Die tayloristisch-fordistische Arbeitsorganisation am Beispiel der Automobilindustrie seit den 1960er Jahren – ein überholtes Programm oder immer noch aktuell?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

16 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe

Inhalt

Einleitung

1.Entwicklung der fordistisch geprägten Automobilindustrie seit den 1960ern
1.1 Die Krise des Fordismus und ihre Ursachen

2. Die Verzeichnung eines derzeitig stagnierenden Weltautomobilmarktes
2.1 Die Entwicklung des „nachfordistischen“ Automobilmarktes am Beispiel des Standortes Deutschland

3.Die Auswirkungen auf die Arbeitnehmer der Automobilindustrie

4.Ausblick – mögliche Rückkehr zum Fordismus?

5.Schlussbetrachtung

Literaturliste

Einleitung

Im Laufe des zwanzigsten Jahrhunderts veränderte sich das Automobil von einem Luxusartikel, welcher nur für die oberen Schichten der Gesellschaft vorbehalten war, zu einem „Gebrauchsgegenstand“, der nun fast für jedermann erschwinglich wurde.[1] Dies konnte nur aufgrund einer Erhöhung der Automobilproduktion bis hin zu dessen Massenproduktion geschehen. Die Grundlage hierfür bildete das Konzept des Fordismus. „Mit »Fordismus« bezeichnen wir die kapitalistische Formation, die sich in den dreißiger bis fünfziger Jahren [des letzten Jahrhunderts] im Gefolge von Weltwirtschaftskrise und Weltkrieg zunächst in den USA herausgebildet hat.“[2] Auf dieser historischen Basis soll diese Hausarbeit aufgebaut werden. Ziel dieser Untersuchung soll es sein, zu analysieren, ob seit der Krise des Fordismus dessen Arbeitskonzepte nicht mehr angewandt wurden, oder ob es zu keiner völligen Abkehr von dieser massenkosumorientierten Arbeitsweise gekommen ist.

Mit diesem Problem hat sich vor allem Roland Springer in seinem Werk Rückkehr zum Taylorismus? Arbeitsmarktpolitik in der Automobilindustrie am Scheideweg auseinandergesetzt. Eine gute Basis und Einführung findet man in Christophs Scherrer Monographie Im Bann des Fordismus. Die Auto- und Stahlindustrie der USA im internationalen Konkurrenzkampf.

Diese Hausarbeit soll sich vordergründig mit den Problemen beschäftigen, welche der Fordismus seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts mit sich brachte. Hierzu wird zunächst ein historischer Überblick über die Entwicklung der Automobilindustrie seit den sechziger Jahren geboten, wobei man direkt in die Krise des Fordismus, welche sich seit Anfang der siebziger Jahre bemerkbar machte, überleiten kann. Hier sollen nun die verschiedenen Ursachen der Krise festgehalten und analysiert werden, bevor es zur Vorstellung der aktuellen Lage des Weltautomobilmarktes kommt. Aufgrund eines Stillstandes, zu dem es am Anfang der neunziger Jahre dort fast gekommen war, mussten die neuen Arbeitsstrategien erneut reformiert werden. Dargestellt wird diese Entwicklung im Konkreten am Beispiel der deutschen Automobilunternehmen. Die wohl am meisten betroffenen Akteure waren stets die am Fließband tätigen Arbeiter. Im historischen Vergleich hat sich deren Situation stark verändert, denn „sowohl dem Fließband wie der Arbeitsteilung wird »ein Ende« prophezeit durch die Anwendung neuer Techniken (Roboter, fahrerlose Transportsysteme) und neuer Arbeitskonzepte (Gruppenarbeit, Aufgabenintegration).“[3] Zwischenzeitlich waren aufgrund der vielen Reformversuche, welche sich weltweit in der Automobilproduktion niederschlugen, viele Arbeitsplätze gestrichen worden. Letztendlich soll auf dieser Grundlage untersucht werden, inwiefern sich die Krise auf ein mögliches Verwerfen der fordistischen Arbeitsweise ausgewirkt hat oder ob diese vielleicht in einer neuen Form beibehalten wurde.

1. Entwicklung der fordistisch geprägten Automobilindustrie seit den 1960ern

Bevor es zu einer Beschreibung der Entwicklung der fordistisch geprägten Automobilindustrie seit den sechziger Jahren kommen kann, muss die Basis des Arbeitsprozesses, welcher sich in den westlichen Staaten voll und ganz dem Fordismus verschrieben hat, erläutert werden.

