Einsatz von Bayes-Schätzern im Portfoliomanagement


Diplomarbeit, 2008

71 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Symbolverzeichnis

1 Einleitung

2 Schätzfehler in der Portfolioselektion
2.1 Die Markowitz-Optimicrung ohne Schätzfchlcr
2.2 Ansätze zur Berücksichtigung von Schätzfchlcrn

3 Der Bayes-Stein-Ansatz von Jorion
3.1 Die Baycs-Statistik
3.2 Der Baycs-Stcin-Ansatz zur Portfoliosclcktion
3.2.1 Jarncs-Stcin-Schrumpfüng
3.2.2 Baycs-Stcin-Ansatz
3.3 Erwartungswert und Varianz im Baycs-Stcin-Ansatz von Jorion
3.3.1 Die Rechnung
3.3.2 Diskussion der Ergebnisse

4 Bayes-Stein Schätzer für linear zeitabhängige Renditen
4.1 Erwartungswert und Varianz
4.1.1 Der modifizierte Rechenansatz
4.1.2 Die Rechnung
4.1.3 Diskussion der Ergebnisse
4.2 Nichtlincarc Rcnditcschwankungcn

5 Out-Of-Sample-Studie
5.1 Die Schätzer
5.2 Ergebnisse

6 Zusammenfassung

A Umformungen zur Erwartungswert- und Varianzberechnung
A.l Umformungen zum Baycs-Stcin-Ansatz von Jorion

В Übersicht über die verwendeten Datensätze in der Out-of- Sample-Studie

Literaturverzeichnis

Tabellenverzeichnis

2.1 Portfoliosclcktionsvcrfahrcn zur Berücksichtigung von Schätz- fchlcrn

5.1 Sharpc-Maßc für verschiedene Schätzer und Datensätze ohne risikolose Anlage- und Verschuldungsmöglichkeit bei т = 25 Monate beziehungsweise т = 100 Tage

5.2 Sharpc-Maßc für verschiedene Schätzer und Datensätze ohne risikolose Anlage- und Verschuldungsmöglichkeit bei т = 50 Monate beziehungsweise т = 200 Tage

5.3 Sharpc-Maßc für verschiedene Schätzer und Datensätze mit risikoloser Anlage- und Verschuldungsmöglichkeit bei т = 25 Monate beziehungsweise т = 100 Tage

5.4 Sharpc-Maßc für verschiedene Schätzer und Datensätze mit risikoloser Anlage- und Verschuldungsmöglichkeit bei т = 50 Monate beziehungsweise т = 200 Tage

B.l Übersieht der verwendeten Datensätze

Abbildungsverzeichnis

2.1 Effizicnzlinic mit und ohne risikolosc Anlage- und Vcrschul- dungsmöglichkcit

2.2 Isopräfcrcnzlinicn zur Bestimmung des optimalen Portfolios

3.1 Vergleich der Varianzkorrcktur gegenüber dem Ergebnis von Jorion bei konstantem X

3.2 Vergleich der Varianzkorrcktur gegenüber dem Ergebnis von Jorion bei konstantem т

4.1 Vergleich des Schrumpf-Faktors bei konstanten und linear zeit­abhängigen Renditen bei konstantem X

4.2 Vergleich des Schrumpf-Faktors bei konstanten und linear zeit­abhängigen Renditen bei konstantem т

Symbolverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Kapitel 1 Einleitung

Die Theorie der Portfoliosclcktion wurde durch die Arbeiten von Markowitz1 revolutioniert. Der Ansatz von Markowitz beruht auf der Idee, dass Investo­ren abhängig von ihrer Risikocinstcllung ausschließlich auf Basis der erwar­teten Renditen und der Varianzen eines Investments über dessen Realisation entscheiden.

