Der Totemismus-Begriff wurde mehr als ein Jahrhundert in seiner Bedeutung definiert, ohne wissenschaftlichen Objektivitätsanspruch verwendet und stets evolutionistischen Religionstheorien als ursprünglichste Religionsform primitiver Gesellschaften zugrunde gelegt. Moderne Forschungsansätze, vor allem ab dem frühen zwanzigsten Jahrhundert, überarbeiteten bekannte Totemismus–Konzepte
und eröffneten einen Diskurs vorrangig unter der Maxime einer historisch fortlaufenden Konstanz dieser Begrifflichkeit.[1] Claude Lévi-Strauss, einer der bedeutendsten Ethnologen und Anthropologen der Moderne, erörterte in seinem Werk „Das Ende des Totemismus“ (Paris 1962) grundlegende Kritikpunkte am Terminus Totemismus sowie dessen Konstruktion und historischer Bildung. In dieser Arbeit wird die historische Diskontinuität der Begriffsbildung und die Konstruktion des Totemismus-Begriffes auf Grundlage des von Lévi-Strauss veröffentlichten Werkes untersucht. Im ersten Teil der Untersuchung soll eine Betrachtung vom Verhältnis des Anthropologen zu dem evolutionistisch geprägten Begriff der Religionswissenschaft des 18. - 20. Jahrhunderts im Fokus stehen. Im anschließenden Themenkomplex wird vordergründig die Methodik zur Erschließung seines Grundverständnisses zum Totemismus-Begriff beleuchtet. Schließlich soll die Analyse der Verwandtschaftsverhältnisse aufgegriffen werden, da stets eine historisch diskursive Verbindung zwischen gesellschaftlichen Klassifikationen sowie Regeln und dem Totemismus gezogen wurde. Aufgrund des inhaltlich begrenzten Rahmens dieser Arbeit werden freilich spezielle Aspekte beleuchtet, die Lévi-Strauss` Grundverständnis der Thematik aufzeigen.
Bei grundlegender Vorbetrachtung des Totemismus-Begriffes wird
erkenntlich, dass dieser Begrifflichkeit vor allem in Zeiten der europäischen Überseekolonisation als Form einer vermeintlichen ursprünglichsten Religionsform Geltung zugesprochen wurde.[2] Dabei unterliegt die Grundbedeutung des Terminus verschiedenen historisch und durch Theorien geprägten Definitionen, welche im zusammenfassenden Verständnis eine religiöse Identifikation von Menschen mit Tieren/Pflanzen beinhalten. Auf eine konkretere
oder gar festsetzende Definition soll bewusst verzichtet werden, da in Anbetrachtder modernen Religionswissenschaft, nicht zuletzt durch Lévi-Strauss` Ausführungen, der Totemismus-Begriff nahezu obsolet ist.
[1] Zusammenfassend dargestellt: vgl. KREINATH 2008, Sp. 489 – 491.
[2] Vgl. BRUNOTTE 2009, S. 355.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Eine inadäquate Begriffsbildung
- Die strukturale Methodik
- Die Rolle der Verwandtschaftsverhältnisse
- Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die historische Diskontinuität der Begriffsbildung und Konstruktion des Totemismus-Begriffes, basierend auf Claude Lévi-Strauss' Werk "Das Ende des Totemismus". Sie analysiert das Verhältnis des Anthropologen zur evolutionistisch geprägten Religionswissenschaft des 18. - 20. Jahrhunderts, beleuchtet Lévi-Strauss' Methodik zur Erschließung seines Grundverständnisses zum Totemismus-Begriff und untersucht die Rolle der Verwandtschaftsverhältnisse in seiner Analyse.
- Kritik an der Annahme einer fundamentalen Differenz zwischen primitiven und fortgeschrittenen Kulturen
- Analyse von Lévi-Strauss' strukturalistischer Methodik
- Untersuchung der Beziehung zwischen gesellschaftlichen Klassifikationen und dem Totemismus
- Die historische Konstruktion des Totemismus-Begriffes
- Die Bedeutung von Verwandtschaftsverhältnissen für die Analyse des Totemismus
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung beleuchtet die problematische Geschichte des Totemismus-Begriffes und die evolutionistischen Religionstheorien, die ihn als ursprünglichste Religionsform primitiver Gesellschaften betrachteten. Sie stellt Lévi-Strauss' Werk "Das Ende des Totemismus" als Gegenentwurf vor, der die Konstruktion und historische Bildung des Begriffs kritisiert.
Eine inadäquate Begriffsbildung
Dieses Kapitel analysiert Lévi-Strauss' Kritik am traditionellen Totemismus-Begriff, der auf einer Annahme der Differenz zwischen primitiven und fortgeschrittenen Kulturen beruhte. Lévi-Strauss argumentiert, dass jede Gesellschaft eine einzigartige Geschichte und Erfahrung hat und nicht in Kategorien wie "primitiv" oder "fortgeschritten" eingeteilt werden sollte. Der Totemismus wird als eine künstliche Konstruktion entlarvt, die auf einer übermäßigen Generalisierung und Verklärung kultureller Phänomene beruht.
Die strukturale Methodik
Dieses Kapitel beleuchtet Lévi-Strauss' strukturalistische Methodik zur Analyse des Totemismus. Er setzt sich von der Vorstellung ab, dass Totems an eine spezifische Gruppe gebunden sind, und betont die Notwendigkeit einer Betrachtung von Außen, die sich von traditionellen Paradigmen löst. Totems werden als unabhängige Elemente verstanden, die nicht zwangsläufig mit einem bestimmten Glaubenssystem oder einer Schutzfunktion verknüpft sind. Lévi-Strauss argumentiert, dass der Totemismus-Begriff auf einer falschen Gleichsetzung von natürlichen und kulturellen Reihen beruht.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter und Fokusthemen dieser Arbeit sind: Totemismus, Claude Lévi-Strauss, Strukturale Anthropologie, Evolutionismus, Kulturvergleich, Verwandtschaftsverhältnisse, Historische Begriffsbildung, Diskontinuität.
- Quote paper
- Tobias Sowade (Author), 2010, Der Totemismus-Begriff bei Claude-Lévi Strauss , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/171673