Das fordistische Produktionskonzept basiert auf den von Henry Ford eingeführten Montagelinien, die durch den Einsatz von Fließbändern, Einzweck-Präzsionsmaschinen und gesonderten Montageabteilungen möglichst alle Arbeitsschritte in einem kontinuierlichen Prozess zusammensetzen. Die Fließbandproduktion erforderte eine perfektionierte Standardisierung der Produktteile, denn ein reibungsloser Produktionsfluss wäre durch zu weite Fabrikationstoleranzen behindert worden.“[4]

Um dieses Konzept gewährleisten zu können, musste mit der Steigerung der Produktion eine Steigerung des Konsums einhergehen, um es finanzieren zu können. Dies konnte nur gewährleistet werden, indem man die Löhne anhob, um die Kaufkraft der Arbeitnehmer zu steigern.[5] Dieses Konzept konnte nicht über Jahrhunderte hinweg dominieren, sondern es musste von Anfang an klar gewesen sein, dass es einmal scheitern sollte. Dennoch hatte der Fordismus über lange Zeit hinweg eine hohe Anerkennung und einen großen Erfolg genießen können. „Die weltweite Blütezeit des Fordismus, seine lange Prosperitätsphase setzte mit dem Ende des zweiten Weltkriegs ein.“[6] Die Automobilindustrie erlebte einen sehr großen Aufschwung in der Nachkriegszeit, verbunden mit dem Wirtschaftswunder.

Schon im Jahr 1966 kam es zu einem Umschwung in der gesamten westlichen Automobilindustrie. Verbunden mit einem starken Rückgang der Stahlproduktion wurde das exponentielle Wachstum der Automobilproduktion rapide verlangsamt, wenn nicht sogar gestoppt.[7]

Dass die Automobilproduktion zwischenzeitlich, verglichen mit den Zahlen zwischen 1960 und 1987 fast zum erliegen gekommen ist, belegt folgendes Zitat sehr eindeutig:

„Zwischen 1960 und 1987 erhöhte sich die Weltautomobilproduktion von 12,8 auf 34,1 Millionen Fahrzeuge. Das entspricht einer durchschnittlichen jährlichen Steigerungsrate von 6,1%. Von 1987 bis 1995 wuchs das weltweite Produktionsvolumen weiter auf 36,2 Millionen Fahrzeuge. Das entsprach nunmehr einer durchschnittlichen jährlichen Steigerungsrate von etwa 0,8%. Bis zum Jahr 2000 wird ein Anstieg auf 39,2 Millionen Fahrzeuge erwartet, was einer weiteren durchschnittlichen Steigerung von 2,7% pro Jahr gleichkäme. Diesem für das Jahr 2000 geplanten Produktionsvolumen stehen der erwartete Verlauf von etwas mehr als 37 Millionen Fahrzeugen und damit geschätzte Überkapazitäten von mehr als zwei Millionen Fahrzeugen gegenüber.“[8]

Die Geschichte der Automobilindustrie wurde durch eine lang anhaltende Krise erschüttert. Diese Krise und ihre Ursachen sollen im nachfolgenden Unterpunkt ausführlich erläutert und analysiert werden, um eine Basis für die heutige Entwicklung des Weltautomobilmarktes, hier zum Teil konzentriert auf den Standort Deutschland, zu bilden.

1.1 Die Krise des Fordismus und ihre Ursachen

Die Krise des Fordismus wird hier vordergründig auf die USA bezogen, doch sie zeichnete sich auch in der Bundesrepublik ab. Diese Fokussierung auf die Vereinigten Staaten resultiert daraus, dass sich die Wurzeln der Krise vor allem dort wiederfinden lassen.

Man kann den Zeitpunkt der fordistischen Krise anhand der Entwicklung der Lohnkosten festmachen: „In der Autoindustrie … erhöhten sich die realen Lohnkosten relativ stetig von 1950 bis 1979 im Durchschnitt um jährlich 3,3%, wobei nur Ende der 60er Jahre eine Unterbrechung erkennbar ist, die durch die zeitweise Aussetzung des Inflationsausgleichs entstanden war“.[9]

Ursachen der fordistischen Krise kann man viele nennen: „Die technische und gesellschaftliche Erschöpfung der Produktivitätsreserven“.[10] Hierzu zählen die körperliche Überforderung der Arbeitnehmer und die damit verbundene Erhöhung der Krankmeldungen und eine stetige Angespanntheit unterhalb der Arbeiter selbst.[11] Wegen der Eintönigkeit der Arbeit, welche den Arbeitnehmern entgegenstand, konnten kaum neue Kräfte geworben werden. Die Arbeit war einfach zu unattraktiv.[12] Dass die Krise nicht nur außerhalb der Fabrik ausgetragen wurde, zeigt der „Zusammenbruch der Disziplin …, der sich äußerte in Alkoholismus, in handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen Arbeitern, in heftigen Rassenkonflikten, im offenen Drogenhandel, in psychischen Krankheiten, in Fällen von Sabotage und sogar in dem Erschießen von Aufsichtspersonal.“[13] Diese Umstände waren natürlich verbunden mit den damaligen Studentenbewegungen und vor allem mit der Situation des Vietnamkrieges und dessen perspektivelosen Rückkehrern. Die rapide Erhöhung der Lohnnebenkosten im Laufe der sechziger Jahre trug schließlich auch indirekt zur Verschärfung der nahenden Krise bei.[14]