Da diese Rcnditcrnomcntc in der Regel nicht bekannt, müssen sic geeignet geschätzt werden. Dabei hat Stein2 die bemerkenswerte Tatsache bewiesen, dass cs, bei unbekannten Rcnditcrnorncntcn, einen besseren Schätzer gibt als den wahrscheinlichsten Wert für die zukünftige Rendite. Diese Erkenntnis hat entscheidende Auswirkungen auf die Portfoliooptirnicrung, da die Schätzfch- lcr bei den Rcnditccrwartungcn einen großen Einfluss auf die Portfoliosclck- tion haben3. Es konnte gezeigt werden, dass Markowitz-optirnierte Portfolios, die dies nicht berücksichtigen, im Vergleich zu Portfolios mit glcichgcwich- teten Investments in der Praxis kaum Pcrformanccvortcilc haben4. Daher ist cs eine große Herausforderung Verfahren zu entwickeln, welche Schätz- fchlcr in dem Optimicrungsprozcss berücksichtigen. Eines dieser Verfahren, der Baycs-Stcin-Schätzcr von Jorion5, welcher auf dem Theorem von Bayes beruht, ist das Thema dieser Arbeit. Dieser Schätzer gellt von zeitlich kon­stanten Renditen aus. Da jedoch sowohl konjunkturelle Einflüsse, als auch uritcrrichrncrisspczifischc Informationen die Erwartungswerte der Renditen beeinflussen6, ist cs nicht überraschend, dass cs starke Hinweise darauf gibt, dass Renditen zeitlich nicht konstant sind7. Daher wird in dieser Arbeit auf Basis des Baycs-Stcin-Schätzcrs ein neuer Schätzer entwickelt, der zeitabhän­gige Schwankungen von Renditen modelliert.

Zunächst wird im zweiten Kapitel die Markowitz-Optimicrung kurz erläu­tert und ein Überblick über die verschiedenen Verfahren zur Einbeziehung von Schätzfchlcrn in die Portfoliosclcktion gegeben. In dem dann folgenden Kapitel wird eines dieser Verfahren, nämlich der Bayes-Stein-Ansatz von Jori- on vorgcstcllt und die Resultate für den Rendite- und den Kovarianz-Schätzer nachgcrcchnct. Anschließend wird im vierten Abschnitt Jorions Ansatz um linear zeitabhängige Renditen erweitert. Im fünften Teil werden die mit dem Bayes-Ansatz berechneten Schätzer anhand einer Out-of-Sarnplc-Studic mit mehreren Datensätzen getestet und die Ergebnisse analysiert.

Kapitel 2 Schätzfehler in der Portfolioselektion

2.1 Die Markowitz-Optimierung ohne Schätzfehler

Markowitz hat eine einfache Entschcidungsrcgcl für die Portfoliosclcktion entwickelt. Er nimmt an, dass Investoren nur anhand der zukünftigen Ren­diteerwartungswerte ß und der Standardabweichungen a (oder äquivalent Varianzen a2), der verfügbaren Wertpapiere, ihre Portfolios optimieren.8 Ge­rechtfertigt kann diese Entschcidungsrcgcl damit werden, dass sich ein cr- wartungsnutzcnmaximicrcndcr Investor mit quadratischer Nutzenfünktion9, oder bei multivariat normalvcrtciltcn Renditen mit beliebiger (risikoaverser) Nutzenfünktion, gemäß dieser Regel verhält10. In dem Ansatz von Markowitz werden sowohl Transaktions- als auch Informationskosten vernachlässigt.

Zur Portfolioselektion bestimmt der Investor zunächst die Menge aller ß- a-effizienten Portfolios, im zweiten Schritt wird gemäß der Nutzenfunktion des Investors das optimale effiziente Portfolio bestimmt11. Ein Portfolio ist genau dann ß-a-effizient, wenn es kein anderes Portfolio mit gleicher Rendi­teerwartung und geringerer Varianz, oder gleicher Varianz und höherer Ren­diteerwartung gibt. Damit ergibt sich in einem ß-a-Diagramm die sogenann­te Effizienzlinie, als der geometrische Ort aller ß-a-effizienten Portfolios. Ein solches Diagramm ist qualitativ in Abbildung 2.1 dargcstcllt. Existiert zu­sätzlich eine risikolosc Anlage- und Vcrschuldurigsrnöglichkcit12, so ist die neue Effizicnzlinic die Tangente von dem Punkt der risikoloscn Anlage an die alte Effizicnzlinic. Gemäß dem Prinzip von Markowitz sind nur Kombi­nationen von Portfolios auf der Effizicnzlinic für die Invcstitionscntschcidung relevant. Alle anderen Portfolios, welche rechts oder unter der Effizicnzlinic liegen, müssen nicht weiter betrachtet werden.

