3 Offener Unterricht – Modetrend oder mehr?
Eindeutige Konturen hat der Begriff des offenen Unterrichts in den knapp zwei Jahrzehnten seiner Verwendung in der deutschen Schulpädagogik nicht finden können. Begriffsvarianten und verwandte Beziehungen – informeller Unterricht und schülerzentrierter Unterricht, u.a. – haben sich auch nicht gerade zum Vorteil einer eindeutigeren Verständigung ausgewirkt.
Unterricht zu öffnen, sich auf den Weg der Öffnung zu machen, ist jedoch eine pädagogisch unabweisbare Forderung, die sich an große pädagogische Traditionen anschließen kann.
Offenheit impliziert Vielfalt und Aushalten von Spannung. Offenheit impliziert auch Aufforderung zur Diskussion und zu einer persönlichen Standortbestimmung.
Diese mehrperspektivische Einleitung, ob offener Unterricht nun Modetrend oder mehr ist, spiegelt bereits ein Spezifikum der zu entwickelnden Sache:
Sie entzieht sich einer monologischen Abhandlung. Sie ist vielmehr angewiesen auf gemeinsames Nachdenken, auf gemeinsame Verantwortung für eine lebendige und lernfähig bleibende Schule.
Damit offener Unterricht kein Modewort ist, erscheinen analoge Formen der Lehrerausbildung und -weiterbildung (an Ausbildungsstätten, die eigenverantwortetes, persönlich signifikantes Lernen möglich machen) wichtige Ansatzpunkte zu sein.
Erziehungswissenschaftler müssen mit Lehrern ein Stück gemeinsame Verantwortung übernehmen, d.h. auch, dass sie nicht kurzlebigen Modetrends nachgeben, sondern an wesentlichen Prinzipien und Konstrukten unter veränderten Bedingungen festhalten und sie weiterentwickeln müssen.
Ob offener Unterricht zur Veränderung der Lern- bzw. Unterrichtskultur beitragen kann, hängt davon ab, wie effektiv und was die Schüler lernen, wie ist der Lernprozess organisiert, damit Schüler ihre Erfahrungen, ihre Probleme, aber auch ihre Kenntnisse selbständig einbringen können.
„Mit dem Stichwort ‘Offenheit‘ scheinen mir nach wie vor wichtige pädagogische Anliegen bezeichnet, die im grundlegenden Lernen angebahnt und über alle Schulstufen hinweg weiterkultiviert werden sollten. Ihr anthropologischer Kern liegt im Moment der Verfügbarkeit des jungen Menschen. (...)
Den Ängstlichen und vor allem den Angstmachern kann gesagt werden: Zu viel ist zugemauert im schulischen Gebäude, so dass die Statik noch lange nicht gefährdet ist, wenn wir uns heute auf den Weg der Öffnung begeben.“
(Kasper, H. : „Laßt die Kinder lernen – offene Lernsituation“; Braunschweig 1989. S.11 ff.)
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Begriffsbestimmung
- Offener Unterricht - Modetrend oder mehr?
- Was sind offene bzw. geschlossene Lernsituationen?
- Zwei ausgewählte offene Unterrichtsformen im Überblick
- Wege zur Öffnung des Unterrichts
- Die persönlichen Voraussetzungen für den offenen Unterricht
- Fragen, die im Lehrerkollektiv aufkommen
- Möglichkeiten den Unterricht zu öffnen
- Regeln des offenen Unterrichts
- Typische Verhaltensprobleme und Lösungsmöglichkeiten
- Gesprächsregeln für den Lehrer
- Regeln für Kreisgespräche
- An den Schülerinteressen anknüpfen: Eigenständige Arbeit an selbstgewählten Themen
- Offener Unterricht an Schulen
- Das Klassenzimmer umgestalten
- Einbeziehung der Eltern
- Einblicke in die Unterrichtspraxis an Grundschulen und Gymnasien
- Offener Unterricht in der Grundschule
- Offener Unterricht am Gymnasium
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Konzept des offenen Unterrichts und untersucht dessen Potenzial für eine neue Unterrichtspraxis. Der Autor befasst sich mit den Definitionen, Vor- und Nachteilen sowie der praktischen Umsetzung des offenen Unterrichts im Kontext der deutschen Schulpädagogik.
- Definitionen und Begriffsklärung des offenen Unterrichts
- Vorteile und Herausforderungen des offenen Unterrichts
- Praktische Umsetzung und Gestaltungsmöglichkeiten des offenen Unterrichts
- Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Unterrichtspraxis
- Der Einfluss des offenen Unterrichts auf die Lernkultur und das Lehrer-Schüler-Verhältnis
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die Relevanz des Themas und stellt die zentralen Fragestellungen der Arbeit vor. Die Begriffsbestimmung untersucht verschiedene Definitionen des offenen Unterrichts und analysiert dessen Vielschichtigkeit und Ambivalenz. Kapitel 3 setzt sich kritisch mit der Frage auseinander, ob offener Unterricht lediglich ein Modetrend ist oder einen nachhaltigen pädagogischen Beitrag leisten kann.
Kapitel 4 diskutiert die Unterscheidung zwischen offenen und geschlossenen Lernsituationen und zeigt, wie sich diese beiden Formen in der Praxis ergänzen können. Kapitel 5 bietet einen Überblick über zwei ausgewählte Formen des offenen Unterrichts. Kapitel 6 beschäftigt sich ausführlich mit den Wegen zur Öffnung des Unterrichts und beleuchtet dabei die notwendigen persönlichen Voraussetzungen der Lehrkraft, die Gestaltung von Regeln und die Berücksichtigung von Schülerinteressen.
Kapitel 7 widmet sich dem Thema des offenen Unterrichts an Schulen und erörtert die praktische Umsetzung in der Unterrichtspraxis, die Einbeziehung von Eltern und die Gestaltung des Klassenzimmers.
Schlüsselwörter
Offener Unterricht, Unterrichtsgestaltung, Lernkultur, Schülerzentrierung, Selbstständigkeit, Methodenvielfalt, Partizipation, Motivation, Lehrerrolle, Schulentwicklung, Unterrichtsforschung, Unterrichtsqualität.
- Arbeit zitieren
- Stephan Hintze (Autor:in), 2002, Der Weg zu einer neuen Unterrichtspraxis: "der offenene Unterricht", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/17192