Im Gegensatz zur Sprachgeschichte vor 1800, welche sich vor allem auf phonologischer und sprachlicher Basis wiederfindet, muss man sich in der modernen Periode, also ab 1800 auch mit Definitionen von außersprachlichen „Grenzziehungen“ auseinandersetzen. Und dieser Aspekt der außersprachlichen Beeinflussung der Sprache soll Gegenstand dieser Hausarbeit werden. Es wird untersucht werden, inwiefern sich bestimmte außersprachliche Gegebenheiten des 19. Jahrhunderts auf die Normierung der neuhochdeutschen Standardsprache ausgewirkt haben und besonders, ob sich diese Standardisierung über alle Schichten ausbreiten konnte oder ob auch hier, wie vor allem von Wells vertreten, nur eine kleine Elite betroffen war.
Mit diesem sprachhistorischen Thema haben sich bisher schon eine Reihe wissenschaftlicher Arbeiten beschäftigt, doch immer mit verschiedenen Standpunkten. In der Regel erschienen diese Werke in den 1980er Jahren, wozu man primär das Sammelwerk Die Auswirkungen der industriellen Revolution auf die deutsche Sprachentwicklung im 19. Jahrhundert, das von Joachim Schildt herausgegeben wurde und in dem sich viele bekannte Namen wie Kettmann und Dückert wiederfinden. Weiter lassen sich kaum noch Werke nennen, die sich vordergründig mit dem 19. Jahrhundert auseinandergesetzt haben. Man findet fast nur noch kleinere Ausarbeitungen in großflächig abdeckenden Arbeiten über die gesamte sprachliche Geschichte Deutschlands, wie das zum Beispiel in den Ausführungen von Schmidt und Wells der Fall ist.
In dieser Hausarbeit werden reale, historische Fakten des 19. Jahrhunderts zum Untersuchungsgegenstand werden, die nach der Wichtigkeit ihres Einflusscharakters auf die neuhochdeutsche Standardsprache ausgewählt wurden. Aufgrund dessen soll in den nächsten Unterkapiteln untersucht werden, inwiefern sich die mit der Verstädterung und der Dialektmischung verbundene Industrialisierung auf das Eindringen der neuhochdeutschen Standardsprache durch eine Etablierung von Fachsprachen vor allem in den unteren sozialen Schichten ausgewirkt hat. Teilweise begannen die Arbeiter in den Städten das Lesen und Schreiben zu erlernen und Lektüre war hier nicht selten die normale Tageszeitung. Des Weiteren werden in diesem Zusammenhang das Aufkommen einer neuen Bewegung in der Germanistik und in der Politik analysiert werden.
Einleitung
Im Gegensatz zur Sprachgeschichte vor 1800, welche sich vor allem auf phonologischer und sprachlicher Basis wiederfindet, muss man sich in der modernen Periode, also ab 1800 auch mit Definitionen von außersprachlichen „Grenzziehungen“ auseinandersetzen.[1] Und dieser Aspekt der außersprachlichen Beeinflussung der Sprache soll Gegenstand dieser Hausarbeit werden. Es wird untersucht werden, inwiefern sich bestimmte außersprachliche Gegebenheiten des 19. Jahrhunderts auf die Normierung der neuhochdeutschen Standardsprache ausgewirkt haben und besonders, ob sich diese Standardisierung über alle Schichten ausbreiten konnte oder ob auch hier, wie vor allem von Wells vertreten, nur eine kleine Elite betroffen war.
Mit diesem sprachhistorischen Thema haben sich bisher schon eine Reihe wissenschaftlicher Arbeiten beschäftigt, doch immer mit verschiedenen Standpunkten. In der Regel erschienen diese Werke in den 1980er Jahren, wozu man primär das Sammelwerk Die Auswirkungen der industriellen Revolution auf die deutsche Sprachentwicklung im 19. Jahrhundert, das von Joachim Schildt herausgegeben wurde und in dem sich viele bekannte Namen wie Kettmann und Dückert wiederfinden. Weiter lassen sich kaum noch Werke nennen, die sich vordergründig mit dem 19. Jahrhundert auseinandergesetzt haben. Man findet fast nur noch kleinere Ausarbeitungen in großflächig abdeckenden Arbeiten über die gesamte sprachliche Geschichte Deutschlands, wie das zum Beispiel in den Ausführungen von Schmidt und Wells der Fall ist.
In dieser Hausarbeit werden reale, historische Fakten des 19. Jahrhunderts zum Untersuchungsgegenstand werden, die nach der Wichtigkeit ihres Einflusscharakters auf die neuhochdeutsche Standardsprache ausgewählt wurden. Aufgrund dessen soll in den nächsten Unterkapiteln untersucht werden, inwiefern sich die mit der Verstädterung und der Dialektmischung verbundene Industrialisierung auf das Eindringen der neuhochdeutschen Standardsprache durch eine Etablierung von Fachsprachen vor allem in den unteren sozialen Schichten ausgewirkt hat. Teilweise begannen die Arbeiter in den Städten das Lesen und Schreiben zu erlernen und Lektüre war hier nicht selten die normale Tageszeitung. Des Weiteren werden in diesem Zusammenhang das Aufkommen einer neuen Bewegung in der Germanistik und in der Politik analysiert werden.