Das optimale Portfolio hängt dann von der Nutzenfünktion des Investors ab. Hierzu wird die Isopräfcrcnzlinic mit dem höchsten Nutzen bestimmt, die die Effizicnzlinic gerade noch schneidet. Der Schnittpunkt zeigt dann das optimale Portfolio an. Dieser Sachverhalt ist in Abbildung 2.2 dargcstcllt.

Bei der bisher beschriebenen Hcrangchcnswcisc wird angenommen, dass die Rcnditcrnomcntc vollkommen bekannt sind. In der Realität ist dies je­doch selten der Fall. Vielmehr sind diese a priori unbekannt und müssen ge­eignet geschätzt werden. Dies wird in der Regel durch Annahme konstanter Renditen und Varianzen aus den historischen Daten mit Hilfe statistischer Verfahren durchgeführt. Da diese Schätzungen selbst mit Fehlern behaftet sind, wird die Effizicnzlinic zu einem Effizicnzintcrvall13. Es stellt sich damit das Problem, die Momente geeignet zu schätzen, sodass das entsprechen­de Portfolio auch unter Unsicherheit nach der Markowitz-Optimicrung gute Ergebnisse liefert. Solche Schätzungen können auf der einen Seite mittels sta­tistischer Verfahren aus historischen Renditen errechnet werden, oder aboi­es können Experten herangezogen werden um geeignete Prognosen abzuge- bcn14. Eventuelle Schätzfchlcr, welche durch solche Methoden unweigerlich auftreten, sollten in die Invcstitionscntschcidung cinbczogcn werden. Dies ist insbesondere deswegen so entscheidend, da die Markowitz-Optimicrung sehr sensitiv auf Änderung der Prognosen reagiert und Schätzfchlcr damit zu ex­tremen Gewichtungen führen können, die vorn Optimum stark abweichend15

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.2: Isopräferenzlinien zur Bestimmung des optimalen Portfolios

Schon früh sind dabei James und Stein16 zu der, auf den ersten Blick, überraschenden Erkenntnis gekommen, dass der statistisch wahrscheinlichste Wert, stets ein schlechterer Schätzer17 für die zukünftigen Renditen ist, als einer, der einen zusätzlichen diversifizierten Anteil enthält. Der Grund ist, dass Schätzfchlcr umso größer sind, je größer die Varianz eines Wertpapiers ist. Daher führt die Berücksichtigung dieser Schätzfchlcr zu der Tendenz, das Risiko des Portfolios zu reduzieren.

2.2 Ansätze zur Berücksichtigung von Schätzfehlern

Die Verfahren zur Berücksichtigung von Schätzfchlcrn können in drei Ansätze klassifiziert werden18. Eine Übersieht ist in Tabelle 2.1 dargcstcllt.

Bei der erste Klasse der heuristischen Ansätze werden einfache Regeln cin- geführt, welche die Portfoliosclcktion beschränken. Diese können zum Beispiel Restriktionen der Gewichte von einzelnen Investments sein. Damit wird er­reicht dass der Diversifikationsgrad erhöht wird, wodurch sich wiederum das Schätzrisiko verkleinert. Zu dieser Klasse gehört auch die sogenannte Naive Diversifizierung, bei der alle Wertpapiere gleich gewichtet werden. Grund­sätzlich stellt sich allerdings die Frage, wie die Restriktionen zu wählen sind. Da diese das Portfolio oft zu einem großen Teil vorab fcstlcgcn19, verlagert sich die Portfoliosclcktion somit nur auf die geeignete Wahl der Restriktio­nen. In der Praxis kann dies dazu führen, dass diese subjektiv gerade so gewählt werden, dass das erwünschte Portfolio erreicht wird20. Damit wird ein Umweg über die Restriktionen überflüssig und eine nachvollziehbare und konsistente Berücksichtigung der Schätzfchlcr ist nicht mehr gegeben.

Eine weitere heuristische Möglichkeit den Diversifikationsgrad zu erhöhen, ist die Veränderung des Risikoaversionsparameters21. Es kann hier jedoch ge­zeigt werden, dass diese Methode zu Ergebnissen führt, ähnlich denjenigen der Bayes-Ansätze22, welche weiter unten erläutert werden. Dort führt eine konsistente Behandlung von Schätzfchlcrri ebenfalls zu einer (quantifizierba­ren) Erhöhurig des Risikoaversionsparameters. Daher ist der Bayes-Ansatz in diesem Fall vorzuzichcn.

