ist.
- Das schwarze Bild vom weißen Mann: Dieses Kapitel widmet sich dem Werk "The savage hits back or the white man through native eyes" von Julius E. Lips. Es beleuchtet Lips' Leben und die Entstehung des Werkes sowie die Darstellung und Beschreibung der Colon-Figuren.
- Rezeption und Wirkungsgeschichte: Dieses Kapitel behandelt die Rezeption des Werkes von Lips, sowohl durch frühe Rezensionen als auch durch eine spätere "Wiederentdeckung". Es beleuchtet die Bedeutung des Werkes für die Entwicklung der "Whiteness-Studies" und die Auseinandersetzung mit den Perspektiven der "Anderen".
Schlüsselwörter
Die zentralen Schlüsselwörter und Fokusthemen der Arbeit sind: Colon-Figuren, "Whiteness-Studies", Perspektive, Ethnologie, Kolonialismus, Satirische Darstellung, Julius Lips, "The savage hits back", Sichtweise der "Anderen".
- Arbeit zitieren
- Julia Leib (Autor:in), 2009, Eine Frage der Perspektive - Julius Lips und die Bedeutung der Colon-Figuren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/171518