Eine weitere Ursache sind „[d]ie Anwendungen für die Folgekosten der fordistischen Konsum- und Produktionsformen“.[15] Dazu gehört vor allem der hohe Verbrauch natureller Ressourcen.[16] Die in diesen Zeiten sehr hohen Umwelt- und Naturzerstörungen ließen die natürlichen Vorräte ober- und unterirdisch exponentiell schwinden.[17]

Andere Auslöser für die Krise, besonders in den Vereinigten Staaten, werden meist sehr unterschiedlich definiert. Viele behaupten, die US-Industrie hätte in der Vergangenheit zu wenig Vertrauen in den Bau von Kleinwagen gesetzt, andere sagen, die Ölkrise sei der Grund allen Übels. Hier war vor allem die zweite Ölkrise im Jahre 1979 sehr schädlich für die US-Automobilindustrie gewesen, da während dieser Zeit die Benzinpreise verdoppelt wurden. Spritsparende Autos galten in den USA als Mangelware und somit sprangen die Konsumenten ab. Europa hingegen investierte schon viel früher in „benzinsparende Kompaktmodelle“. Andere Forscher wiederum sehen in der mangelnden Qualität der amerikanischen Modelle den ausschlaggebenden Faktor.[18]

[...]


[1] Vgl. EDELMANN, Heidrun: Vom Luxusgut zum Gebrauchsgegenstand. Die Geschichte der Verbreitung von Personenkraftwagen in Deutschland, Frankfurt a. Main 1989. [Schriftenreihe des Verbandes der Automobilindustrie e.V. (VDA); Bd. 60]. S. 12.

[2] HIRSCH, Joachim; ROTH, Roland: Das neue Gesicht des Kapitalismus. Vom Fordismus zum Post-Fordismus, Hamburg 1986. S. 45.

[3] DANKBAAR, Ben: Die Zukunft der Arbeit in der Automobilindustrie. Zur Einführung, in: Die Zukunft der Arbeit der Automobilindustrie, hg. Ben Dankbaar, Ulrich Jürgens und Thomas Malsch, Berlin 1988. S. 13-31. S. 20.

[4] WELLHÖNER, Volker: „Wirtschaftswunder“ – Weltmarkt – westdeutscher Fordismus. Der Fall Volkswagen, Münster 1996. [Theorie und Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft; Bd. 12]. S. 55.

[5] Vgl. Ebd. S. 56.

[6] HIRSCH/ROTH. S. 52.

[7] Vgl. SCHERRER, Christoph: Im Bann des Fordismus. Die Auto- und Stahlindustrie der USA im internationalen Konkurrenzkampf, Berlin 1992. S. 140.

[8] SPRINGER, Roland: Rückkehr zum Taylorismus? Arbeitsmarktpolitik in der Automobilindustrie am Scheideweg, Frankfurt a. Main 1999. S. 57.

[9] Ebd. S. 157.

[10] Ebd. S. 137.

[11] Vgl. Ebd.

[12] Vgl. HIRSCH/ROTH. S. 80.

[13] SCHERRER. S. 155.

[14] Vgl. Ebd. S. 160.

[15] Ebd.

[16] Vgl. Ebd. S. 138.

[17] Vgl. HIRSCH/ROTH. S. 83.

[18] Vgl. DOMBOIS, Rainer; SENGENBERGER, Werner: Die Automobilarbeitergewerkschaft UAW und die Krise der US-Autoindustrie, in: Gewerkschaftliche Monatshefte 32 (1981) S. 485-496. S. 487-488.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Die tayloristisch-fordistische Arbeitsorganisation am Beispiel der Automobilindustrie seit den 1960er Jahren – ein überholtes Programm oder immer noch aktuell?
Hochschule
Technische Universität Darmstadt
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
16
Katalognummer
V172109
ISBN (eBook)
9783640918447
ISBN (Buch)
9783640918362
Dateigröße
530 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Technikgeschichte;, Taylorismus;, Fordismus;, sechziger Jahre;, Automobilindustrie;, Automobil
Arbeit zitieren
C. Köhne (Autor:in), 2008, Die tayloristisch-fordistische Arbeitsorganisation am Beispiel der Automobilindustrie seit den 1960er Jahren – ein überholtes Programm oder immer noch aktuell?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/172109

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