Ein dritter heuristischer Ansatz sind die sogenannten ’Resampled Effi­ciencies’23. Hierbei werden zunächst mittels Montc-Carlo-Simulationcn vie­le Portfolios bestimmt, welche mit den historischen Daten unter Annahme normalvcrtciltcr Renditen konsistent sind. Für jedes dieser Portfolios wird die Effizicnzlinic im Sinne der oben beschriebenen Markowitz-Optimicrung bestimmt, und anschließend wird über alle Ergebnisse gemittelt. Aus der so entstandene ’Resampled Efficiency’ wird schließlich das optimale Portfolio be­stimmt. Das Ergebnis weist erneut einen höheren Diversifikationsgrad auf als das klassische Markowitz-Portfolio. Der Vorteil dieses Verfahrens gegenüber den anderen heuristischen Ansätzen ist, dass ausschließlich auf historische Daten zurückgegriffen wird und damit keine subjektiven Pararnctcranpas- sungen nötig sind.

Die zweite Klasse der Ansätze, welche Schätzfchlcr berücksichtigen, beruht auf statistischen Methoden und insbesondere dem Theorem von Bayes. Diese Ansätze benötigt ähnlich zu den ’Resampled Efficiencies’ keine ’künstlichen’ Beschränkungen. Stattdessen werden Entscheidungen ausschließlich auf Basis der vorhandenen Daten und einer angenommenen А-Priori- Verteilung getrof­fen. Die Idee hinter diesen Ansätzen ist, dass die bedingte Wahrscheinlichkeit des Auftretens von unbekannten Größen mittels des Bayes-Theorerns umge­formt wird. Anschließend wird über die unbekannten Größen integriert, so- dass ausschließlich deren А-Priori-Verteilung vorgegeben werden muss. Diese Ansätze sind daher vorn theoretischen Standpunkt her sehr interessant und bilden den Schwerpunkt dieser Arbeit. Eine genauere Beschreibung des Vor­gehens bei den Bayes-Ansätzen wird im nächsten Abschnitt gegeben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2.1: Portfolioselektionsverfahren zur Berücksichtigung von Schätzfehleru

Die vorhandenen Arbeiten auf diesem Gebiet können im Wesentlichen nach stationären und zeitabhängigen Ansätzen und nach der gewählten A-Priori- Vcrtcilung (und damit dem Schrumpfzicl24 ) unterschieden werden. Bei den stationären Ansätzen kann die А-Priori-Verteilung zum Einen diffus sein, das heißt der Erwartungswert kann verschiedene Werte annchmcn, die alle die gleiche konstante Wahrscheinlichkeit haben25. Zum Anderen kann ein in­formativer Prior gewählt werden. Jorion wählt beispielsweise einen statistisch motivierten Prior, nämlich eine Normalvcrtcilung um den historischen Grand Mean, dem Mittelwert der einzelnen Rcnditcmittclwcrtc, mit der historischen Varianz, welche mit einem zusätzlichen Parameter multipliziert wird26. Ein anderes Beispiel ist der ökonomisch motivierte Prior von Pastor27 ', der von dem Capital Asset Pricing Model (САРМ) ausgeht und im Prior die entspre­chenden Parameter a und ß des Modells berücksichtigt. Je nach gewählter А-Priori-Verteilung wird das optimale Portfolio an das Minimum-Varianz­Portfolio (Jorions Prior)28 oder an das Marktportfolio (bei Pastors Prior) geschrumpft. Bei dein diffusen Prior entspricht der Rendite-Schätzer dein arithmetischen Mittel, lediglich der Schätzer für die Varianz weicht von dein Maxirnurn-Likclihood-Schätzcr ab.

Bei den zeitabhängigen Ansätzen wird die Stationaritätsbcschränkung auf­gehoben. Hierzu werden im Ansatz von Black und Litterman externe Parame­ter, sogenannte Instrumentalvariablen29, verwendet um die Zeitabhängigkeit von Renditen zu generieren30. Der Einfluss der Iiistrumcntalvariablcn wird dabei mittels historischer Daten linear auf die Renditen regressiert. Die Rc- grcssioriskocffizicritcri werden dann mit dein Bayes-Verfahrens ausintegriert.

