„Die Fahne der Einheit muß als leuchtendes Symbol in der politischen Aktion des werktätigen Volkes vorangetragen werden“ (Zentralausschuss der SPD 1945: 20).
Dieses Pathos war nicht etwa Teil einer manipulativen Einheitspropaganda der Kommunisten in der Sowjetischen Besatzungszone, sondern war Ausdruck einer sozialdemokratischen Bereitschaft zur Gründung einer Einheitspartei in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Die tatsächliche Vereinigung der beiden Parteien im April 1946 entsprach dann aber keineswegs dem Wunsch der SPD. Am Zwangscharakter der Vereinigung soll deshalb hier nicht gezweifelt werden. Allerdings lohnt es sich, zu untersuchen, wie es zu diesem Motivationswandel der Sozialdemokraten kam, der den Kommunisten schließlich keine andere Wahl ließ, als mit allen Mitteln die Fusion mit der SPD zu erreichen. Dies scheint umso wichtiger, da die SED-Gründung die erste einschneidende Veränderung im Parteiensystem der SBZ war (vgl. Weber 1996: 4), wodurch die führende Rolle der KPD nach marxistisch-leninistischem Vorbild durchgesetzt wurde (vgl. Maerker 1984: 747—748). Das Parteiensystem der SBZ differenzierte sich dadurch von jenem in den Westzonen. Das hatte auch Einfluss auf die Entwicklung des Parteiensystems im jeweils anderen deutschen Staat: „Die Entwicklung des jeweils anderen Staates war mithin eine Determinante oder doch ein Legitimationsmoment der Entwicklung der Staaten und damit auch der Parteiensysteme“ (Staritz 1976: 90). Vor diesem Hintergrund zeigt es sich als relevant, zu untersuchen, von welchen Motiven die an dieser Zäsur beteiligten Akteure geleitet wurden und wie es zur Umkehrung der Motive einer einheitsfreundlichen SPD und einer einheitsablehnenden KPD kam.
Im Rahmen einer Literaturauswertung wird folgender Fragestellung nachgegangen, zu deren Beantwortung Primär- und Sekundärtexte untersucht wurden:
Wie kam es zum Motivationswandel der KPD und der SPD hinsichtlich der Einheitsfrage in der SBZ?
Dabei wird davon ausgegangen, dass drei Faktoren den Motivationswandel bewirkten:
- Kräfteverhältnis der beiden Parteien
- Zweifel am Demokratiebekenntnis der KPD
- Einfluss der Alliierten.
Zugunsten einer genaueren Analyse werden sie getrennt voneinander dargestellt, auf eine wechselseitige Beeinflussung sei aber an dieser Stelle hingewiesen.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 1.1. Der Traum einer zwanglosen Einheit
- 1.2. Methodisches Vorgehen
- 2. Hauptteil
- 2.1. Keine Stunde Null: Der Historische Kontext
- 2.2. Die Frühen Motive
- 2.2.1. Kaderaufbau schlägt Einheitsgedanken: Die frühen Motive der KPD
- 2.2.2. Unterschiedliche Beweggründe, ein gemeinsamer Wunsch: Die frühen Motive der SPD
- 2.3. Momente des Umdenkens
- 2.3.1. Wandel im Kräfteverhältnis
- 2.3.2. Widerspruch zwischen Wort und Tat: Zweifel am Demokratiebekenntnis der KPD
- 2.3.3. Der Schatten Fultons: Einfluss der Alliierten
- 2.4. Die späten Motive
- 2.4.1. Einheitskampagne um jeden Preis: Die späten Motive der KPD
- 2.4.2. Zerrissen im vergeblichen Kampf um Selbstbestimmung: Die späten Motive der SPD
- 2.4.2.1. Eine Minderheit: Die Einheitsbefürworter
- 2.4.2.2. Der Zentralausschuss: Einheitsbefürworter gezwungener Maßen
- 2.4.2.3. Die Mehrheit: Einheitsgegner und innerparteiliche Opposition
- 3. Schluss
- 3.1. Fazit
- Die Rolle des Kräfteverhältnisses zwischen den beiden Parteien
- Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Demokratiebekenntnisses der KPD
- Der Einfluss der Alliierten auf die Entwicklung der Parteien
- Die Strategien und Taktiken der KPD zur Durchsetzung ihrer Vormachtstellung
- Die interne Spaltung der SPD und die unterschiedlichen Motive ihrer Mitglieder
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert den Motivationswandel der KPD und der SPD im Hinblick auf die Einheitsfrage in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie untersucht, welche Faktoren zu dieser Umkehrung der Motive führten, von einer einheitsfreundlichen SPD zu einer einheitsablehnenden KPD, und umgekehrt. Die Arbeit beleuchtet die historischen, politischen und ideologischen Faktoren, die den Verlauf dieses Prozesses prägten.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den historischen Kontext dar und beschreibt die Situation in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie zeigt die Bedeutung der Einheitsfrage für die Entwicklung des Parteiensystems in Ost- und Westdeutschland auf. Die Arbeit konzentriert sich auf die Analyse der Motive der beiden Parteien, insbesondere der KPD und der SPD, in Bezug auf die Einigung. Das zweite Kapitel befasst sich mit den frühen Motiven der KPD und der SPD. Es zeigt, wie die KPD ihren Einfluss in der SBZ etablierte und die SPD zunächst eine Einheitspartei befürwortete. Das dritte Kapitel analysiert die Momente des Umdenkens, die zu einem Wandel in den Motiven beider Parteien führten. Es beschreibt, wie die KPD durch ihre Taktiken Zweifel am Demokratiebekenntnis sowjetischer Besatzung und die wachsende Opposition innerhalb der SPD ihre Einheitspläne durchsetzte. Das vierte Kapitel befasst sich mit den späten Motiven der beiden Parteien. Es beleuchtet, wie die KPD ihre Einheitskampagne um jeden Preis vorantrieb, während sich die SPD in einem vergeblichen Kampf um Selbstbestimmung befand, der zu einer inneren Spaltung führte. Die Arbeit zeigt, wie die Einigung der KPD und der SPD zur Entstehung der SED führte, der ersten einschneidenden Veränderung des Parteiensystems in der SBZ. Die Arbeit endet mit einem Fazit, das die Ergebnisse zusammenfasst.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit dem Parteiensystem in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie untersucht die Motive der KPD und der SPD im Hinblick auf die Einheitsfrage und zeigt, wie diese sich im Laufe der Zeit entwickelten. Wichtige Themen sind die Rolle des Kräfteverhältnisses, Zweifel am Demokratiebekenntnis der KPD, der Einfluss der Alliierten, die Strategien und Taktiken der KPD zur Durchsetzung ihrer Vormachtstellung sowie die interne Spaltung der SPD und die unterschiedlichen Motive ihrer Mitglieder. Die Arbeit beleuchtet die Entwicklung des Parteiensystems in der SBZ und die Entstehung der SED, der ersten einschneidenden Veränderung des Parteiensystems.
- Arbeit zitieren
- Matthias Dilling (Autor:in), 2011, Motive im Wandel - Der Vereinigungsprozess von KPD und SPD in der Sowjetischen Besatzungszone, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/172183