1) Außersprachliche Einflüsse des 19. Jahrhunderts
Das 19. Jahrhundert war vor allem durch große technische Fortschritte und neue politische Umstände geprägt, die sich auf die gesamte deutsche Bevölkerung ausgewirkt haben. Hierzu zählen die Dampflokomotive, das Telefon und sogar der Urahn des Autos, um nur einige der technisch bedingten Neuerungen zu nennen. Durch einen zunehmend auflebenden Purismus und der deutschen Reichsgründung im Jahre 1871 kam es zu vielen weiteren lebensverändernden Neuerungen, welche auch einen großen Einfluss auf die damalige Sprachverwendung hatten. Schmidt beschreibt diesen Wandel so:
„Diese gesellschaftlichen Änderungen, die auch verbunden waren mit einer Beschleunigung des Verkehrs auf Kanälen, Schienen und Straßen, Spezialisierung in der Berufsausbildung, nationalem und internationalem Warenverkehr, Beginn der erhöhten Medienwirksamkeit … , all diese Entwicklungen zwangen die Bürger zunehmend zur aktiven und passiven Teilnahme an der Kommunikation und brachten dem 19. Jh. – dem „Jahrhundert der Massen und der Massenbewegungen“ – eine zunehmende Beteiligung der Bevölkerung am öffentlichen Leben, die oft als „Demokratisierung“ bezeichnet wird.“[2]
Damit soll gezeigt werden, dass es im 19. Jahrhundert fast rein außersprachliche Entwicklungen sind, welche die sprachlichen Verhältnisse beeinflussten und standardisierten. Denn „[n]ach Auffassung Mattheiers änderten sich durch die außersprachlichen Entwicklungen „die sprachlichen Verhältnisse in der deutschen Sprachgemeinschaft so grundlegend …, wie das seit der großen kommunikativen Revolution in der frühen Neuzeit nicht mehr der Fall gewesen ist“.“[3]
Als zentrales Hindernis für eine weitgreifende sprachliche Normierung schien damals das Feudalwesen zu gelten, welches nach und nach verschwinden sollte.[4] Dem Feudalwesen wirkten vor allem die französische Fremdherrschaft und die daraus resultierende patriotische Bewegung entgegen, welche sich als Ziel einen vereinheitlichten Staat setzte.[5] Einen weiteren einschneidenden Aspekt bewirkte die Deutsche Reichsgründung. Die Kaiserliche Verfassung des Jahres 1871 erlaubte einen Wohnortswechsel, den folglich viele Bürger wahrnahmen und was schließlich zu einer bunten Mischung an Dialekten besonders in den Städten führte.[6] Die bis 1871 herrschenden feudalen Bedingungen ließen keinen Ortswechsel zu, also konnte auch kein Sprachaustausch oder sogar eine sprachliche Angleichung der unterschiedlichen Mundarten geschehen. Deshalb ist der außersprachliche Einfluss der Verstädterung nur auf das Ende des 19. Jahrhunderts zu begrenzen.[7] Die Wanderungsbewegungen wurden aber erst durch die fortschreitende Industrialisierung und den damit verbundenen Bedarf an Industriearbeitern bedingt.
1.1) Verstädterung durch Industrialisierung
„Eine sichtbare wirtschaftliche Umwälzung vollzog sich in Deutschland in den 50er und 60er Jahren des 19. Jh. … Industrialisierung bedeutete jedoch neben dem starken Anwachsen der Bevölkerung … zugleich eine weitere sprunghafte Verstädterung der Bevölkerung.“[8] Die Verstädterung brachte zunächst auch ein hohes Verkehrsaufkommen und Vernetzung der Städte untereinander mit sich, was zu einem Aufeinandertreffen der verschiedensten Kulturen, Traditionen und vor allem der Mundarten führte.
„In Städten und industriellen Zentren trafen in diesem Zusammenhang - das ist für die Sprachentwicklung bedeutsam – Menschen mit zum Teil recht unterschiedlicher territorialer Herkunft, die gezwungen waren, sich sowohl im Arbeitsprozess als auch im Privatleben miteinander zu verständigen, zusammen.“[9] S. 15 (Schildt)
[...]
[1] Vgl. Wells. Deutsch: eine Sprachgeschichte bis 1945, Tübingen 1990. [Reihe Germanistische Linguistik]. S. 367.
[2] Schmidt, Wilhelm: Geschichte der deutschen Sprache. Ein Lehrbuch für das germanistische Stadium, Stuttgart 92004. S. 143-144.
[3] Mattheier, K. J.: „Lauter Broke um den Kopp“. Überlegungen zur Sprache der Arbeiter im 19. Jahrhundert. In: Rheinische Vierteljahresblätter 50, 1986, S. 221ff.. (hier in: Schmidt. S. 144)
[4] Vgl. Schmidt. S. 143.
[5] Ebd.
[6] Vgl. Wells, C.J.: Deutsch: eine Sprachgeschichte bis 1945, Tübingen 1990. S. 369.
[7] Vgl. Schildt, Joachim: Einleitung, in: Die Auswirkungen der industriellen Revolution auf die deutsche Sprachentwicklung im 19. Jahrhundert, hg. v. Joachim Schildt, Berlin 1981. S. 22.
[8] Schmidt. S. 143.
[9] Schildt. S. 15.
- Arbeit zitieren
- C. Köhne (Autor:in), 2006, Außersprachliche Phänomene des 19. Jahrhunderts als Wegbereiter für das Eindringen der neuhochdeutschen Standardsprache in alle Schichten?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/172104
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