Ähnlich verfahren auch Campbell, Viccira und Chan31. Die Problematik bei diesen Ansätzen ist, dass in der Regel die Instrurncntalvariablcn nur für ver­gangene Zeitpunkte bekannt sind, somit verlagert sich das Problem auf die Schätzung dieser Parameter. Außerdem ist deren Wahl für die Invcstitions- cntschcidung entscheidend, das heißt eine andere Wahl liefert andere optimale Portfolios. Nicht zuletzt wird der Datcnbcscliaffüngsaufwand deutlich größer und wächst mit der Anzahl der berücksichtigten Instrurncntalvariablcn.

In dieser Arbeit wird im dritten Kapitel ein einfacher Ansatz vorgcschla- gen, der zeitabhängige Renditen berücksichtigt, ohne dabei auf externe Pa­rameter zurückgreifen zu müssen. Dazu wird angenommen, dass der Ren- ditccrwartungswcrt sich konstant in der Zeit verändern kann. Die entspre­chende Steigung der einzelnen Renditen wird erneut ausintegriert, somit also konsistent aus den Daten ermittelt. Die übrigen Annahmen dieses Ansatzes cnsprcchcn denjenigen des Bayes-Stein-Ansatzes von Jorion, daher wird er im Folgenden als zeitabhängiger Bayes-Stein-Ansatz bezeichnet.

Schließlich kombiniert eine dritte Klasse von Methoden zur Berücksichti­gung von Schätzfchlcrn verschiedene Portfolios. In dem ’Thrcc-Fund’-Modcll von Kan und Zhou32 werden beispielsweise drei Anlagen, die risikolosc An­lage, das Tangcntialportfolio, sowie das Minimum-Varianz-Portfolio betrach­tet. Unter der Bedingung der Maximierung des erwarteten Nutzens für den Investor werden die optimalen Anteile der drei Portfolios bestimmt.

Das ’Multi-Prior’-Modell von Garlappi, Uppal und Wang33 benutzt nicht mehr nur eine einzige А-Priori-Verteilung, sondern berücksichtigt ein Konfi­denzintervall mit mehreren Verteilungen. Anschließend wird die Unsicherheit bezüglich des gewählten Modells, also der А-Priori-Verteilung, minimiert.

Zum Testen der verschiedenen Ansätze haben sich Out-of-Samplc-Studicn bewährt. In diesen werden historische Daten bis zu einem bestimmten Zeit­punkt benutzt, um die Renditen der darauf folgenden Zeitpunkte zu schät­zen. Diese können dann mit den tatsächlich realisierten Renditen verglichen werden. Alternativ können auch simulierte Daten verwendet werden. Das Ergebnis der Portfolios wird dann mit demjenigen verglichen, welches un­ter Kenntnis der wahren wahren Rcnditcrnorncntcn optimiert worden wäre. Die Portfolios derjenigen Ansätze, welche schließlich die beste Performance (hinsichtlich Rendite und Varianz) vorweisen sind zu bevorzugen. Zur Per- fomianccmcssung bietet sich hierbei das Sharpe-Maß an. Das Sharpe-Maß bezeichnet die Überrendite gegenüber der risikoloscn Anlage pro cingcgangc- nern Risiko. Je höher das Sharpe-Maß eines Portfolios, umso besser wird cs bewertet. Ein weiterer wichtiger Punkt, welcher die Performance des Port­folios beeinflusst ist die durchschnittliche Anzahl der Transaktionen welche nötig sind, um das Portfolio in jedem Schritt anzupassen. Hier ist cs wün­schenswert, die Höhe der Transaktionen möglichst gering zu halten.

Es sind eine Vielzahl solcher Studien durchgeführt worden34. Diese kom­men teilweise zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Während Jorion, Cho­pra / Hcnscl / Turner sowie Herold eine Überlegenheit der Bayes-Stein Schät­zer gegenüber den Maxirnurn-Likclihood-Schätzcrri fcststcllcn, sehen Flet­cher, Grauer / Hakansson sowie De Miguel / Garlappi / Uppal keine Ver­besserung gegenüber den Verfahren ohne Berücksichtigung der Schätzfchlcr. De Miguel / Garlappi / Uppal sehen sogar eine Überlegenheit des naiv di­versifizierten Portfolios. Übereinstimmend können jedoch bei den Bayes-Stein Schätzern geringere Transaktionskosten fcstgcstcllt werden. Da alle diese Stu­dien mit Monatsrenditen durchgeführt wurden, ist die jeweilige Datenbasis recht klein. Dies kann dazu führen, dass die Ergebnisse so unterschiedlich ausfallcn. In dieser Arbeit wird daher im letzten Teil eine Studie präsentiert, die neben den Monatsrenditen auch Tagesrenditen benutzt.

Kapitel 3 Der Bayes-Stein-Ansatz von Jorion

In der Portfoliooptimicrung werden oft die historischen Renditen als Schätzer für die zukünftigen Renditen verwendet. Die Idee hinter dein Bayes-Stein- Ansatz ist, mit Hilfe des Bayes-Theorerns, die Wahrscheinlichkeitsdichte für eine Rendite ß bei Beobachtung der historischen Daten zu bestimmen. Diese Wahrscheinlichkeitsdichte wird dann mit der Wahrscheinlichkeitsdichte der zukünftigen Renditen bei Vorlicgcn der tatsächlichen Renditen gefaltet, das heißt, die unbekannte Größe wird ausintegriert. Im ersten Abschnitt die­ses Kapitels werden zunächst die Grundlagen der Bayes-Statistik beschrie­ben und die relevanten Gleichungen cingcführt. Diese werden im nächsten Abschnitt anhand eines geeigneten Modells angewendet, um den Effekt der Rcnditcunsichcrhcit auf die Portfoliooptimicrung zu quantifizieren. Die not­wendigen Modcliarmahrncri werden erläutert. Im letzten Abschnitt werden schließlich die daraus folgenden Ergebnisse für den Erwartungswert- und für die Kovarianz-Schätzer bestimmt und die Implikationen diskutiert.

3.1 Die Bayes-Statistik

Die Idee der Bayes-Statistik zur Berücksichtigung von Schätzfchlcrn beruht auf dein von Thomas Bayes35 gefundenen Theorem:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Hierbei ist p(a | b) die Wahrscheinlichkeit für Ereignis a unter der Bedingung dass b eingetreten ist, p(b | a) die entsprechende umgekehrte bedingte Wahr schcinlichkcit, und p(a) und p(b) sind die А-Priori-Wahrscheinlichkeiten für die Ereignisse a beziehungsweise b.

Betrachtet wird jetzt eine Menge von Datenpunkten yt zu verschiedenen Zeiten t. Diese soll hier normalverteilt um den unbekannten Erwartungswert ß mit der bekannten Varianz a sein. Das heißt, es existiert ein ’intrinsischer’ Erwartungswert, der aber nicht notwendigerweise mit dem tatsächlichen Mit­telwert der Datenreihe, also 1/tET=i yt, übereinstimmt, da es sich bei den Datenpunkten um (normalvcrtciltc) Zufallszahlcn handelt. Nur im Grenz­wert für unendlich viele Datenpunkte ist das arithmetische Mittel, welches hier der Maximum-Likclihood-Schätzcr36 ist, auch die ’intrinsische’ Rendite. Die Varianz soll hier als bekannt vorausgesetzt werden. Im Prinzip ist diese Annahme nicht nötig, cs können beliebig viele unbekannte Größen auftreten, die dann aber analog zu dem Fall einer Unbekannten behandelt werden müs­sen. Vereinfachend wird deswegen hier nur der Erwartungswert als unbekannt angenommen. Darm kann mit Hilfe des Bayes-Theorerns die Wahrscheinlich­keit für einen Erwartungswert ß bestimmt werden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Datenpunkt yt auftritt unter der Bedingung dass der Erwartungswert gleich ß ist, wird Likelihood-Funktion genannt, und wird im Rahmen dieser Arbeit als normalverteilt angenommen. Die A-Priori- Verteilung p(ß) kann gemäß den bekannten Informationen gewählt werden und ist eine Annahme des jeweiligen Modells. Die Verteilung p(ß) im Zähler von Gleichung (3.2) ist unabhängig von ß und bestimmt nur die Normierung der Wahrscheinlichkeitsverteilung. Im Folgenden werden solche Konstanten weggelassen, dafür wird das Proportionalitätszeichen o benutzt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In der Portfoliosclcktion ist man interessiert an der zukünftigen Verteilung der Renditen r bei bekannten historischen Verteilungen. Diese kann nun durch Ausintegration des unbekannten hritririsichciť Erwartungswert bestimmt werden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Es wird also das mit der Auftrittswahrschcirihchkcit gewichtete Integral über die Wahrscheinlichkeitsdichte der zukünftigen Renditen bestimmt. Damit wird die Rcnditcunsichcrhcit ausintegriert. Das Ergebnis ist unabhängig von den unbekannten Momenten und hängt, wie gewünscht, nur noch von den bekannten historischen Daten ab. Das Verfahren kann für alle unbekannten Größen durchgeführt werden, also insbesondere alle Parameter des gewähl­ten Modells. Im Folgenden wird das Modell von Jorion37, der sogenannte Baycs-Stcin-Ansatz vorgcstcllt und diskutiert.

3.2 Der Bayes-Stein-Ansatz zur Portfolioselektion

Das Ziel des Baycs-Stcin-Ansatzes ist die Einbeziehung der Unsicherheit bei der Rcnditccrwartung in den Portfoliosclcktionsprozcss bei Annahme einer bekannten Kovarianz-Matrix E vorherigen Abschnitts. Dazu muss beachtet werden, dass cs sich hierbei nicht um die Schätzung der einzelnen Wcrtpapicrrcnditcn handelt. Vielmehr gellt cs darum, die Rendite des gesamten Portfolios zu optimieren. Bei der Schät­zung einzelner (konstanter) Renditen wäre der Mittelwert der historischen Renditen, also der Maximum-Likclihood-Schätzcr, optimal. Stein hat schi­fimi! erkannt, dass dieser für die Optimierung der Renditen des Gesamtport­folios nicht mehr optimal ist38. Stattdcsscn wird der sogenannte Jarncs-Stciri- Schätzcr39 cingcführt. Im Folgenden wird zunächst die Argumentation von Stein erläutert, anschließend werden die darauf aufbauenden Überlegungen des Baycs-Stcin-Ansatzcs von Jorion beschrieben.

3.2.1 James-Stein-Schmmpfung

Im Ansatz von Markowitz wird, wie in der Einleitung beschrieben, der Er­wartungsnutzen maximiert. Dies geschieht unter der Annahme bekannter Renditemomente. Ein so erzielter Nutzen sei Fmax. Da in Wirklichkeit die Rcnditcrnomcntc nicht bekannt sind und geschätzt werden müssen, können diese von den wahren Momenten abwcichcn. Da die Maximierung somit un­ter Umständen unter einer ’falschen’ Annahme durchgeführt wurde, wird der tatsächlich realisierte Nutzen F von dem maximalen Nutzen abweichen40. Diese Abweichung wird als Vcrlustfunktion

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

definiert. Den besten Schätzer für die Portfoliorendite erhält man damit ge­nau dann, wenn die Vcrlustfunktion minimiert wird. Es kann gezeigt wer­den41, dass bei quadratischer Vcrlustfunktion42 die Schätzung der Rendite von N Wertpapieren und historischen Daten von т Zeitpunkten mit dem J amcs-Stcin-Schätzcr43:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

mit dein Schrumpf-Schätzer und 0 < c < 2(N — 3) immer zu einem geringeren Verlust44 führt als der einfache Mittelwert Y- Dabei kann Y0 einen beliebigen Wert annehmen.

[...]


1 Markowitz (1952), Markowitz (1959).

2 Stein (1955), S.197 ff.

3 "Frankfurter et al. (1971), S. 1261, Dickinson (1974), S.460, Jobson / Korkie (1980), S. 553.

4 Bloomfield et al. (1977), S. 214, .Jobson / Korkie (1981), S. 70, DeMiguel et al. (2007), S. 33.

5 Jorion (1986).

6 Fama / Schwert (1977), S. 144, Hansen / Singleton (1983), S. 264, Campbell (1987), S. 374 ff.

7 Die Profitabilität von Momentum-Strategien kann beispielsweise mit zeitlichen Renditeschwankungen erklärt werden, siehe Berk et al. (1999), S. 1588, Chordia / Shivakumar (2002), S. 1012.

8 Markowitz (1952), S. 79.

9 Entsprechend ist der Ansatz auch bei beliebiger Nutzenfunktion in quadratischer Näherung plausibel.

10 Breuer et al. (2004), S.142.

11 Für eine detaillierte Übersicht wird auf Breuer et al. (2004), S. 137 ff verwiesen.

12 Hier wird nur der Fall gezeigt, dass die risikolose Rendite kleiner ist als die Rendite des Minimum­Varianz-Portfolios. Ähnliche Überlegungen gelten aber auch für den allgemeinen Fall.

13 Herold (2004), S. 5.

14 Expertenprognosen haben allerdings das grundsätzliche Problem, dass die Schätzung der zukünftigen Renditen nur auf die Experten verlagert wird.

15 DeMiguel et al. (2007), S. 5.

16 stem (1955), .James / Stein (1961).

17 Der Begriff 'schlechter1 bezieht sich hier auf die Rendite des Portfolios nach der Markowitz­Optimierung und wird in Abschnitt 3.2.1 genauer quantifiziert.

18 Herold (2004), S. 11, DeMiguel et al. (2007), S. 2.

19 Herold (2004), S. 127.

20 Banz (1997), S. 389, Grauer / Shen (2000), S. 1255 ff, Herold (2004), S. 127.

21 Horst et al. (2006).

22 Herold (2004) S. 148 f.

23 Michaud (1998).

24 Das Ergebnis für die verschiedenen Rendite-Schätzer lässt sich meist aus einer Linearkombination von arithmetischem Mittel und einer zusätzlichen Komponente beschrieben. Diese wird im Folgenden als das Schrumpfziel bezeichnet.

25 Barry (1974), S. 516, Klein / Bawa (1976), S. 218 f.

26 (i.Jorion (1986) S. 285.

27 Pastor (2000), siehe auch Pastor / Stambaugh (1999), Pastor / Stambaugh (2000).

28 Da dieser Schätzer damit demjenigen von .James und Stein entspricht, wird der Schätzer Bayes-Stein- Schätzer genannt.

29 Da diese auch subjektive Größen, wie beispielsweise Analysteneinschätzungen, umfassen, wird der die А-Priori-Verteilung in Tabelle 2.1 als ’subjektiver Prior’ bezeichnet.

30 Black / Litterman (1992).

31 Campbell / Viciera (1999), Campbell et al. (2003).

32 Kan / Zhou (2007).

33 Garlappi et al. (2007).

34 Out-of-Sample-Studien, welche insbesondere den Bayes-Stein-Schätzer berücksichtigen finden sich beispielsweise in .Jorion (1985), S. 270 ff, .Jorion (1986), S. 286 ff, .Jorion (1991), S. 722 ff, Chopra et al. (1993), S. 848 ff, Grauer / Hakansson (1995), S. 42 ff, Fletcher (1997), S. 137 ff, Herold (2004), S. 158 ff, DeMiguel et al. (2007), S. 16 ff.

35 Bayes (1763).

36 (Der Maximum-Likelihood-Schätzer ist der wahrscheinlichste Wert für die zukünftige Rendite.

37.Jorion (1986).

38 Stein (1955), S. 200.

39.James / Stein (1961), S. 363.

40 Vgl. Jorion (1986), S. 282.

41.James / Stein (1961), S. 362 ff, Efron / Morris (1973), S. 121 ff, Efron / Morris (1976), S. 11 ff.

42 Eine Verallgemeinerung auf andere Verlustfunktionen unter gewissen Bedingungen ist in Brown (1966), Brown (1975) und Brown (1979) gezeigt worden.

43 Hier wird die verallgemeinerte Form von .Jorion (1986), S. 283 angegeben, wobei die im Symbolver­zeichnis beschriebene Vektorschreibweise benutzt wird.

44 In Efron / Morris (1977) wurde gezeigt, dass c=N-3 bei dieser Form die Verlustfunktion minimiert.

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Details

Titel
Einsatz von Bayes-Schätzern im Portfoliomanagement
Hochschule
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
71
Katalognummer
V172493
ISBN (eBook)
9783640925377
ISBN (Buch)
9783640925322
Dateigröße
3736 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bayes-Stein, Markowitz, Portfoliooptimierung, Asset Allocation, Schätzfehler, Out-of-Sample
Arbeit zitieren
Kurt Schuller (Autor:in), 2008, Einsatz von Bayes-Schätzern im Portfoliomanagement, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/172493

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